Planlos lief ich durch die Straßen. Die wolkenlose Nacht ließ es zu, dass der Mond und die Sterne in der Dunkelheit glitzerten. Die Kälte betäubte meine Glieder, aber nicht meinen Schmerz. Der pochte weiterhin in meinem Herz und raste durch meinen gesamten Körper. Ich wusste nicht, was mich mehr verletzte und wütend machte.
Das Lily lieber mit anderen Leute raus ging, anstatt mal mit mir einige Stunden zu verbringen oder der blonde, gutaussehende Mann, der Lily dauernd verliebt anstarrte?
Sie hätte mir doch sagen können, dass sie gerne mal mit ihren Kommilitonen etwas unternehmen möchte. Ich hätte kein Problem damit gehabt und wäre damit einverstanden gewesen. Warum ist sie nicht einfach zu mir gekommen? Sie hätte doch offen mit mir sprechen können und wir hätten dann eine Lösung für all unsere Probleme gefunden, aber dass sie nicht zu mir gekommen ist und mich die letzten Wochen nur abserviert hatte, verletzte mich sehr. Hinzu kommt noch der blonde Typ von der Uni. Ich stritt nicht ab, dass ich eifersüchtig war. Vielleicht hatte ich die Situation auch falsch eingeschätzt, aber ich hatte einfach Angst, sie zu verlieren.
„Ethan!“, hörte ich mir eine bekannte Stimme und drehte mich um. Ich sah den roten Jeep von Owen, der neben mir anhielt. Auf dem Beifahrersitz sah ich Lily, die mich verzweifelt anschaute. Ich drehte meinen Kopf weg und wollte weiter gehen, als Owen unmittelbar vor mir stand.
„Du kommst jetzt mit“, erwiderte er streng, aber auch ein Hauch von Besorgnis lag in seiner Stimme.
„Ich komme nicht mit“, erklärte ich bestimmt und wollte gehen, aber er hielt mich zurück.
„Nein, du kommst jetzt mit, ob du willst oder nicht“, entgegnete er wieder streng.
„Muss das sein? Ich wollte eigentlich nach Hause gehen“
„Ja, das muss sein!“, knirschte er durch die Zähne und öffnete die Tür zum Beifahrersitz. Ich schaute wieder zu Lily hinüber, die ein wenig Platz gemacht hatte. Ich seufzte und setzte mich widerwillig neben sie.
„Du Sturkopf!“, flüsterte Owen mir zu, schloss die Tür und ging dann rüber, um sich hinter das Steuer zu setzen. Während die ganze Fahrt über, sprach niemand ein Wort. Ich spürte immer wieder Lilys Blicke, aber ich versuchte, sie zu ignorieren und schaute somit die ganze Zeit aus dem Fenster, auch wenn es mir teilweise schwer viel.
„So, wir sind da“, erklärte Owen und parkte das Auto auf dem vorhandenen Parkplatz. Nachdem ich ausgestiegen war, stieg auch Lily aus. Ich folgte Owen und betrat das Haus, das ich auch wenige Stunden vorher betreten hatte. Als Owen die Treppe raufging, blieb ich verdutzt stehen: „Gehen wir nicht ins Wohnzimmer?“
„Nein, ihr kommt mit hoch“, befahl der Chef des Hauses und verwirrt folgte ich ihm. Als wir oben ankamen, öffnete er die Tür zu Lilys Schlafzimmer.
„Da rein!“, erklärte er kurz angebunden und scheuchte uns in das Zimmer.
Dann schloss er hinter uns die Tür ab.
„Ihr bleibt jetzt solange da drin, bis dass ihr eure Probleme geklärt habt“, ertönte seine Stimme dumpf durch die Tür, „Ich warte hier vor der Tür und sobald alles geregelt ist, könnt ihr mich ja rufen“
Da protestieren sinnlos war, setzte ich mich auf den kleinen, blauen Sofa von Lily. Sie tat es mir gleich und setzte sich neben mir.
„Ethan …“, begann sie, doch ihre Stimme brach ab. Ich schaute sie aus dem Blickwinkel an und sah, wie ihr Kopf gesenkt war und ihre Schultern nach unten hingen. Obwohl ich so verletzt und enttäuscht von ihr war, brach es mir das Herz, sie so zu sehen.
„Was ist?“, gab ich zurück und schaute sie an. Sie sah mich mit ihren großen Rehaugen traurig an.
„Es … es tut mir leid“, erklärte sie und Tränen liefen über ihr hübsches Gesicht.
Ich hätte sie am liebsten im Arm genommen, doch ich tat es nicht und schwieg.
„Ich wollte dich nicht verletzen oder kränken“, erwiderte sie und schluchzte laut auf. Die Tränen vermischten sich mit ihrer Schminke und verschmierten ihr Gesicht.
„Wieso hast du mich all die Male abserviert? Bin ich dir nicht mehr wichtig?“, fragte ich mit ruhiger Stimme und ich merkte, wie Panik in mir aufstieg.
„Doch, du bist mir wichtig, sehr sogar“, entgegnete sie mit fester Stimme und schaute mir tief in die Augen, „Aber du weißt doch, dass ich im Moment so viel für die Uni zutun habe“
„Lily, kein Student arbeitet so viel für die Uni, wie du es tust. Ich habe Verständnis dafür, dass du dir in wenigen Jahren deinen Traum erfüllen willst und du somit hart daran arbeitest, aber kann es sein, dass du nicht ein wenig übertreibst?“
„Du bist also dagegen, dass ich meinen Traum erfüllen möchte?“, entgegnete sie verletzt.
„Nein, ich bin nicht dagegen. Ich bewundere dich sogar, dass du so hart daran arbeitest und habe den größten Respekt davor, aber ich finde, du übertreibst ein wenig. Du hängst Tag und Nacht vor den Lernbüchern, aber das Leben besteht nicht nur aus Lernen und Arbeiten. Was ist mit deiner Familie und deinen Freunden? Was ist mit mir? Zählt es nicht im Leben, sich mal ein bisschen Freizeit zu gönnen und etwas mit seinen Liebsten zu unternehmen?“
„Doch, natürlich zählt das …“, erwiderte sie und unterbrach sich selber. Ich bemusterte sie und ihr Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie überlegte. Ich ließ ihr die Zeit und wartete geduldig.
„Durch meinen Ehrgeiz und meinem Perfektionismus habe ich wohl doch ein wenig übertrieben, oder?“, erwiderte sie und brach die kurze Pause. Ich nickte nur darauf.
„Ich habe dich wohl sehr vernachlässigt in den letzten Wochen, nicht wahr?“
„Ja, das hast du“, entgegnete ich ruhig.
„Es tut mir leid, Ethan. Ich wollte das nicht“, entgegnete sie und schluchzte. Ich nahm sie im Arm und tröstete sie.
„Was hälst du davon, dass wir uns nur am Wochenende sehen, damit jeder in der Woche genügend Zeit, zum Lernen hat und am Wochenende können wir ja dann zusammen lernen und etwas unternehmen“, schlug ich ihr vor.
„Ja, so machen wir das“, erwiderte sie.
„Gut und was ist mit … dem blonden Mann?“, fragte ich und ich spürte, wie die Eifersucht und die Panik durch meinen Körper strömten.
„Du meinst David?“, fragte sie und grinste mich an.
„Was grinst du so? Ich finde das gar nicht witzig“, erwiderte ich mürrisch.
„Du brauchst keine Angst zu haben. David ist vergeben und ich liebe nur dich, auch wenn ich es in den letzten Wochen nicht so sehr gezeigt habe“, entgegnete sie sanft und schaute mich verliebt an.
„Aber er hat dich so verliebt angeschaut“, sagte ich.
„Ethan, er hat so verliebt geschaut, weil er von seiner Freundin gesprochen hatte. Das hat gar nichts mit mir zutun, glaub mir“
„Es tut mir leid, dass ich eben so eifersüchtig war“, erwiderte ich.
„Weißt du was? Wir vergessen den Zwischenfall und arbeiten an uns und an unsere Beziehung, damit uns sowas Blödes nicht mehr passiert, okay?“
„Einverstanden“, erwiderte ich und küsste sie voller Leidenschaft. Mir war es peinlich, dass ich so beleidigt reagiert hatte und auch Lily war sich ihren Fehlern bewusst, aber nun war ich glücklich, dass unsere Probleme aus der Welt waren und ich war mir sicher, dass, wenn wir beide fest an uns und unsere Beziehung arbeiten, dass alles wieder so wie früher werden kann.
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