Beiträge von Monimausal

    Sie riefen mich in den Konferenzraum. Mama und Eva saßen in bequemen Korbstühlen, und auch ich ließ mich in einem nieder. Mama sah mich böse an. Ich wusste genau, dass die beiden mir nichts Gutes zu berichten hatten.



    "Gyani, Dein Vater und ich lassen uns nun endgültig scheiden. Wir haben beschlossen, Dich in ein Internat zu schicken. Hab keine Angst, dort wir es Dir bestimmt gefallen, und es ist gar nicht weit weg von zu Hause. Du kannst alle zwei Wochen nach Hause."
    Ich starrte sie nur verdutzt an. In ein Internat wollten sie mich schicken? Mein eigener Vater, oder zumindest der, den ich für meinen Vater gehalten hatte? Das konnte doch nicht wahr sein. Wollte er mich doch nicht mehr als Tochter haben? Nun mischte sich auch Eva ein.



    "Du kannst dort einen guten Schulabschluss machen, und wenn Du fertig bist und alt genug, um Deinen Vater zu besuchen, kannst Du Dich auch allein auf die Reise nach Berlin machen. Das ist doch ein Kompromiss, nicht wahr?"



    Ich schüttelte nur den Kopf, dachte eine Weile nach. Dann fing ich an zu Schreien: "Du glaubst doch nicht wirklich, dass Du das alles so einfach abtun kannst, Mama?! Schließlich warst Du es, die fremd gegangen ist, nicht ich. Und jetzt willst Du mich in ein Internat schicken, mich einfach wegschaffen, weil man Dich ertappt hat? Nicht mit mir. Das mach ich nicht."



    Mama fing an zu weinen. Das tat sie immer, wenn sie nicht mehr weiter wusste. Ich empfand keinerlei Mitleid für sie.
    "Ich weiß, dass ich damals einen schrecklichen Fehler gemacht habe, Gyani. Es tut mir wirklich leid. Ich weiß nicht mehr weiter. Bitte richte Dich jetzt nicht auch noch gegen mich, wie Dein..." Sie schwieg. Wie mein Vater, wollte sie sagen, doch er war nicht mein Vater. Alles war gelogen. Alles. Mir wurde heiß und kalt zugleich. "Mir ist schlecht.", sagte ich. Eva erlaubte mir, auf die Toilette zu gehen. Ich traf auf dem Weg dorthin Jürgen.
    "Hey Kleine, was los mit Dir?", fragte er mich.
    "Ich muss... ich muss hier weg.", stotterte ich.
    "Komm mit, ich kenn ein cooles Versteck. Da findet Dich niemand." Und so ging ich mit ihm. Es war ein weiter Fussmarsch, bis wir schließlich vor einem ziemlich heruntergekommenen Wohnblock standen, dessen Wände mit Graffiti beschmiert waren. Wir gingen rein und standen in Jürgens Reich. Er teilte sich die Bude mit zwei anderen. Alles war alt, jedoch ziemlich sauber, wie ich feststellen musste.
    "Zieh das hier an, Du musst mitkommen, ich muss heut noch arbeiten.", sagte er plötzlich und drückte mir einen Pack Klamotten in die Hand. Ich zog mich um, ohne zu fragen, und dann liefen wir nach unten auf die Straße. Bei einigen Parkbänken blieben wir stehen.
    "Hier ist es.", sagte Jürgen. Relativ schnell wusste ich, was wir hier machen sollten. Ich kannte ja seine Vorgeschichte. Die Freier kamen und drückten Jürgen Geldscheine in die Hand. Dann verschwand er mit ihnen auf den öffentlichen Toiletten.



    Während ich auf der Bank saß und wartete, kam Belinda und setzte sich neben mich. Sie starrte nur vor sich hin. Wahrscheinlich hatte sie mich schon vergessen. Schließlich sprachen auch mich einige ziemlich eklige Typen an. Einer hätte mir sogar zweihundert Euro geboten für Oralverkehr, weil er mich so süß und unschuldig fände. Ich schüttelte nur den Kopf.



    Da schritt ein mir bekannter Mann ein, der den Freier vertrieb. Irgendwo her kannte ich ihn, doch ich wusste nicht mehr, woher. "Pass ein bisschen auf Dich auf.", sagte er. Ich dankte ihm, wandt mich jedoch schnell wieder von ihm ab. Ich wollte weg hier. Auch am nächsten Tag waren wir wieder am selben Platz. Zum wiederholten Male sah ich dieses bekannte Gesicht. Da fiel es mir wieder ein: Er war der Streetworker, mit dem Jürgen im Drop-In gesprochen hatte.
    "Sch****!", dachte ich. "Jetzt bin ich geliefert." Doch er kam auf mich zu.
    "Hey, ich beobachte Dich schon länger. Hab keine Angst, ich verpfeif Dich nicht bei Deinen Eltern, aber bitte komm mit mit mir. Das hier ist nichts für Dich." Ich dachte nach. Er war Streetworker. Ich konnte ihm in einer Hinsicht vertrauen: Er wollte mir bestimmt nichts böses. Wie liebevoll er sich damals um Jürgen gekümmert hatte... Und doch hatte ich Angst, dass er zu meiner Mama oder zu Eva gehen könnte. Doch hier hatte ich solche Angst, dass ich beschloss, mit ihm zu gehen. Er wohnte nicht weit von hier. Seine Wohnung war groß und schön eingerichtet.
    "Das ist mein Reich. Du kannst es Dir gerne auf dem Sofa gemütlich machen.", sagte er. Und so setzte ich mich hin.
    Er bot mir was zu Trinken an, und ich nickte. Da brachte er mir ein Glas mit roter Flüssigkeit darin. "Was ist das?", fragte ich. Er grinste.


    Auch er nahm Platz. "Das ist Blutorange. Schmeckt echt lecker." Ich gab mich damit zufrieden und nahm einen Schluck. Ja, es schmeckte gut, jedoch ein wenig bitter. Doch ich wollte nicht unhöflich sein, und so redeten wir über Gott und die Welt. Er habe gleich erkannt, dass ich nicht zu diesen Junkies und Strichmädchen gehören würde. Ich solle mich doch nicht in eine solche Gefahr begeben, wo ich doch so hübsch war.



    Mit der Zeit wurde ich ziemlich müde und legte die Beine hoch. "Du kannst gerne im Bett schlafen, Kleine.", sagte er liebevoll und stand auf. Er zog mich an den Händen vom Sofa hoch und da merkte ich, wie schwindlig mir war.

    Hallo Manja!
    Oh da hast Du mich aber geschockt, so ein Vollttrottel. Ich muss Sylverstar recht geben, ich würde wahrscheinlich auch hingehen und ihn zur Rede stellen. Wahrscheinlich würde ich ihn schubsen oder so. Könnte mich da auch nicht mehr halten. So ein gemeiner Kerl, wahnsinn. Du versetzt uns in Angst und Schrecken, Manja! Schöne Fortsetzung!
    Mfg Moni

    Hallo Ihr Lieben!
    Sorry, war jetzt ne Zeit lang nicht mehr bei Gyani und ihren Freunden zum Spielen, da ich derzeit an der Fotostory von Sylverstar (Das Geheimnis der Schatzinsel) mitmache, bzw. die Bilder mache. Spiel aber heut gleich bei den Rose-der-Liebe- Darstellern weiter, sorry dass ich Euch vernachlässigt habe. Ich höre auf gar keinen Fall auf!


    Zu den Kommis:
    @ Mooncraft: Hallo, danke für Deine beiden Kommis. Schön, dass Du Dich "eingemischt" hast, ich denke auch, dass man solchen Menschen unbedingt helfen sollte.


    @ Didiaaa: Okay, dann ist die Sache mit den Drogen jetzt geklärt, oder? :-)
    Ja, die Steckbriefe können einen erschüttern, aber leider ist das nur all zu oft bittere Realität. Vor allem in Berlin


    @ Miri: Das hat Bloody Memory ja Gott sei Dank gelöst! (Vielen lieben Dank hier an dieser Stelle!) Weiß nicht warum die Bilder so groß waren.


    @ Simfan: Nee, dass sie was mit Drogen zu tun hat, denken sie wohl nicht, aber dass sie in den falschen Kreisen verkehrt.


    @ alle stillen Leser: Vielen Dank für´s Mitdabeisein! Bald geht´s weiter!


    Eure Moni

    Hinter der Fotostory steckt bestimmt was, aber Du setzt das alles nicht so überzeugend um, finde ich. Sie sehen sich zum ersten Mal, und dann küssen sie sich gleich, obwohl das arme Ding voll unglücklich ist? Etwas komisch. Und zu jedem Bild sind nur ein bis zwei Sätze. Finde das ein bisschen mager...
    Aber würde mich trotzdem auf eine Fortsetzung freuen.


    Mfg MOni


    Der Kieselstein




    Weißt du noch?


    Als wir noch Kinder waren,


    schenktest du mir einen weißen Kieselstein,


    der dir gerade vor den Füßen lag.


    Rund und geschmeidig war er.


    Heimlich, etwas verschämt,


    verbarg ich ihn in meiner Jackentasche


    und ließ ihn jahrelang spielerisch


    durch meine Finger gleiten.


    Es gibt ihn noch immer,


    diesen Kieselstein.


    Jetzt steht er in meinem Regal.


    Ja, es gibt ihn noch.


    Aber Dich, Dich gibt es nicht mehr.

    Liebe Leser,
    ab hier folgen Gedichte, die ich anlässlich Julians Tod verfasst habe. Ich möchte sie Euch nicht vorenthalten und würde mich freuen, wenn auch von Euch einige Gedichte kommen würden. Ich lese sehr gerne Gedichte, und fände, dass hier ein guter Platz für eine kleine Gedichtesammlung wäre.

    http://www.imgimg.de/uploads/BildToscana010b924b92djpg.jpg

    Verfasst am 26. Februar 1998,
    Monika Br.:


    Du bist nicht von mir gegangen,
    nur auf die andere Seite des Flusses.
    Ich kann Dich immer noch sehen,
    wenn auch etwas verschwommen.
    Du bist nicht von mir gegangen,
    Du umgibst mich immer noch,
    denn Du bist ein Teil vom Wind geworden,
    und flüsterst sanft,
    wenn er weht.
    Du bist nicht von mir gegangen,
    Du wartest nur an einem unbekannten Ort.
    Und wenn ich einst diesen Ort finde,
    werden wir für immer vereint sein.



    So, hab mich jetzt mit der Emailadresse meiner Freundin registriert. Wieder das gleiche. Und dann steht da immer, Passwort falsch, ich lass es mir zuschicken, aber es kommt nichts! Ich krieg noch nen Anfall.
    So ein Mist.


    PS: Könnte sich vielleicht jemand mit meinen Zugangsdaten einloggen, damit ich weiß, ob es an meinem PC liegt? Wär echt supernett, einfach PN schreiben, dann schick ich sie Euch!
    Mfg Moni


    Einige Tage später besuchen wir Julians Eltern. Es ist immer noch eine sehr bedrückte Stimmung, dennoch merkt man, dass Julians Tod bereits einige Tage zurück liegt. Seine Mama kann manchmal schon wieder ein bisschen lachen, jedoch nur schwach. Ich setze mich auf den Boden neben den Kachelofen. Hier hat Julian immer gespielt. Einige Spielzeuge liegen hier immer noch herum.



    Da sehe ich in der Feuerstelle des Kachelofens etwas blaues. Ich erinnere mich an Julians Lieblingsspielzeug, einen blauen Teddy. Vorsichtig schiebe ich die Holzscheite beiseite und ziehe den Teddy hervor. Was er wohl da drin zu suchen hat, frage ich mich.



    Dann gehe ich zu Julians Eltern, ich will fragen, ob ich den Teddy als Andenken an ihn haben darf. Oma hat mir erklärt, dass man manchmal bestimmte Dinge braucht, die dem Verstorbenen besonders am Herzen lagen, um sich besser erinnern zu können. Und was gäbe es besseres als seinen Teddy.



    Julians Mama sieht ihren Mann entsetzt an. "Sollen wir ihn ihr geben?", fragt sie ihn. Er nickt. "Wir hätten ihn sowieso verbrannt. Ich kann dieses Ding nicht mehr ansehen. Ich sehe dann immer Julian, wie er damit spielt, und denke an seinen zweiten Geburtstag, an dem wir ihn ihm geschenkt haben."



    Jetzt glitzern Tränen in Herrn G.s Augen. Das tut mir leid, ich wollte ihm nicht weh tun. Ich darf den Teddy mitnehmen.



    Am Abend reden Oma und ich noch einmal über Julian. Sie nimmt mich in den Arm, weil mir die Tränen kommen. Morgen wollen wir ihn besuchen, oben auf dem Friedhof. Wir haben kein Auto, und Oma sagt, dass wir unterwegs noch ein paar Blumen pflücken können. Ich gehe schlafen, und am nächsten Tag besuchen wir Julian. An jenem Tag entsteht mein erstes Gedicht. Mit sechs Jahren.
    Wir pflücken ihm Veilchen, die mochte Julian am Liebsten.


    Wir finden sein Grab sofort, es leuchtet so bunt. Manche Blumen sind schon verblüht. Ich lege die Veilchen auf sein Grab. Auch den Teddy habe ich dabei. Ich setze ihn neben den großen Blumenstrauß.
    "Liegt sein Körper noch da unten?", frage ich Oma.
    "Ja, Monika, aber er wird jetzt zu Erde, damit Blumen wachsen können.", erklärt Oma.
    "Veilchen!", rufe ich, und stelle mir dutzende Veilchen vor, die für Julian blühen.



    Doch dann denke ich an jenen letzten Tag, andem wir miteinander gespielt haben.
    "Ich will aber, dass Julian kommt. Ich will nicht, dass er zu Erde wird, ich will, dass er kommt und mit mir spielt." Oma hält meine Hand.
    "Du musst Dich von ihm verabschieden. Er wird nicht mehr wieder kommen."
    Ich streichle den Teddy noch einmal und schaue auf das Blumenmeer.



    Als wir wieder zu Hause sind, denke ich mir ein Gedicht aus, und bitte Oma, es aufzuschreiben.
    "Veilchen blühen überall, sogar auf den steilsten Wegen.
    Manchmal muss ich eine brechen, um sie Dir aufs Grab zu legen."
    Ist mein erstes Gedicht. Hab es aber danach noch einmal umgeschrieben, und jetzt heißt es so:
    Vor Deinem Hause blühen jedes Jahr die Veilchen erneut. Du liebst sie so sehr, die lila Veilchen. Sie sehen durch´s Fenster und suchen Dich. Doch sie sehen Dich nicht. Und manchmal muss ich eins brechen, um es Dir aufs Grab zu legen.


    @ Tabatha: Oh je, das tut mir echt leid für Dich, und dann komm ich mit meiner Geschichte und zieh Dich voll runter... Sorry.


    @ Miri: Oh, dankeschööön! So viele Komplimente!

    Ich sah mir die Blätter genauer an. An allen dreien hingen Bilder dran, angemacht mit Büroklammern.
    Die Gesichter kamen mir bekannt vor. Zwei davon waren die Mädchen, mit denen ich eben geredet hatte, und das andere war der Junge, der mit dem Streetworker gesprochen hatte.
    Handschriftlich waren Zusammenfassungen über die einzelnen Personen geschrieben worden.


    Amanda


    Belinda


    Jürgen(verlinkt weil zu groß)


    Das war harter Tobak. Jetzt musste ich erst mal schlucken. Die Mädchen, die ich eben kennengelernt hatten, gingen auf den Strich und nahmen harte Dorgen? Das war wirklich schlimm...
    Unterdessen redete meine Mama mit Eva. Ich konnte direkt ins Zimmer hineinsehen und bekam auch leise mit, was gesprochen wurde.



    "Ich glaube, ich muss Ihnen nicht sagen, wie ich das, was Gyani macht, finde.", sagte Eva und setzte eine betretene Miene auf.
    "Aber was soll ich denn machen?", rief meine Mutter verzweifelt.



    "Sie können nicht viel machen, das ist mir klar. Aber Gyani will ihren echten Vater kennen lernen, sehen, wie er lebt, wie er aussieht. All das will sie wissen. Sie können ihr dabei helfen."
    Mama nickte. Ich fragte mich, ob sie das wirklich machen würde. Und immer wieder gingen mir diese drei "Steckbriefe" durch den Kopf.



    Tabatha: So, jetzt hast Du wieder was zum Lesen! :-) Dankeschöööön!

    @ Samantha: Oh, danke für Dein Lob! Ist schön, zu hören! Ich hoffe, Du bleibst auch weiterhin ein treuer Leser und ich langweile Dich nicht irgendwann... Ja, es war eine Überwindung, ich musste auch weinen, aber jetzt geht es wieder einigermaßen.


    @ Miri: Ja, das ist alles wirklich so passiert, als ich sechs war. Leider... alles genau so, wie es hier steht.
    Die Details... sein Körper wurde bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt, der Schaffner hat aber nur ein leichtes Poltern gehört und der Zug fuhr weiter... Mit Suchhunden hat man seine Leiche schließlich gefunden. Seine Mutter wollte ihn unbedingt noch sehen und ist hingelaufen... Es muss grausam gewesen sein. Ich hab das aber alles erst sehr viel später erfahren, mit sechzehn Jahren von Julians Cousine. Die war ja damals schon älter, als es passiert ist.
    Kein Problem, bin Dir nicht böse. Ist ja nicht so schlimm, hat mir auf alle Fälle geholfen. Tut mir leid für Dich, Miri!


    Mfg Moni



    PS: Ja, ich bin bei meiner Oma aufgewachsen, weil meine Mama noch nicht bereit war für ein Kind, eine lange Geschichte, ist aber nicht schlimm, ich liebe meine Oma, als wäre sie meine Mutter.

    Es war bereits Nachmittag, als wir in Berlin ankamen. Vom Bahnhof aus gingen wir direkt ins Drop-In, eine Drogenberatungsstelle, in der Eva ihr Büro hatte.
    "Viele Jugendliche kommen hier her, allein, weil es hier frische Spritzen gibt. So schützen wir die Jugendlichen vor Aids. Auch Kondome werden hier verteilt, leider immer noch viel zu wenige." Ein heikles Thema in Berlin: Strichmädchen und -jungen. "Geht in den Aufenthaltsraum, bis ich Zeit habe!", befahl sie uns.



    Als wir in den Aufenthaltsraum kamen, sprach ein anderer Streetworker gerade mit einem Jungen.
    "Mensch,Jürgen, Du solltest echt mal zum Arzt gehen. So kann es doch nicht weitergehen!"
    Außderdem saßen zwei Mädchen am Tisch. Malocchio ging direkt auf sie zu, anscheinend kannte sie die Mädchen.
    "Hi!", rief sie. Die beiden sahen zu ihr hoch. Nach einer Weile nickten sie. Irgendwie unhöflich, dachte ich mir. Dann setzte sie sich zu ihnen.



    Ich setzte mich neben Malocchio auf einen freien Stuhl, merkte aber schnell, dass ich nicht all zu willkommen war. Ich fühlte mich unwohl. Dann schaffte es Malocchio jedoch, ein Gespräch anzufangen.
    "Kennt ihr mich noch, Mädls?" Die beiden überlegten. Dann sagte die mit dem Stirnband: "Ach, Du bist doch die, die damals mit diesem... wie hieß er noch gleich..."



    "Ja, ja...", winkte Malocchio ab. "Erinner mich nur nicht an den."
    Dann sprachen sie über alte Zeiten, und was sie damals alles erlebt hatten.
    "Dass Du noch auf freiem Fuss bist, wundert mich echt!", meinte das blonde Mädchen ohne Stirnband. Dann wand sie sich an mich. "Und wer bist Du?", fragte sie, und ich sagte ihr meinen Namen.



    "Mich kannst Du Amanda nennen, und das neben mit ist Belinda!" Sie zeigte auf das Mädchen mit dem Stirnband. Belinda... so wollte ich meine Tochter mal nennen, falls ich jemals eine haben würde. Die beiden redeten und redeten. Ich verstand die meiste Zeit nur Bahnhof, da sie in einem Straßen-Fachjargon plauderten, der mir völlig fremd war.



    Dann wurde ich zu Eva ins Büro gerufen. Dort wartete meine Mutter bereits auf mich. Als ich reinkam, erhob sie sich sofort und umarmte mich stürmisch. Ich war irgendwie auch froh, sie zu sehen.
    "Weißt Du eigentlich, welche Sorgen ich mich um Dich gemacht habe?", fragte sie mich mit Tränen in den Augen. Ich zuckte mit den Schultern, machte ein bisschen auf cool. Schließlich war sie fremd gegangen, nicht ich. Wir nahmen Platz.



    "Mama, Du weißt, was ich hier suche. Und ich werde ihn finden, egal was passiert. Von der Sache mit den Teddys weiß ich nichts. Das kannst Du mir glauben oder auch nicht, aber mit Drogen habe ich nichts zu tun."



    "Noch nicht...", fiel Eva mir ins Wort. "Du glaubst, Du bist stark, und kannst Dich allein auf der Straße durchschlagen, Gyani, doch das bist Du nicht, niemand ist das. Früher oder später landen alle dort, wo Malocchio, Belinda, Amanda und Jürgen jetzt sind." Ich sah sie fragend an. Wo waren sie denn gelandet?
    Sie gab mir drei Blätter.



    "Geh in den Warteraum und les Dir das durch. Ich muss so einiges mit Deiner Mutter besprechen. Ich ruf Dich dann. Mach Dir keine Hoffnungen, Du kannst nicht abhauen. Vom Warteraum aus gibt es nur eine Tür nach Draußen, und die führt an mir vorbei."
    Was dachte die denn von mir? Ich war ziemlich entsetzt. Also ging ich mit meinen Blättern in den Warteraum und fing an, sie zu lesen.



    @ Miri: Ich war mal mit ihm zusammen, weißt Du. Wäre beinahe selbst daran kaputt gegangen. Mit so einem Menschen kann man nicht mehr reden. Für ihn gibt es nur noch die Sucht. Ich selber habe nie Drogen genommen, das kann ich mit gutem Gewissen behaupten. Aber durch ihn weiß ich das so genau... Es war eine schlimme und traurige Zeit. Ich will so etwas nie wieder durchmachen. Diesen Menschen kann man nur mit einer Therapie helfen, und wenn sie selbst nciht wollen, kann man gar nichts tun. So viel zu diesem Thema...

    Wow! Echt wahnsinn, so ein schönes Märchen! Die Lichteffekte sind absolut genial, wie hast Du das hinbekommen? Da schäm ich mich ja direkt für mein Märchen... :-(


    Mfg Moni

    Also, jetzt mal zu den Drogen: Von harten Drogen, ich spreche jetzt von Heroin, kostet zum Beispiel bei uns ein Gramm fünfzig Euro, "Teile" hingegen, also Ecstasy, da kostet die Pille zwanzig Euro. Pro Bär zwei Pillen, macht vierzig Euro. Nur mal so als Beispiel. In Berlin kostet allerdings beim Großhändler ein Gramm Heroin nur fünfzehn bis zwanzig Euro, was für einen Bär zei Gramm Heroin machen. Ach ja, Didiaaa: Man braucht nicht mindestens drei Gramm, damit man was merkt. Ein Freund von mir ist ein Junkie, der ist aber erst auf zwei Gramm Heroin am Tag, und glaub mir, der merkt was!
    Und gemerkt hat es die Polizei wahrscheinlich durch einen Tipp, vielleicht hat der Barkeeper den Bären durchforstet und die Drogen gefunden und dann die Polizei gerufen.


    Mfg Moni

    Als sich mein Vater das erste Mal an mir verging, war ich vierzehn. So ging es, bis ich siebzehn war. Richtig vergewaltigt hat er mich nie, doch all die anderen Dinge hat er getan.



    Irgendwann saß ich im Garten und sah in den Himmel. Ich saß eine ganze Zeit so da, bis mir schließlich bewusst wurde: Entweder ich gehe weg von hier, oder ich bringe mich um. Meine Mutter war das einzige, was mich noch hier hielt, doch ich musste jetzt an mich denken und an mein eigenes Leben. Sie hatte freiwillig so gewählt, ihr Schicksal lag in ihren Händen. Ich ging ins Haus.



    Sie stand mal wieder in der Küche, der einzige Raum, den mein Vater nie freiwillig betrat. Hier ließ er sie allein, solange alles zu seiner Zufriedenheit verlief und das Essen pünktlich auf dem Tisch stand. Sie hörte mich wohl und drehte sich verängstigt zu mir um. Wahrscheinlich dachte sie, mein Vater stünde hier und hätte mal wieder was auszusetzen.



    Als sie mich sah, lächelte sie schwach. Ihr Gesicht war geschwollen. Papa hatte sie mal wieder verprügelt, sie musste genäht werden. "Was ist los, Schätzchen?", fragte sie liebevoll. Ich war alles, was sie noch hatte und was ihr Freude bereitete.



    "Ich werde gehen, Mama." Sie sah mich lange an, dann schüttelte sie den Kopf, sagte aber nichts.
    "Ich halte es hier nicht mehr aus, und Du weißt genau, was Papa macht, wenn er Nachts in mein Zimmer kommt." Immer noch zeigte sie keine Reaktion. Schließlich sah sie mir direkt in die Augen. "Bitte lass mich nicht allein.", flehte sie mich an. Doch ich musste jetzt hart bleiben.



    "Mama, wenn dann komm mit mir. Wir schaffen es auch ohne ihn. Er ist ein Monster, Mama. Ein echtes Monster. Bitte komm mit mir. Ich werde nicht hier bleiben."



    Sie umarmte mich. "Du hast recht, Rebecca. Du solltest gehen. Du hast Dein ganzes Leben noch vor Dir, Du solltest es nicht so verschwenden."
    "Aber Mama! Du bist jetzt neununddreißig, auch Du hast Dein Leben noch vor Dir!"



    Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe Krebs, Schätzchen. Ich habe mein Leben schon gelebt. Der Doktor hat mir noch ein halbes Jahr gegeben." Ich spürte, wie meine Augen nass wurden. Was musste denn noch alles geschehen? Wieso war mein Leben ein einziger Müllhaufen. Sie konnte doch nicht einfach so sterben? Doch Mama redete einfach weiter, als wäre nichts geschehen. Ja, ich hatte sogar den Eindruck, sie freue sich ein bisschen auf den Tod.
    Mama gab mir das Geld, welches sie über Jahre hinweg heimlich erspart hatte.
    "Damit wollte ich uns ein neues Leben ermöglichen. Dafür ist es jetzt zu spät."

    Ich konnte nichts mehr sagen, genoss diese Umarmung. Ich hatte keine Ahnung, dass es so schlecht um meine Mutter stand.
    Wir verabschiedeten uns.



    Ich ging zur Bushaltestelle. Fünfzehntausend Euro hatte meine Mutter gespart. Nun lag es an mir, was ich daraus machen würde.


    Irgendwas war anders im Hause Trevor. Es gab keine gemeinsamen Fernsehen und auch kein gemeinsames Frühstück mehr. Das Fitnessprogramm war mittlerweile beschränkt auf den Weg zu Shoutings. Das Ehepaar Trevor tauschte auch keine Küsse mehr aus.



    Tracy und Miracle hakten eines Abends nach. Sie saßen gemeinsam mit der Mutter vor dem Fernseher, von Michael fehlte jede Spur. Dann kam er zur Tür herein, und Tracy fragte: "Papa, irgendwas stimmt doch nicht mit Euch!"
    Michael richtete seinen Blick auf den Fernseher und sagte gar nichts. Dann fing Lisette an, ihren Kindern alles zu erklären.



    "Wir werden uns scheiden lassen. Es stimmt einfach nicht mehr zwischen uns. In letzter Zeit haben wir uns nur noch gestritten."



    Michael wurde immer nervöser. "Warum sagst Du ihnen nicht die Wahrheit, Lisette?", fragte er erregt.
    "Das ist unfair, Michael. Wieso machst Du das?", fragte Lisette ihren Noch-Ehemann.
    Er stürmte aus dem Haus, sie lief ihm nach. Vor der Tür stritten sie sich noch einmal heftig.



    "Wo willst Du hin, Michael? Ohne mich bist Du ein Nichts, ein Niemand!" Er lachte nur. "Haha, denkst Du wirklich, ich schaffe es nicht ohne Dich? Ich brauche Dich und Dein Geld nicht. Auch ich kann erfolgreich werden. Du belügst unsere Kinder, nur, um Deinen Stolz zu wahren. Warum sagst Du ihnen nicht die ganze Wahrheit? Schämst Du Dich dafür? Zu traurig, wirklich. Es wäre schließlich auch ihre Schwester gewesen, die Du getötet hast!" Lisette starrte ihn an, ihre Gefühle konnten sich nicht entscheiden. Sollte sie ihn hassen oder weiter lieben? Er ging zum Wagen, stieg ein und startete den Motor.



    "Wohin willst Du, sag es mir doch!" Sie war mittlerweile verzweifelt, doch er verließ sie. Egal, was sie sagen würde, es war umsonst. Er konnte sie nicht länger ansehen. Sie hatte sein Kind getötet, ohne ihm nach seiner Meinung zu fragen. Es war schließlich auch sein Kind. Und warum? Weil sie ihre Karriere in Gefahr sah.
    Tracy und Miracle zogen sich nach diesem Ereignis zurück, ließen ihre Mutter allein. Sie hatten die Diskussion mitbekommen und waren geschockt.



    Miracle verbrachte die Zeit damit, PS2 zu spielen, was sie früher nie getan hatte. Ihr Vater fehlte ihr, sie wollte, dass er wieder kam.



    Auch Tracy blieb die meiste Zeit allein in ihrem Zimmer, sah Fern und dachte nach. Wie würde ihr Leben nun verlaufen? Sie glaubte nicht daran, dass ihre Eltern sich wieder vertragen würden. Und was war ihr Vater nur für ein Mensch, sich einfach aus dem Staub zu machen?



    Lisette entsorgte alle Andenken an ihren Mann. Sie wollte mit ihm abschließen. Wenn es doch nicht so verdammt schwer sein würde! Wieso verstand er sie denn nicht? Er war doch ihr Mann! Er musste doch zu ihr stehen!