Tanjas Schwangerschaft verlief, wie sie stets beteuerte, viel leichter wie die erste. Sie wünschte sich ein Mädchen und Dean-Lewis wollte einen Bruder. Was Marius wollte, konnte man nicht erfragen. Er sagte immer: Hauptsache, gesund!
Der Meinung war ich auch, wobei ich meine Nichte natürlich über alles liebte und ich fand, dass man mit Mädchen viel mehr machen konnte als mit Jungs. Vielleicht sah ich das aber auch nur aufgrund meiner Jugend so.
Eines Tages kündigte sich großer Besuch an. Mittlerweile war ich schon zwei Monate bei Familie Meisner und kannte den Tagesablauf und die Personen, die hier lebten, schon sehr gut. Deshalb merkte ich auch, dass Tanja an diesem Tag sehr aufgeregt war. Sie tänzelte förmlich durch das Haus und warf alles hinunter.
"Mira, ich muss mit dir reden. Ich habe vorhin einen Anruf bekommen. Mein Schwiegervater kommt vorbei. Du denkst dir jetzt bestimmt, ist nichts Besonderes, aber für mich IST es was Besonderes- er hält nämlich nicht unbedingt viel von mir. Er sieht in mir immer das kleine Dummchen, das sich einen Anwalt geangelt hat, um es mal leicht im Leben zu haben. Aber so einfach ist es nicht. Du musst wissen, dass Marius auch seine Eigenheiten hat. Manchmal trinkt er und wird ausfallend. Gott sei Dank hält sich das, seit Dean-Lewis auf der Welt ist, in Grenzen. Ich hoffe, du musst so eine Szene nie miterleben. Nun, auf jeden Fall kommt mein Herr Schwiegerpapa, und da ich weiß, dass wir beide nicht kochen können, will ich, dass du heimlich was anständiges zu essen organisierst. Mach es so, dass keiner was davon mit bekommt, auch Marius nicht." Sie drückte mir einen Geldschein in die Hand. Es waren hundert Euro. "Und Geld spielt keine Rolle.", fügte sie noch hinzu. "Wenn du noch etwas brauchst, sag es." Ich beschloss, erst einmal im Internet nachzusehen. Schnell wurde ich fündig. Ein Italiener, der nicht nur die qualitativ hochwertigste Ware versprach, sondern auch noch hundert Prozent gute Rezessionen von seinen Gästen hatte.
Ich wählte die Nummer und bestellte ein Menü aus diversen Gängen, Sorten und Arten. Der Lieferant versprach, sofort da zu sein. So war es dann auch. Im Dunkel der Dämmerung nahm ich verschwörerisch die Lieferung entgegen. Doch ich erkundigte mich auch noch einmal genau nach den Namen dieses Essens und nach dessen Zubereitung. Schließlich wollte ich eventuelle Fragen des Schwiegervaters auch beantworten können. Ich gab dem netten Lieferanten auch noch ordentlich Trinkgeld.
Er bedankte sich überschwänglich und rauschte mit seinem Lieferwagen davon. Nun würde bald der Schwiegervater kommen. Ich musste nur noch das Essen so auf die Teller trappieren, dass keiner von dem Betrug etwas mitbekam. Ich kam mir vor wie der Teil einer kleinen Verschwörung. Es war ein tolles Gefühl!