Kapitel 5 - Ein fremder Gast
Wenn Henry Thursday ein tüchtiger Seemann war, so war Billy Buck ein brauchbarer Schmuggelmeister. Alles schaffte er, und alles hatte er im Griff. Während einiger Schmuggelaktionen lebte er im Grünen Dachs, und Hühnervettel zog sich saubere Kleider an und putzte sich ordentlich raus, servierte ihm leckere Sachen und versuchte, sich an ihn ran zu machen.
Da ging mir auf, dass Hühnervettel ein bisschen dumm sein musste, denn Billy Buck hatte bald genug verdient, um sich ein feines Haus in einer anderen Gegend zu kaufen und ein Gentleman zu werden. Was würde er da mit einem schlampigen Frauenzimmer wie Hühnervettel anfangen? Er schaffte es, sie sich vom Leib halten - ohne sie zu beleidigen und ohne sie zu verärgern - ja, der konnte sich zu winden wie ein Aal!
Sobald es dämmrig wurde, wollte ein gutgekleideter Kaufmann nach dem anderen mit Billy reden.
Aber an jenem Tag kam jemand, der kein Kaufmann war, sondern eine hübsche, schwangere junge Frau mit großen Augen und einem kurzen Kleidchen.
Es stellte sich heraus, dass eine Fracht, die für Billy Buck gedacht war, es war wohl reichlich Tabak, von der Bucht aus direkt zur Cocosinsel gesegelt war. Sobald der Schoner am Kai festgemacht worden war, waren die Zollmänner an Bord gekommen - ohne dass sie auch nur einen Fliegenschiss gefunden hatten!
Diese Frau war Passagier an Bord, und jetzt wollte sie auch mit Billy Buck reden. Ja, denn sie wäre nicht weit gekommen, in den Schuhen, die sie anhatte. Aber auch, wenn der Weg vom Kai bis zum Wirtshaus nicht besonders weit gewesen war, musste sie sich ausruhen, und das sollte sie oben in einem der Gästezimmer machen.
Ich merkte sofort, dass Hühnervettel eifersüchtig war, denn sie wurde ziemlich wütend und stampfte von einem Fuss auf den anderen.
Innendrin musste ich über sie lachen, denn es gab ja wohl nichts, worauf sie eifersüchtig sein musste - so ein kleines Frauchen mit Kugelbauch - Billy konnte doch wohl was Besseres kriegen als so was Gebrauchtes.
Er kam dann auch schnell wieder nach unten und flüsterte Hühnervettel was zu, dann gingen die beiden nach Draußen.
Als sie wieder rein kamen, war Hühnervettel immer noch wütned und eifersüchtig, das merkte ich genau.
Dann ging auf einmal die Tür auf, und Zollinspektor Dance stand in der Tür, gefolgt von einem anderen Kerl.
"Guten Tag, Mary!", sagte Dance überschwenglich.
"Wie ich höre, hast Du heute einen fremden Gast bekommen!"
"Ja, hier sitze ich!", sagte Billy.
"Dich meinte ich nicht." Dance beachtete ihn kaum. "Du bist zu gerissen für mich. Die schwangere Frau, die will ich begrüßen! Die Zollmänner unten am Kai müssen ganz schöne Idioten sein, aber ich habe ihre Spur verfolgt."
"Wir haben wirklich gerade einen Gast von da gekriegt.", sagte Hühnervettel. "Aber die Frau ist nicht schwanger."
Ich war so verblüfft, dass ich nicht überlegte. Hatte Hühnervettel denn ausgerechnet das nicht gesehen, wo sie doch sonst alles sofort sah.
"Aber sie hatte doch nen dicken Bauch!", platzte ich los.
"Was sagst Du da, Du Dummkopf!", rief Hühnervettel, und sofort kriegte ich ordentlich eine von ihr gelangt.
"Hatte sie doch, hatte sie doch!", schnaubte ich vor Zorn und stampfte mit dem Fuss auf.
Dance wandt sich an Mary.
"Immer mit der Ruhe, Mary." Und dann sagte er zu mir: "Liebes, Du hast ganz recht, aber ein anständiges kleines Mädchen wie Du weiß von solchen Dingen noch nicht Bescheid. Ein anständiges kleines Mädchen sollte nicht einmal eine Ahnung davon haben, was das Wort schwanger überhaupt bedeutet. Über sowas spricht man nämlich in gesitteten Gesellschaften nicht." Er grinste Billy und Hühnervettel breit an. "Aber so kann man das hier wohl nicht gerade nennen."
Auf einmal kam die junge Frau die Treppe runter, dünn wie ein Faden! Ich habe fast meinen Augen nicht getraut.
"Da sind wir wohl zu spät gekommen.", sagte Dance traurig.
"Zu gern hätte ich gewusst, was Sie unter dem Kleid hatten, als Sie an Land gingen, mein Fräulein. Geh nach oben, und sieh nach, ob Du was finden kannst.", sagte er zu dem Mann, der mit ihm herein gekommen war. Doch nach einer Weile kam er kopfschüttelnd wieder die Treppe herunter.
"Es ist bald Mittag!", sagte Dance, und mit diesen Worten verschwanden die beiden wieder.
"Hi, hi!", lachte die junge Frau. "Jetzt habe ich das Meine getan, und jetzt mache ich mich wieder auf den Weg."
"Ja, Du hast Dich sehr geschickt angestellt.", sagte Billy. "Ich begleite Dich ein Stück und besorge Dir Pferd und Wagen."
Damit gingen sie fort, und Hühnervettel plante Fürchterliches.