Dann jedoch wurde alles noch viel schlimmer. In der ersten Zeit meines kalten Entzuges ging es mir so schlecht, dass ich teilweise ohnmächtig wurde, und so musste mir meine Schwester Methadon besorgen. Wie sie das gemacht hat, weiß ich bis heute noch nicht, und ich will es auch gar nicht wissen. Auf jeden Fall nicht auf dem öffentlich Weg. Sie wusste genau, wie sie es anstellen sollte, und manchmal wusste ich tagelang nicht mehr, wer ich eigentlich war, denn ich schlief nicht und war irgendwie gar nicht bei Bewusstsein.
Eines Tages war ich mit meiner kleinen Nichte allein. Mein Entzug war schon so gut wie abgeschlossen, und Maida wollte nur schnell einkaufen gehen. Zafira bettelte mich nun an, ich solle mit ihr baden gehen. Ich willigte ein, da ich ihr jeden Wunsch erfüllen wollte. Sie war mein Liebling, ich liebte sie so, als wäre sie mein eigenes Kind. Als wir das Bad betraten, in dem es kein Fenster gab, machte ich das Licht an. In diesem Moment brannte die Glühbirne durch. "Mist, das hat mir jetzt grade noch gefehlt.", schimpfte ich. Doch Zafira hatte die rettende Idee. "Wir nehmen Gummibärenlampe von Zafira!" Sie liebte diese Lampe in Form eines Gummibärchens. Ohne diese wollte sie nicht einschlafen. Also holte ich sie ihr und knipste sie an. Das Licht war zwar schwach, doch es reichte aus. Ich ließ das Wasser ein und setzte Zafira hinein. Nicht zu viel Wasser, damit sie nicht ertrinken konnte. Dann wollte ich mich ausziehen, doch auf einmal sagte sie: "Meine Quietscheente! Mira holen!" OK, dachte ich, dann hol ich ihr eben noch das Quietscheentchen. Ich zog mir mein Oberteil wieder an und rannte in Zafiras Zimmer, wo das Entchen auf dem Nachttisch lag. In diesem Moment hörte ich einen Schrei. Er kam aus dem Bad, von Zafira. Ich lief zurück und fand Zafira leblos und untergetaucht in der Wanne liegen. Im Wasser lag die verdammte Lampe. Ich öffnete meinen Mund zu einem entsetzten Schrei, doch ich bekam keinen Ton heraus. Ich trat näher, sagte immer wieder leise: "Nein, nein nein... Nein." Doch sie war tot. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen und wurde ohnmächtig.
Als ich wieder wach wurde, lag ich auf der Couch und neben mir saß mein ältester Bruder. Er war abwesend, wirkte verstört. Ich erinnerte mich zunächst an nichts. "Was ist passiert?", fragte ich, und da stand er auf underzählte es mir. Wo meine Schwester sei, wollte ich wissen, doch er wollte es mir nicht sagen. Ich konnte noch nicht einmal weinen. Ich wollte zu ihr. Da kam sie zur Türe herein. Ich wollte ihr alles erklären, mit ihr reden, mich entschuldigen. Doch konnte man sich für das überhaupt entschuldigen? Warum musste das passieren? Ich frage mich heute noch, warum. Sie sah mich voller Hass an. "Verschwinde von hier, Miranda. Ich will Dich nie wieder sehen!" Dann brach sie in Tränen aus.
Sie ließ mich nicht zu Wort kommen. Mein Bruder nahm mich an die Hand. "Ich bringe Dich nun zu Deiner neuen Familie. Du wirst dort einen Jungen heiraten." Ich riss mich los und lief weg. Zwei Tage streunte ich draußen umher, ständig in Versuchung, wieder Drogen zu nehmen. Doch dann ging ich auf den städtischen Friedhof. Ich wusste nicht, wann die Beerdigung von Zafira stattfinden solle, also lief ich zum Leichenschauhaus. Dort war Maida.
Sie kniete vor dem Sarg und weinte. Ich konnte den Anblick kaum ertragen. Es zerriss mir das Herz. Sie sah mich nicht, was auch ganz gut so war, doch ich konnte den Blick nicht abwenden.