- Folge 2: Jakob Winter – der moderne, problembelastete Architekt –
Das Gute an der Innenstadt ist, dass man alles sofort um die Ecke hat. Ob es nun der Postbote ist, das Büro oder der Hausarzt, dem man seine Syphiliserkrankung beichten kann. Alles kann auf der Stelle erledigt werden. Nachteile sind der Lärm, Obdachlose, die man schlafend im Vorgarten findet und die absolut überteuerten Grundstückpreise.
Alles jedoch kein Problem für Jakob Winter. Odachlosen hilft er indem er die städtische Notunterkunft unterstützt, den Lärm hält er sich durch Schallisolierte Fenster und einem Arrangement mit dem Straßenbauamt vom Leib. Durch seine Kontakte konnte er eine 20er-Zone aus seiner Straße werden lassen.
Ja, der erfolgreiche Architekt war mit seinem Leben vollkommen zufrieden. Er hatte alles, was er immer haben wollte: Ein schönes Heim (Bauhaus-Stil), einen Hund (Beagle) und eine hübsche Frau (Nichtraucherin).
Das war vor einem Jahr. Heute sieht die Welt ganz anders aus…
Das schlimmste war eingetreten, was er sich jemals hatte denken können. Es war so schlimm, dass er es einfach nicht ertragen konnte. Nein, es war nicht sein Lieblingskugelschreiber, dessen Mine mal wieder leer war, nein, es war ein Todesfall.
„Wieso nur? Wieso, Marie? Sag es mir! Ich verstehe es nicht! Alles war doch so schön!“
Jakob weinte nun schon zehn Minuten über dem Grab. Auch wenn er jeden Tag herkam, so konnte er noch immer nicht ganz fassen, dass sie von ihm gegangen war. Sie hatten doch eine so schöne Zeit gemeinsam verbracht. Der Sommer am See, der Winter in den Bergen. Warum hatte sie das tun müssen? Hatte er nicht gut für sie gesorgt? Bekam sie zu wenig Liebe von ihm? Sie war doch sein ein und alles!
„Du blödes Vieh! Warum bist du tot??? WARUM??? Scheiß Hund! … tut mir leid, Marie… aber mein Psychologe hat gesagt, dass ich noch nicht so weit bin dir zu vergeben. Aber verdammt, welcher Hund ist so blöd und springt in die Müllpresse???“
„Herr winter… Hallo, Herr Winter.“ Eine junge Dame fängt Jakob beim Verlassen des Friedhofs ab und schaut ihn mit ihren rosa Wangen lächelnd an.
„Was ist, Blair? Wenn es um euer Haus geht, kannst du deinen Eltern sagen, dass ich daran arbeite.“
„Aber nein, darum geht es doch nicht, Herr Winter. Ich wollte mit Ihnen über Sie reden…“ Blair setzte ein verführerisches Grinsen auf und strich sich zärtlich über ihre Brust.
„Äh… worum geht es… denn…“
„Ach, Herr Winter. Sie sollten nicht so ein Gesicht ziehen. Nur weil ihre Frau sie verlassen hat. Sie ist eine Idiotin. Marie hat Ihnen viel bedeutet, nur weil sie dafür kein Verständnis hat, müssen Sie jetzt nicht leiden.“
Jakob schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, Blair. Du … du bist doch noch ein Teenager.“
Klatsch. Damit hatte Jakob die erste Ohrfeige seines Lebens bekommen.
„Herr Winter! Was glauben Sie, was ich bin? Eine Schlampe?“ Kopfschüttelnd dreht sich die junge Frau auf ihren Prada-Absätzen um und geht. Dabei murmelt sie … „Da will man nett sein… warum denken alle immer ich wäre eine schlampe…“
Wenn man schon Blair heißt, dachte er sich nur und beschloss es dabei zu belassen. Nein, so schnell würde er sich wohl nicht mehr verlieben…
„Sind Sie nicht Jakob Winter?“
„Äh… ja.“
„Manuela Berg, vom „Riverviewer“. Ich habe Sie den ganzen Tag versucht zu erreichen, aber ihre Sekretärin sagte mir, Sie seien außer Haus.“ Die rothaarige Reporterin schüttelte Jakob die Hand.
„Da haben Sie mich erwischt. Heute habe ich meinen freien Tag. Aber wenn Sie wollen, können wir morgen einen Termin ausmachen, dann…“
„Nein. Sie und Ihre Firma haben mich schon zu oft abgewiesen! Diesmal nicht!“ Manuela baute sich vor ihm auf und versperrte ihm den Weg.
„Was wollen Sie?“
„Das wissen Sie ganz genau! Es geht um das neue Einkaufszentrum!“
„Oh bitte… wie gesagt, wenden Sie sich an meine Sekretärin, die wird alles…“ Jakob konnte das nicht mehr hören. Jeden Tag wurde er von irgendwelchen Bürgerinitiativen angerufen. „Wir wollen das historische Zentrum erhalten!“ oder „Keine hässliche Moderne in Riverview!“. Dabei gab es an dem Bauvorhaben nichts mehr zu rütteln. Die Pläne waren unter Dach und Fach und alle Ämter hatten bereits zugestimmt. Und außerdem brauchte er diesen Auftrag. Es war die letzte Hoffnung sich noch über Wasser zu halten. Zumindest finanziell. Psychisch war er ja schon am Meeresgrund. Vielleicht war das der Grund, warum er nachts von Delphinen träumte.
„Damit werden Sie nicht durchkommen! Und das wissen Sie! Das können Sie nicht mit Riverview machen! Sie haben sich hier in den letzten Jahren nicht gerade Freunde gemacht.“
Jakob dachte nach. Während er Manuela so ansah, fiel ihm auf, dass sie die Haare so ähnlich trug wie seine Exfrau. Auch die Falten wenn sie sich aufregte ähnelten ihr sehr. Und je länger er sie ansah, desto mehr hallten die Worte des forschen Mädchens von vorhin in seinem Kopf wieder. - „Marie hat Ihnen viel bedeutet, nur weil sie dafür kein Verständnis hat, müssen Sie jetzt nicht leiden“ - Nein, er hatte genug gelitten! Vielleicht war es an der Zeit sich Freunde hier machen. Aber er musste dafür ja nicht gleich sein Bauvorhaben aufgeben. Es gab sicher eine andere Lösung…
„OK, Sie haben mich! Morgen um18 Uhr bei mir! Seien Sie pünktlich.“, sagte Jakob und versetzet damit Manuela ins stutzen.
„Bitte was? Zu Ihnen nach Hause?“
„Ja, Sie wollten reden! Also tun wir das. Morgen. Ich zaubere etwas zu Essen.“
„Also… ich weiß nicht…“ Die junge frau zögerte und sah ihn skeptisch an. Gut, wer hätte wohl nicht gezögert, schließlich war es allgemein bekannt, dass Jakob in den letzten Monaten öfters beim Psychologen Doktor Bruckheim war, als Boris Becker die Ehefrauen wechselte.
„Sie wollen etwas von mir. Aber wenn nicht, dann…“
„18 Uhr! Und bitte kein Rizotto. Ich hasse Reispampe!“
Was ist nach dem Tod von Marie zwischen Jakob und seiner Frau so schlimmes passiert, dass sie sich getrennt haben? Hat Blair etwas vor? Und warum um alles in der Welt springt ein Beagle in eine Müllpresse?