Beiträge von Eponah

    arya
    es ist schwer für fiona, mit der neuen situation zurechtzukommen. sie ist aus der Welt gerissen worden, in der sie geglaubt hat zu leben. sowas ist immer schlimm
    freue mich, dass dir das motel zusagt, weil ich mich schwarz geärgert habe, da es nicht funktionierte.
    na, wenn dir hier die fotos gefallen, dann hoffe ich, dass die im nächsten teil noch besser ankommen.
    lilpeanut
    danke für das vorbeischauen und einen netten beitrag. ich freue mich immer sehr, wenn ich sehe, dass hier wer geschrieben hat.



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    »Es gibt keinen Grund, dir die Dinge zu erzählen, die du schon weißt. Es nützt dir herzlich wenig, dass es mir Leid tut, was ich dir angetan habe, als ich dich als Kind zurückgelassen habe.«
    Josephs Worten war nichts mehr hinzuzufügen, fand ich, auch wenn ich es für überaus selbsteingenommen hielt, sich nicht zu entschuldigen.
    »Ich werde meine Zeit nicht damit verschwenden, mich weiterhin zu wiederholen. Du bist in einem Alter, in dem man Antworten will und auf die hast du lange genug warten müssen.«
    Warum er nach der tollen Vorankündigung doch nur herum schwafelte, war mir zwar ein Rätsel, aber ich nahm mir vor, ihn weiterreden zu lassen. Scheinbar schien ihm aber daran nichts zu liegen. Joseph strich sich gedankenverloren durchs Haar und gab einen langgezogenen Seufzer von sich, der erahnen ließ, dass er allein die Last der Welt schulterte.
    »Das Problem ist, dass ich nicht weiß, wie ich anfangen soll.«, schien er fast meinen gerade gefassten Gedanken widerlegen zu wollen, dass er gar nicht die Absicht hatte, mich aufzuklären. Es schien mir viel mehr so, als wolle er mich mürbe reden. Ich merkte, wie er mich von der Seite her ansah, aber ich weigerte mich, aus meiner starren Haltung zu erwachen und ihn auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen.
    »Es wäre einfacher, wenn du mir Fragen stellen würdest, aber ich glaube, dass wir damit nicht weiterkommen.«
    Meine Lippen wurden schmal unter der Anstrengung zu verbergen, dass ich eigentlich hoffte, dass er Antworten auf meine ungestellten Fragen hatte. Er merkte es wohl, denn sein Blick ruhte immer noch unverhohlen auf mir, aber ich war mir sicher, dass er dieses Mal nicht einzuschätzen wusste, was meine Mimik ihm verriet.





    »Ich habe mir nie Gedanken darum gemacht, was passieren würde, wenn ich Vater werde.«, gestand Joseph frei heraus.
    In diesem Augenblick wirkte sein Gesicht wie ein Spiegel seiner Seele, so sehr hatte sich seine Miene unter der Qual verzogen, von der ich annehmen sollte, dass sie ihn marterte.
    Mein Mitgefühl für Fremde hatte sich schon immer in Grenzen gehalten, was nicht zuletzt daher rührte, dass ich durchaus fand, dass ich mir ein gewisses Überlegenheitsgefühl gegenüber Personen, die ihren Schmerz einfach hinausschreien, erlauben konnte. Mein Leben war gewiss nicht so gelaufen, wie das Schicksal es eigentlich vorgesehen hatte, und ich musste mir eingestehen, dass ich an manchen Punkten geglaubt hatte, dass ich nach einem erneuten niederschmetterndem Erlebnis nicht wieder aufstehen könnte. Der kleine, aber feine Unterschied darin war, dass ich zwar nicht dem Selbstbetrug verfiel und meine eigenen Lügen schluckte, ich die wahre Tiefe meiner Empfindungen jedoch nicht nach außen hin widerspiegelte. Dass ich diese Angst vor Schmerz in mir trug, dass ich sie nicht überwinden konnte, dennoch nicht zeigte, machte mich erst zu einer Persönlichkeit. Insofern hätte man sagen können, dass Joe für mich mehr Objekt als Person war, wie er dasaß und mir die tiefsten Windungen seiner Seele preisgab. Selbst wenn ich gewollt hätte, mitzuleiden vermochte ich nicht.





    Die Ironie der Szenerie war das Verschulden Joes, das mich gewandelt hatte. Zwar begriff das weder ich, noch mein Erzeuger in jenem Moment in seinem vollsten Ausmaße, aber dennoch war die Situation durchzogen von der schwarzen Tinte der Erinnerungen eines jeden von uns.
    »Es hätte eigentlich gar nicht sein dürfen.« Joe schüttelte fast verzweifelt den Kopf. Dass er hier von mir sprach und dass es sehr wohl ein Stich für mich war, selbst als Objekt gesehen zu werden, schluckte ich hinunter. Des Weiteren schien mir Joseph sehr viel mehr berührt durch die Tatsache, dass er keine Antwort auf seine Fragen wusste, als durch meine Existenz, das Gefühl, Vater einer Tochter zu sein. »Es war einfach zu spät.«, reihte er einen weiteren Satz an seine Erzählung, der nicht wirklich einen Sinn in Kombination mit den anderen ergab. »Und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich wollte wirklich für dich da sein, Fiona. Ich war verzweifelt, weil ich nicht wirklich den Bedarf danach verspürt habe, so zu werden wie mein Vater und bestimmt tausende anderer Väter auf dieser Welt.«





    Vom Ansatz her klang der Vorsatz gut. Allerdings hatte er den entscheidenden Haken, dass ich bei Jericho aufgewachsen war und diesen lange Zeit für meinen Erzeuger, als auch Vater hielt. Wenn Joseph nicht gewollt hatte, dass ich einen Vater wie den seinen haben würde – was ich zugegebener Maßen verstand – warum hatte er sich dann dafür entschieden, mich ausgerechnet in die Obhut Jerichos zu geben? Überhaupt wunderte es mich, dass es mein Erzeuger gewagt hatte, seinem Vater davon zu erzählen, dass diesen bald das Wunder des Lebens innerhalb der engeren Familie erneut einholen würde und das aufgrund eines ganz und gar verwerflichen Gefühls. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich Jericho vor 14 Jahren nicht auf dem scheinheiligen Pfad der göttlichen Erleuchtung befunden hatte. Entsprechend dürfte seine Reaktion gewesen sein, mutmaßte ich still.
    »Ab dem Augenblick, in dem ich erfuhr, dass im Körper deiner Mutter zwei Herzen schlagen, habe ich gewusst, dass ich dein Vater sein will. Ich habe in meinem ganzen Leben nie daran gedacht, dass wir dich nicht bekommen würden.«, beschwor mich Joes Stimme, die brüchig, verletzlich klang. »Ich wollte für dich da sein.«, wiederholte er.
    Wenigstens hatte der Aufbau der Erzählung mit diesen Sätzen an Sinn gewonnen und ich musste nicht mehr fürchten, dass die Geschichte, die er mir erzählte, aus vielen Worten und wenig Sinn bestehen würde. Joe versuchte sich zu fassen, nicht mehr bunt durcheinander das zu äußern, was ihm sein Herz vorgab, sondern die Sätze wie an einer Schnur aufgereiht in die richtige Folge zu bringen.





    »Ich habe meinen Eltern nicht sagen können, dass ich in einer Beziehung war.«
    Zu hören, dass er wenigstens etwas Gefühlsähnliches für die Person empfunden hatte, die meine Mutter hätte sein können, erleichterte mich doch. Seitdem die Nachricht, dass meine vorgeblichen Eltern nicht meine Erzeuger waren auch in meinem Gehirn angekommen war, hatte ich mir 1001 Fragen gestellt. Es hätte genauso gut sein können, dass man etwas viel Schlimmeres zu vertuschen versuchte als ein uneheliches Kind.
    »Deine Mutter hatte schon lange den Traum davon, allem mehr oder minder…« Eine bedeutungsschwere Pause. »… zu entkommen.«, vervollständigte Joseph den Satz.
    Nach dieser Äußerung konnte ich nicht länger Desinteresse vorgeben und fragend, zugleich überrascht, hob ich die Brauen. Nachvollziehen konnte ich, dass man aus dem erbärmlichen Kaff, das ich einst zwangsweise mein zu Hause nennen musste, fliehen wollte. Da ich selbst mich aus freien Stücken dagegen entschieden hatte, in dem kleinen Ort zu versauern, drehte ich meiner Mutter keineswegs einen Strick daraus, dass sie meinen Geburtsort offenbar verabscheut hatte; ganz im Gegenteil! Wenn mir nicht bewusst gewesen wäre, dass alle nicht masochistisch veranlagten Menschen dieser Welt es nicht sehr lange bei Jericho ausgehalten hätten, hätte ich mich vielleicht gefragt, ob ich meiner Mutter charakterlich ähnlich sei. Aber soweit kamen meine Gedanken nicht, da sich etwas in mir gegen den Einfall stemmte, so zu sein wie die Person, die mich frei nach dem Motto die Schwachen werden zurückgelassen genauso verraten hatte, wie mein Erzeuger! Doch anstelle meiner Wut Luft zu machen lenkte ich meine Aufmerksamkeit scheinbar auf eine Gruppe Glühwürmchen, die sich zu uns verirrt hatte.





    »Wieso habt ihr mich nicht mitgenommen, als ihr euch davongestohlen habt?«, fragte ich bissig den im Selbstmitleid fast schon ertrunkenen Joe. Durch die Situation an sich schon überfordert ging er nicht näher darauf ein, dass dies so ziemlich der erste interessierte und auf Konversation ausgelegte Satz war, der in seiner Gegenwart aus meinem Mund kam. Mir für meinen Teil war es reichlich egal, ob ich mich jetzt doch dem Verräter zugewandt hatte und mein Versprechen an mich selbst damit überging: ich wollte Antworten!
    »Wir haben dich mitgenommen« Ich sperrte den Mund auf um Joseph unter Hilfenahme allerlei Anschuldigungen und unschöner Worte zu widersprechen, aber mein Gesprächspartner kam mir zuvor. »Weiß bis heute nicht, wie er es herausgefunden hat, aber in einem so kleinen Dorf spricht sich schnell was rum.« Dagegen konnte selbst ich nichts einwenden, da es zweifelsohne den Tatsachen entsprach. »Jedenfalls hat mein Vater es gewusst, bevor uns klar war, dass er im Bilde war.« Joseph verzog in schmerzlicher Erinnerung das Gesicht. Ich konnte mir gut vorstellen, was daraufhin geschehen war:
    »Er hat dich als verwerflichen Sünder bezeichnet, während er versucht hat, dich zu erwürgen und dich rausgeworfen, als ihm klar geworden ist, dass er sich dadurch eventuell selbst strafbar macht?«, hakte ich so trocken wie möglich nach.





    Hatte ich eben noch das Gesicht meines Gegenübers für ein offenes Buch gehalten, wurde mir nun bewusst, dass er sich vorhin noch mehr im Zaum gehalten hatte als nun. Joseph starrte mich an und ich konnte förmlich sehen, wie er meine scheinbar hellseherische Gabe mit seiner eigenen Einschätzung seines Vaters und der Tatsache verband, dass ich im Augenblick neben ihm und nicht neben Jericho saß.
    Niemals hätte ich gedacht, dass ähnliche Erlebnisse so verbinden können. Meines Erachtens war es so, dass jeder Mensch unserer perfekten Welt nicht nur sein Päckchen zu tragen hatte, sondern einen Packen an allerlei Schlechtem vom Ausmaße eines Wolkenkratzers, der sich noch im Bau in die Höhe befand. Was die Anderen mit sich herumschleppten hatte mich nie interessiert. Aber gerade war mir, als sei ein Rechenfehler in meiner Vorstellung: was wäre, wenn Menschen, die ähnliche oder dieselben Erfahrungen – in meinem und Joes Fall sogar in derselben Umgebung und mit derselben wichtigen Person in unserem Leben – gemacht haben, ihre Bürde gemeinsam stemmen können und sie sich nicht etwa verdoppelt?
    »Es tut mir Leid«, kam aus Joes Mund genau der Satz, den er vorhin nicht hatte sagen wollen, in der Annahme, dass ich ihn nicht für voll nehmen würde. Aber es war das erste Mal an diesem Abend mit Joe, an dem ich zu fühlen vermochte, dass er es ernst meinte.
    Ein leiser Windstoß zerzaust mein Haar.



    Ende des ersten Kapitels




    Mir waren wohl die Augen zugefallen, obwohl ich mir geschworen hatte, dass ich Joseph mit meinem gar grauenvollen Blick bis in die Unendlichkeit aller Zeiten hinein traktieren würde. Ich war, meiner Müdigkeit unterlegen, eingenickt. Aber als mein Kopf – mein Kinn war mittlerweile auf meine Brust gesackt – durch das Betätigen der Bremse unsanft nach hinten, gegen die Kopflehne geworfen wurde, hätte selbst Dornröschen nicht weiterschlummern können. Das Stoppen des Wagens kam unerwartet, hatte mich das gleichmäßig laute Summen des Gefährts schließlich in den Schlaf gesungen.
    »Was soll das?«, entfuhr es mir wütend. Wer hatte es gewagt, mich aus meinen Träumen zu reißen? Und die Antwort bekam ich vom Schicksal förmlich um die Ohren geschlagen. Wenn ich meinen Augen trauen durfte, die sich langsam wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen begannen, dann war Joseph der Übeltäter gewesen. – Zumindest war er es, auf den mein Blick als erstes fiel und den ich auch gerne weiter wütend angegangen wäre, wenn ich mir nicht die Zunge hätte abbeißen können, weil mir in meinem Zorn doch mehr als ein Gemurmel entfleucht war. Ich schürzte die Lippen und beschloss, sofort wieder ins Schweigen zu verfallen.
    »Tut mir Leid«, entschuldigte sich Joe, der mich nun noch aufmerksamer als vorhin musterte. »Ich habe dich nicht wecken wollen … aber ich hätte dir sowieso Bescheid geben müssen.«





    Ich begriff den Sinn von Josephs Worten erst, als ich aus dem Fenster seines Wagens blickte und erkannte, dass wir auf dem Parkplatz einer Raststätte standen. Eine Laterne direkt am Auto erhellte den Platz etwas und ich konnte von meiner Position die Schäbigkeit einer der kleinen Tankstellen mit angebautem Roadhouse gut erkennen.

    »Wir übernachten hier.«, teilte mir Joe mit. Das klang nicht danach, als erwartete er Widerspruch auf diese, seine Entscheidung. Auch dass er bereits aus dem Wagen gestiegen war, unterstrich seine Entschlossenheit, wirklich hier bleiben zu wollen. So ein Verhalten ist typisch für Männer, die nie genötigt wurden, Vater zu sein. Ihnen kommt erst gar nicht der Gedanke, dass jemand anders nicht will wie sie, und dass sie trotz und alledem dazu verpflichtet sind, diese Person zu lieben. Was Joseph also noch nicht ahnte war, dass ich nur auf eine Sache weniger Lust hatte, als eine Nacht auf dieser Raststätte zu verbringen, und das war die Nacht auf dieser Raststätte mit Joe zu verbringen.
    »Wo bleibst du?«
    Joseph trommelte auf das Dach des Autos, offenbar in der Absicht mich von meinem Nickerchen endgültig wieder in die Realität zurückzuholen. Ungläubig starrte ich nach draußen. Unverschämter Kerl! Wenn er dachte, dass ich das mit mir machen ließ, dann hatte er sich geschnitten!


    »Ich werde nicht aussteigen«, brach ich mein, mir selbst abverlangtes, Schweigegelübde erneut.
    Joes Blick wirkte nun unsicherer, jedoch nicht eingeschüchtert. Und selbst dieses Zeichen von Schwäche hielt nur einige Sekunden vor. Da aber vor kurzem erst mein eigener Stolz verletzt worden war, als ich – halb im Schlaf – doch den Mund aufgetan und gesprochen hatte, hatte ich eine leise Ahnung davon, wie Joseph sich fühlte, als ich für einen Augenblick erkannte, dass seine Coolness teils nur aufgesetzt war. Das hätte man von ihm gar nicht erwartet, er war ein guter Schauspieler, dachte ich bei mir. Aber nicht in den Momenten, in denen es darauf ankommt! Und wütend musste ich mir eingestehen, dass es bei mir wohl dasselbe war, was mir oft im Weg stand. Gerade in diesem Abschnitt meines Lebens wäre es wohl besser gewesen, wenn ich ein Pokerface hätte.
    »Du willst nicht aussteigen?«, fragte Joe in den Wagen hinein und versuchte Blickkontakt mit mir zu halten. Vermutlich um besser abwägen zu können, wie ernst es mir mit meinem Entschluss war.
    »Mir liegt gerade auf der Zunge zu fragen, ob du taub bist. Das würde nämlich auch erklären, warum du nicht mitbekommen hast, dass ich nicht mit dir reden will!«




    Der Zorn über seine Begriffsstützigkeit hatte mir Feuer in die Augen gelegt, und ich funkelte ihn nun unverhohlen an. Dieses Mal konnte ich mit Genugtuung verbuchen, dass ich ihn länger aus der Fassung gebracht hatte. Er glotzte mich förmlich an, sein Mund war vor Überraschung leicht geöffnet. Er sah aus wie eine von diesen Schabracken, die Werbung für Superstaylippenstift machen und dem Publikum beweisen müssen, dass dieser nicht nur an dem männlichen Model neben ihm nicht abfärbe, sondern die Lippen auch nicht aneinander klebt. Am liebsten hätte ich ihm auch noch das mitgeteilt. Furcht, dass ich zu weit gehen würde, hatte ich nicht. Es bestand immer eher das Risiko, dass man mich ab einem bestimmten Punkt meines Zorns nicht mehr ernst nahm. So betrachtete ich ihn nur mit der größtmöglichen Abscheu, die ich aufbringen konnte, schwieg jedoch wieder.
    Als plötzlich ein Ruck durch seinen Körper ging, kam es ganz unerwartet. Ich hätte eher gedacht, dass er mir ins Gesicht schlagen, oder mich anschreien würde, weil ich mich so kindisch verhielt. All das hätte mich nicht so überrascht. Aber dem war nicht so. Ganz im Gegenteil schien es, als würde er den Weg um die Motorhaube herum nur gehen, um wieder an der Fahrerseite einzusteigen.




    »Was soll das?«, fragte ich wütend, als er sich wieder neben mir niedergelassen hatte.
    »Wenn du vorhast, die Nacht hier draußen zu verbringen, dann werde ich das auch tun.«
    Und wenn du glaubst, dass die Sache damit gegessen ist, irrst du!
    »Ich glaube, wir verstehen uns nicht richtig: ich bleibe nicht hier sitzen, weil ich da nicht rein will.«
    Er sah mich aufmerksam an. Ich hob die Augenbrauen. Eindeutiger konnte ich es doch nicht sagen. Um die Wirkung meiner Worte noch zu verstärken, nickte ich eindringlich. Joe schwieg und bewegte sich keinen Millimeter von seinem Platz. Langsam machte er mich wirklich wütend! Seine fehlende Reaktion auf alles, was ich tat, verunsicherte mich und ich muss zugeben, dass sich dieses Gefühl bei mir oft in Zorn wandelt.
    »Lies von meinen Lippen ab!«, befahl ich wütend. »Ich – will – nichts – mit – dir – zu – tun – haben!«
    »Fiona« Wenigstens hast du aber mitbekommen, wie ich heiße! Er schüttelte den Kopf. Ich kam mir vor, als sei ich nicht älter als vier Jahre alt und er versuchte mich eines Besseren zu belehren, als einen Wutanfall zu bekommen, weil man mir an der Kasse keinen Schokoriegel gekauft hatte. Vielleicht war das das Unterbewusstsein, welchem meine Psychologin viel Wirkung auf mein Ich zuschrieb. Vielleicht wünschte ich mir ja so einen Vater. Zumindest wäre das die absolut abwegige Erklärung der Ärzte gewesen.
    »Joseph« Die Worte waren unmittelbar nach seinem „Fiona“ meinem Mund entwischt und hatten sich in dem leeren Raum zwischen uns verkeilt.





    Ich sah, wie sein Adamsapfel kurz empor hüpfte als Joe schluckte. Mit irgendetwas hatte ich ihn getroffen und keine Schauspielkunst der Welt konnte ihm mehr helfen, das zu verbergen. Ich verstand, dass es ihm nun so ging wie mir und er sich lieber ins Land des Schweigens zurückzog. Dennoch hätte ich auch zu gerne gewusst, was genau es gewesen war, was ihm scheinbar ganz und gar den Willen geraubt hatte, mit mir reden zu wollen. Er sah mich nicht einmal mehr an, hatte den Kopf an die Scheibe zu seiner linken Seite gelehnt. Das Fensterglas beschlug unter seinem Atem, während ich ihn nun interessiert musterte. Es war wie eine Art Rollentausch und ich genoss den Vorteil, den ich nun hatte.
    Wissend, dass er mich nicht aufhalten würde, öffnete ich die Beifahrertür und stieg aus. Meine Beine waren fast taub durch die lange Fahrt und die Kälte im Wagen, und als ich auftrat konnte ich zunächst nur kleine Schritte machen. Eigentlich wäre es die optimale Situation gewesen wegzulaufen. Ich war mir sicher, dass Joe mich nicht aufgehalten hätte. Vermutlich wäre er nicht einmal aus seinem Auto getürmt, wenn es Feuer gefangen hätte.
    Doch erstaunlicher Weise war der Drang nach Flucht verschwunden.




    Von dem neuen Gefühl, nicht mehr ganz so weit weg von Joe zu wollen überwältigt, stand ich eine ganze Weile einfach so unter dem Lichtkegel der Laterne herum. Dass es außerhalb des Wagens doch noch kälter war als im Innenraum, bekam ich nun zu spüren. Damit es nicht allzu sehr auffiel, dass ich fror, bemühte ich meine vor der Brust verschränkten Arme als Pose des Protests herauszustellen, während ich mich an den Rand der Motorhaube lehnte.
    Doch bald darauf wurde es mir unangenehm, meinen Begleiter im Rücken zu haben und ich sah mich nach einem anderen Platz um. Nahe der Überdachung des Roadhouse war eine Bank platziert worden, von der aus ich Joe unbemerkt beobachten konnte. So merkte er nicht, dass ich sah, wie er mit widerwilligem Blick ausstieg. Ich drehte mich erst zu ihm, als ich die Tür des Wagens ins Schloss fallen hörte. Joseph kam auf mich zu und seinen Mund umspielte etwas, was ich als gezwungenes Lächeln interpretierte. Seine Art wirkte gequält, als er sich neben mir niederließ. Er saß nicht weit genug von mit weg, um es als weit zu bezeichnen, aber auch nicht nah genug um es nah zu nennen. Ich vermied es, ihn anzusehen. Irgendwie schämte ich mich jetzt doch dafür, ihn auf irgendeine – mir unbekannte Art – verletzt zu haben. Damit er das ja nicht bemerkte, drehte ich mich etwas von ihm weg und tat so, als würde ich fasziniert eine leuchtend-grüne Reklame für Heinekens begutachten.
    Aber Joe war nicht ausgestiegen, um mir mein Verhalten vorzuhalten. Er legte den Kopf in den Nacken und betrachtete eine ganze Zeit lang die Sterne mit mir, bevor er aussprach, was er dachte:
    »Du hast alles Recht der Welt, sauer zu sein. Und ich habe es nicht.«
    Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihn und etwas Friedliches lag in seiner Miene.





    Fortsetzung folgt
    ...

    senna
    alles per pn geklärt.


    voguish
    danke freut mich, dass auch du den weg hierher gefunden hast und was zu der geschichte schreibst.
    ich werde so schnell ich kann weiter machen werde es heute auf jeden fall versuchen ... und vielleicht auch schaffen. es wird zwar ein weiterer teil des ersten kapitels sein, aber sich inhaltlich doch schon etwas unterscheiden. immer noch spielen nur joe und fiona eine rolle, doch es wird mehr geredet und so toll dieses einsame mondlicht beim ersten teil des ersten chapters gepasst hat, kommt es hier nicht mehr zur anwendung.
    jessi
    dankesehr ich glaube, jedem fällt viel zu erzählen ein. man muss eben alles, was man wahrnimmt beschreiben. wenn man schon allein etwas mehr ausführt, kommt auch automatisch mehr text beisammen.
    die bilder sind an keinem sonderlich abwechslungsreichen ort (dem auto) geschossen worden und deshalb habe ich sehr auf die perpektive geachtet. beim zweiten teil des ersten kapitels werdet ihr sehen, dass sich dort viele overviewshots wiederfinden.

    Ich habe diesen Cheat benutzt: um - wie angegeben - ein CommunityGrundstück in ein ResidentialGrundstück zu ändern. HAt auch wunderbar geklappt, das Grundstück wird nicht mehr so bläulich hinterlegt, sondern grünlich angezeigt. Ich kann auch Sims einziehen lassen, aber sobald das Grundstück dann geladen hat, kann ich nicht in den Simspielemodus umschalten und meine Sims sind auch nirgend zu finden.
    Dachte erst, es liegt daran, dass Gegenstände auf dem Grundstück waren, die nicht für den "Privatgebrauch" sind. Aber trotz Entfernen und erneutem Einzug funktioniert es so nicht.
    Ich brauche das Grundstück für Fotos für meine FS und ich dachte, dass ich mir dann wohl die Mühe mache, die Sims hinfahren zu lassen mit dem Taxis, als das Grundstück wieder CommunityGrundstück war. Aber ein Auto, welches ich unbedingt für die Fotos auf einem bestimmten Platz palzieren musste (nicht auf der Straße!), war verschwunden, als die Sims ihren Ausflug auf das Grundstück machten.


    Weiß irgendwer, wie ich zu den Fotos kommen kann mit Sims und mit Auto auf dem Grundstück?
    Am liebsten wäre es mir, wenn es eine Möglichkeit gäbe, dass das Grundstück ein ResidentialGrundstück wird und man die Sims darauf steuern kann.

    senna
    dass ich weitermache, das kann ich versprechen. wäre nicht so schön, wenn ich hier meine erste fs nur nach einem einzigen kapitel abbreche. ich kann allerdings nicht sagen, wann ich weitermache. ich denke, wenn ich mich nun festlege, könnte das auch als unerwünschte vorankündigung gelten, oder? aber ich habe schon angefangen, den nächsten teil zu schreiben. die bilder muss ich noch schießen. das wird vermutlich nicht ganz so lange dauern (auch wenn es nicht schnell gehen wird). muss sehen, wann ich zeit dazu finde. allerdings kann es mit der bearbeitung schwierig werden. mein pc sagt mir, dass ich photoshop neu registrieren soll (nach neuinstallation), allerdings klappt das nicht übers internet. den fehler hatte ich noch nie bei ps. denke also, dass ich es telefonisch registrieren lassen muss. mal schauen.

    Zitat

    frage:habe ich dir schon einen karmastein gegeben?

    wenn ich wüsste, was das wäre, könnte ich das auch beantworten.

    arya
    wow, wie lieb von dir, dass du auch hier schreibst. das wäre doch gar nicht nötig gewesen. das ist total nett von dir.
    ich habe ja hier erst eine fs und ganz neu angefangen. okay, das habe ich in gewisser weise auch im anderen f. aber hier ist es doch irgendwie ein anderer neubeginn.
    ich freue mich, dass dir der schreibstil und die bilder gefallen. sag, hast du hier auch fss?


    zaje
    danke jetzt habe ich endlich mal zwei kommis gemeinsam zum beantworten und das ist dein verdienst. ich freue mich über jeden einzelnen beitrag und wenn du so etwas nettes schreibst, dann freue ich mich natürlich nochmal so sehr über das lob (was nicht heißt, dass ich nur lob will). ich heiße dich also herzlich willkommen unter meinen lesern, auch wenn das etwas albern klingt, weil ich selbst eher neu hier bin.
    besonders freue ich mich aber, dass dir der titel meiner fs gefällt.

    Senna
    ich freue mich über dein lob. irgendwas muss ich also richtig gemacht haben, dass du das aussprichst. ist immer was schwer, neu irgendwo anzufangen. lustig, dass man das nun sowohl auf fiona als auch auf mich als autorin beziehen kann. ich fange neu hier an, muss erst wieder fesseln uns mich beweisen mit meinem schreibvermögen. das wird auch nicht immer leicht werden. doch leser wie ihr ermöglicht einem, dass man sich schnell gut fühlt. danke für deinen kommentar. aber man kann dass alles auch auf fiona beziehen: sie hat ihr junges leben unter ganz anderen umständen verbracht, als die, in denen sie jetzt (gefangen?) ist. so ziemlich alles wird sich verändern und wenn nicht alles, dann immerhin das, was wichtig in ihrem leben war. aber das wirst du noch zu lesen bekommen.
    vielleicht ist chastity gar keine person, das kann natürlich auch sein. oder hat schon wer daran gedacht, dass es fionas eigentlicher name sein könnte? ... gut das ist verwirrend, ich gebe es zu.

    manja1981
    noch ein kommentar! alle guten dinge sind drei, oder wie? es ist lieb von dir, mir auch einen beitrag dazulassen. ich habe gesehen, dass du sehr erfolgreich eine eigene fs schreibst.
    ich bin "wunderstill beglückt", weil du mich lobst. ich habe mir mühe gegeben, mit den texten und es ist schön zu hören, dass sie wem gefallen. fehler dürfen aber auch verbessert werden.
    übrigens, auch toll von dir, dass du mich aufzumuntern versuchst, wegen der kommis. aber ich bin jetzt über jeden einzelnen froh! ich beantworte die auch gerne.
    vielleicht hast du fiona ja gar nicht zu alt geschätzt. der sim ist auf jeden fall noch ein teenager. aber vielleicht verrätst du mir das alter, auf das du sie gestuft hast? denn dann kämen wir ein paar dingen näher. - und das muss nicht unbedingt die frage sein, ob joseph ihr vater sein kann, wenn er erst 29 jahre alt ist. zu den anderen fragen sollen sich ja auch noch antworten finden. du hast sie schon richtig gut augezählt. man weiß zwar, dass fiona lange nicht bei joe war und dass sie davon ausging, dass jemand anders ihr vater sei, aber ganz gau ist nicht zu erklären, bei wem sie lebte. um das warum kümmern wir uns später. *hüstel* *engelsgesichtaufsetztundnachobendeut* übrigens liegst du ganz richtig damit, dass chastity eine person ist. *flüster*

    yuuki (alles japanische namen, wie?)
    oh, kommentar nummer zwei. das freut mich sehr. wird ja doch immer mehr hier (ok, zwei beiträge sind nicht so viel, aber dennoch ist jeder kommentar befriedigend)
    was ist denn schlimm an viel text? ich finde das immer schön zu lesen und dachte, es gehe euch genauso.
    ich glaube, dass du auch super fotos machen kannst. du bist bestimmt genauso talentiert, wie alle anderen auch. vielleicht fehlt übung.

    ich bin relativ neu hier im forum und auch neu was die bis(s) bücherreihe angeht. habe aber nun den ersten band gelesen und dachte mich auch mal hier zu melden

    mikiko
    du bist meine erste leserin, die sich öffentlich dazu bekennt. ich glaube, dass mich alle verstehen können, dass ich mir darüber ein bein ausfreue.
    die blume ist für dich (ohne herzchen, bitte. bin ja nicht verliebt *g*) du bist die erste von der ich hier ein nettes wort zur geschichte höre.


    ich habe lange am computer gesessen und mir überlegt, wie ich die geschichte beginnen soll, die ich euch hier erzählen will. habe getippselt was das zeug hielt. und dann gespannt gewartet, was passiert. reaktion blieb aus. natürlich kann man als neuling nicht einen haufen kommis erwarten, wenn niemand einen im forum kennt, aber ich habe mir sorgen gemacht, dass mein text und die bilder wirklich grauenhaft sind. vielleicht hatte ich ja auch etwas vergessen, der text war zu lang oder unverständlich. ich habe mir sorgen gemacht.
    ABER dann! ein kommentar! bei meiner ersten fotostory hier im forum! und von wem war er? er war von dir! ich darf mich geert fühlen, dass mir wer so nettes einen beitrag dalässt. und ich lasse dir ein blümchen da, weil du so nett warst. *schleim* aber nein, ich freue mich einfach!
    es ist so schön, nicht nur einen beitrag zu bekommen, sondern auch noch solches lob.
    wer (oder was?) chastity ist, ist noch nicht gelüftet worden in der handlug der geschichte, keine angst. aber vom wortstamm kannst du es dir ja aus dem englischen bereits herleiten: keuschheit. keuschheit hat aber bekanntlich wenig mit babies zu tun. seltsam ist die sache also schon und du hast recht damit, dass vielleicht eine person gemeint sein könnte, eine organisation oder ähnliches, die unter dem namen bekannt ist.


    du hast richtig erkannt: joseph ist der vater von fiona. ich habe es zwar nicht direkt erwähnt, aber es ist richtig von dir interpretiert worden was ich andeutete. diese tatsache wirft aber wieder eine menge an fragen auf, zum beispiel, wieso joe fiona in ihrer kindheit nicht beigestanden hat, was genau vorgefallen ist, wie es zur trennung kam und wieso sich fiona nicht mehr wirklich an joseph erinnert. eines steht aber fest, und das ist, dass joe nicht so für fiona da war, wie sie es gerne gehabt hätte, als sie klein war. er hat viel verpasst. ob ihm das seine tochter noch verzeihen kann?


    würde mich auf weitere kommentare von dir und natürlich auch von anderen freuen. wie ihr seht, beiße ich nicht, sondern freue mich wie ein schneekönig!

    Bei uns gab es doch noch Flauschbällchen dieses Jahr. :megafroi


    die sind ja süß! ich mag so kleine kücken. weine immer, wenn ich im tv oder
    so sehe, wie der männliche nachwuchs aussortiert wird, weil man legehennen
    will. gut zu sehen, dass es auch noch ein anderes leben für die flauschis gibt.



    „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
    Es ist der Vater mit seinem Kind.“

    (Johann Wolfgang von Goethe, Erlkönig)



    Während der Fahrt sprach ich nicht mit Joe. Es war nicht etwa so, dass ich nicht mit ihm reden wollte, denn ich wünschte mir nichts sehnlicher als den unbekannten Vertrauten an meiner Seite besser kennen zu lernen, aber ich wusste nicht, wie ich mich gegenüber ihm zu verhalten hatte. Es war einer jener Momente, in denen ein Hüsteln schon fehl am Platze, aufdringlich, übertrieben wirkt. Ich hatte Angst davor, was geschehen könnte, wenn ich jetzt den Mund aufmachte und dem Fahrer des Wagens, in dem ich saß, sagte, was ich von ihm hielt. Ein inneres Verlangen drängte mich zwar dazu, ihm all das was ich empfand an den Kopf zu werfen, doch ich wollte ihn gleichzeitig nicht verletzen, war er doch der einzige Mensch auf Erden, den ich noch hatte. Dennoch war meine Wut unbändig und es hätte keine bessere Gelegenheit gegeben, sie jetzt und hier an Joseph auszulassen.
    Ich gab schon eine gewisse Zeit vor, ihn nicht anzusehen, doch verstohlen musste ich ihn dann doch mustern. Aus den Augenwinkeln heraus betrachtete ich sein markantes Profil. Auf den Gedanken, dass er gut aussah mit seinen neunundzwanzig Jahren kam ich nicht. Ich hätte mir keinen unattraktiveren Menschen als Joseph Foster vorstellen können. Auch wenn sein dunkles, hochgegeltes und doch immer noch kräftig erscheinendes Haar, die ebenmäßigen Gesichtszüge, die von reiner Haut waren, und seine wachsamen braunen Augen auf sein weibliches Umfeld wohl das ein oder andere Mal anziehend gewirkt hatten, ließ ihn das nicht weniger Objekt meiner angestauten Wut sein!




    Während ich – Kühle vortäuschend – mich in den Mantel der Verschwiegenheit hüllte, war der Blickwinkel Josephs für die Tatsachen offensichtlich anders verlagert, denn schon seit geschlagenen drei Stunden versuchte er sich immer wieder an zaghafter Kontaktaufnahme.
    »Und wie läuft es in der Schule?«, hatte er gefragt.
    - Wenn du da gewesen wärst, hättest du selbst miterlebe können, wie ich von ganzen drei Schulen geflogen bin, wie ich mein familiäres Umfeld mit meiner Untauglichkeit in die Verzweiflung getrieben habe und wie sie sich schließlich einer solchen Dimension von Problemen entgegen sah, dass sie sich nicht mehr anders zu helfen wussten, als mich abzuschieben! Und man hatte mich ausgerechnet zu ihm abschieben müssen. Es war wohl noch nicht grausam genug, dass man mich als genauso verdorben wie Joe bezeichnet hatte und mich somit auf ein Level mit diesem Kerl stellte: man war der Ansicht, dass ich zu ihm gehörte.
    Alle hatten mich aufgegeben, hatten die Hoffung in mich verloren. Gewiss ließ sich meine Unschuld an der Sache anzweifeln. Aber suchte ich mir die Situation schönzureden, öffneten sich doch ganz neue Dimensionen für mich: ich konnte Joseph leicht die Schuld an der Misere geben und diese kleine Genugtuung gönnte ich mir stillschweigend.




    »Ich kann dich besser verstehen, als du denkst«, fing Joseph schon wieder an, mir mit seiner Freundlichkeit auf die Nerven zu gehen. Aber er ließ sich absolut nicht durch meinen eisigen Blick unterkriegen, mit dem ich ihn nun traktierte. Für gewöhnlich reagierte man irritiert, wenn ich nur lange genug starrte und nicht auf die gesprochenen Worte einging. Joe aber war eine harte Nuss! Den Gedanken, dass er es gut mit mir meinen könnte, und deshalb mein bockiges Verhalten ignorierte, wollte ich nicht zulassen.
    Joseph faselte irgendwas von seiner schweren Jugendzeit unter dem Mann, den ich Jahre lang für meinen Erzeuger gehalten hatte und den ich mit Vater, nicht mit Dad anzusprechen pflegte. Ich musste mir das bei Zeiten abgewöhnen. Schließlich wusste ich jetzt Bescheid über die Verschwörung, die man vor mir geheim gehalten hatte. Ich wollte mit keinem von denen weiter zu tun haben! Der Hacken an der Sache war nur, dass sie das wohl auch nicht wollten und ich sie nicht sehr damit treffen würde, wenn ich ihnen ebenfalls den Rücken zuwandte. Wenn ich ihnen mit einem Wutanfall – der sich langsam, aber sicher in mir anbahnte – gekommen wäre, dann hätten sie sich nur bestätigt gefunden und diesen Triumph gönnte ich keinem aus diesem Kleinstadtnest.




    Aber diese Kleinstadt würde ich ohnehin nicht mehr wiedersehen, es war zu dem Zeitpunkt nur noch nicht wirklich zu mir durchgesickert. Ich war – notgedrungen – mit Joseph gegangen, den ich vielleicht gute fünfzehn Mal in meinem Leben getroffen hatte. Ich wusste so gut wie nichts von ihm und ich war mir sicher, dass es ihm nicht anders ging. Wir waren vertraute Fremde, entfremdete Vertraute.
    Die Reise würde gegen Norden gehen, wo Joseph derzeit seine Zelte aufgeschlagen hatte und, so wurde es mir erzählt, nun auch schon einige Jahre lebte. Nach allem, was ich erfahren hatte, war es keine sonderlich gute Gegend und das nicht nur wegen des verkorksten Wetters. Diese Tatsche schreckte mich aber viel weniger ab, als der Gedanke, mit Joe eine Unterkunft teilen zu müssen. Meine Sachen waren schon gepackt und lagen gut verstaut im Kofferraum. Was würde mich daran hindern, in einer Nacht und Nebelaktion aus seinem Haus zu flüchten, wenn wir erst einmal da waren? Joseph kennen lernen, wollte ich schlichtweg nicht, hatte ich mir auf der Fahrt erfolgreich eingeredet. Die Antwort auf diese Frage war einfach: ich hatte niemandem, zu dem ich flüchten konnte.




    »Fiona, ich kann dir nicht versprechen, dass alles besser wird, nur weil du jetzt bei mir bist.« Welch Wunder! Da erzählte mir Joe ja etwas ganz Neues! Mein Zorn, der sich gerade erst etwas gelegt hatte, war erneut angefacht worden. »Ich weiß, wie schwer es ist, wenn man so umgetopft wird.« Elender Lügner! Er hatte ja keine Ahnung! Er war schließlich freiwillig gegangen und hatte mich in der Höhle des Löwen zurückgelassen. Vermutlich hatte er ich das fein zurechtgelegt: ich hatte dran glauben sollen für seine Fehler. Und das Schlimmste war, dass Joes Pläne sich wohl einfacher in Tatsachen wandeln ließen, denn ich hatte wirklich alles abbekommen, was ich ihm jetzt an den Hals wünschte! »Du bist ganz schön sauer auf mich, oder?« Erwartest du nach Stunden des Schweigens wirklich eine Gegenantwort, oder hörst du dich so gerne reden, dass du noch nicht bemerkt hast, dass ich dich so gut es geht ignoriere? »Ich habe es mir auch nicht leicht gemacht…« Natürlich nicht, wie konnte man das auch nur von Einem wie ihm annehmen? »Aber ich habe mich dazu entschieden und ich stehe auch dazu« Das bezweifelte ich zutiefst. Seine Entscheidung, mich in den weiteren Kreis der Familie abzuschieben hatte er auch nur fünfzehn Jahre durchgehalten und das nicht einmal durchgehend.




    Er hatte so viel aus meinem Leben verpasst. Joe hatte mich nicht aufwachsen sehen. Er hatte meine ersten Schritte nicht bejubelt, genauso wenig wie er mir das Märchen von der Zahnfee erzählt hatte oder sich daran erfreut, wie ich vor Erfurcht vor dem Weihnachtsmann erstarrte. Er hatte meine Rosa-Phase verpasst und meine andauernde Warum-Fragerei im Alter von vier bis sechs Jahren. Er war es nicht gewesen, dem ich erzählt hatte, dass ich Ärztin werden wollte, nachdem ich vom ersten Tag in der Vorschule nachhause kam. Er hatte mir also nicht erklären können, wieso der Himmel blau ist oder wieso Vögel fliegen können, wir Menschen aber dazu verdammt sind, auf der Erdkugel herumzuirren. Und das Schlimmste war, dass er sich bewusst dagegen entschieden hatte, an meinem Leben teilzuhaben. Er hatte mich nicht einmal in dieser Welt, in die er mich gesetzt hatte, willkommen geheißen. Vielleicht wusste er nicht, was er damit angerichtet hatte. Dass er mich belogen und betrogen hatte, war schon allein als Tatsache untragbar für unser instabiles Verhältnis, aber dass es keine Lüge war, die man gerne glaubte, das nahm ich ihm wirklich übel … denn Joseph hatte nicht nur die schönen Augenblicke verpasst, die einem das Leben als Vater zwangsweise bietet.




    Mittlerweile war Joes Redefluss versiegt. Vielleicht hatte er doch endlich gemerkt, dass es mich nicht interessierte, was er zu sagen hatte.
    Ich schaute aus dem Fenster der Beifahrerseite des Wagens und starrte in den wolkenlosen Himmel. Wir waren bereits in den frühen Morgenstunden von dem Ort aufgebrochen, den ich jahrelang als mein zuhause bezeichnet hatte. Einige wortkarge Pausen an Raststätten hatte Joe eingelegt, aber viel mehr war nicht passiert. Vielleicht hätte es mir gefallen, wie sich die Landschaft um mich herum veränderte, durch die wir fuhren, wäre ich nur etwas mehr auf die Reise konzentriert gewesen. Vor einigen Stunden hatte es gedunkelt und das gab mir wiederum eine gute Ausrede, mich nicht weiter umzuschauen. Jetzt lag alles in der kohlrabenschwarzen Nacht verborgen. Nur schemenhaft konnte man die Bäume und Sträucher am Rande der asphaltierten Straße erkennen. Blickte man jedoch in den Himmel empor, erkannte man das Meer von Sternen, das sich über das gesamte Zelt des blau-samtenen Himmelszelt ausbreitete. Ich machte mir einen Spaß daraus die kleinen, funkelnden Dinger zu zählen, und das nicht nur um ihrer Schönheit Willen, sondern viel mehr um mich von meinem eigentlichen Gedankengut – derzeit eher eine Last – abzulenken. Zu meinem Verdruss funktionierte diese Taktik nicht. Mein Plan ging nicht auf.




    Fortsetzung folgt
    ...