Beiträge von Stev84

    Kapitel 3: Ein anderer Blickwinkel




    Es war wunderbar entspannend, die Nacht in einem richtigen Bett zu verbringen. Außerdem schlief es sich umso besser, wenn man kein schlechtes Gewissen mehr haben musste, weil man seine Eltern belog. Meine gute Laune wurde aber getrübt, als ich am Morgen in das Badezimmer ging, und plötzlich in einer großen Pfütze stand.



    Die Verzweiflung stand mir ins Gesicht geschrieben. Wo kam bloß all das Wasser her? Ich schaute mich hektisch im Badezimmer um und erkannte schnell, dass es außen an den Wänden der Duschkabine entlang floss. Und als ich die Kabine öffnete, sah ich auch, dass das Wasser aus dem Rohr der Brause in alle Richtungen spritzte. Ich hatte schon bei meinem Einzug eine Rohrzange auf dem Fensterbrett im Bad gefunden und jetzt wurde mir auch klar, warum diese dort lag. Offenbar passierte solch eine Überschwemmung nicht zum ersten Mal.



    Ich schraubte eine Weile an der Brause herum, macht damit zunächst alles nur noch viel schlimmer, aber schließlich versiegte das Wasser. Nur damit war die Arbeit noch längst nicht beendet. Das ganze Bad stand unter Wasser und dieses musste aufgesammelt werden. Das war wirklich ein schöner Start in den neuen Tag.






    Doch nach gefühlten Stunden hatte ich das Badezimmer wieder trocken gelegt. Erschöpft ließ ich mich in meinen Sessel fallen, doch dann wurde mir klar, wie einsam es in diesem großen Haus doch war. Also entschloss ich mich kurzerhand wie versprochen Mama zu besuchen. Ich schwang mich also auf mein Fahrrad und radelte los. Leider hatte ich vergessen, dass meinen Eltern auf einer Anhöhe über der Stadt lebten und ich deshalb ziemlich ins Schwitzen kam. Vielleicht hätte ich doch lieber die U-Bahn nehmen sollen? Doch die Natur um mich herum und der tolle Anblick der Stadt unten im Tal entschädigten für die Strapazen.



    Doch irgendwann kam ich doch oben an. Ich war zwar erschöpft, aber gleichzeitig stolz auf meine Leistung. Das Haus meiner Eltern hatte sich seit meinem letzten Besuch zu Weihnachten nicht verändert. Die sandfarbenen Backsteine und der weiße Putz strahlten im Sonnenschein. Nachdem meine Familie unser Zuhause in der Sierra Simlone, der heutigen Sierra Simnistria, verlassen musste, hatten meine Eltern hier in Rodaklippa einen altes, halb zerfallenes Bauerhaus gefunden und es mit viel Arbeit und Mühe zu dem gemacht, was man heuet hier auf den Hügel stehen sah.



    Ich klopfte gar nicht erst an, sonder betrat einfach das Haus. Immerhin wohnten hier meine Eltern und auch ich habe in diesem Haus ein paar Jahre gelebt. Und auch wenn ich schon länger nicht mehr hier wohnte, so war es doch mein Zuhause. Ich hatte meine Mutter bereits durch das Fenster hindurch in der Küche entdeckt. Offenbar hatte sie mich nicht das Haus betreten hören, denn als ich vorsichtig gegen den Türrahmen klopfte, drehte sie sich erschrocken herum. Und als sie dann aber mich entdeckte, klatschte sie entzückt in die Hände.




    "Ach, mein kleiner Spatz", rief meine Mutter erfreut. "Ich konnte es kaum glauben, als dein Vater erzählte, du hättest dir ein Haus in Rodaklippa gekauft. Ich hätte dich am liebsten gleich besucht." Ich ging auf Mama zu und sie streichelte mir behutsam über den Arm. "Ich fühle mich einfach wohl hier", entgegnete ich. Und das stimmte auch. Ich hatte schon gestern erfahren, wie schön es war, wenn man einfach nur ein paar Straßen weiter gehen musste, um den eigenen Vater um Hilfe zu bitten. Und jetzt bei Mama zu sein machte mich ebenfalls glücklich. Vier Jahre lang hatte ich versucht, die große weite Welt zu erkunden. Doch jetzt hatte ich erkannt, dass ich nur da sein wollte, wo auch meine Familie war.



    Doch dann setzte meine Mutter eine traurige Mine auf. "Aber warum hast du uns nie etwas davon erzählt, dass es mit deinem Studium nicht gut läuft. Dein Vater und ich hatten immer das Gefühl, dass du das ganz leicht meistern würdest. Ich war wirklich sehr überrascht, dass du die Abschlussprüfung nicht bestanden hast." Betroffen senkte ich meinen Blick. Mein missglücktes Studium war wirklich kein Thema, über das ich gerne sprach.



    Doch Mama schien dies nicht zu bemerken. Sie forderte mich dazu auf, mich hinzusetzen und bohrte gleich weiter. "Vielleicht hast du dich auch einfach übernommen, Spatz? Mathematik ist schließlich auch ein schweres Fach. Vielleicht hättest du lieber Simlisch auf Grundschullehramt studieren sollen? Du hast doch früher immer so schöne Aufsätze geschrieben." Ja, in der dritten Klasse! Danach sanken meine Noten eher in die Mittelmäßigkeit ab. "Ich glaube, studieren war nie das Richtige für mich, ganz egal welches Fach", seufzte ich betrübt.



    "Ja, da hast du vielleicht recht", entgegnete meine Mutter. Obwohl sie genau das bestätigte, was ich gerade gesagt hatte, trafen mich ihre Worte. Insgeheim hatte ich mir gewünscht, dass sie mir widersprach, dass sie mir bewies, dass sie an mich glaubte. Doch stattdessen begann sie von meiner älteren Schwester zu sprechen. "Kinga war fürs Studium wie gemacht. Oh, sie war eine solch gute Schülerin. Sie hätte alles werden können. Ärztin, Politikerin…"



    Der Blick meiner Mutter schweifte in die Ferne ab. "Doch es kommt nicht immer alles so, wie man es sich vorstellt. Deine Schwester hat sich ihr Leben selbst verbaut. Ich kann nur hoffen, dass sie es schafft, irgendwie glücklich zu werden. Weißt du, wir Blech Frauen sind nicht unbedingt fürs Glück gemacht." Für einen Moment versank meine Mutter in stummer Traurigkeit. "Ich hätte mir gewünscht, dass du mehr Glück im Leben haben würdest, Spätzchen."



    "Mama, so schlimm ist mein Leben auch wieder nicht", entgegnete ich und versuchte die Stimmung mit einem Lächeln aufzulockern. Doch ein Lächeln spielgelt sich nicht wie erhofft auf den Lippen meiner Mutter wieder. Sie blickte mich stattdessen traurig an und in ihren Augen erkannte ich, dass ich sie enttäuscht hatte. Auch ihre zweite Tochter hatte es zu nichts gebracht. Diese Erkenntnis traf mich tief und mein Lächeln erstarrte zu einer steinernen Fratze.



    Zum Glück betrat gerade in diesem Moment Papa die Küche. "Na, was machen meine beiden wunderschönen Frauen? Ein kleines Kaffeepläuschchen? Solltet ihr beiden nicht lieber damit beschäftigt sein, dem Herrn des Hauses ein deftiges Mittagessen zu kochen?" Mein Vater zwinkerte mir bei den Worten zu. Er hatte eben für jede Situation einen Spruch parat.



    Natürlich erwartete mein Vater nicht, dass Mama und ich alles stehen und liegen ließen, um ihn zu bekochen. Wobei, darüber gefreut hätte er sich sicher. Stattdessen setzte er sich zu uns an den Tisch. "Ich habe mit deiner Mutter gestern lange gesprochen", setzt er schließlich an. "Warum ziehst du nicht wieder bei uns ein? Wir haben hier genug Platz und du wärst nicht so allein in deinem Haus. Außerdem bräuchtest du dir auch keine Sorgen ums Geld zu machen. Deine Mutter und ich würden uns um dich kümmern."



    Sowohl Mama als auch Papa sahen mich erwartungsvoll an. Und ich muss zugeben, dass das Angebot verlockend klang. Ich bräuchte mir keine Gedanken darüber zu machen, wie es mit meinem Leben weitergehen sollte. Doch dann erinnerte ich mich wieder an den Blick der Enttäuschung, den ich in den Augen meiner Mutter gesehen hatte. Nein, ich musste es schaffen, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich musste meiner Mutter beweisen, dass ich keine Enttäuschung war. Ich wusste zwar noch nicht wie, aber ich würde das schaffen!



    "Vielen Dank für euer Angebot. Aber...aber wenn es auch nichts ausmacht, würde ich doch gerne erst einmal versuchen, ob ich das mit dem eigenen Haus hinbekomme." Ich war selbst erstaunt darüber, dass ich den Mut fand auszusprechen, was ich wirklich dachte. Aber leicht fiel es mir nicht und meine Stimme wurde mit jedem Wort schwächer. Mein Vater blickte Mama betrübt an und diese biss sich nur unbeholfen auf die Lippen. Die Situation wurde wirklich unangenehm. Doch dann begann Papa langsam mit dem Kopf zu nicken. "In Ordnung, Spatz. Aber vergiss nie, dass du uns jederzeit um Hilfe bitten kannst. Dafür sind wir schließlich da."



    Das wusste ich natürlich. Und jetzt, wo alles geklärt war, wurden alle um einiges lockerer. Wir zogen uns ins Wohnzimmer zurück und unterhielten uns, während im Hintergrund die Aufzeichnung des gestrigen Fußballspiels SimCity gegen SimVegas übertragen wurde. Mein Bruder Sky gesellte sich zu uns, sobald er von der Schule heimkehrte. Eine überschwängliche Umarmung konnte ich von ihm nicht erwarten. Dafür war er mit seinen 14 Jahren ja viel zu cool. Aber ich musste ganz genau, dass sich hinter seinem kühlen "Hi, Klaudi" ehrliche Freude darüber verbarg, mich wiederzusehen.



    Ich war mir sicher, dass Mama und Papa ihm von meinem Missglückten Studium erzählt hatten. Aber er erwähnte das mit keinem Wort und dafür war ich ihm unendlich dankbar. Stattdessen fragte er mich darüber aus, wie es den wäre in einem eigenen Haus zu wohnen, ohne Elter, mit der Freiheit, alles tun und lassen zu können, was man wollte. Ich muss gestehen, dass ich mir aufgrund der Angst vor der Reaktion meiner Eltern und aufgrund der ungewissen Zukunft, die Vorteile der Situation noch gar nicht so bewusst gemacht hatte. Manchmal musste man die Welt nur aus einem anderen Blickwinkel betrachten und schon ging die Sonne auf.

    Kapitel 2: Das Geständnis




    Nachdem ich am nächsten Morgen mit einem steifen Nacken und total verspanntem Rücken aufgewacht war, beschloss ich, nicht noch eine Nacht auf mein Bett verzichten zu wollen. Zur Not musste ich im Garten schlafen. Ein Blick auf den wolkenverhangenen Himmel sagte mir aber deutlich, dass das womöglich keine so gute Idee war. Ich brauchte Hilfe und ich wusste auch, wo ich sie bekommen würde. Also stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr zum Industriepark von Rodaklippa. Und da ich mich schon darauf eingestellt hatte, dass ich länger warten könnte, packte ich auch noch gleich meine Angelrute ein, die ich aus Nantesim mitgebracht hatte. So ein wenig Angeln im Teich konnte sehr entspannend sein.




    Ich verbrachte einige Stunden angelnd an dem Teich, ohne dass auch nur ein Fisch angebissen hätte. Und langsam begann mein Magen zu knurren. Vielleicht wartete ich ja sogar umsonst? Was war, wenn er heute gar nicht arbeitete? Doch noch während sich der Gedanke in meinem Kopf formte, öffnete sich das Eingangsportal der Kaserne und ein Mann um die sechzig mit Glatze verließ das Gebäude. Es war genau der Mann, auf den ich gewartete hatte. Und dennoch traute ich mich nicht, direkt auf ihn zuzugehen. Stattdessen versteckte ich mich hinter den Bäumen und beobachtet ihn.




    Doch dann riss ich mich zusammen und trat einfach aus dem Schatten der Bäume. "Hallo Papa", winkte ich schüchtern. Der Mann blieb verdutzt stehen und drehte sich zu mir um. Und als er mich erkannte, weiteten sich seine Augen vor Freude. "Klaudia, was machst du denn hier?", rief er freudig überrascht, kam auch mich zu und nahm mich in den Arm. "Du hast gar nicht Bescheid gegeben, dass du uns besuchen willst."



    Tja, ich hatte mein Ankommen in Rodaklippa tatsächlich nicht angekündigt. Und das hatte auch seinen Grund. Diesen wollte ich aber vorerst für mich behalten. "Ich hab mir ein Haus hier in der Stadt gekauft", sagte ich zaghaft, besorgt, wie mein Vater auf diese Nachricht reagieren würde. Dieser schaute mich zwar verwundert an, wartete aber geduldig auf weitere Erklärung meinerseits, anstatt mir ins Wort zu fallen. "Und...und ich bräuchte jetzt deine Hilfe beim Tragen der Möbel, Papa. Das Bett steht schon seit gestern im Garten und sollte dringend ins Haus. Und noch eine Nacht im Sessel muss ich nicht unbedingt verbringen."




    "Na du machst vielleicht Sachen, Spätzchen", Papa grinste breit und schüttelte mit dem Kopf. "Warum hast du mich dann nicht schon gestern gerufen? Deine Mutter wird Augen machen wenn sie hört, dass du in der Stadt bist. Wir sollten sie gleich anrufen."




    Mein Vater war schon dabei, sein Handy aus der Tasche zu ziehen, als ich ihn stoppte. "Halt, Papa, bitte nicht!" Mein Vater runzelte verwirrt die Stirn. "Ich...ich", stotterte ich los, "ich muss erst mit dir allein sprechen...später. Jetzt möchte ich nur, dass du mir mit dem Bett hilfst, Papa. Ich verspreche dir, dass ich für alles eine Erklärung habe." Mein Vater wirkte zwar nicht glücklich mit dieser Antwort, aber schließlich nickte er. "Ok, dann lass uns mal zu deinem neuen Haus aufbrechen."






    Mein Problem stand immer noch so vor der Haustür, wie ich es verlassen hatte. Als mein Vater das klobige Ungetüm sah, schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. "Vielleicht sollten wir noch deinen Bruder herholen", schlug er vor. Doch in der nächsten Sekunde überlegte er es sich anders. "Na, lass es uns erst einmal so versuchen." Mein Vater griff das Bett am Fußende und ich stellte mich an das Kopfteil und mit vereinten Kräften hoben wir den Koloss aus Messing an.




    Trotzdem war es ein Kampf, das Bett ins Schlafzimmer zu bekommen. Das Kopfteil war so sperrig, dass wir damit kaum durch die Eingangstür kamen, selbst als wir es quer stellten. Und nachdem wir die erste Tür überwunden hatten, standen noch zwei weitere bevor, nämlich die zum Wohn- und die zum Schlafzimmer. Aber nach etlichem Schieben, Drücken und Zerren stand das Bett an seinem Platz und ich ließ mich zufrieden darauf nieder. "Danke, Papa", seufzte ich aus tiefstem Herzen und mein Vater lächelte zufrieden zurück.




    Anschließend führte ich Papa in meinem neuen Haus herum, auch wenn es nicht wirklich viel zu sehen gab. Nach der Hausbesichtigung bot ich ihm einen Saft an, da mein Kühlschrank leider nicht mehr hergab. Er trank ihn in aller Ruhe aus, doch dann konnte ich seinen Fragen nicht länger ausweichen. "So, Spatz", sagte er und stellte die leere Saftpackung auf dem Wohnzimmertisch ab, "und jetzt erklärst du mir hoffentlich, warum du dir klammheimlich ein Haus in Rodaklippa gekauft hast, ohne deine Mutter und mich in deine Pläne einzuweihen."




    Ich blickte meinen Vater aus großen Augen an, wie ein Reh, das vom Scheinwerferlich geblendet wurde. Meine Lippen begannen zu beben und nur mühevoll brachte ich die Worte heraus, die kaum mehr als ein Flüster waren: "Ich habe die Abschlussprüfung nicht bestanden. Nicht beim ersten Versuch...und auch nicht beim Zweiten. Und das war es jetzt Papa. Noch eine Chance bekomme ich nicht. Ich habe das Mathematikstudium nicht geschafft."




    Ich hatte erwartet, dass mein Vater wütend wird oder enttäuscht reagiert, aber alles was ich in seinem Blick sehen konnte, war tiefes Bedauern. "Spätzchen, du hast doch nicht versagt. Du hast die Uni nicht geschafft. Das kann passieren. Ich war auch nicht auf der Uni und deine Mutter hat ihr Abitur auch vorzeitig abgebrochen. Das ist doch keine Schande."




    "Aber ich wollte euch doch Stolz machen", schluchzte ich und jetzt hielt nichts mehr die Tränen auf, die sich in meinen Augen angesammelt hatten. Mein Vater kam einen Schritt auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. "Wir sind stolz auf dich, was immer du machst, Spatz." Es tat gut, das zu hören, und ich klammerte mich weiter an meinen Vater fest wie ein kleines Mädchen. Er strich mir immer wieder behutsam über den Rücken. Schließlich lockerte ich meine Umarmung und auch mein Vater ließ mich wieder frei. Dafür strich er mir liebevoll über den Kopf. "Aber warum all die Geheimnisse?", fragte er. "Warum hast du uns das nicht sofort gesagt? Die Prüfungen waren doch schon vor drei Wochen."




    Ich drehte mich von meinem Vater weg und ging ein paar Schritte im Raum auf und ab. Verlegen kratzte ich mich am Hinterkopf, als ich ihm antwortete. "Ich wollte euch keine Probleme bereiten. Du und Mama, ihr hattet es in den letzten Jahren schon schwer genug. Ich weiß doch, wie sehr Mama immer noch darunter leidet, dass ihr die Sierra Simlone verlassen musstet. Und wir haben doch schon ein Problemkind in der Familie." Damit sprach ich meine ältere Schwester Kinga an, die in die Obhut meiner Tante Joanna gegeben wurde musste, weil meine Eltern nicht mehr mit ihr fertig wurden. Das war schon vor über zehn Jahren und meine Schwester war seither nicht mehr bereit, auch nur ein Wort mit meinen Eltern zu wechseln.




    "Und ihr habt so viel in meine Ausbildung investiert. Ich weiß doch, wie teuer die Studiengebühren sind. Und ihr habt auch meinen Lebensunterhalt finanziert. Da wollte ich es auch schaffen. Ich wollte euch Stolz machen. Und als ich es nicht geschafft habe, da habe ich mich geschämt. Ich wollte ohne eure Hilfe wieder auf die Beine kommen, deshalb habe ich euch nichts erzählt. Das Geld für das Haus habe ich während des Studiums zurückgelegt. Ich bin nie auf Partys oder so gegangen, daher musste ich auch nie viel ausgeben. Und mit Aushilfsjobs habe ich mir immer etwas dazuverdient und alles beiseitegelegt. Aber wie du siehst, Papa, habe ich es nicht einmal geschafft, alleine mein Bett in das Haus zu bekommen." Und wieder füllten sich meine Augen gefährlich mit dicken Tränen.




    Und wieder musste mein Vater auf mich zukommen und mich tröstend in den Arm nehmen. Als mein Kopf seien Schulter berührte, waren die Tränen wieder fast wie weggeblasen. "Spatz, deine Mutter und ich haben Probleme mit deiner Schwester, aber das sind unsere Probleme. Du bist weder dafür verantwortlich, noch musst du für uns die perfekte Tochter spielen, als Ausgleich für Kingas Verhalten. Und das andere ist doch bloß Geld. Deine Mutter und ich haben uns hier in Rodaklippa eine gute, neue Existenz aufgebaut. Ja, am Anfang war es schwer, aber jetzt haben wir ein sicheres Einkommen. Und wir hätten dir in jedem Fall ein Studium ermöglicht. Es wäre wunderbar gewesen, wenn du erfolgreich deinen Abschluss gemacht hättest. Aber es ist kein Beinbruch, wenn es nicht geklappt hat."




    Ich war erleichtert, diese Worte zu hören. Und gleichzeitig fühlte ich mich so dumm, weil ich eine andere Reaktion von meinen Eltern befürchtet hatte. Jetzt, wo mein großes Geheimnis offenbart wurde, konnte ich mich entspannt mit meinem Vater unterhalten. Wir unterhielten uns so lange, bis wir schließlich im dunklen Wohnzimmer kaum noch das Gesicht des anderen erkennen konnten und ich mich vom Holzboden erhob, um das Licht einzuschalten. Auch Papa stand auf und klopfte sich den Staub von der Hose. "Für mich wird es langsam Zeit, heim zu deiner Mutter und zu deinem Bruder zu gehen. Die beiden fragen sich bestimmt schon, wo ich geblieben bin." Ich begleitete meinen Vater noch vor das Haus und verabschiede mich dort von ihm. "Sag Mama, dass ich sie gleich morgen besuchen werde", bat ich meinen Vater. Der nickte zustimmend und machte sich auf den Weg zur U-Bahnstation.


    ---------------------


    Ich hoffe, das Kapitel hat euch gefallen. Ich würde mich über die ein oder ander Rückmeldung sehr freuen :)

    Kapitel 1: Aller Anfang ist schwer



    Das Taxi bog in eine ruhige Straße direkt hinter dem Sportstadion ein und hielt wenige Meter weiter vor einem grau verputzten Haus, das schon mal bessere Tage gesehen hatte. "So, Miss", sprach mich der Fahrer an, "wir sind am Ziel. Celia Gade 3. Das mach dann 25 §". Ich gab dem Fahrer sein Geld und für die 5 § Trinkgeld half er mir auch noch, meine beiden Koffer aus dem Wagen zu holen. Und dann stand ich vor meinem neuen Haus. Ich, Klaudia Blech, 23 Jahre jung und endlich bereit, auf eigenen Beinen zu stehen.


    Diese Worte sollten mir eigentlich selbst Mut zusprechen, denn in Wahrheit hatte ich eine Heidenangst. Mein ganzes zukünftiges Leben war so unsicher. All die schönen Pläne, die meine Eltern für mich geschmiedet hatten, waren dahin und ich wusste nicht, ob ich alleine zurechtkommen würde. Aber ich musste es probieren. Also atmete ich tief durch und ging auf mein neues Häuschen zu. Die Tür knartschte gefährlich in den Angeln, doch sie öffnete sich und gab den Blick in einen dunkles, muffig riechendes Haus frei.



    Nun, hübsch war wahrlich etwas anderes. Aber das Geld hat gerade einmal so für den Kauf dieses Haus gereicht. Mit nicht ganz 20000 § war es allerdings auch spotbillig. Und hey, es hatte doch alles Notwendige. Einen Fußboden, Wände, die halbwegs stabil aussahen und ein Dach über dem Kopf hatte ich auch. Aber mit dieser scheußlichen Cowboytapete würde ich vorerst wohl Vorlieb nehmen müssen. Nur was dringend fehlte waren die Möbel. Ein paar Simoleons hatte ich noch auf meinem Sparbuch. Für ein Bett und den ein oder anderen Beistelltisch würde das hoffentlich noch so ausreichen.


    Und dann entdeckte ich bei meinem Rundgang durch und um das Haus eine tolle Überraschung. Halb überwuchert von einem Knetwegerich fand ich doch tatsächlich ein Fahrrad. Gut, seine besten Tage hatte das gute Stück schon längst hinter sich, aber ich hatte schon früh gelernt, dass man Dinge nie nach ihrem Äußeren bewerten sollte.


    Der Lack war kaum noch zu erkennen und alle Metalteile waren von einer dicken Rostschicht überzogen. Aber alles was zum Fahren benötigt wurde, war vorhanden. Zwei Räder, eine rostige Kette und ein, zugegebenermaßen sehr dreckiger, Sattel. Die Reifen waren natürlich platt. Doch als ich versuchte das Fahrrad aus dem Gebüsch zu zerren, entdeckte ich auch eine alte Luftpumpe unter dem Knetwegerich. Und die Schläuche schienen noch dicht zu sein. Also schwang ich mich aufs Rad und begab mich zu meinem ersten Besuch in die Innenstadt von Rodaklippa.


    Ich fand mich auf Anhieb zurecht, aber das war auch nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass Rodaklippa keine unbekannte Stadt für mich war. Ich war hier bereits gut vier Jahre zuhause gewesen, bevor ich an die Le Tour Akademie in Nantesim ging, um Mathematik zu studieren. Und meine Eltern und mein jüngerer Bruder Sky lebten immer noch in diesem beschaulichen Örtchen im Nordosten der SimNation. Ich wusste daher auch sehr gut, dass es hier keinen großen Möbelladen gab. Aber der ein oder andere Trödler bot schöne und auch günstige Sachen an. Vielleicht würde ich hier ja fündig werden.


    Ich wusste, dass es einen Antiquitätenladen direkt neben dem China-Imbiss gab. Der verführerische Duft von Frühlingsrollen stieg mir in die Nase, als ich mein Fahrrad abstellte und an Mr. Lums Geschäft vorbei ging, doch ich wiederstand dem Drang und betrat stattdessen das Antiquariat. Die Auswahl war wie erwartet klein, auch wenn mir der grün, gelb gestreifte Sessel gut gefiel. Nur ein Bett würde ich hier wohl kaum finden.


    Ich schaute mich in jeder Ecke deswinzigen Ladens genau um, auf der Hoffnung, doch noch ein Bett zu finden. Aber es war hoffnungslos. Das bedeutete für mich aber, dass ich meinen ganzen Mut zusammennehmen musste um...um den Verkäufer anzusprechen. Ich hasste mich selbst dafür, aber ich war einfach unglaublich schüchtern. Einen fremden Menschen ansprechen zu müssen, war für mich jedes Mal eine Qual. Doch ich riss mich zusammen und ging zaghaft auf den Mann hinter dem Tresen zu. "Entschuldigung", flüsterte ich so leise und mit gesenktem Kopf, dass der Mann mich kaum verstehen konnte. "Entschuldigen Sie bitte", fügte ich etwas lauter hinzu, als der Mann sich immer noch nicht regte. Erst jetzt blickte er von seiner Zeitung auf. Es schien so, als ob er gerade erst in diesem Moment realisiert hätte, dass Kundschaft im Laden war. Sofort trat er hinter dem Tresen hervor.


    "Kann ich Ihnen behilflich sein, Miss?", sprach er mich freundlich an. Doch weil er dabei noch einen Schritt näher auf mich zukam, fühlte ich mich plötzlich eingeengt und wich nach hinten aus. "Ich suche ein Bett", nuschelte ich mit gesenktem Kopf in meine Haare hinein. Offenbar so leise, dass mein Gegenüber mich nicht verstand, denn er kam noch näher auf mich zu. "Ein Bett!", wiederholte ich jetzt lauter, denn ich wollte die Situation schnell hinter mich bringen. "Ein Bett?", echote er überrascht.


    "Lassen Sie mich einen Moment überlegen“, grübelte der Verkäufer weiter. "Hier hab ich natürlich keines. Hmm. Aber warten Sie, vielleicht lässt sich da ja doch was machen. Die alte Witwe Klapkins, Gott hab sie selig, ist vor ein paar Tagen verstorben und ihr Haus soll verkauft werden. Ich könnte da mal vorbeifahren und schauen, ob ich bei der Haushaltsauflösung nicht ein Bett für Sie bekommen kann, Miss." Mir war es ganz egal, wo er das Bett auftreiben wollte, Hauptsache ich hätte heute Abend eins. Und noch besser war es, dass der Ladenbesitzer sich bereit erklärte, dass Bett direkt zu meinem neuen Haus zu liefern.


    Oh, war ich erleichtert, als ich den Laden wieder verlassen konnte. Bis mir einfiel, dass ich ja noch ein paar andere Möbelstücke aus dem Antiquariat gut gebrauchen könnte. Als diese Einkäufe erledigt waren, schwang ich mich auf mein rostiges Fahrrad und radelte hinunter zur Strandpromenade. Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, die warme Frühjahrssonne auf der Haut zu spüren, dem Meeresrauschen zu lauschen und den Blick über die Bucht von Rodaklippa schweifen zu lassen. Alleine wegen dieses Anblicks war es es wert gewesen, wieder hierher zu ziehen.


    Ich blieb bis zum Sonnenuntergang am Strand. Als ich dann wieder bei meinem frisch erworbenen Haus ankam, wartete bereits eine angenehme Überraschung auf mich. Der Ladenbesitzer hatte Wort gehalten und im Vorgarten stand ein ganzer Haufen Möbel, und zwar die, die ich mir im Antiquitätenladen ausgesucht hatte. Und ein Bett war auch dabei. Der scheußliche Goldrahmen brachte mich selbst im fahlen Licht der Wandlaterne beinah zum Erblinden, aber ein hässliches Bett war immer noch besser als gar kein Bett. Nur wie sollte ich die Möbel ins Haus bekommen?


    Mit den leichten Möbeln wurde ich schon fertig. Der Tisch und die Staffelei waren kein Problem. Der Sessel war schon eine Herausforderung, aber mit ein wenig schieben, zerren und drücken, stand auch er an seinem Platz im Wohnzimmer. Nur für das Bett musste ich mir immer noch was einfallen lassen. Ich schaute in der Zeitung nach einem Umzugsunternehmen, aber die ungeheuerlichen Preise ließen mich diesen Gedanken schnell wieder verwerfen.


    Außerdem hätte das bedeutet, dass ich nach dem Verkäufer im Antiquitätenladen mit noch einer weiteren mir unbekannten Person hätte reden müssen. Vermutlich hätte ich sogar telefonieren müssen und das war noch viel schlimmer, als einer lebenden Person gegenüberzustehen. Ich musste mir einfach was anderes einfallen lassen. Und während ich noch so vor mich hin grübelte, fielen meine Augen auch schon zu und ich schlief im Sessel ein.

    Prolog



    Ha...Ha…Hallo. Ich bin Klaudia, Klaudia mit K, und schon diese kleine Besonderheit bereitet mir im Alltag so manche Probleme. Ich bin nämlich unheimlich schüchtern und es kostet mich jedes Mal viel Überwindung die Leute darauf hinzuweisen, dass mein Name mit K und nicht wie üblich mit C geschrieben wird. Ich frage mich bloß, was meine Eltern sich dabei gedacht haben.


    Ich wurde im Sternzeichen des Fisches geboren. Wenn ich mich selbst beschreiben sollte, und wie gesagt, Fremden gegenüber tue ich das nur höchst ungern, dann wären da an erster Stelle meine Schüchternheit zu nennen. Ich bin aber auch ein genügsamer und sehr ordentlicher Mensch. Zudem ist mir mein Familie sehr wichtig. Nur in ihrem Kreis fühle ich mich so richtig aufgehoben und geborgen. Meine große Leidenschaft gilt der Kunst. Bereits als kleines Mädchen habe ich sehr gerne meine Zeit vor der Staffelei verbracht. Ich höre sehr gerne klassische Musik, liebte Pfannkuchen und Türkis ist meine absolute Lieblingsfarbe.


    Geboren wurde ich in Sierra Simlone Stadt, einer Kleinstad im Süden der SimNation. Wobei, so ganz stimmt das nicht, denn seit fast 8 Jahren gehört die Sierra Simlone nicht mehr zur SimNation, aber dazu erzähle ich später mehr.


    Meine Eltern sind Oxana und Dominik Blech. Demnach ist auch mein Nachname Blech. Mein Vater arbeitete früher für ein privates Sicherheitsunternehmen und meine Mutter führte unseren landwirtschaftlichen Betrieb mit Getreideanbau, Rinderzucht und Zitrusplantagen in der Sierra Simlone.


    Ich habe noch zwei Geschwister. Kinga ist 6 Jahre älter als ich. Leider hatte sie in der Vergangenheit viele Probleme. Meine Eltern kamen irgendwann nicht mehr mit ihr klar und gaben sie in die Obhut meiner Tante Joanna, der Zwillingsschwester meiner Mutter. Seitdem habe ich nichts mehr von ihr gehört. Ich vermute, dass sie in eine Art Besserungsanstalt geschickt wurde. Immer wenn ich meine Eltern nach Kingas Verbleib frage, reagierten sie immer sehr ausweichend. Ich weiß nur, dass es meiner Schwester inzwischen wieder besser geht, sie aber keinen Kontakt mehr zu uns allen wünschte.


    Und dann ist da noch mein kleiner Bruder Sky. Er ist 9 Jahre jünger als ich. Ich sollte vielleicht anmerken, dass sowohl Kinga, als auch Sky nur meine Halbgeschwister sind. Kinga und ich haben unterschiedliche Väter, während Sky eine andere Mutter hat. Dennoch würde ich uns alle fünf als eine Familie bezeichnen. Kingas leiblicher Vater ist schon vor langer Zeit verstorben und Skys Mutter hat ihn sehr früh im Stich gelassen. Meine beiden leiblichen Eltern waren somit auch für meine beiden Halbgeschwister die einzigen Eltern, die sie wirklich kennengelernt haben.


    Als ich 15 Jahre alt war, wurde die SimNation von dem südamerikanischen Land Simnistrien überfallen. In diesem Krieg wurden große Teile der SimNation verwüstet. Aber am schlimmsten traf es die Sierra Simlone. Denn im Rahmen der Friedenverhandlungen wurde dieses Gebiet an Simnistrien übergeben. Meiner Familie blieb nichts anderes übrig, als unser Heimat zu verlassen.


    Wir kamen kurzzeitig bei meiner Tante Joanna in SimCity unter, doch schon bald wollten meine Eltern wieder auf eigenen Beinen stehen und zogen in die nördlichste Provinz der SimNation, nach Simskelad. Simskelad blieb vom Krieg nahezu unberührt und in der Kleinstadt Rodaklippa fanden wir ein neues Zuhause.



    Bis zu meinem 19. Geburtstag blieb ich in Rodaklippa und machte mehr schlecht als Recht mein Abitur. Trotzdem wollte ich studieren und so zog es mich an die Le Tour Akademie in Nantesim. Dort studiere ich dann vier Jahre lang Mathematik. Und ich arbeitete wirklich hart, um mein Ziel zu erreichen. Und jetzt…jetzt war ich wieder unterwegs nach Rodaklippa, um mich dem wahren Leben zu stellen.




    Klaudia Blech


    ------------------------------------------


    Keine Sorge, das werden die letzten Sims2 Bilder in dieser Geschichte bleiben ;) Von nun an wird alles mit Sims3 erstellt sein. Versprochen!


    Hallo liebe Fotostoryfans,
    ich möchte euch ab heute meine aktuelle Sims3-Fotostory „Klaudia – Farben der Sehnsucht“ vorstellen. Der Titel klingt wie eine Telenovela, und ja, man könnte es als solche betrachten, wobei ich den Begriff Fotonovela bevorzuge :D
    Im Vordergrund steht Klaudia, ein junges, schüchternes Mädchen, das versucht, sich durch die Wirrungen des Lebens und der Liebe zu meistern. Und am Ende steht die große Frage: Wir sie ihr Glück finde?
    Diese Fotostory schließt mehr oder weniger nahtlos an meine bisherigen Geschichten an.
    In meiner ersten Fotostory „Die Brodlowski Saga“, umgesetzt mit Sims1, war Klaudias Großvater Arkadiusz auf der Suche nach Glück.
    www.brodlowski-saga.de.vu
    In meiner zweiten Fotostory „Oxana – Wege des Gewissens“, umgesetzt mit Sims2 und gerade hier im Forum abgeschlossen, stand dann Klaudias Mutter Oxana im Fokus.
    www.oxana-brodlowska.de.vu
    Es ist aber keineswegs notwendig, dass ihr die vorherigen Storys kennt. Alle notwendigen Bezüge auf die Vergangenheit werden in der aktuellen Story noch einmal ausführlich gegeben.
    Und jetzt genug der einleitenden Worte :)
    Viel Spaß beim Lesen von „Klaudia – Farben der Sehnsucht“!



    -----------------------------------

    Inhalt
    Prolog
    Kapitel 1: Aller Anfang ist schwer
    Kapitel 2: Das Geständnis
    Kapitel 3: Ein anderer Blickwinkel
    Kapitel 4: Unerwarteter Besuch
    Kapitel 5: Die nächste Frieda Kahlo
    Kapitel 6: Nachtleben
    Kapitel 7: Katz-und-Maus-Spiel
    Kapitel 8: Wolf und Lämmchen
    Kapitel 9: Auf gute Nachbarschaft
    Kapitel 10: Aufsteigender Rauch
    Kapitel 11: Falten im Gesicht
    Kapitel 12: Gelbe Rosen
    Kapitel 13: Familienfehde
    Kapitel 14: Blickdicht
    Kapitel 15: Kribbeln im Bauch
    Kapitel 16: Aufgedeckte Lügen
    Kapitel 17: Jamie
    Kapitel 18: Beschlossene Sache
    Kapitel 19: So, so, so schön
    Kapitel 20: Armors Pfeil
    Kapitel 21: Donnerwetter
    Kapitel 22: Rache
    Kapitel 23: Nur ein Mann
    Kapitel 24: Entscheidungen
    Kapitel 25: Ein Häufchen Elend
    Kapitel 26: Hässliche, dicke Kuh
    Kapitel 27: Unerwarteter Besuch
    Kapitel 28: Geburtstag mit Überraschung
    Kapitel 29: Zeit heilt alle Wunden
    Kapitel 30: An die Pfunde, fertig, los!
    Kapitel 31: Verwandlung
    Kapitel 32: Frühlingsgefühle
    Kapitel 33: Starthilfe
    Kapitel 34: Liebe im Spiel
    Kapitel 35: Die fremde im Spiegel
    Kapitel 36: Schlaf gut
    Kapitel 38: Ein unmoralisches Angebot
    Kapitel 39: Date mit einem Unbekannten
    Kapitel 40: Chance aufs Glück
    Kapitel 41: Gemeinsame Zukunft
    Kapitel 42: Mechanisch
    Kapitel 43: Zweifel
    Kapitel 44: Tausend Schmetterlinge
    Kapitel 45: Schwanger
    Kapitel 46: Ahnungsvolles Gefühl
    Kapitel 47: Frohe Botschaft
    Kapitel 48: Twinbrook
    Kapitel 49: Unglaubliche Wut
    Kapitel 50: Zweite Chance
    Kapitel 51: Hochzeitsvorbereitungen
    Kapitel 52: Der große Tag
    Kapitel 53: Moon River
    Kapitel 54: Die Erfüllung aller Wünsche
    Kapitel 55: When the moon hit's your eye...
    Kapitel 56: Trautes Heim...
    Kapitel 57: ...Glück allein?
    Kapitel 58: Kopfkino
    Kapitel 59: Unterstützung
    Kapitel 60: Das Baby kommt
    Kapitel 61: Rosige Zukunft
    Kapitel 62: Mutterfreuden
    Kapitel 63: Lady Klaudia
    Kapitel 64: Kindersegen
    Kapitel 65: Wie die Zeit verfliegt
    Kapitel 66: Ultimatum
    Kapitel 67: Wut
    Kapitel 68: Eine weise Frau
    Kapitel 69: Elisabetta
    Kapitel 70: Kinderwunsch
    Kapitel 71: Mein Sonnenschein
    Kapitel 72: Ein kleiner Gefallen
    Kapitel 73: Die Freundin meiner Tante
    Kapitel 74: Unerwarteter Inhalt


    -----------------------------

    Downloads Falls ihr Interesse an den Sims aus dieser Story haben solltet, so habe ich sie in der offiziellen Exchange hochgeladen. Ich habe die Sims in einem "sauberen" Sims3-Ordner gepackt (also ohne Downloads oder Mods), so dass es hoffentlich keine Probleme geben sollte. Durch das Fehlen der default Skintones und Augen sehen sie aber etwas anders aus als auf den Bilder hier in der Story. Die Sims selbst sind z.T. mit Slider-Hacks erstellt worden. Solange ihr die Gesichter/Körper nicht im CAS nachbearbeitet, sollte das keine Rolle spielen. Wenn ihr es doch tut, dann kann es sein, dass sie deutlich ihr Aussehen verändern. Klaudia, Papa Dominik, Mama Oxana, Bruder Sky, Cousine Magda, Tante Joanna, Schwester Kinga, Schwager Olek Ehemann Francesco, Schwägerin Alexis, Onkel Orion, Tante Desdemona

    Kapitel 178: Wege des Gewissens




    Obwohl wir erst spät ins Bett gekommen waren, stand ich am nächsten Morgen früh auf. Ich brachte es dann doch nicht übers Herz, Christian mit dem Aufräumen ganz alleine zu lassen. Außerdem tat mir die frische Morgenluft ganz gut. Eigentlich war ich der Meinung, gestern nicht viel getrunken zu habe. Das Brummen in meinem Schädel ließ aber vermuten, dass ich mich an das ein oder andere Glas Sekt nicht mehr so recht erinnern konnte. Ich überprüfte gerade, ob im hinteren Bereich des Gartens noch dreckiges Geschirr zu finden war, als die Terrassentür aufgeschoben wurde, Tristan herauskam und mich mit einem Kapitänsgruß begrüßte.




    "Bist du jetzt unter die Seefahrer gegangen", fragte ich meinen langjährigen Mitbewohner lachend und nahm ihn herzlich in den Arm. "Ich weiß auch nicht", entgegnete dieser. "Dieser Kanal hinter dem Haus hat mich einfach dazu verleitet." Er grinste. "Du warst gestern übrigens wunderschön, Oxana". Ich wurde rot bei seinem Komplimente. "Und ich fand es schön, dass du es zur Hochzeit geschafft hast. Ich hätte so gerne auch Roland, Brandi und so viele andere hier gehabt. Es war gut, dass wenigstens ein paar meiner engsten Freunde hier sein konnten."




    Unweigerlich musste ich an Benny, Frau Jolowitz, und so viel andere denken, die den Tag meiner Hochzeit nicht einmal mehr erlebt hatten. Wieder wurde mir die Sinnlosigkeit dieses Krieges vor Augen geführt. "Es tut mir wahnsinnig leid, dass ich mit den Kindern verschwunden bin, ohne ein Wort zu sagen", entschuldigte ich mich bei Tristan aufrichtig. Diese Angelegenheit hatte mir schon seit Tagen auf der Seele gebrannt. "Ich hätte mich wenigstens bei dir verabschieden müssen."




    Doch zum Glück war Tristan mir deswegen nicht böse. "Du hast nur getan, was du tun musstest, Oxana. Du musstest deine Kinder beschützen. Ich kann das sehr gut nachvollziehen. Und deine Flucht war riskant. Je weniger Leute davon wussten, desto besser. Wir haben ja alle gesehen, dass die Simnistrier nicht vor dem Töten zurückschrecken. Und ich weiß, dass es dir nicht leicht gefallen ist, deine Freunde in der Sierra Simlone zurückzulassen. Ich werde dir deswegen niemals einen Vorwurf machen." Mir fiel ein Stein vom Herzen.




    Doch dann wurde er ernst und an seinem zerknirschten Gesichtsausdruck konnte ich erahnen, dass die Neuigkeit, die er mir mitteilen wollte, mich nicht erfreuen würde. "Auch ich hätte dir schon längst etwas sagen müssen", gestand er mir. "Aber ich wollte dir deinen großen Tag nicht verderben." Seine Stimme klang wirklich ernst und unweigerlich bekam ich eine Gänsehaut am ganzen Körper. "Es geht um Grünspan. Es hat da einen Vorfall gegeben..."




    "Grünspan?", keuchte ich. "Stimmt etwas mit der Farm nicht?" Ich hatte bislang vermieden, an die Felder, die Plantage und die Rinderherde zu denken. Mir war klar, dass sie in den Wochen meiner Abwesenheit furchtbar gelitten haben mussten. Vermutlich musste ich in vielen Bereichen wieder völlig von Neuem beginnen. "Es geht nicht so sehr um die Farm", entgegnete Tristan. "Viel mehr geht es um das Haus. Du weiß ja, dass es von den Simnistriern als Hauptquartier genutzt wurde. Als es zu dem großen simnationalen Gegenschlag bei SimVegas kam, da wurde auch der Widerstand in Sierra Simlone Stadt geweckt. Niemand weiß so genau, wie es passierte, aber da gab es diese Explosion und...und das Haus..." Mir wurde schwindelig. Nein, das durfte nicht wahr sein. Nicht mein Haus, nicht Grünspan!




    Am liebsten wäre ich sofort in die Sierra Simlone aufgebrochen, doch die politische Lage ließ dies noch nicht zu. Niemand durfte die von Simnistrien besetzten Gebiete betreten oder verlassen, solange die Friedensverhandlungen mit der SimNation noch im vollen Gange waren. Es dauerte zwei weitere Wochen, bis die Gespräche zu einem abschließenden Ergebnis kamen. Und die Bedingungen des Friedens waren für mich und alle Bewohner der Sierra Simlone ein Schock. Die gesamte Sierra, sowie die südlichen Gebiete der Provinzen Matosimhos und Las Marsimas wurden an Simnistrien abgetreten. Sie bildeten nun die Sierra Simnistria, ein Übersee-Département, das direkt der Regierung Simnistriens unterstand. Für die Bewohner dieser Region galt es nun eine Entscheidung zu treffen. Erklärten sie sich dazu bereit, der simnationalen Staatsbürgerschaft abzuschwören, konnten sie in ihre Heimat zurückkehren und Bürger Simnistriens werden. Waren sie dazu nicht bereit, dann blieb ihnen nur die Möglichkeit, sich von ihrer Heimat zu verabschieden und der Sierra Simlone für immer auf Wiedersehen zu sagen.







    Auch Dominik und ich standen vor dieser Wahl. Doch bevor wir einen Entschluss fällen konnten, mussten wir selbst noch einmal nach Sierra Simlone Stadt reisen. Tristan hatte mich vorgewarnt und trotzdem hatte mich keines seiner Worte auf den Anblick vorbereitet, der sich mir bot, als ich die Simlane erblickte. Dominik musste mir aus dem Auto helfen und mich beim Gehen stützen. Andernfalls wäre ich direkt auf den staubigen Wüstenboden gefallen. Ich hatte keine Kraft mehr. Und selbst Dominik hatte es die Sprache verschlagen. Ich konnte deutlich spüren, dass er mich nicht nur stützte, sondern dass er auch mich als Stütze brauchte. Schweigend blickten wir unser Haus an.




    Oder viel mehr das, was davon noch übrig geblieben war. Die Simlane war nur noch eine einzige Ruine. Von dem Anbau, in dem sich die Kinderzimmer befanden, war kaum noch etwas vorhanden. Der komplette Dachstuhl war zusammengestürzt und lediglich die Mauern meines ursprünglichen kleinen grünen Häuschens hielten mit Müh und Not stand. Es musste eine gewaltige Explosion gewesen sein, die die Aufständischen der Sierra Simlone gezündet hatten, um die simnistrischen Eroberer aus unserer Stadt zu vertreiben.




    Mit wackligen Knien ging ich Schritt für Schritt auf das Haus zu und stieg langsam die Holztreppe zur Veranda hinauf, die unter meinem Gewicht gefährlich knarrte. Ich wollte das Haus betreten, doch Dominik hielt mit bestimmt zurück. "Es ist viel zu gefährlich, Brodlowska", flüsterte er mir zu. "Die Decke könnte jeden Moment einstürzen." Ich wusste, dass er Recht hatte. Alles, was ich mir aufgebaut hatte, lag in Trümern vor mir. Ich begann zu schluchzen und sank zu Boden. Mein Mann beugte sich zu mir herunter und küsste zärtlich meine Haare. Ich war so froh, dass er jetzt bei mir war. Andernfalls wüsste ich nicht, wie ich diesen Moment überstanden hätte.




    Nach einem kurzen Moment wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht und Dominik half mir wieder auf. Er nahm mich an der Hand und gemeinsam gingen wir um das zerstörte Haus herum. Es war kaum vorstellbar, dass wir hier jahrelang gelebt hatten. Beim Blick in die zerstörte Küche kamen so viele Erinnerungen wieder hoch. An dieser Spüle hatte Letizia sich direkt vor Rolands Augen mit einem Schwamm gewaschen, an diesem Esstisch habe ich Dominik von meiner Schwangerschaft mit Kinga berichtet und dort hinten auf dem Sessel hatte ich gesessen, als meine Schwester mir von ihrer dunklen Doppeltleben berichtete.




    Dieses Haus steckte voller Erinnerungen. Einige waren wundervoll und andere wiederum waren schmerzvoll. Doch ich wollte keine einzige missen, denn sie alle hatten mein Leben geformt und mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute war. Da das Dach über den Kinderzimmern bereits vollständig eingestürzt war, wagte ich es, Skys und Klaudias Zimmer zu betreten. Überall erkannte ich ihre Sachen zwischen den Trümmern. Hier ein Pullover, dort ein Spielzeug. Und einem Stapel loser Bretter zog ich einen Teddybär von Klaudia hervor. So viele liebgewonnene Gegenstände waren unwiederbringlich zerstört, da wollte ich wenigstens ein paar Erinnerungsstücke retten.




    Also begann ich die Gegenstände unter den Trümmern hervorzuziehen. Erst den einen Teddybären, dann den nächsten, dann ein Buch, ein Bild, eine CD... Ich steigerte mich immer weiter hinein und begann die Trümmer zur Seite zu räumen, bis Dominik mich von hinten fest an meinen Handgelenken faste. "Lass es gut sein, Brodlowska", sprach er beruhigend auf mich ein. "Das sind doch alles nur Gegenstände." Ich wollte ihn abschütteln, doch sein Griff war zu fest und schließlich ergab ich mich ihm und richtete mich langsam auf. "Dieses Haus war uns ein gutes Zuhause, Brodlowska. Aber nicht das Haus ist wichtig, sondern die Menschen, die darin wohnen. Wir haben immer noch uns, wir haben zwei, nein drei, wunderbare Kinder, Und wir werden uns ein neues Zuhause aufbauen."




    Behutsam drehte Dominik mich zu sich um und strich mir durch das staubige Haar. "Wir können versuchen, dieses Haus wieder aufzubauen. Wenn es sein muss, dann werden wir eben Simnistrier. Wir können aber auch irgendwo anders ganz von vorne anfangen. Wichtig ist doch nur, dass wir uns haben. Zusammen können wir alles schaffen." Vor Rührung begannen meine Augen erneut feucht zu glänzen. "Ich liebe dich Dominik", flüsterte ich und küsste ihn. Und er schloss mich fest in seinen Arm und erwiderte diesen Kuss. Ja, solange wir nur zusammen waren, dann konnten wir alles schaffen. Alles.



    Ende



    Gedanken


    Dominik und ich hatten eine schwere Wahl zu treffen. Ich liebte Grünspan. Ich liebte meine Farm, mein grünes Haus und natürlich all die Menschen, die gemeinsam mit mir in der Sierra Simlone lebten. Aber war ich auch bereit von nun an in Simnistrien zu leben? Konnte ich wirklich in einer Stadt, in einer Straße mit den Menschen leben, die erst vor kurzem gewaltsam in mein Land eingedrungen waren? Mein Haus lag in Trümmern. Dominik hatte Recht, wir konnten es wieder aufbauen. In den Jahren nach der verehrenden Wirtschaftskriese, hatte ich wieder einige Reserven auf meinem Konto anlegen können. Jetzt, zwanzig Jahren nachdem ich sie übernommen hatte, erwies sich die Farm als äußerst gewinnträchtig. Der Entschluss, in der Sierra Simlone zu bleiben, würde demnach nicht an unseren finanziellen Möglichkeiten scheitern.



    Auf der anderen Seite waren so viel schlimme Dinge passiert, dass ich nicht sicher wusste, ob ich wirklich weiterhin auf Grünspan leben konnte. Die Zerstörungen in Sierra Simlone Stadt waren allgegenwärtig. Nicht nur ich hatte mein Haus verloren. Der Ortskern existierte praktisch nicht mehr und zahlreiche Häuser waren beim ersten Raketenangriff dem Feuer zum Opfer gefallen. Und so viele Menschen hatten ihr Leben verloren. Am meisten betrauerte ich den Tod von Benny. Es gab eine Zeit, wo er der wichtigste Mensch in meinem Leben war. Der Gedanke, dass ich ihn nie wiedersehen würde, schmerzte ungemein.


    Und viele weitere Freunde hatten sich bereits entschlossen, die Sierra Simlone zu verlassen. Roland und Brandi würden ein neues Leben in Simtropolis beginnen. Auch die meisten von Dominiks Geschwistern, darunter Dennis und sein Lebensgefährte Stev, hatten die Sierra Simlone bereits verlassen und sich in SimVegas niedergelassen. Doch Gerda und ihre Familie wollten ihre Heimat und ihr Land nicht verlassen. Norman war schon seit Generationen im Familienbesitz. Und für sie war es nicht wichtig, auf welchem Staatsgebiet sie nun lebten, solange sie nur weiterhin auf und von ihrem eigenen Land leben konnten. Auch Orion würde in der Sierra Simlone bleiben. Joanna brauchte ihn jetzt umso dringender als wachsames Auge im Süden. Die Entscheidung meiner Schwiegereltern hing davon ab, wie Dominik und ich uns entscheiden würden. Würden wir in der Sierra Simlone belieben, dann blieben auch sie. Ansonsten würden sie mit uns ziehen, wo auch immer es uns hin verschlagen mochte. Und meine Schwester hatte mir und Dominik bereits ein schönes Haus in SimCity in Aussicht gestellt. Wir mussten nur noch zusagen, doch ich konnte mich einfach noch zu keiner Entscheidung durchringen. Tristan und Frank hatten Sierra Simlone Stadt ebenfalls bereits verlassen. Allerdings blieben die beiden in der neuen Sierra Simnistria. Kasimir hatte seit Beginn des Krieges Kontakte zu der simnistrischen Führung geknüpft und konnte auf diese Weise ein gutes Wort für Tristan und Frank einlegen. Da beide jahrelange Erfahrung in der Ölindustrie hatten, wurden sie von den Simnistriern mit offenen Armen empfangen. Denn die Ölreichtümer der Sierra Simlone, die nun in simnistrischer Hand waren, sollten so schnell wie möglich ausgebeutet werden. Und so lebten Tristan und Frank jetzt in Oro Negro, einer Kleinstadt etwa 500 km westlich von Sierra Simlone Stadt, die sich in den letzten Jahren zum Zentrum der Ölförderung in der Sierra Simlone entwickelt hatte und nun zur neuen Hauptstadt der Sierra Simnistria ernannt wurde.


    Trotz der Hitze, trotz des Staubes, ich liebte dieses Land. Ich liebte die raue Schönheit der Sierra Simlone. Aber am meisten hing mein Herz an den vielen Erinnerungen, die mit diesem Ort verknüpft waren. Hier hatte ich noch einmal neu beginnen können, nachdem ich aus SimCity vertrieben wurde. Hier hatte ich meine besten Freunde getroffen, hier hatte ich die erste Liebe durchlebt, hier hatte ich meine Kinder geboren und aufgezogen. Und hier wollte ich alt werden. Aber vor allem wollte ich mit Dominik, mit Klaudia, Sky und natürlich mit Kinga zusammen sein. Ich musste sie alle in meine Entscheidung einbeziehen. Dominik hatte von Angesicht zu Angesicht mit simnistrischen Soldaten gekämpft. Würde er seinen Hass auf sie jemals vergessen können? Und hatten meine Kinder, gebrandmarkt als SimNationale, eine Zukunft in diesem Land oder wäre ihnen jeder schulische und berufliche Erfolg aufgrund ihrer Herkunft automatisch verbaut? Ich wusste auf alle diese Fragen keine Antwort. Was war richtig? Richtig für mich und richtig für meine Familie? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich meinem Gewissen folgen musste. Sie waren oftmals steinig, doch führten sich mich mein Leben lang zum richtigen Ziel, meine

    Wege des Gewissens.




    ****************


    Meine lieben Leser, nun ist es tatsächlich so weit: Nach gut 3 ½ Jahren ist meine Fotostory „Oxana –Wege des Gewissens“ zu ihrem Abschluss gekommen. Ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich für eure Treue und für die vielen Kommentare, die ich über die Jahre erhalten habe. Ich hoffe, ihr hattet beim Lesen der Geschichte genau so viel Freude, wie ich beim Schreiben.



    Wie es der Zufall will, ist heute noch ein anderer großer Tag, denn vor genau 10 Jahren habe ich, den ersten Teil meiner allerersten Fotostory „Die Brodlowski-Sage“ online gestellt. In der Story dreht sich alles um Oxanas Dad Arkadiusz Brodlowski und sie ist damals noch mit Sims1 umgesetzt worden. Schaut doch einfach mal vorbei, wenn ihr Lust habt:



    www.brodlowski-saga.de.vu


    Die komplette Gesicht um Oxana findet ihr zusammengestellt auf einer eigenen Homepage:



    www.oxana-brodlowska.de.vu


    Und auch Kingas Story ist als eigene, abgeschlossene Geschichte auf einer eigenen Homepage nachzulesen:



    www.kb-justice.de.vu



    :hallo: Vielen, vielen Dank! :hallo:


    Kapitel 177: Für den Rest unseres Lebens




    Nachdem die Hochzeitsbilder geschossen waren, schlossen wir uns wieder der restlichen Hochzeitsgesellschaft an, die sich bereits vor Joannas Haus versammelt hatte. Und unter Applaus und Jubel der Gäste eröffneten Dominik und ich die Feier. Sky schien erst in diesem Moment zu begreifen, dass ich seinen Vater tatsächlich geheiratet hatte und nun seine richtige Mutter geworden war. Und dieser Gedanke schien ihm im ersten Moment nicht so ganz zu schmecken. Doch ich nahm es ihm nicht übel. Auch wenn er seine leibliche Mutter Ingrid kaum kannte, so war sie doch seine Mutter. Und mit Dominiks und meiner Hochzeit war sie nun noch weiter aus seinem Leben verschwunden.




    Zum Glück war er deswegen nur einen ganz kurzen Moment traurig. Denn spätestens als das Essen serviert wurde, war Sky wieder begeistert von der Hochzeit. Zusammen mit seiner Cousine Magda ging er zum Büffet und betrachtete fasziniert die Hummer. Die sahen zwar lustig aus, aber wer wollte schon Hummer, wenn er auch Spaghetti Bolognese haben konnte? Erwachsene waren manchmal wirklich seltsam.




    Nun, ich fand den Hummer köstlich. Doch das Essen war eigentlich nur Nebensache. Ich genoss es einfach nur, so viele geliebte Menschen um mich versammelt zu sehen. Nach den Schrecken des Krieges war diese Feier eine Wohltat für uns alle. Und meine Tante Kasia hatte ich nun schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Ich fand es wunderbar, dass sie ohne zu zögern in ein Flugzeug gestiegen und von Warschau nach SimCity geflogen war, nur um meiner Hochzeit beizuwohnen. Immerhin war der Frieden mit Simnistrien noch sehr zerbrechlich und die SimNation nur einen Wimpernschlag von einer erneuten Katastrophe entfernt.





    Aber solch trüben Gedanken wollte ich an diesem Tag nicht nachhängen. Dominik hatte wohl genau erkannt, dass ich wieder einmal begann, viel zu viel nachzudenken. Also kam er an den Tisch, an dem ich mit Klaudia und meiner Tante saß, und reichte mir die Hand. Meine Schwiegermutter Glinda muss Dominiks Gedanken gelesen haben, denn sie stand augenblicklich bei der Stereoanlage bereit und legte Musik für uns auf. Und nicht etwa einen schnöden Walzer, sondern gleich mitreisende Klänge. "Ihr beiden macht das genau richtig", sagte sie zu uns, als mir ausgelassen zu tanzen begannen. "Und all ihr andern, los auf die Tanzfläche", forderte sie die Gäste auf. "Das Büffet wird in einer Stunde auch noch da stehen."




    Viel Überzeugungskraft brauchte sie dafür nicht. In wenigen Augenblicken füllte sich die Tanzfläche. Jeder tanzte, wie er konnte und wie es ihm Spaß machte. Ob im Paar, wie meine Schwester mit ihrem Mann, oder alleine, wie der Mann meiner Tante Ewa, ob jung, wie Jakób, oder alt, wie meine Tante Kasia. Alle hatten ihren Spaß.




    Und Dominik ganz besonders. Und um das unter Beweis zu stellen, vollführte er mit mir die wildesten Figuren. Vor Schreck und Lachen zugleich, hätte ich fast das Gleichgewicht verloren, als er mich nach hinten fallen ließ und erst in letzter Sekunde in seinen starken Arm auffing.




    Langsam setzte die Abenddämmerung ein und schließlich wurde es dunkel. Doch die Tanzfläche leerte sich nicht. Ich hatte ganz vergessen, wie viel Freude es machte, die ganze Nacht durchzutanzen. Und an Tanzpartnern mangelte es mir nicht. Als Braut war ich die begehrteste Tänzerin an diesem Abend. Dominik, mein Schwager Tobias, mein Bruder Orion, mein Schwiegervater Anan und mein Vater, sie alle mussten regelrecht darum kämpfen, wer als nächstes mit mir tanzen durfte.




    Schließlich wurde mir eine kurze Verschnaufpause gegönnt, als Joanna zur Sektflasche griff und einen Toast auf das frisch vermählte Brautpaar ausbrachte.




    Und in Anschluss stießen Dominik und ich noch einmal ganz für uns alleine an. Ich war in diesem Augenblick so froh, dass Klaudia uns zu dieser Hochzeit gedrängt hatte. Es gab wirklich keinen vernünftigen Grund, warum Dominik und ich hätten noch länger warten sollen. Aber ohne ihr Einwirken hätten wir sicherlich immer weitere Gründe dafür gefunden, warum der richtige Zeitpunkt für die Hochzeit noch nicht gekommen war.




    Und dies war der richtige Zeitpunkt. Trotz der schwierigen politischen Lage, hatte es selbst meine beste Freundin Gerda geschafft, nach SimCity zu kommen. Aufgrund des Hochzeitstrubels, hatte ich mich noch gar nicht richtig mit ihr unterhalten können. Und ich sog begierig jede noch so kleine Neuigkeit in mich auf, die sie über den Kriegsverlauf in der Sierra Simlone und das Schicksal meiner Freunde und Nachbarn zu berichten hatte. Erleichtert hörte ich, dass es ihrer Familie gut ging. Niemand war verletzt worden. Hans und ihr Schwiegersohn Franz hatten die simnistrische Gefangenschaft wohlbehalten überstanden und Gerdas Farm hatte keinerlei Schaden genommen. Es schien so, als ob die Kappes diesen unsäglichen Krieg bald zu den Akten würden legen können.




    Und auch Tristan ging es gut. Zum Glück ist er bei dem Raketenangriff auf den Bohrturm nicht zu schwer verletzt worden. Sein Beinbruch war wieder verheilt und die meisten Kratzer und blauen Flecken waren ebenfalls wieder verschwunden. Er konnte sogar ausgiebig mit mir tanzen. Frank hatte sich vorbildlich um ihn gekümmert.




    Auch Klaudia genoss die Feier sehr. Endlich hatte sie einen Grund, sich so richtig fein zu machen. Ihre Cousine Magda hatte ihr dabei geholfen, ein Kleid auszusuchen und ihr etwas von ihrem Schmuck geliehen. Als Klaudia sich das erste Mal im Spiegel gesehen hatte, konnte sie kaum glauben, dass dieses schöne Mädchen wirklich sie selbst war. Für einen kurzen Moment hatte sie befürchtet, dass sich Magda einen schlechten Scherz mit ihr erlauben würde und dass ihre Cousine wollte, dass sie sich lächerlich machte, weil sie sich wie ein Pfau herausputzte. Doch dieser Gedanke verschwand schnell, als sie von allen Seiten Komplimente erhielt. Und so bildete sie an diesem Abend mit Magda und Tante Ewas Tochter Olivia ein unzertrennliches Dreiergespann und hatte sehr viel Spaß.




    Auf eine Hochzeitstorte verzichteten wird diesmal. Ich konnte mich nämlich noch allzu gut daran erinnern, wie wir die Reste unserer ersten Hochzeitstorte noch Monate später essen mussten, weil so viel davon übrig geblieben war. Aber um Mitternacht durfte Nachttisch trotzdem nicht fehlen. Wobei die Männer auch dann immer noch eher Lust auf etwas Deftiges hatten und über die Spaghettireste herfielen.




    Langsam löste sich die Hochzeitsgesellschaft auf und etwa gegen drei Uhr nachts verabschiedeten sich auch die letzten Gäste. Ich war froh, dass Joanna einen Buttler beschäftigte und wir uns um das Aufräumen keinen Kopf machen mussten. Leichte Panik brach aus, als wir Sky auf einmal nicht mehr wiederfinden konnten. Doch der kleine Kerl war einfach nur so müde geworden, dass er direkt unter dem Tisch eingeschlafen war. Er wachte nicht einmal auf, als Dominik ihn hochhob und ihn nach oben in sein Bett trug.




    Schlussendlich lagen auch Dominik und ich in unserem Bett. Desdemona war mit Gerda und meinem Bruder in einem Hotel untergekommen und so hatten Dominik und ich das Zimmer für uns allein. Wir waren viel zu erschöpft, um in dieser Nacht auch nur daran denken zu können, unseren ehelichen Pflichten nachzukommen. Das hatten wir in den vorrangegangenen Nächten ohnehin ausgiebig getan. Ich war einfach nur froh, neben Dominik, meinem Ehemann, zu liegen, seien Hand zu halten und genau zu wissen, dass wir für den Rest unseres Lebens zusammen bleiben würden.

    Kapitel 176: Mit diesem Ring




    Die Idee die Hochzeit hier und jetzt duchzuführen wurde vom Rest der Familie begeistert aufgenommen. Sofort begannen Klaudia, meine Schwester und Desdemona mit den Planungen. Die Idee einer schlichten standesamtlichen Trauung im Rathaus wurde schnell verworfen. Ebenso konnte ich mich nicht damit durchsetzen, kein weißes Kleid zu tragen. Ich fand die Vorstellung zunächst befremdlich, mit Mitte Vierzig und als Mutter von drei Kindern, noch einmal in Weiß vor dem Altar zu stehen. Aber als ich dann am Tag unserer Hochzeit, in dem langen weißen Kleid und Spitzenschleier auf dem Kopf, begleitet von meinem Vater den Mittelgang der Kirche entlang schritt, war ich überglücklich, dass Klaudia so lange auf mich eingeredet hatte.




    Solch eine Hochzeit hatte ich mir als junges Mädchen immer gewünscht. Als ich Dominik zum ersten Mal heiratete, da liebte ich ihn noch nicht. Ich wusste, dass unsere Ehe nur eine Farce war und ich sie deshalb nie vor Gott schließen könnte. Doch diesmal war alles anderes. Ich liebte Dominik über alles und ich war bereit, ihm ein Versprechen vor Gott zu geben. Als ich auf den Alter zuschritt, wanderte mein Blick über die Sitzbänke der Kirche, in der sich trotz der eilig einberufenen Trauung, viele Freude eingefunden hatten. Jetzt wo der Krieg vorüber war, war es Orion gelungen, Dominiks Eltern, Tristan und auch meine beste Freundin Gerda nach SimCity zu holen. Ich war überglücklich, sie an diesem besonderen Tag an meiner Seite haben zu können. Und selbst meine Tante Kasia, Paps Schwester, war extra aus Warschau angereist.




    "Halt, Brodlowska, bitte kurz stehen bleiben", forderte Dominik mich überraschend auf. Ich blickte ihn verwundert an, weil ich nicht ganz verstand, was er mit dieser Aktion bezweckte. Derweil kniff Dominik ein Auge zusammen und formte aus seinen Fingern einen Rahmen und blickte hindurch. "Das nenne ich mal ein wunderschönes Bild", sagte er anerkennend und entlockte mir damit ein strahlendes Lächeln. "Gut, Brodlowska, du hast den optischen Test bestanden. Ich denke, mit dir als Frau an meiner Seite, werde ich mich auf der Straße ruhig blicken lassen können. Herr Pfarrer, sie können dann loslegen."




    Sky konnte sich das Lachen kaum verkneifen und biss sich daher auf die Hand. Und auch mein Bruder grinste fröhlich vor sich hin. Orions Mutter Lucy und seine beiden Halbschwestern Annabelle und Cora guckten hingegen recht verwundert. Sie kannten Dominiks Humor bislang nicht und waren...nun...etwas verwundert, um es freundlich auszudrücken. Doch ich wusste, dass solche Sprüche ganz einfach Dominiks Art waren, mir seien Liebe zu zeigen. Und dafür liebte ich ihn.




    Mein Vater begleitete mich bis an den Altar und übergab mich dort meinem zukünftigen Ehemann. "Pass gut auf mein Mädchen auf", sagte er zu Dominik. Sein Tonfall ließ erkennen, dass er überzeugt davon war, dass Dominik genau das tun würde. Zur Bestätigung nickte Dominik meinem Vater kurz zu und reichte mir dann seine Hand. Ich übergab den Brautstrauß an meinen Vater, ergriff Dominiks Hand und gemeinsam lauschten wir den Worten des Priesters.




    Ich konnte mich hinterher an den Großteil des Gottesdienstes und der Predigt nicht mehr erinnern. Aber Dominiks Worte bei dem Austausch unserer Ringe, gruben sich tief in mein Gedächtnis. "Brodlowska, diesen Ring, den ich hier in meiner Hand halte, habe ich schon vor vielen Jahren gekauft. Damals, direkt nach der Geburt unserer ersten Tochter, die heute leider nicht bei uns sein kann, wollte ich dir diesen Ring geben. Doch zu dem Zeitpunkt waren wir noch nicht füreinander bestimmt." Die Erwähnung von Kinga versetzte mir einen kurzen Stich. Ich hatte Joanna darum gebeten, dass sie ebenfalls zur Hochzeit kommen könne, doch meine Schwester hatte diese Bitte erneut abgelehnt. Ihrer Ansicht nach, war Kinga noch lange nicht bereit, wieder ein Mitglied unserer Familie zu werden. "Doch ich wusste immer, dass es eines Tages so weit sein würde und habe diesen Ring für dich aufbewahrt. Und heute hat das Warten endlich ein Ende. Oxana Brodlowska, mit diesem Ring nehme ich dich zu meiner Frau, die ich auf ewig lieben werde."




    "Dominik, ich weiß, dass ich dir das Leben nicht immer leicht gemacht habe. Ich habe Fehler begangen, die so unverzeihlich sind, dass ich niemals zu hoffen gewagt hätte, dass du mir eines Tages wieder vertrauen könntest. Ich verspreche dir, dass ich ihn Zukunft immer ehrlich zu dir sein werde und das keine Geheimnis mehr zwischen uns stehen soll. Ohne dich fühlt sich mein Leben leer an. Du bringst mich jeden Tag aufs Neue zum Lachen und machst mich glücklich. Und ich hoffe, dass auch ich dich glücklich machen werde, für den Rest unseres Lebens. Dominik Blech, mit diesem Ring nehme ich dich zu meinem Mann, den ich auf ewig lieben werde." Und mit diesem Worten streifte ich Dominik seinen Ehering über den Ringfinger.





    "Hiermit erkläre ich euch beide nun zu Mann und Frau", verkündete der Priester. "Was Gott zusammengeführt hat, dass soll der Mensch nicht trennen. Sie dürfen die Braut nun küssen." Das ließ Dominik sich nicht zweimal sagen. Er legte die Hände an meine Hüfte und zog mich zu sich heran. Noch nie hat sich ein Kuss von ihm so gut angefühlt, wie in diesem Moment. Ich schmolz förmlich dahin und wie von Geisterhand geführt, hob sich mein linker Fuß zum Himmel.




    Draußen vor der Kirche hatte meine Tante Kasia einen alten polnischen Brauch für uns vorbereitet. Alle Gäste hatten Kleingeld in die Hand gedrückt bekommen, und warfen es vor uns auf den Boden, als wir als letztes die Kirche verließen. Sky hatte so viel Freude daran, dass er immer wieder Münzen hinterherwarf. Dominik und ich mussten das Geld nun schnell aufsammeln und zwar in einem Wettbewerb. Wer am Ende das meiste Geld zusammen hatte, der würde auch in Zukunft Herr über die gemeinsamen Finanzen sein. Und Dominik gelang tatsächlich der Sieg. Nun gut, sollt er unser Konto doch verwalten, solang ich darüber entscheiden dufte, wofür wir das Geld ausgaben.




    Die Hochzeitsfeier würde gleich im Anschluss im Garten meiner Schwester stattfinden. Es war zwar bereits Herbst, aber die Nächte waren immer noch recht warm und für dieses Wochenende war kein Regen angekündigt. Die Gäste gingen schon einmal vor, immerhin lag das Haus nur einige hundert Meter von der Kirche entfernt. Die engste Familie zog sich derweil noch einmal in den Park hinter der Kirche zurück und Tristan schoss für unser Familienalbum eine Vielzahl wunderschöner Erinnerungsfotos.

    Kapitel 175: Kapitulation




    Früh am Morgen kamen wir in SimCity an. Meine Tante Ewa wartet bereits im Haus meiner Schwester auf mich und gemeinsam konnten wir uns sofort auf den Weg in das sichere Versteck in den Wäldern Simskelads machen, wo die Kinder bereits warteten. Natürlich mussten sie nicht, dass Dominik mich begleiten würde. "Papa!", kreischte Klaudia, als Ewas Wagen vor der Holzhütte hielt und Dominik ausstieg. Sky hörte den Schrei seiner Schwester und beide rannten auf ihren Vater zu und zerdrückten ihn fast mit ihren Umarmungen. Ich war überglücklich. Noch vor wenigen Stunden hätte ich es nicht für möglich gehalten, meine Familie wieder vereint zu sehen.




    Obwohl die Hütte winzig war und kaum Platz für uns acht bot, war die Zeit, die wir dort verlebten, einfach wundervoll für mich. Endlich war meine Familie wieder vereint. Und wir waren in Sicherheit. In der Abgeschiedenheit von Simskelad war von den Kriegsgeschehnissen nichts zu spüren. Hier gab es keine Luftangriff, keine Notwendigkeit, sich in Bunkern zu verstecken. Fast hätte man die Schrecken der letzten Wochen vergessen können.




    Doch der Krieg tobte unerbittlich weiter. In der Waldhütte hatten wir sowohl Zugang zu Fernsehen, wie auch zum Radio, und waren so ständig auf dem neusten Stand. Zusätzlich versorgte uns Joanna mit exklusiven Nachrichten, die sie aus ihren vielen geheimen und zum Teil obskuren Quellen bezog. Als Dominik und ich in der Hütte eintrafen, waren der Großteil der Sierra Simlone und Teile der Provinz Matosimhos bereits fest in der Hand der Simnistrier.




    In den folgenden Tagen wurden die Luftangriffe auf zahlreiche Städte der SimNation fortgesetzt. Besonders stark traf es SimVegas, das unmittelbar an der Kampffront lag und über keine bodengestützte FLAG-Abwehr verfügte. Zunächst hielt die Luftabwehr der restlichen SimNation, doch immer wieder gelang es Jäger- und Bomberflotten in den simnationalen Luftraum einzudringen und Großstädte wie, Dallasims, SimCity und Simtropolis zu bombardieren. Der Luftraum um die Hauptstadt der SimNation, Santa Regina, konnte zunächst gesichert werden und so blieb die Zentralprovinz Simtierra vorerst von den Auswirkungen des Krieges verschont. Dies wurde aber zunehmend durch den Abzug der Luftstreitkräfte aus den übrigen Provinzen erreicht, was diese noch anfälliger für simnistrische Luftangriffe machte.




    Die anhaltenden Luftangriffe zeigten allerdings nicht den gewünschten Erfolg und bald begann die simnistrische Armee mit großangelegten Bodenoffensiven. Mit Panzerbrigaden und Infanterie drangen sie aus der Sierra Simlone nach Westen und in den Norden vor. Die simnationale Armee stellte sich ihnen erbittert entgegen, doch aufgrund des seit Jahren unterfinanzierten Verteidigungssektors war die Ausrüstung der SimNation hoffnungslos veraltet. Überraschend kam es auf einem simnistrischen Flugzeugträger und einem Schlachtkreuzer gleichzeitig zu einer gewaltigen Explosion. Beide Schiffe sanken im Golf von Cádiz. Der simnationale Militärstab nutzt die Verwirrung in den simnistrischen Reihen zu einer gewaltigen Gegenoffensive. Doch das Gefecht, das als Schlacht von SimVegas in die Geschichtsbücher eingehen sollte, endete für die SimNation in einem Desaster, das tausende von Soldaten das Leben kostete.




    Damit war die Moral der SimNation endgültig gebrochen. Obwohl weiterhin gekämpft wurde, verlor die SimNation Tag für Tag an Boden und musste sich weiter zurückziehen. Erst fiel SimVegas, dann Flamingo Beach und Dallasims. Und die simnistrische Armee rückte immer weiter auf Simtropolis vor und hinterließ auf ihrem Marsch eine Spur der Verwüstung. Die Menschen versuchten verzweifelt nach Norden zu fliehen, doch auch dort waren sie nicht sicher. Die Luftangriffe auf SimCity, Simtropolis und weitere Großstädte wurden verstärkt. Und zum ersten Mal fielen Bomben auf Santa Regina. Beschränkten sich die Bombardements zunächst noch auf Industrieanlagen, so wurden zunehmend auch gezielt Wohngebiete ins Visier genommen. Bei Luftangriffen auf Estella Grande am 19. August wurde fast die gesamte Innenstadt zerstört. Rund 500 Zivilisten verloren im Bombenhagel ihr Leben. Auch Santa Regina wurde an diesem Tag schwer getroffen und das Parlamentsgebäude brannte vollständig aus. Diese Angriffe stellten den Höhepunkt des Krieges dar. Am nächsten Tag, am 20. September 2048, erklärten Fürst Ferdinand III und Fürstin Domenica die bedingungslose Kapitulation der SimNation. Die Kampfhandlungen wurden noch am selben Tag eingestellt. Damit endete dieser Konflikt, der als Zweiter Simnistrischer Krieg in die Geschichtsbücher der SimNation eingehen sollte, mit einer niederschmetternden Niederlage für die SimNation.







    Noch am selben Tag ließ uns Joanna abholen und wir konnten nach SimCity zurückkehren. Auch hier gab es erhebliche Schäden zu verzeichnen, aber das Haus meiner Schwester, sowie das gesamte Viertel, waren unversehrt geblieben. Der Herbst rückte in immer größeren Schritten vor. Die Bäume begannen sich bereits gelb zu färben und auch die Sonne hatte an Kraft verloren. Trotzdem genossen Klaudia und ich die letzten warmen Sonnenstrahlen im Garten und Orion spielte am Kanal und versuchte kleine Fische zu fangen.




    Die Kinder konnten immer noch nicht glauben, dass ihr Vater endlich wieder bei uns war. Und dabei hatten sie nun schon über drei Wochen mit Dominik verbracht und die gemeinsame Zeit mit ihm in unserem Versteck im Wald ausgiebig ausgekostet. Dennoch, irgendwie ließ sie die Angst nicht los, dass Dominik wieder fortgehen könnte. Und schließlich brachte es Klaudia zur Sprache. "Wann heiratest du Papa endlich?", fragte sie geradeheraus. "Er hat dich bereits vor über zwei Jahren gefragt. Ich habe nie verstanden, warum ihr nicht schnell geheiratet hab, noch bevor Papa nach Simnistrien geflogen ist. Und jetzt wo er wieder zurück ist und der Krieg ein Ende gefunden hat, da begreife ich erst Recht nicht, warum ihr nicht sofort heiratet."




    Ich war sprachlos, denn mit so einer Ansage hatte ich nicht gerechnet. "Aber der Krieg ist doch gerade erst vorbei", stammelte ich. "Und der Frieden ist noch sehr brüchig. Wer weiß, wie lange er halten wird." "Na, dann solltet ihr euch um so mehr mit dem Heiraten beeilen", erwiderte Klaudia und ich konnte so etwas wie Trotz in ihrer Stimme heraushören.




    "Du willst einfach nicht, stimmt's?", fragte sie beleidigt und erhob sich vom Tisch. "Wahrscheinlich wünscht du dir doch, dass du bei diesem ollen Kasimir in Sierra Simlone Stadt geblieben wärst." "Aber...Schatz...nein", stammelte ich. Glaubte sie das wirklich? Glaubte sie wirklich, ich würde ihren Vater nicht lieben und mich nach Kasimir sehnen? Doch ich kam nicht dazu, sie zu fragen. Ehe ich mich wieder gefasst hatte, war sie auch schon wütend davon gestapft und hatte sich schmollend ins Haus zurückgezogen.




    Im ersten Moment wollte ich ihr hinterherlaufen, doch ich erkannte, dass das zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn gehabt hätte. Sie war im Moment wütend auf mich und wenn ich versuchen würde, auf sie einzureden, dann würde ich es nur noch schlimmer machen. Dennoch stand ich auf und blickte auf das Wasser im Kanal herab, das gemächlich an mir vorbeifloss. Hatte ich wirklich ein Verhalten an den Tag gelegt, dass die Kinder an meiner Liebe zu ihrem Vater zweifeln ließ? Ich war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, wie jemand von hinten an mich herantrat und seinen Kopf über meine Schulter beugte. "Na, denkst du gerad an dein Kasimir-Hasi-Bärchen?"




    Vor Schreck schrie ich auf und verlor fast das Gleichgewicht. Doch Dominik gelang es noch in letzter Sekunde, mich festzuhalten. Er kam sich wohl sehr witzig vor, denn er hörte mit dem Kichern gar nicht mehr auf. Die Vorstellung, mich inmitten der Algen und Seerosen im Kanal sitzen zu sehen, musste ihn wohl sehr amüsiert haben. "Tut mir leid, Brodlowska, ich wollte dich nicht erschrecken", erklärte er lachend. "Aber du standst da so gedankenversunken, diese Gelegenheit dich zu erschrecken konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen."




    Doch mir war nicht nach Lachen zumute. Dass erkannte auch Dominik schnell und nahm sanft meine Hand. "Ich habe dein Gespräch mit Klaudia mitverfolgt", gestand er. "Ich zweifle nicht im mindesten an deiner Liebe, Brodlowska. Aber ich kann Klaudias Bedenken auch nicht von der Hand weisen. Was hält uns davon ab, genau jetzt zu heiraten? Es fallen keine Bomben mehr und wir sind hier bei deiner Familie. Wir haben schon so viele Jahre verschwendet und in den letzten Monaten haben wir hautnah miterlebt, wie unser Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gedreht werden kann." Ich sah Dominik unsicher an. So ernst wie eben, hatte er noch nie zuvor mit mir gesprochen. Er wollte mich heiraten und das am liebsten sofort.




    Und mir fiel einfach kein vernünftiger Grund mehr ein, warum wir es nicht tun sollten. "Okay, Dominik, dann lass uns heiraten. Ich bin bereit." Ein breites Grinsen erschien auf Dominiks Lippen und er erinnerte mich plötzlich an den unverschämten Jungen, den ich vor so vielen Jahren auf einem Grillfest zum ersten Mal begegnet war. Er erinnerte mich an den Jungen, den ich zuerst so sehr verabscheute, den ich im Laufe der Zeit aber mehr und mehr zu lieben gelernt hatte, und ohne den ich mir heute mein Leben nicht mehr vorstellen konnte. Er legte seien Hände um meine Taille und streichelte mich, während ich mit meinen Fingerspitzen seine Wange liebkoste und meine Hände schließlich auf seinen Schultern ruhen ließ. Und wie zum Zeichen der Zustimmung zu unserer Hochzeit, erklangen im Hintergrund die Glocken von St. Marien.

    Kapitel 174: Wiedervereint




    In den folgenden Stunden kamen und gingen meine Tränen mehrere Male. In der einen Sekunde war ich überwältigt vor Freude, Dominik wohlbehalten wieder bei mir zu haben. In der nächsten Sekunde überwältigten mich die Erinnerungen und die Angst der vergangenen Wochen. Aber jetzt, wo Dominik wieder bei mir war, würde ich alles überstehen können. Wir verließen die Kathedrale und ließen uns auf ein Stück Rasen direkt vor der Kirche nieder. Und schon bald lagen wir eng umschlungen nebeneinander.




    Ich berichtete Dominik über den Überfall auf Sierra Simlone Stadt und unsere Flucht nach SimCity. Schon alleine deswegen, weil er nun neben mir lag, erschien mir das Geschehene nur noch halb so schlimm. Und die Kinder waren auch in Sicherheit und bald wären wir alle wieder vereint. "Ich liebe die Dominik", flüsterte ich zum wiederholten Mal. "Das weiß ich doch, Brodlowska", erwiderte er und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Welche Frau könnte sich denn nicht in mich verlieben?" Er grinste breit und zwinkerte mir zu. Ein langer Kuss war meine einzige Antwort.




    Doch dann wurde Dominik ernst. "Ich habe nicht mehr geglaubt, dass ich dich und die Kinder noch einmal wieder sehen würde", gestand er mir und richtete sich auf. Ich hatte ihn bereits berichtet, was ich von seinem Aufenthalt in Simnistrien von meinem Vater wusste, also musste er nicht ganz am Anfang beginnen. "Als die Soldaten das Ölbohrturmgelände stürmten, dachte ich, dass ich sterben würde." Dominiks Tonfall konnte ich entnehmen, dass er diese Worte vollkommen ernst meinte und ganz instinktiv griff ich nach seiner Hand, um ihm Trost zu spenden. Als er zu erzählen fortfuhr, wurden seine Augen glasig.




    "Ich sprang von dem Wachturm in der Mauer, die das Bohrturmgelände umgab, herunter und lief einfach in den Dschungel hinein. Ich konnte hören, dass mindestens einer der Soldaten mich verfolgte. Aber in dem Dickicht verlor nicht nur ich schnell die Orientierung. Auch mein Verfolger hatte nach wenigen Metern jede Spur von mir verloren. Und vermutlich hielt er es nicht für notwendig, mich zu verfolgen. Der Dschungel ist gefährlich und er ging wohl davon aus, dass mich die wilden Tiere bald zur Strecke bringen würden."




    "Und damit hatte er gar nicht einmal so Unrecht. Ich lief immer weiter, so weit weg von dem Bohrturm, wie ich nur konnte. Die Schrei der Ölmitarbeiter und die Schüsse aus den Waffen der Simnistrier klangen mir noch deutlich in den Ohren. Aber ich wusste, dass ich als einzelner Mann nichts unternehmen konnte. Die Mission war gescheitert und mein einziges Ziel bestand nur noch darin, zu dir und den Kindern zurückzukehren. Ich lief die halbe Nacht, ohne auch nur eine Vorstellung davon zu haben, wo ich eigentlich hin wollte. Und irgendwann brach ich vor Erschöpfung einfach zusammen. Ohne ein Feuer, dass die wilden Tier verscheucht hätte, grenzt es an ein Wunder, dass ich diese Nacht überlebte."




    "Als ich am nächsten Morgen erwachte, wünschte ich fast, ich wäre bei dem Überfall tatsächlich gestorben. Jeder einzelne Knochen in meinem Körper schmerzte und die Erinnerung an den Überfall ließ mich fast wahnsinnig werden. Doch dann rief ich mir dich, Sky, Klaudia und Kinga ins Gedächtnis. Und da wusste ich, dass ich all meine Kraft aufbringen musste, um zu euch zu gelangen. Aufgrund der hohen Bäume konnte ich mich im Dschungel nicht an der Sonne orientieren. Ich wusste also nicht einmal, in welche Richtung ich lief. Bis ich dann auf einen breiten Fluss stieß. Und da jeder Fluss zum Meer führt, entschloss ich mich einfach, seinem Lauf zu folgen. Oft genug musste ich direkt in das Wasser steigen, um weiter voran zu kommen, da hungrige Tiere nur darauf warteten, über mich herfallen zu können."




    "Doch es gelang mir den Räubern aus dem Weg zu gehen. Ich hatte gelernt, wie man ohne Feuerzeug im Dschungel Feuer machen konnte, und mit Stöcken und Steinen gelang es mir, selbst ein Rudel Wölfe in die Flucht zu schlagen. Doch um zu überleben, musste ich selbst zum Räuber werden. Hier und dort fand ich Früchte und Beeren, von denen ich wusste, dass sie essbar waren. Aber meine Kräfte schwanden und ich begann, wilde Hühner und andere Vögel zu jagen. Zunächst mit wenig Erfolg, aber ich wurde schnell geschickter darin, mich lautlos an die dummen Tiere heranzuschleichen."





    "Dennoch fiel die Jagd oft genug nicht zu meinen Gunsten aus. Und der Weg entlang des Flusses war nicht einfach. Mehrmals stürzte der Fluss in einem meterhohen Wasserfall eine Felsklippe hinunter und ich musste mir mühevoll einen anderen Weg suchen, um seinen Lauf weiter folgen zu können. Es war schon schwer genug, das Dickicht des Dschungels zu durchdringen. Und noch mühevoller wurde es, wenn sich ein Felsmassiv in meinen Weg stellte und die einzige Möglichkeit, dieses zu überwinden darin bestand, darüber hinweg zu klettern."




    "Doch dann erreichte ich endlich die Küste. Das Fortkommen entlang des Strandes war deutlich einfacher und schließlich erblickte ich das erste Anzeichen von menschlicher Zivilisation nach gut drei Wochen der Einsamkeit im Dschungel. Am liebsten wäre ich auf das kleine Dorf zugerannt, doch dafür fehlte mir schlicht die Kraft."




    "Ich schaffte es gerade noch, mich zu den baufälligen Lagerhäusern zu schleppen. Doch dort brach ich dann einfach zusammen. Meine Kraftreserven hatten bis hierhin gereicht, doch nun waren sie vollständig aufgebraucht. Zum Glück fand mich eine Dorfbewohnerin und rief sofort nach Hilfe. Es wäre ein grausamer Scherz des Schicksals gewesen, wenn ich nach all den Gefahren im Dschungel schlussendlich hinter Getreidesäcken versteckt, inmitten von Menschen verreckt wäre."




    "Irgendwann wachte ich in einer heruntergekommenen, aber sauberen und ordentlichen Hütte auf. Es stellte sich heraus, dass die Frau, die mich bei den Lagerhäusern gefunden hatte, Cecilia, mich bei sich aufgenommen und mich gepflegt hatte."




    "Sie war es auch, die mich in den nächsten Tagen wieder aufpäppelte. Ihrem guten Essen ist es zu verdanken, dass ich schnell wieder zu Kräften kam. Offenbar hatte ich bei meiner Wanderung im Dschungel die simnistrische Grenze überquert und befand mich nun in Venezuela. Mein Spanisch ist zwar nicht das allerbeste, aber es reichte, um sich mit den Einheimischen zu verständigen. So erfuhr ich auch, dass Simnistrien nicht nur die simnationalen Bohrtürme überfallen hatte, sondern in der SimNation eingefallen war."




    "Sobald ich diese Nachricht vernommen hatte, war es für mich klar, dass ich nicht länger in dem Dorf bleiben konnte, auch wenn ich mich nachwievor schwach fühlte. Cecilia vermittelte mich an einem Bootsbesitzer, der mir helfen konnte, das Dorf und Venezuela zu verlassen. Über den Landweg durch den Dschungel war das Dorf nämlich kaum zu erreichen."




    "Es kostet mich einige Überzeugungskraft, aber ich konnte Teobaldo, den Bootsbesitzer, schlussendlich doch dazu überreden, mich mit seinem Boot in die USA zu bringen. Allerdings tat er das nicht aus reiner Menschenfreude. Ich musste ihm eine hohe Summe in Aussicht stellen. Die Überfahrt in die USA erwies sich dann auch als kein Zuckerschlecken. Die See war rau, aber wir landeten nach gut ein eineinhalb Wochen auf hoher See in Florida. Dort wand ich mich sofort an die simnationale Botschaft, hob das versprochene Geld für Teobaldo ab und nahm dann den erstbesten Flug in die SimNation."




    "Ich bin heute erst in Simtropolis gelandet. Ich musste schnell einsehen, dass es unmöglich ist, in die Sierra Simlone zu gelangen. Dann habe ich von dem Flüchtlingslager erfahren und war gerade auf dem Weg dorthin, als ich an dieser Kathedrale vorbeikam." Irgendwann während Dominiks Erzählung hatte ich ihn in meinen Arm geschlossen und drückte ihn nun fest an mich. Er sprach zwar sehr gelassen, aber ich konnte dennoch spüren, wie er am ganzen Körper zitterte. "Und dann sah ich das rote Auto dort stehen. Ich weiß auch nicht warum, aber mir fiel sofort ein, dass deine Schwester genau dieses Auto fährt. Und als ich dann auch noch das Kfz-Kennzeichen von SimCity erblickte, bin ich einfach in die Kirche gegangen und habe dich dort gefunden. Wie ich schon sagte, es grenzt an ein Wunder."




    Wir langen noch eine Weile auf dem Rasen, bis der Morgentau auf dem Gras begann durch unsere Kleidung hindurch zu dringen. Ich stand auf, streckte Dominik meine Hand entgegen und half ihm auf. "Es ist Zeit, dass mir zu den Kindern fahren. Sie haben ihren Vater schrecklich vermisst", sagte ich und Dominik widersprach mir nicht. Hand in Hand schlenderten wir zu dem parkenden Auto und brachen auf nach SimCity.

    Kapitel 173: Die Gnade des Dreifaltigen



    Nachdem ich mich von meinen Freunden verabschiedet hatte, kehrte ich zum Auto zurück, welches ich am Eingang des Flüchtlingslagers abgestellt hatte, und stieg hinein. Der Weg zurück nach SimCity war lang und ich würde die ganze Nacht durchfahren müssen. Doch kaum war ich die ersten hundert Meter gefahren, schweiften meine Gedanken zu Dominik ab. Man sagt immer, Menschen, die sich lieben, können spüren, ob es dem anderen gut geht, oder nicht. Doch ich konnte gar nichts fühlen. Da war nur diese Angst, dass Dominik nicht mehr...nicht mehr am Leben sein könnte. Meine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen. Und obwohl ich versuchte, sie wegzuwischen, konnte ich bald schon die Straße nicht mehr deutlich erkennen.




    Wir blieb nichts anderes übrig als ranzufahren. Ich bog in die nächste Einfahrt ein und brachte den Wagen zum stehen. Meine zittrigen Hände umklammerten das Lenkrad so stark, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich bemühte mich darum, ruhig ein und aus zu atmen, und langsam beruhigte ich mich wieder. Doch an Weiterfahrt war jetzt noch nicht zu denken. Ich riss die Autotür auf und stellte meine Beine auf die Straße, wobei ich im Fahrersitz sitzen blieb. Die frische Luft tat mir gut und meine Gedanken begannen sich wieder zu ordnen.




    Dann blickte ich auf und entdeckte erst jetzt, dass ich direkt vor einer Kirche, nein, einer Kathedrale, gehalten hatte. Und mit Entsetzen musste ich feststellen, dass dieses Gotteshaus stark beschädigt war. Der linke der beiden Fronttürme war zerstört und der Kirchenvorplatz mit Trümmern übersät. Offenbar war eine Rakete bei einem der letzten Luftangriffe auf Simtropolis in die Kathedrale eingeschlagen. Ich wusste nicht, was mich dazu trieb, aber ich stieg aus dem Auto aus und ging langsam auf die Kirche zu.




    Ich schritt langsam auf das Eingangsportal zu. Ich wusste, dass ich diese Kathedrale noch nie zuvor gesehen hatte. Ich hatte Simtropolis bisher nur sehr kurz besucht. Und trotzdem erschien sie mir so vertraut, ich wusste nur nicht woher. Ich streckte meine Hand aus und drückte gegen die Tür und zu meiner Überraschung war sie nicht verschlossen, sondern öffnete sich unter lautem Knarren. Mir war bewusst, dass es keine gute Idee war, ein Gebäude zu betreten, das erst kürzlich bombardiert worden war. Aber ich konnte nicht anders, als in die Dunkelheit des Kircheninneren einzutauchen.




    Auch die Tür in das Hauptschiff der Kirche war nicht verschlossen. Mattes Dämmerlicht fiel durch die geborstenen Bleiglasfenster auf den Fußboden und der schwere Geruch von Weihrauch hing immer noch in der Luft. Der Boden war übersät mit Schutt. Ich blickte nach oben und erkannte, dass große Teile der Deckengewölbe bei dem Raketeneinschlag herabgestürzt waren. Und trotzdem hatte die Kathedrale nichts an Glanz verloren. Sie strahlte immer noch die Erhabenheit, eines uralten Gotteshauses aus. Und wieder überkam mich das Gefühl, dass ich diese Kirche kennen würde.




    Das Atmen fiel mir zunehmend schwerer. Meine Knie begannen zu zittern und ich musste mich an der Seitlehne einer der Sitzbänke abstützen. Doch anstatt mich zu setzen, hangelte ich mich von Seitenlehne zu Seitenlehen vorwärts und schritt immer weiter auf den Altar zu. Die letzten Meter musste ich ohne Stütze zurücklegen. Der Altarraum war völlig verwüstet. Auch hier war das Deckengewölbe eingestürzt. Doch das Bild unseres Herrn war unversehrt geblieben. Und als ich es anblickte, überfluteten mich auf einmal die Erinnerungen.




    Bilder von mir im weißen Brautkleid, wie ich durch den Mittelgang einer Kirche, genau dieser Kirche, schritt. Bilder von Freunden und Verwanden, die mich anlächelten. Und Bilder von einem Mann, der vorne am Altar stand und auf mich wartete. Es war exakt der Traum, den ich vor vierzehn Jahren geträumt hatte. Und in den Jahren danach hatte ich mich so oft an diesen einen Traum geklammert. Immer und immer wieder hatte ich ihn mir ins Gedächtnis gerufen. Jede Einzelheit in mir aufgesogen. Nur so war der Schmerz über den Verlust von Albert für mich zu ertragen. Auch jetzt liefen die Bilder vor meinem inneren Auge ab. Ich ging auf den Altar zu und ein Mann wartet auf mich, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte. Und dann drehte er sich um und ich sah...




    Und genau an dieser Stelle stimmte etwas nicht mehr mit meiner Erinnerung. Denn anstelle von Albert lächelte mich nun Dominik inmitten einer zerstörten Kirche an. Ich versuchte meine Hand nach ihm auszustrecken, doch sein Bild verblasst, ehe ich es zu fassen bekam.




    "Dominik", schluchzte ich und sank weinend auf dem Kirchenboden zusammen. "Lass mich nicht allein", flehte ich ihn an, obwohl ich genau wusste, dass er mich nicht hören konnte. "Lass mich bitte nicht allein." Ich hob meinen Kopf leicht und blickte dem Bildnis Jesu Christis direkt in die Augen. "Bitte", flehte ich ihn an, "Herr, bitte führ Dominik zu mir zurück. Ich liebe ihn über alles. Ich liebe ihn, wie ich noch nie einen Menschen zuvor geliebt habe. Ohne ihn ist mein Leben so leer. Bitte, Herr, geleite ihn wohlbehalten zu mir zurück."




    Doch ich erhielt keine Antwort. Das Bild blickte weiterhin gütig auf mich hernieder, als ob es mir Trost spenden wollte. Doch das Lächeln wirkte eher traurig. Ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, doch mir wurde klar, dass ich vielleicht umsonst hoffte. Langsam richtete ich mich wieder auf und wischte mir den Staub von den Knien. Ein letztes Mal blickte ich auf das Altarbild, blickte auf das Herz auf der Brust unseres Herrn. Aber es geschah kein Wunder. Mir blieb nichts anderes übrig, als in die Weisheit und Güte des Dreifaltigen zu vertrauen.




    Und dann durchbrach ein Donnern die Stille. "Ich bin doch hier, Brodlowska." Ich erstarrte zu einer Salzsäule. Mein Herz begann so schnell zu rasen, dass ich fürchtete, meine Brust würde jederzeit bersten. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte über meine Schulter. Ganz vorsichtig, aus Angst, ich könnte mir die Stimme nur eingebildet haben. Mein Kopf war leicht gesenkt und erst, als ich mich vollständig umgedreht hatte, wagte ich es, ihn zu heben. Und vor ungläubigem Erstaunen blieb mein Mund offen stehen.




    In der Mitte des Ganges, zwischen all den Trümmern, stand er. Dominik. War das alles nur ein Traum? Spielten meine Sinne mir nur einen grausamen Streich? Die Männergestallt rührte sich nicht. Meine Knie begannen erneut zu zittern und ich drohte wegzuknicken. Doch dann setzte ich einen Schritt nach vorne und ging auf ihn zu. Erst einen Schritt, dann einen zweiten. Und plötzlich setzte sich auch die Männergestallt in Bewegung.




    Langsam, Schritt für Schritt, kamen wir aufeinander zu. Genau an dem Punkt, wo sich das Lang- und das Querschiff kreuzten, kamen wir zum stehen. In meinem Kopf drehte sich alles. Langsam streckte ich meine Hand aus, immer noch voller Angst, dass die Erscheinung sich in Luft auflösen könnte…dass alles nur Illusion war.




    Und dann spürte ich ihn. Dominik ergriff meine Hand und drückte sie. Seine Haut war rau und voller Schwielen, aber für mich war es die wundervollste Berührung, die ich jemals gespürt hatte. Ich drückte seine Hand immer fester und meine Fingernägel gruben sich in seien Haut. Doch Dominik zuckte nicht einmal zusammen, sondern sah mir nur in die Augen. Er war real. Dominik stand wirklich vor mir.




    Und dann zog er mich zu sich heran und küsste mich. Tränen schossen mir in die Augen, als seien spröden Lippen die meinen berührten. Dominik war wieder bei mir. Ich wusste nicht wie das möglich war, aber er war hier. Er lebte und er war gesund. Ich umklammerte ihn so fest ich es nur konnte, als ob ich ihn nur so daran hindern konnte, wieder zu verschwinden. Denn ich würde nie wieder zulassen, dass er von mir fortging.

    Kapitel 173: Die Gnade des Dreifaltigen



    Nachdem ich mich von meinen Freunden verabschiedet hatte, kehrte ich zum Auto zurück, welches ich am Eingang des Flüchtlingslagers abgestellt hatte, und stieg hinein. Der Weg zurück nach SimCity war lang und ich würde die ganze Nacht durchfahren müssen. Doch kaum war ich die ersten hundert Meter gefahren, schweiften meine Gedanken zu Dominik ab. Man sagt immer, Menschen, die sich lieben, können spüren, ob es dem anderen gut geht, oder nicht. Doch ich konnte gar nichts fühlen. Da war nur diese Angst, dass Dominik nicht mehr...nicht mehr am Leben sein könnte. Meine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen. Und obwohl ich versuchte, sie wegzuwischen, konnte ich bald schon die Straße nicht mehr deutlich erkennen.




    Wir blieb nichts anderes übrig als ranzufahren. Ich bog in die nächste Einfahrt ein und brachte den Wagen zum stehen. Meine zittrigen Hände umklammerten das Lenkrad so stark, dass die Knöchel weiß hervortraten. Ich bemühte mich darum, ruhig ein und aus zu atmen, und langsam beruhigte ich mich wieder. Doch an Weiterfahrt war jetzt noch nicht zu denken. Ich riss die Autotür auf und stellte meine Beine auf die Straße, wobei ich im Fahrersitz sitzen blieb. Die frische Luft tat mir gut und meine Gedanken begannen sich wieder zu ordnen.




    Dann blickte ich auf und entdeckte erst jetzt, dass ich direkt vor einer Kirche, nein, einer Kathedrale, gehalten hatte. Und mit Entsetzen musste ich feststellen, dass dieses Gotteshaus stark beschädigt war. Der linke der beiden Fronttürme war zerstört und der Kirchenvorplatz mit Trümmern übersät. Offenbar war eine Rakete bei einem der letzten Luftangriffe auf Simtropolis in die Kathedrale eingeschlagen. Ich wusste nicht, was mich dazu trieb, aber ich stieg aus dem Auto aus und ging langsam auf die Kirche zu.




    Ich schritt langsam auf das Eingangsportal zu. Ich wusste, dass ich diese Kathedrale noch nie zuvor gesehen hatte. Ich hatte Simtropolis bisher nur sehr kurz besucht. Und trotzdem erschien sie mir so vertraut, ich wusste nur nicht woher. Ich streckte meine Hand aus und drückte gegen die Tür und zu meiner Überraschung war sie nicht verschlossen, sondern öffnete sich unter lautem Knarren. Mir war bewusst, dass es keine gute Idee war, ein Gebäude zu betreten, das erst kürzlich bombardiert worden war. Aber ich konnte nicht anders, als in die Dunkelheit des Kircheninneren einzutauchen.




    Auch die Tür in das Hauptschiff der Kirche war nicht verschlossen. Mattes Dämmerlicht fiel durch die geborstenen Bleiglasfenster auf den Fußboden und der schwere Geruch von Weihrauch hing immer noch in der Luft. Der Boden war übersät mit Schutt. Ich blickte nach oben und erkannte, dass große Teile der Deckengewölbe bei dem Raketeneinschlag herabgestürzt waren. Und trotzdem hatte die Kathedrale nichts an Glanz verloren. Sie strahlte immer noch die Erhabenheit, eines uralten Gotteshauses aus. Und wieder überkam mich das Gefühl, dass ich diese Kirche kennen würde.




    Das Atmen fiel mir zunehmend schwerer. Meine Knie begannen zu zittern und ich musste mich an der Seitlehne einer der Sitzbänke abstützen. Doch anstatt mich zu setzen, hangelte ich mich von Seitenlehne zu Seitenlehen vorwärts und schritt immer weiter auf den Altar zu. Die letzten Meter musste ich ohne Stütze zurücklegen. Der Altarraum war völlig verwüstet. Auch hier war das Deckengewölbe eingestürzt. Doch das Bild unseres Herrn war unversehrt geblieben. Und als ich es anblickte, überfluteten mich auf einmal die Erinnerungen.




    Bilder von mir im weißen Brautkleid, wie ich durch den Mittelgang einer Kirche, genau dieser Kirche, schritt. Bilder von Freunden und Verwanden, die mich anlächelten. Und Bilder von einem Mann, der vorne am Altar stand und auf mich wartete. Es war exakt der Traum, den ich vor vierzehn Jahren geträumt hatte. Und in den Jahren danach hatte ich mich so oft an diesen einen Traum geklammert. Immer und immer wieder hatte ich ihn mir ins Gedächtnis gerufen. Jede Einzelheit in mir aufgesogen. Nur so war der Schmerz über den Verlust von Albert für mich zu ertragen. Auch jetzt liefen die Bilder vor meinem inneren Auge ab. Ich ging auf den Altar zu und ein Mann wartet auf mich, dessen Gesicht ich nicht erkennen konnte. Und dann drehte er sich um und ich sah...




    Und genau an dieser Stelle stimmte etwas nicht mehr mit meiner Erinnerung. Denn anstelle von Albert lächelte mich nun Dominik inmitten einer zerstörten Kirche an. Ich versuchte meine Hand nach ihm auszustrecken, doch sein Bild verblasst, ehe ich es zu fassen bekam.




    "Dominik", schluchzte ich und sank weinend auf dem Kirchenboden zusammen. "Lass mich nicht allein", flehte ich ihn an, obwohl ich genau wusste, dass er mich nicht hören konnte. "Lass mich bitte nicht allein." Ich hob meinen Kopf leicht und blickte dem Bildnis Jesu Christis direkt in die Augen. "Bitte", flehte ich ihn an, "Herr, bitte führ Dominik zu mir zurück. Ich liebe ihn über alles. Ich liebe ihn, wie ich noch nie einen Menschen zuvor geliebt habe. Ohne ihn ist mein Leben so leer. Bitte, Herr, geleite ihn wohlbehalten zu mir zurück."




    Doch ich erhielt keine Antwort. Das Bild blickte weiterhin gütig auf mich hernieder, als ob es mir Trost spenden wollte. Doch das Lächeln wirkte eher traurig. Ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, doch mir wurde klar, dass ich vielleicht umsonst hoffte. Langsam richtete ich mich wieder auf und wischte mir den Staub von den Knien. Ein letztes Mal blickte ich auf das Altarbild, blickte auf das Herz auf der Brust unseres Herrn. Aber es geschah kein Wunder. Mir blieb nichts anderes übrig, als in die Weisheit und Güte des Dreifaltigen zu vertrauen.




    Und dann durchbrach ein Donnern die Stille. "Ich bin doch hier, Brodlowska." Ich erstarrte zu einer Salzsäule. Mein Herz begann so schnell zu rasen, dass ich fürchtete, meine Brust würde jederzeit bersten. Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte über meine Schulter. Ganz vorsichtig, aus Angst, ich könnte mir die Stimme nur eingebildet haben. Mein Kopf war leicht gesenkt und erst, als ich mich vollständig umgedreht hatte, wagte ich es, ihn zu heben. Und vor ungläubigem Erstaunen blieb mein Mund offen stehen.




    In der Mitte des Ganges, zwischen all den Trümmern, stand er. Dominik. War das alles nur ein Traum? Spielten meine Sinne mir nur einen grausamen Streich? Die Männergestallt rührte sich nicht. Meine Knie begannen erneut zu zittern und ich drohte wegzuknicken. Doch dann setzte ich einen Schritt nach vorne und ging auf ihn zu. Erst einen Schritt, dann einen zweiten. Und plötzlich setzte sich auch die Männergestallt in Bewegung.




    Langsam, Schritt für Schritt, kamen wir aufeinander zu. Genau an dem Punkt, wo sich das Lang- und das Querschiff kreuzten, kamen wir zum stehen. In meinem Kopf drehte sich alles. Langsam streckte ich meine Hand aus, immer noch voller Angst, dass die Erscheinung sich in Luft auflösen könnte…dass alles nur Illusion war.




    Und dann spürte ich ihn. Dominik ergriff meine Hand und drückte sie. Seine Haut war rau und voller Schwielen, aber für mich war es die wundervollste Berührung, die ich jemals gespürt hatte. Ich drückte seine Hand immer fester und meine Fingernägel gruben sich in seien Haut. Doch Dominik zuckte nicht einmal zusammen, sondern sah mir nur in die Augen. Er war real. Dominik stand wirklich vor mir.




    Und dann zog er mich zu sich heran und küsste mich. Tränen schossen mir in die Augen, als seien spröden Lippen die meinen berührten. Dominik war wieder bei mir. Ich wusste nicht wie das möglich war, aber er war hier. Er lebte und er war gesund. Ich umklammerte ihn so fest ich es nur konnte, als ob ich ihn nur so daran hindern konnte, wieder zu verschwinden. Denn ich würde nie wieder zulassen, dass er von mir fortging.

    Kapitel 172: Das Flüchtlingslager




    Der Streit zwischen Joanna und ihrer Tochter war laut genug gewesen, damit ich ihn gut aus dem Nachbarzimmer mit verfolgen konnte. Als Joanna Magdas Zimmer verließ, ging sie in das Schlafzimmer, wo ich gerade ihren Kleiderschrank auf der Suche nach weiteren Kleidungsstücken, die ich mir ausleihen könnte, durchforstete. Joanna war immer noch angespannt und lief wie ein Tiger im Käfig hinter mir auf und ab. "Deine Kinder wissen also nichts von deinem 'Beruf'", stellte ich mehr fest, als dass ich fragte, während ich eine Jeans aus der Schublade zog.




    "Natürlich wissen sie nichts", antwortet meine Schwester gereizt. "Oder zumindest sollten sie nichts wissen. Jakób ist noch zu jung, aber Magda merkt eindeutig, dass etwas mit meinem Job nicht stimmt. Lange werde ich es nicht mehr verheimlich können." "Damit hast du wohl Recht", entgegnete ich. "Als wir beide in ihrem Alter waren, war uns doch auch klar, dass irgendetwas mit Dads Job komisch war. Ich sag nur 'Handelsvertreter'. Es ist echt unfassbar, dass Dad geglaubt hat, wir würden ihm die Geschichte abnehmen. Allerdings muss ich zugeben, dass meine Fantasie dann doch nicht ausgereicht hat, um mir Dad als Dieb und Trickbetrüger vorzustellen. Ich dachte eher, dass er seine Zeit mit Glücksspiel im Casino, statt mit ehrlicher Arbeit verdient."




    Wir mussten beide lachen und das tat gut in dieser angespannten Situation. Ich verstaute die Jeans und einige weitere Dinge und ging dann mit dem Koffer in der Hand hinunter ins Wohnzimmer, wo die Kinder bereits warteten. Meine Schwester folgte mir dichtauf. Ich war schon fast unten angekommen, als Klaudia mich zu sich rief. "Mami, komm schnell." Sie starrte gebannt auf den Fernsehbildschirm. "Sie berichten gerade über ein Flüchtlingslager bei Simtropolis und in einem der Filmausschnitte konnte ich Tante Brandi ganz deutlich erkennen."




    Ich eilte die letzten Treppenstufen hinunter und stellte den Koffer auf den Boden ab. Den Blick fest auf den Fernseher gerichtet, ging ich zum Sofa und setzte mich neben Klaudia. Joanna folgte meinem Beispiel. In eben diesem Moment wurde eine Karte der südlichen SimNation eingeblendet und ein Moderator schilderte die aktuelle Lage. "Ein Schiff der simrokkanischen Marine konnte gestern mit etwa 5000 Flüchtlingen an Bord die Seeblockade im Golf von Cádiz durchbrechen und die portugiesische Küste anlaufen. Nach Verhandlungen zwischen Santa Regina und Lissabon konnte die Fregatte in den portugiesischen Hafen Portimão einlaufen. Die an Bord befindlichen Zivilisten wurden über den Landweg nach Lissabon und von dort aus in die SimNation überführt. Zurzeit befinden sie sich in einem provisorischen Lager auf einem ehemaligen Kasernengelände bei Simtropolis."




    Passend dazu wurden wieder Bilder von Menschen gezeigt, die sich in einem Lager aus unendlichen Reihen von Zelten einrichteten. Und da sah auch ich sie. "Mami, da, da war Tante Brandi gerade wieder", rief Klaudia aufgeregt und zeigte auf den Bildschirm. Doch diesmal hatte auch ich sie gesehen und zuckte vor Freunde darüber, dass sie gesund war, gleichzeitig aber auch voller Entsetzen darüber, was sie wohl in den letzten Tagen erlebt haben musste, zusammen.




    Und noch während ich den Bericht zu Ende sah, formte sich in meinem Kopf ein Entschluss. "Jojo, ich muss runter nach Simtropolis", verkündete ich meiner Schwester, als der Bericht endete. Joanna musterte mich skeptisch. "Warum?", fragt sie. "Weil dort unten meine Freunde sind. Wenn Brandi dort ist, dann vermutlich auch Roland. Und wer weiß, wer sich noch alles nach Simtropolis retten konnte? Ich muss mich überzeugen, dass es ihnen allen gut geht. Vielleicht wissen sie auch Neues über die Geschehnisse in Sierra Simlone Stadt. Meine Schwiegereltern, Gerda…sie sind alle noch dort unten."




    Meine Schwester wirkte nicht überzeugt. "Es ist einfach zu gefährlich, Xana. Simtropolis ist nur knapp 100 Kilometer von der Front entfernt. Du würdest ein viel zu großes Risiko eingehen, nur um ein paar Freunde wiederzusehen." Das war ein triftiges Argument. Aber noch etwas anderes trieb mich an, in das Flüchtlingslager bei Simtropolis zu reisen. "Was ist, wenn Dominik diesen Fernsehbericht gesehen hat?", fragte ich meine Schwester mit bitterlicher Stimme. "Was ist, wenn er mich und die Kinder gerade jetzt in diesem Lager sucht? Dieser Bericht ist sein einziger Anhaltspunkt auf der Suche nach uns. Ich muss einfach dort hin um zu sehen, ob er nicht dort ist. Ich muss es tun."




    Ich flehte meine Schwester regelrecht an, mir ihr Einverständnis zu geben. "Du lässt dich ja doch nicht davon abbringen", gab sie schließlich resigniert nach. Mir fiel ein Stein vom Herzen. "Danke, Jojo", flüsterte ich. "Und wie willst du dort runter kommen?", fragte Joanna gleich weiter. Darüber hatte ich mir in der Tat noch keine Gedanken gemacht. Doch Joanna antwortete selbst für mich. "Du kannst mein Auto nehmen. Die Autobahnen sind allerdings für den Zivilverkehr gesperrt. Du wirst also einen Passierschein benötigen. Ich werde Ewa gleich Bescheid geben, dass sie dir einen organisieren soll."




    Überglücklich fiel ich meiner Schwester um den Hals. "Vielen Dank für deine Unterstützung, Jojo." "Ich bin dir auch noch etwas schuldig, Xana. Betrachte dies als einen weiteren Teil meiner Gutmachung." Joanna spielte damit auf die tragischen Ereignisse von vor 13 Jahren an, als sie mich dazu Zwang, für 'Justice' zu arbeiten, was beinah mit meinem Tod geendet hätte. Aber ich war überzeugt, dass meine Schwester mir heute auch geholfen hätte, wenn sie nicht in meiner Schuld stände. "Versprich mir nur, dass du nicht lange weg bleibst", flüsterte Joanna mir zu. "Tobias und die Kinder werden noch heute aufbrechen. Und sobald du wieder in SimCity bist, wird dich Ewa zu ihnen bringen."




    Es war nicht leicht, meine Kinder davon zu überzeugen, dass sie erst einmal ohne mich aufbrechen sollte. Klaudia hatte das Gespräch zwischen mir und ihrer Tante mitbekommen. Obwohl auch sie zunächst darauf bestand, dass ich sie und ihren Bruder begleiten sollte, verstand sie meine Beweggründe für meine Reise nach Simtropolis. Auch in ihr war die Hoffnung aufgekeimt, möglicherweise ihren Vater bald wiederzusehen. Doch Sky verstand mich nicht. Ich konnte noch so oft beteuern, dass ich in zwei Tagen nachkommen würde, er hatte trotzdem furchtbare Angst, dass ich ihn verlassen könnte.




    "Versprich mir, dass du wiederkommst", flehte er mich an. "Ich verspreche es, mein Schatz." "Versprochen und niemals gebrochen?" "Versprochen und niemals gebrochen." Ich drückte meinen kleinen Sohn fest an mich, und schmiegte meine Wange an seine. Erst jetzt wurde mir klar, dass er Angst hatte, von mir verlassen zu werden, so wie ihn seine leibliche Mutter Ingrid verlassen hatte. Fast hätte ich meine Entscheidung widerrufen und wäre doch mit den Kindern zusammen in die unberührten Wälder von Simskelad geflohen. Aber meine Hoffnung, in dem Flüchtlingslager bei Simtropolis Dominik zu finden, war einfach stärker. Und ich wusste, dass meine Kinder bei Desdemona und meinem Schwager Tobias in guten Händen waren.







    Sobald Tobias und die Kinder in Richtung der Wälder von Simskelad aufbrachen, machte auch ich mich auf den Weg nach Süden. Ich wollte noch vor Einbruch der Nacht in Simtropolis eintreffen. So wie Joanna es vorausgesagt hatte, waren die Autobahnen für den Zivilverkehr gesperrt und in regelmäßigen Abstanden behinderte eine Straßenblockade die Weiterfahrt. Doch Dank des Passierscheines, den meine Schwester für mich besorgt hatte, konnte ich meine Fahrt fortsetzen.




    Der Passierschein verschaffte mir auch Zugang zu dem Flüchtlingslager, zu dem ansonsten nur Angehörige des Militärs und diverser Hilfsorganisationen Zutritt hatten. Das Lager musste in aller Eile errichtet werden. Auf einer Kasernenbrache wurden eiligst Zelte aufgestellt und die notwenigsten sanitären Einrichtungen installiert, um die 5000 Flüchtlinge unterbringen zu können. Ich kannte die Bilder bereits aus dem Fernsehen, dennoch war ich entsetzt von dem Elend, was ich hier sah. Diese Menschen hatten zwar Glück, dass sie unverletzt aus der Sierra Simlone entkommen waren, aber ich war dennoch froh, das meine Kinder und ich bei meiner Schwester und nicht in diesem Lager Zuflucht gefunden hatten.




    Und es waren so viele Menschen hier. Wie sollte ich da bloß jemals Dominik finden? Ich schaute mich verloren in dem riesigen Lager um, doch die Zelte sahen alle gleich aus und die Gesichter der vielen Menschen waren mir unbekannt. Und dann hörte ich plötzlich, wie jemand meinen Namen rief. "Tante Oxana, Tante Oxana!" Ich drehte meinen Kopf in die Richtung, aus der die Rufe erklangen und erblickte sofort Constance, Rolands Tochter. Selbst aus der Ferne war sie aufgrund ihrer seltsam verfärbten Haut, die ihre Ursache in einer erblichen Pigmentstörung hatte, gut zu erkennen.




    Ich beschleunigte meinen Gang und bewegte mich zielstrebig auf sie zu. "Constance, es geht dir gut", stieß ich erleichtert aus, als ich nah genug war, dass sie mich gut verstehen konnte und streckte meine Arme zu einer Umarmung aus. Neben ihr stand Hektor, der Mann von Manuela Bretz, der erfreut lächelte und mir zur Begrüßung zuwinkte. Constance ließ sich von mir umarmen und drückte mir einen Kuss auf jede Wange. Ich war wirklich erleichtert sie, und weitere Bekannte aus der Heimat, wohlauf zu sehen.




    "Wir haben uns schon Sorgen um dich gemacht, Tante Oxana", begann Constance zu erzählen. "Mutter konnte nur Berichten, dass du plötzlich aus Sierra Simlone Stadt verschwunden warst. Keiner wusste, was mit dir und deinen Kindern passiert ist." "Ich bin nach SimCity geflohen", erklärte ich ihr. "Meine Schwester hat es irgendwie geschafft, uns aus der Sierra Simlone schaffen, bevor die Simnistrier die Stadt besetzen konnten. Sie muss wohl gute Freunde bei der Armee haben", setzte ich schnell hinterher und hoffte, dass dies Constance als Erklärung dafür, wie Joanna uns aus der Wüste geholt hatte, reichen würde.




    Dann wurde mir klar, dass Constance von "Mutter" gesprochen hatte. "Ist Brandi auch hier? Und Roland?", fragte ich aufgeregt. "Mutter und meine Geschwister sind dort drüben", erklärte Constance und deutete auf eine Gruppe von Zelten und ich erkannte sogleich Brandi, die sich mit Manuela unterhielt. "Papa ist allerdings nicht hier", fuhr Constance mit bedrückter Stimme fort. "Er meinte, dass seien Fähigkeiten als Arzt dringend in der Sierra Simlone von Nöten wären und er deshalb nicht fort könne. Er hat darauf bestanden, dass Brandi und meine Geschwister ohne ihn auf das simrokkanische Schiff steigen."




    Constance fasst meine Hand und führte mich zu ihrer Mutter. Brandi konnte es erst fast nicht glauben, dass ich so unverhofft vor ihr stand, doch dann umarmte sie mich freudestrahlend. Nachdem ich auch sie über meine Flucht nach SimCity unterrichtet hatte, erzählte sie mir von den Geschehnissen in Sierra Simlone Stadt. Die Simnistrier waren tatsächlich in die Stadt gekommen und hätten sich in meinem Haus niedergelassen. Alle, Männer, die nicht verletzt oder zu alte waren, wurden in der Schule festgehalten, um einen Aufstand zu verhindern. Tristan hatte insofern Glück, als dass er ein gebrochenes Bein hatte und somit keine Gefahr darstellte. Daher durfte er in Franks Haus bleiben.




    Brandi holte einen Kessel mit heißem Wasser vom Lagerfeuer und wir setzen uns mit einer heißen Tasse Tee in der Hand vor das Zelt, dass nun ihr vorübergehendes Zuhause war. "Papa hat gleich nach dem Einmarsch der Simnistrier zu sich ins Krankenhaus nach Seda Azul geholt, um uns bei sich zu haben", erzählte Sarah, die gemeinsame Tochter von Roland und Brandi, die Geschichte weiter, als ich nach Rolands Verbleiben fragte. "Als Arzt war er für die Simnistrier natürlich nützlich, daher wurde er auch nicht eingesperrt. Und auch wenn er es nicht unbedingt gerne tat, so hat er auch die simnistrischen Soldaten verarztet. Er meinte, sein Hippokratischer Eid würde keinen Unterschied zwischen Freund und Feind machen. Also verarztete er auch die verletzten Simnistrier."




    Auf meine Frage, wie es der simrokkanischen Fregatte gelungen war, die Seeblockade zu durchbrechen und die 5000 Flüchtlinge aus Seda Azul zu befreien, hatten Brandi und die Mädchen allerdings keine Antwort. Es handelte sich offensichtlich um ein Wunder. Dafür hatte Constance interessantes über ihre Flucht zu berichten, denn sie war nicht mit dem Schiff nach Simtropolis gekommen. "Kommilitonen von mir hatten ein Funkgerät in ihrem Zimmer, mit dem sich sonst zum Spaß den Polizeifunk von La Siesta Tech abhörten. Und an dem Abend vor dem Angriff auf Sierra Simlone Stadt haben sie seltsame Funksprüche auf einer Wellenlänge empfangen, die sonst nie genutzt wurde. Ich hätte diese Funksprüche ignoriert, aber meine beiden Kommilitonen waren felsenfest davon überzeugt, dass etwas Schlimmes passieren würde und drängen mich und meine Mitbewohnerinnen dazu, den Siesta Tech Campus zu verlassen und nach SimVegas zu fahren. Ich dachte die ganze Zeit, die beiden wollten sich mit uns Mädchen einen Spaß erlauben. Ich hielt es für einen blöden Anmachversuch oder so etwas in der Art."




    "Aber da ich ohnehin wieder einmal Lust hatte, etwas Spaß in der Stadt zu haben, und einer der Jungs wirklich süß war, entschloss ich mich, mit ihnen mitzufahren. Zwei meiner Mitbewohnerinnen aus dem Wohnheim begleiteten uns. Und wir waren kaum ein paar Stunden in SimVegas, als schon auf allen Sendern über den Überraschungsangriff auf die Sierra Simlone berichtet wurde. Ich hatte echt wahnsinniges Glück gehabt, dass ich nicht mehr auf dem Campus war. Die Uni soll nämlich stark bombardiert worden sein. Ich denke, die Simnistrier vermuteten dort irgendwelche geheimen Forschungseinrichtungen."




    Eines wurde deutlich, sollte dieser Krieg vorüber sein, so hatten wir alle unsere Geschichte zu erzählen. Jeder hatte Schrecken erlebt, jeder hatte Angst verspürt. Das Leben würde nicht mehr sein wie vorher. Doch im Augenblick war ich nur froh, dass es so vielen meiner Freunde und Bekannten gut ging. Doch ich war aus einem bestimmten Grund nach Simtropolis gekommen. "Habt ihr vielleicht Dominik hier im Lager entdeckt?", fragt ich hoffnungsvoll. Ich hatte so viel Menschen wiedergetroffen, Dominik musste auch darunter sein.




    Brandi sah meinen flehentlichen Blick und es zerbrach ihr fast das Herz. Sie drückte ihre Hand gegen die Brust und schüttelte traurig den Kopf. "Glaubst du wirklich, wir würden so lange mit dir plaudern, wenn dein Mann hier wäre? Nein, Dominik ist nicht hier und er war auch nicht hier im Lager. Es tut mir wahnsinnig Leid, Oxana. Ich kann erahnen, wie sehr du jetzt leiden musst. Auch ich weiß nicht, wie es Roland jetzt ergeht. Aber immerhin weiß ich, wo er sich aufhält. Der Gedanke, nicht einmal das zu wissen, würde mich um den Verstand bringen."




    Ich hatte eine solche Antwort befürchtet. Und trotzdem waren Brandis Worte wie ein Stich in mein Herz. Diese Lager war meine letzte Hoffnung gewesen. Das war der einzige Ort, an dem Dominik mich zu finden hoffen konnte. Und wenn er nicht hier war, dann bedeutete dies, dass er nicht in der SimNation war. Das könnte sogar bedeuten, dass er nicht einmal mehr am...Nein, so etwas durfte ich einfach nicht denken. Ich durfte die Hoffnung nicht aufgeben, dass er zu mir zurückkehren würde, auch wenn das mit jedem Tag unwahrscheinlicher wurde.




    Der Himmel begann bereits, sich rot zu färben. Bald würde es dunkel sein und es wurde allerhöchste Zeit, mich auf den Rückweg nach SimCity zu machen. Ich erkannte, wie dumm es gewesen war, meine Kinder alleine zu lassen, nur um einer Hoffnung hinterherzurennen. Ich nutzte also, die letzten Minuten, um mich von Brandi und Constance, aber auch von Manuela und ihrer Familie, zu verabschieden. Ich wünschte ihnen alles Gute und hoffte, dass wir uns bald alle wieder in der Sierra Simlone treffen würden.

    Kapitel 171: Viel zu nah



    Als wir den Keller verließen, stellte ich erschrocken fest, dass die Sonne bereits untergegangen war. Wir mussten dort also mehrere Stunden ausgeharrt haben. Fast zeitgleich mit Joannas Erscheinen erklang im Radio die Durchsage, dass man die Schutzräume wieder verlassen könne. "Zeit ins Bett zu gehen", sagte ich zu meinen beiden Kindern, nachdem wir für einige Minuten die wohltuende frische Abendluft eingeatmet hatten. Es gab keine Widerworte. Die Erschöpfung hatte Klaudia und Sky fest im Griff. "Schlaf gut, mein Kleiner", verabschiedete ich mich von Sky, als er müde in sein Bett gefallen war. Ich hatte noch nicht einmal das Licht gelöscht, da glitt er bereits in das Reich der Träume. Ich küsste ihn noch einmal auf die Stirn und zog seien Bettdecke hoch.




    Bevor ich das Zimmer verließ, sah ich auch nach Klaudia, die im Nachbarbett lag und ebenfalls bereits tief und fest schlief. Ich strich meinen Pummelchen über das Haar und sie seufzte zufrieden bei dieser sanften Berührung. Ein schwacher Mondschein fiel durch das Fenster auf ihr Gesicht. Sie sah so friedlich aus. Und wie bereits bei Sky, erkannte ich auch ihn ihrem Gesicht deutlich Dominik wieder. Auf der einen Seite tröstete mich dieser Gedanke ungemein und ich musste lächeln. Was auch immer noch passierte, ein Teil von Dominik würde immer bei mir sein. Aber auf der anderen Seite zerriss es mir förmlich das Herz, dass ich ihn womöglich nie wieder sehen würde.




    Als ich die Wendeltreppe vom Dachboden herabstieg, erblickte ich durch die Fenster im Flur des ersten Stocks Joanna, die auf dem Balkon stand und in die Ferne blickte. Ich schob also die Schiebetür zur Seite und trat zu meiner Schwester ins Freie. Als sie das Geräusch der sich bewegenden Tür hörte, drehte sie ihren Kopf in meine Richtung und ging langsam auf mich zu, sobald sie mich im Halbdunkeln erkannte. Trotz des schlechten Lichts konnte ich sehen, dass sie dieser Tag ebenso mitgenommen hatte, wie uns alle.




    "Wie sieht es in der Stadt aus", fragte ich sie. Bislang hatte ich keine Gelegenheit, mich über den Grund für den Fliegeralarm zu informieren. Joanna seufzte. "Es hätte schlimmer sein können. Es wurden hauptsächlich das Industriegebiet und der Flughafen beschossen. Allerdings sind auch Raketen in die Residenz des Herzogs eingeschlagen. Wir haben Glück, dass die Simnistrier bislang darauf verzichten, Wohngebiete zu bombardieren." Also hatte es tatsächlich einen Angriff gegeben. Und die herzogliche Residenz, Sitz der Regierung der Provinz Simster, war nur etwa zwei Kilometer vom Haus meiner Schwester entfernt. Unweigerlich lief mir ein kalter Schauer bei diesem Gedanken den Rücken hinunter.




    "So nah", flüsterte ich erschrocken, mehr zu mir selbst, als zu Joanna. Und dann geschah etwas, worauf ich nicht gefasst war. Joannas Augen begannen feucht zu glänzen und ein feines Rinnsal begann an ihrer Wange herabzufließen. "Das war viel zu nah", keuchte sie mit ersticktem Tonfall, sichtlich darum bemüht, ihre Fassung zu wahren. Doch dann gab sie diesen Versuch auf, griff mit beiden Händen in ihre Haare und ballte sie zu Fäusten. Das Schluchzen ließ sich nicht mehr unterdrücken. "Ihr wart alle in Lebensgefahr. Meine Kinder, deine Kinder, du. Ich hätte das voraussehen müssen. Ich hätte euch längst aus SimCity herausschaffen müssen. Ich bin schließlich für euch verantwortlich."




    Joanna begann am ganzen Körper zu zittern. Und das einzige, was ich in dieser Situation tun konnte war, meine Schwester in den Arm zu nehmen. Erst jetzt wurde mir klar, was für eine Verantwortung auf ihren Schultern lastete. Sie hatte mich und die Kinder aus der Sierra Simlone gerettet. Und auch jetzt vertraute ich immer noch darauf, dass sie uns schützen würde. Ich hatte nie darüber nachgedacht, wie viel Kraft es sie kosten musste, in dieser extremen Situation ihre Organisation weiter am Laufen zu halten, ständig von der Angst begleitet, dass ihrer Familie etwas zustoßen könnte. So verletzlich wie heute, hatte ich Joanna nicht mehr gesehen, seit wir Kinder waren.




    Nach einigen Minuten hörten das Zittern und das Schluchzen auf und Joanna löste sich aus meiner Umarmung. Sie schritt zum Balkongeländer, streckte die Schultern durch und holte mehrmals tief Luft. Ich erkannte, dass sie kein leichtes Leben führte. In ihrem Job musste sie immer stark sein. Schwäche zu zeigen könnte leicht bedeuten, dass eigene Leben zu riskieren. Und obwohl ich wusste, dass Tobias sie immer unterstützte, musste sie selbst vor ihm eine Fassade aufrechterhalten. Er war ihr Mann, aber er war auch einer ihrer Gefolgsleute. Das führte unweigerlich zu Distanz. Doch mir gegenüber, ihrer Zwillingsschwester, konnte sie für einen Moment ganz sie selbst sein. Eine verängstigte Frau und Mutter, genauso wie ich es war und hundertausende anderer Frauen in der SimNation.




    Doch dieser Moment war schnell vorüber. Joanna drehte sich wieder um und ging auf mich zu. "Morgen früh packst du ein paar Sachen zusammen, und dann wirst du mit Tobias und den Kindern an einen sicheren Ort fahren." Der Tonfall ihrer Stimme gab deutlich zu Verstehen, dass jede Diskussion nutzlos war. Joanna war wieder ganz die Chefin eines Verbrechersyndikats und sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Ich nickte stumm. "Und was wirst du tun?", fragt ich, nachdem ich realisierte, dass sie nicht vorhatte, uns zu begleiten. "Ich werde endlich dafür sorgen, dass den Simnistriern ordentlich in den Hintern getreten wird."







    Gleich am nächsten Morgen verkündete Joanna allem beim Frühstück, dass wir SimCity verlassen müssten, weil es in der Stadt inzwischen zu gefährlich geworden wäre. Doch nicht bei allen kam dieser Vorschlag gut an. "Ich will hier nicht weg", maulte Magda, als Joanna ihr Zimmer betrat, um zu sehen, wie weit sie mit dem Packen vorangekommen war. Sie schleuderte schlecht gelaunt einige T-Shirts in den Koffer, der auf ihrem Bett lag, und schlug den Deckel zu.




    "Alle meine Freunde sind hier! Papa meinte, es gibt dort nicht einmal Handyempfang. Ich werde zur absoluten Außenseiterin in der Schule!" Sie fuchtelte theatralisch mit den Händen über ihrem Kopf. "Außerdem ist doch gestern gar nichts passiert. Siehst du hier irgendwelche Einschlagslöcher? Nein? Ich auch nicht. Wir können doch einfach hier bleiben und uns wieder im Keller verstecken, wenn es Fliegeralarm geben sollte."




    Doch sie hatte sich den falschen Zeitpunkt ausgesucht, um aufmüpfig zu sein. Joanna war nicht in der Stimmung, um mit sich reden zu lassen. "Du wirst gleich mit deinem Bruder, deinem Vater und dem Rest der Familie in den Wagen steigen. Diese Entscheidung steht nicht zur Debatte. Wir hatten gestern einfach wahnsinniges Glück, das ist alles. Glaubst du wirklich, unser Keller würde einen Raketeneinschlag überstehen? Das bezweifle ich nämlich stark. Und hör auf, so ein Gesicht zu ziehen. Die ganze Situation ist schon schwer genug, ohne dass du uns allen auch noch schlechte Laune bereitest."




    Joannas Nerven lagen immer noch blank. Der gestrige Vorfall saß ihr tiefer in den Knochen, als sie es sich eingestehen wollte. Daher fiel ihr Verhalten ihrer Tochter gegenüber auch härter aus, als es angemessen wäre. Aber Magda wäre nicht Joannas Tochter, wenn sie sich das so einfach bieten lassen würde. "Warum kommst du dann nicht mit uns mit, wenn es hier in SimCity so gefährlich ist?", fragte sie trotzig. Genau in dem Moment betrat Tobias das Zimmer. "Du weißt ganz genau, dass deine Mutter beruflich fest eingespannt ist. Sie trägt viel Verantwortung in ihrer Firma und kann nicht einfach hier weg."




    "Ach ja, ich vergaß", erwiderte Magda, wobei ihre Stimme vor Ironie triefte. "Wenn Mama sich bloß einen Tag nicht darum kümmert, dass genügend Fertigfraß und Tomatensaft in die Flugzeuge geladen wird, dann geht gleich die Welt unter." Sie sprach damit die Tätigkeit an, der Joanna zur Tarnung nachging. "Zumal gerade sooo viele Flugzeuge unterwegs sind." Joanna hatte eindeutig genug. "Pack deinen Koffer fertig und sei in fünf Minuten unten", herrschte sie ihre Tochter an. Die beiden funkelten sich noch einen Augenblick finster an, doch dann verließ Joanna den Raum.




    Als ihre Mutter fort war, schaute Magdalena wütend und traurig zugleich auf ihren Koffer herunter. Tobias ging langsam auf sie zu und strich ihr behutsam über den Rücken. "Schatz, du weißt doch selbst, dass deine Mutter nur das Beste für uns will. Und glaub mir, sie würde gerne mit uns mitkommen, wenn sie nur könnte. Also komm, schluck deinen Ärger hinunter, pack deinen Koffer und dann komm nach unten." Magdalena blickte noch eine Weile stumm auf den Koffer, doch dann nickte sie zustimmend.

    Kapitel 170: Eingeholt




    Mannchmal war es wert, um seine Ehe zu kämpfen. Wie zum Beweis dafür hüpfte Sky hinter der Ecke des Hauses hervor und lief, mit einem Freund im Schlepptau, auf mich zu. "Schlag ein, Mami", rief er mir fröhlich lachend zu. Ich hob meine Hand und wir ließen unsere Hände zusammenklatschen. "Die neue Schule hier ist voll toll", schwärmte er. "Ich hab heute ein Bild von Oma Glinda gemalt und ein Sternchen dafür bekommen."




    Sky strahlte über das ganze Gesicht und ich erkannte nicht zum ersten man seinen Vater darin wieder. Meine Ehe mit Dominik war nicht glücklich gestartet. Wir hatten viele Tiefen durchlebt und meine mangelnde Liebe für Skys Vater gehörte sicherlich zu den tiefsten. Es dauerte zwar lange, doch schlussendlich erkannte ich, dass ich nur Dominik liebte und für immer bei ihm sein wollte. Und vielleicht würde es meiner Schwägerin Desdemona ähnlich ergehen. Sie durfte nur keine übereilten Entscheidungen treffen.




    Ich konnte kaum so schnell gucken, da lief Sky auch schon wieder davon, gefolgt von dem Jungen mit dunklem Lockenkopf. "Ach übrigens", drehte mein kleiner Sohn sich noch einmal um und rief mir zu, "der Direktor von unserer neuen Schule ist hier und will dich mal sprechen, Mami. Er wartet vor dem Haus." Der Direktor war hier? Mit den Fingerspitzen zupfte ich meine Frisur zurecht und ging zum Eingang des Hauses. Dort wartete in der Tat ein Mann, etwa in meinem Alter, auf mich, der sich als Direktor Wladimir Walter vorstellte.




    Ich lud Direktor Walter zu einem Kaffee ins Haus ein und wir unterhielten uns über Sky und Klaudia. Er gab offen zu, dass er die beiden zunächst nur an seiner Schule aufgenommen hatte, weil meine Schwester über einigen Einfluss verfügte. Ich fragte mich, ob er etwas von ihren kriminellen Machenschaften wusste, oder ob er nur ihren Ruf als reiche Bürgerin dieser Stadt meinte. Nachdem der Direktor gegangen war, setzte ich mich mit Klaudia zusammen an den Schachtisch. "Der Direktor ist sehr angetan von dir und deinem Bruder", erzählte ich ihr während des Spiels. "Ihr habt euch offenbar vorbildlich in die neue Schule integriert." Ich konnte sehen, wie Klaudias Brust vor Stolz anschwoll. Sie war bisher nie wirklich gut in der Schule gewesen. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Lob vom Direktor zu erhalten, war daher etwas ganz Neues.




    "Der Direktor hat erlaubt, dass ihr auf unbefristete Zeit die Schule besuchen dürft", fuhr ich fort. "Ich weiß nicht, wie lange wir noch in SimCity bleiben werden, aber immerhin muss ich mir jetzt keine Sorgen mehr um eure Schulbildung machen." Klaudia lächelte zufrieden und setzte einen ihrer Bauern ein Feld nach vorne. Ich konnte genau sehen, dass auch sie froh war, dass es in diesen hektischen Zeiten wenigstens etwas Stabilität in ihrem Leben gab.






    Klaudia gewann unser Spiel. Inzwischen war es schon späte geworden und Zeit für die Kinder ins Bett zu gehen. Ich gab Klaudia und Sky einen Gutenachtkuss und machte mich dann selbst fürs Bett fertig. Ich wusste, dass ich im Schlafzimmer Desdemona begegnen würde, also ließ ich mir viel Zeit. Als ich das Zimmer betrat, hockte meine Schwägerin zusammengekauert auf dem Bett. Sie wagte es nicht, mir direkt in die Augen zu sehen, aber ich konnte sehen, dass sie gerade eben erste geweint haben musste. Die Tränen auf ihren Wangen waren noch nicht ganz getrocknet.




    Ich setzte mich zu Desdemona auf die Bettkante und klopfte mit meiner Handfläche auf die leere Stelle neben mir, um zu signalisieren, dass sie sich zu mir setzen sollte. Desdemona kämmte mit ihren Fingern ihre Haare zurück und kam an meine Seite. "Ich muss gestehen, dass du mir heute Morgen die Sprache verschlagen hattest. Und ich war wütend auf dich", begann ich das Gespräch. "Orion ist mein kleiner Bruder und ich kann einfach nicht mit ansehen, wie er verletzt wird. Doch dann habe ich versucht, mich in dich hinein zu versetzen. Und das war gar nicht so schwer, wie ich erst vermutet hatte."




    "Du musst wissen, auch in meinen Leben gab es einen anderen Mann. Kinga war schon lange auf der Welt und ich mit Dominik verheiratet. Ich hätte glücklich sein müssen. Doch dieser andere Mann...er war einfach unglaublich. Und ich hätte Dominik vermutlich verlassen, wenn...wenn dieser Mann nicht durch einen schrecklichen Unfall von mir gerissen worden wäre." Ich erwähnte nicht, dass dieser Mann Desdemonas Vater war. Ich wusste nicht, ob sie von der Affäre zwischen mir und ihrem Vater wusste. Wenn ja, dann hatte sie die Anspielung deutlich verstanden. Und wenn nicht, dann gab es keinen Grund das Andenken an ihren Vater jetzt noch zu beschmutzen.




    "Was soll ich jetzt tun, Oxana?", fragte sie mit bebender Stimme. Ich lächelte betrübt. "Das kann ich dir leider auch nicht sagen. Ich bitte dich nur darum, deine Ehe nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen. Triff keine übereilten Entscheidungen, vor allem nicht jetzt. Warte, bis du wieder bei Orion bist und sich die Situation beruhigt hat. Wenn du dann merkst, dass du meinen Bruder nicht mehr genügend liebst, dann steht es dir frei ihn zu verlassen. Gefühle können sich ändern und auch wenn ich meinen Bruder liebe, so muss ich doch akzeptieren, dass auch du ein Recht darauf hast, glücklich zu werden."




    Ich sah Desdemona an, dass sie sich wünschte, von mir in den Arm genommen zu werden. Aber dazu konnte ich mich dann doch nicht überwinden. Mehr als ein weiteres trauriges Lächeln brachte ich nicht zustande. Da nun alles gesagt war, legten wir uns hin. Doch keine von uns beiden konnte schlafen. Desdemona war immer noch hin und her gerissen und schluchzte leise von Zeit zu Zeit. Und ich dachte nur an Dominik. Ja, Gefühle konnten sich im Laufe der Zeit ändern. Ich hatte Dominik am Anfang gehasst und ihn als notwendiges Übel betrachtet. Doch dann waren Vertrauen und Freundschaft entstanden und inzwischen liebte ich ihn aus ganzem Herzen. Und es zerriss mich innerlich, dass ich nicht wusste, wo er war. Nicht zum ersten Mal betet ich inständig zu Gott und allen Heiligen, dass sie Dominik wohlbehalten zu mir zurückbringen würden.







    In den folgenden Tagen präsentierte sich der Spätsommer von seiner schönsten Seite. Die Temperaturen stiegen und es war keine Wolke am Himmel zu sehen. Die Kinder spielten vergnügt am Pool. Während die Jungs im Wasser herumtobten, alberten Klaudia und Magdalena am Beckenrand herum und bewarfen sich mit Wasserbomben. Ich lag entspannt im Liegestuhl und beobachtet die ausgelassenen Kinder. Es war in diesem Augenblick so einfach, all die Schrecken des Krieges auszublenden.




    Doch kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, erklang in unmittelbarer Nähe das Heulen einer Sirene. Die Kinder schauten sich verwirrt um. "Das kommt drüben von der Kirche", rief Klaudia und zeigte mit dem Finger zum Kirchturm. Wenige Sekunden später erkläng das Heulen der Sirenen auch aus anderen Richtungen. Benommen sackte ich in dem Liegestuhl zusammen. Nein, das durfte nicht sein. Nicht auch noch hier!




    Doch ich musste, dass ich mir einen Moment des Zögerns nicht leisten konnte. "Jakób, Sky, kommt sofort aus dem Wasser!", rief ich noch während ich mich blitzschnell aus dem Liegestuhl erhob. Der Klang der Sirenen hatte die Kinder so verschreckt, dass sie ohne zu zögern gehorchten. "Lauf sofort ins Haus und holt euch trockene Kleider und dann kommt ihr sofort in den Keller. Und trödelt auf keinen Fall!" Ich sah in den erschrockenen Gesichtern der Kinder, dass diese Warnung überflüssig war. Alle vier liefen ohne weitere Fragen zu stellen ins Haus.




    Desdemona schloss sich uns an, als wir das Haus betraten und reichte mir meine trockenen Kleider. Es dauerte keine Minute, bis die Kinder ebenfalls angezogen vor mir standen und ich dirigierte alle in den Kellerraum, den Joanna mir bereits Tage zuvor für den Notfall gezeigt hatte. Der Raum war zwar nicht gemütlich, aber es gab hier Nahrung und Wasser für einige Tage und genug Decken, damit wir nicht frieren mussten. In den ersten Minuten herrschte absolute Stille. Sky und Klaudia hatten bereits einen Bombenangriff im Keller überstanden. Auf der einen Seite machte sie das etwas ruhiger, weil es eine vertraute Situation war, auf der anderen Seite hatten sie auch die Schrecken erlebt, wenn man den sicheren Bunker wieder verließ. Doch Jakób und Magdalena waren einfach nur verängstigt.




    Auch Desdemona hatte Angst. Ihre Augen waren weit aufgerissen und obwohl sie sich zusammenriss, konnte sie nicht verhindern, dass Tränen an ihren Wangen herabflossen. "Wir sollten das Radio einschalten", durchbrach sie mit zittriger Stimme die Stille. Ich nickte zustimmend. Ein Kurzwellensender war bereits voreingestellt und eine automatische Bandansage ertönte, als Desdemona das Geräte einschaltete: "Bitte bewahren Sie Ruhe. Suchen Sie Schutz in einem ausgewiesenen Bunker oder einem sicheren Keller. Gehen Sie nicht auf die Straße. Bitte bewahren Sie Ruhe. Suchen Sie Schutz..."




    Die monotone Stimme auf dem Band hatte tatsächlich eine beruhigende Wirkung auf uns alle. Im Gegensatz zu dem Angriff auf Sierra Simlone Stadt hörten wir diesmal keine Einschläge. Auch der Strom fiel diesmal nicht aus. Daher entspannte sich die Situation rasch wieder. Innerlich hoffte ich, dass es sich nur um einen Fehlalarm handelte und SimCity vor Zerstörung bewahrt wurde. Auch die Kinder entspannten sich und bald schon plapperten die Mädchen leise miteinander und die Jungs spielten zusammen.




    Wir lachten alle gerade alle über einen von Skys Witzen, als plötzlich das Knarren der Kellertür zu hören war. Alle blickten in die Richtung, aus der das Geräusch erklang und Jakób erkannte als erstes die Gestalt, die aus dem Schatten trat. "Mami", rief er laut und lief direkt in die weit ausgestreckten Arme seiner Mutter hinein. "Alles ist gut, mein Liebling", beruhigte meine Schwester ihren Sohn und küsste ihn sanft auf den Kopf.




    Auch Magda fiel ihrer Mutter um den Hals und drückte sie so fest, wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Und plötzlich brachen bei den Kindern alle Dämme. "Maaamaaa", schluchzte Jakób bitterlich und vergrub sein Gesicht in Joannas Seite. Und auch Magda lies ihrer Angst, die sie zuvor noch so gut verbergen konnte, freien Lauf und weinte sich an der Schulter ihrer Mutter aus. "Es ist alles gut", flüsterte meine Schwester immer wieder beruhigend und strich ihren Kindern liebevoll über den Rücken.




    Und plötzlich weinte auf mein kleiner Junge, der den ganzen Tag über so mutig gewesen war. Ich trat zu ihm herüber und er vergrub seinen Kopf in meinem Bauch. Erst nach einigen Minuten hatte Sky sich wieder beruhigt und wischte sich die Tränen aus den Augen. Dieser Tag war an keinem von uns spurlos vorbeigegangen. Die gesamten letzten Wochen waren es nicht. Dieser Krieg würde bei uns allen tiefe Wunden auf der Seele hinterlassen. Meine Kinder würden nie wieder eine solch unbeschwerte Kindheit haben, wie vor diesem sinnlosen Angriff. Und daran waren nur die Simnistrier Schuld und ich hasste sie dafür.

    Kapitel 169: Spiel mit dem Feuer




    Desdemona fiel es sichtlich schwer, sich in SimCity einzuleben. Sie war zwar die Frau meines Bruders und gehört somit zur Familie, aber sie fühlte sich dennoch fremd. Mich und die Kinder kannte sie gut, aber meine Zwillingsschwester war ihr nahezu eine Unbekannte. Zudem vermisste sie ihre eigne Familie. Ihre Mutter Gerda, ihre Geschwister, ihren Mann...sie alle waren noch in der Sierra Simlone und niemand konnte genau sagen, ob es ihnen gut ging, oder nicht.




    Im Haus meiner Schwester fiel ihr daher schnell die Decke auf dem Kopf. Also entschloss sie sich dazu, die Stadt ein wenig zu erkunden. Bis auf wenige Besuche in SimVegas hatte Desdemona die Sierra Simlone noch nicht verlassen. Die schiere Größe von SimCity, all die Hochhäuser, Autos und Menschen überwältigten sie. Und selbst einfache Schausteller auf den Plätzen der Stadt brachten sie zum Staunen.




    Und dann entdeckte sie das Kunstmuseum der Stadt. Im Vergleich zu den Museen in Simtropolis oder Santa Regina war die Ausstellung in SimCity klein, aber sie raubte Desdemona dennoch den Atem. Zu Beginn ihres Studiums hatte Desdemona mit dem Gedanken gespielt, Kunst zu studieren und einige Vorlesungen und Seminare zu dem Thema besucht. Doch ihre Schwester Miranda riet ihr, doch lieber etwas "Richtiges" zu studieren, und so hatte sie sich letztendlich für ein Lehramtsstudium in Sport entschieden. Doch wirklich glücklich war sie mit dieser Entscheidung nie geworden. Und jetzt, wo sie all diese wundervollem Kunstwerke im Museum sah, bereute sie ihre Entscheidung umso mehr.




    Besonders die moderneren Kunstwerke hatten es ihr angetan. Impressionismus, Expressionismus, Surrealismus. Sie konnte gar nicht genug bekommen. Der Besuch im Museum wurde zu einem täglichen Ritual. Und immer wieder schaute sie sich ihre Lieblingsbilder an und entdeckte jeden Tag etwas Neues an ihnen. Hier ein Detail, das ihr bislang entgangen war, dort eine Pinselführung, die das Bild einzigartig machte.




    "Wunderschön, nicht wahr?", riss eine warme Männerstimme Desdemona aus ihren Gedanken. "Die Edelsteine von Alfons Mucha: Topas, Amethyst, Rubin und Smaragd. Ich muss jedes Mal aufs Neue staunen, wenn ich die Gemälde hier sehe." Desdemona drehte ihren Kopf nach hinten und blickte einem jungen, blonden Mann ins Gesicht, der sie freundlich anlächelte.




    "Verzeihen Sie, wenn ich Sie gestört haben sollte", entschuldigte er sich sogleich bei Desdemona. "Ich besuche das Kunstmuseum nun schon seit Jahren regelmäßig und da fallen mir neue Gesichter schnell auf. Und Ihr wunderschönes Gesicht habe ich nun seit fast einer Woche Tag ein Tag aus hier gesehen. Sie betrachten die Bilder mit einer solchen Sorgfalt, die man sonst nur selten zu sehen bekommt. Darf ich fragen, ob Sie an der Universität hier in SimCity Kunst studieren?"




    Desdemonas Wangen röteten sich, als sie das Kompliment des Fremden empfing. "Nein", schüttelte sie ihr blondes Haar und wickelte eine ihrer goldenen Locken schüchtern um ihren Finger. "Ich habe vor vielen Jahren einmal damit angefangen, das Studium dann aber abgebrochen. Ich komme einfach gerne hierher um diese schönen Werke zu bewundern und die Atmosphäre dieser alten Hallen zu genießen." "Genau dafür werden Museen gebaut", erwiderte der Fremde. "Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Clemens." "Der Sanfte", hauchte Desdemona, ohne weiter darüber nachzudenken. "Ich bin Desdemona." "Die vom Schicksal verfolgte. Ich hoffe doch, dass Schicksal hat es bisher gut mit Ihnen gemeint. Darf ich sie zu einem Kaffee einladen?"




    Dagegen hatte Desdemona nicht das Geringste einzuwenden. Im unteren Stockwerk des Museum befand sich ein kleines, gemütliches Café, in das Clemens Desdemona einlud. Die beiden tranken ihren Kaffee und unterhielten sich dabei. Zunächst ging es nur um die Kunst, um weitere Werke von Alfons Mucha, um die Kunstsammlung des Museums im Allgemeinen. Doch dann wurden ihre Gespräche immer privater. Und Desdemona kam es so vor, als ob es nicht wichtig war, was Clemens sagte, solange er nur zu ihr sprach.




    Von da an besuchte Desdemona das Museum nicht mehr alleine. Sie traf sich jeden Morgen mit Clemens am Eingang. Und zusammen gingen sie durch die Kunstaustellung und Clemens erläuterte ihr die Bilder. Wie sich herausstellte, war er Dozent an der Kunsthochschule in SimCity und Desdemona war einfach nur beeindruckt von seinem Wissen zu all den wundervollen Kunstwerken.




    Doch das war nicht der einzige Grund, warum sie jeden Morgen mit klopfendem Herzen aufwachte und zum Museum lief. Clemens war nett, charmant, gutaussehend...und er war da. Er war hier bei ihr in SimCity und nicht tausende Kilometer weit entfernt in der Sierra Simlone. Desdemona wusste, dass sie mit dem Feuer spielte und doch konnte sie sich dieser Flamme nicht entziehen. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Clemens und sie unter dem sterneklaren Himmel im Park des Museums standen und ihre Lippen sich immer näher kamen.




    Doch im letzten Augenblick riss sie den Kopf zur Seite. "Es tut mir leid, Clemens, ich kann nicht", flüsterte sie mit zittriger Stimme, löste sich aus seiner Umarmung und rannte davon. Clemens sah ihr verdutzt hinterher. Hatte er etwas falsch gemacht? Er konnte sich diese starke Anziehung zwischen Desdemona und ihm nicht eingebildet haben. Aber warum war Desdemona dann davongelaufen? Er konnte dies einfach nicht begreifen.







    Die relativ ruhigen Tage in SimCity gaben uns allen die Gelegenheit durchzuatmen. Allerdings verfinsterte sich die Stimmung von Tag zu Tag. Die erhoffte Hilfe seitens Russlands blieb aus. Somit war die SimNation weiterhin auf sich alleine gestellt und der Krieg drohte zu einer totalen Niederlage zu werden. Der Nachrichtenkanal lief ununterbrochen und mehrmals am Tag erschien eine Zeitungsausgabe mit den neusten Kriegsmeldungen. "Mindestens 15 Menschen sind bei den Bombenangriffen auf Simtropolis ums Leben gekommen", fasste Joanna die wichtigsten Meldungen zusammen. "Und in SimVegas ist ein weiteres Casinohochhaus zusammengestürzt. Es ist nun das dritte seit dem Angriff auf die Stadt vor vier Tagen. Sie bekommen die Brände einfach nicht unter Kontrolle."




    "Und die Angriffe auf die Hauptstadt nehmen zu. Bis jetzt sind zwar noch keine Flugzeuge in den Luftraum um Santa Regina eingedrungen, aber zwei der Flugabwehrstellungen wurden durch Raketenangriffe stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Verteidigungsminister wird daher die Jagdgeschwader aus den Provinzen Simster und Simskelad in die die Simtierra abberufen. Es muss in jedem Fall verhindert werden, das Bomben in der Hauptstadt fallen." Joanna bemühte sich sachlich zu bleiben, doch ich bemerkte den zornigen Unterton in ihrer Stimme. Und dieser Zorn galt in diesem Fall unserem Verteidigungsminister. Würden die Jagdgeschwader aus Simster abgezogen, würde die Region um SimCity ohne Luftverteidigung dastehen.




    Sofort schossen mir wieder die Bilder des Angriffes auf Sierra Simlone Stadt durch den Kopf. Ich würde es nicht ertragen, auch noch SimCity brennen zu sehen. Joanna stand auf und knallte die Zeitung auf den Couchtisch. Dabei zerzauste sie wütend ihr Haar. "Ich muss noch mal rüber ins Hauptquartier", teilte sie mir mit, schnappte sich ihre Handtasche und machte sich auf dem Weg zu ihrem Wagen. Um mich ein wenig von meinen trüben Gedanken abzulenken, ging ich hinaus in den Garten. Die Arbeit auf der Plantage und auf den Feldern fehlte mir hier in SimCity. Doch die Arbeit in dem kleinen Garten, den Paps vor Jahren angelegt hatte, entspannte mich etwas.




    Als ich einen neuen Sack mit Dünger hochhob, fiel mein Blick auf Desdemona, die regungslos am Ufer des Kanals stand, der hinter meinem Elternhaus entlang floss. Sie starrte regungslos auf das Wasser und ihre Körperhaltung verriet mir, dass sie etwas bedrückte. In den letzten Tagen war sie immer recht glücklich gewesen, doch in diesem Augenblick erlebte ich sie so traurig, wie seit unserer Flucht aus der Sierra Simlone nicht mehr.




    Ich stellte den schweren Sack wieder ab, klopfte mir den Dreck von den Händen uns ging zu meiner Schwägerin hinüber. "Alles in Ordnung, Mona?", fragte ich sie. Desdemona hatte mich offenbar nicht kommen gehört, denn sie drehte sich erschrocken um. Ihre Augen glitzerten feucht. Sie hatte gerade erst geweint oder stand kurz davor es zu tun. Sie schluckte laut und wollte etwas sagen, doch die Worte wollten ihre Lippen einfach nicht verlassen. "Ist es, weil du Orion vermisst", riet ich ins Blaue hinein.




    Und dann begannen ihre Tränen zu fließen. "Es ist in Ordnung, wenn du ihn vermisst", redete ich weiter, weil ich mir sicher war, dass ich den Grund für Desdemonas Traurigkeit gefunden hatte. "Ich vermisse Orion auch. Und noch viel mehr vermisse ich Dominik. Ich weiß wie furchtbar es ist, wenn man nicht bei dem Menschen sein kann, den man liebt und nicht weiß, ob es ihm gut geht." "Aber das ist es ja", flüsterte Desdemona mit tränengetränkter Stimme. "Ich vermisse Orion nicht so sehr, wie ich es sollte. Stattdessen muss ich nur an einen anderen Mann denken. An Clemens."




    Nun verschlug es mir die Sprache. Mit so einer Offenbarung hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte es nicht beabsichtigt, aber mein schockierter Blick war wohl Anklage genug. Desdemona schaute schuldbewusst zu Boden und schluchzte leise. "Ich…du", begann ich zu stottern. "Ich muss erst einmal verarbeiten, was du mir da gerade gesagt hast, Mona", brachte ich schließlich einen vollständigen Satz zustande. "Orion ist mein kleiner Bruder und daher will ich ihn um jeden Preis schützen. Ich könnte daher jetzt etwas sagen, was ich später bereuen würde. Lass mir etwas Zeit zum Nachdenken. Und behalte es erst einmal für dich, in Ordnung?" Desdemona nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.




    Anschließend lief sie leise schluchzend ins Haus. Ich spazierte hingegen im Garten umher und setzte mich schließlich auf die Steinbank. Mit meinem Fuß rollte ich einen Stein hin und her und dachte darüber nach, was Desdemona mir anvertraut hatte. Es gab also einen anderen Mann, der für sie, zumindest im Augenblick, wichtiger war, als ihr Ehemann. Als Schwester wollte ich natürlich, dass sie meinen Bruder, und nur meinen Bruder, liebte. Aber als Frau wusste ich nur zu gut, dass das Herz oft seltsame Wege ging. Nein, ich durfte Desdemona nicht verurteilen, dass sie sich hier und jetzt nach Liebe sehnte. Aber ich durfte auch nicht zulassen, dass sie ihre Ehe leichtfertig aufs Spiel setzte.

    Kapitel 168: Atempause




    Es war schockierend zu erfahren, was Dominik widerfahren war. "Und was ist dann geschehen?", fragte ich erschrocken. Mein ganzes Gesicht war tränenverschmiert. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es Tränen der Angst oder Tränen der Erleichterung waren. Doch Dad schüttelte lediglich den Kopf. "Ich weiß es nicht, Töchterchen. Ich hatte selbst genug damit zu tun, mich vor den simnistrischen Soldaten zu verstecken. Als es auf dem Gelände der Ölgesellschaft wieder ruhig wurde, versuchte ich Dominik zu folgen. Doch seine Spuren verloren sich schnell im Dschungel."




    "Aber Dominik hat über zwei Jahre in Simnistrien verbracht. Er kennt den Dschungel und seine Gefahren. Wenn er es geschafft hat, den simnistrischen Patrouillen aus dem Weg zu gehen, dann stehen die Chancen ganz gut, dass er noch am Leben ist. Und deine Schwester", Dad deutete auf Joanna, "setzt all ihre Mittel ein um Dominik aufzuspüren. Wenn er noch am Leben ist, dann werden wir ihn finden und sicher nach Hause bringen."




    Ich erhob mich von meinem Sessel und schritt langsam auf das Fenster zu. In meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher. Dominik war dem simnistrischen Überfall entkommen, aber bedeutete dies auch, dass er noch immer am Leben war? Ich klammerte mich mit einer Hand an den Fensterrahmen, da ich merkte, dass meine Knie erneut drohten nachzugeben. Dominik musste noch am Leben sein. Ein Leben ohne ihn, konnte ich mir einfach nicht vorstellen.




    Doch trotz all meiner Sorge um Dominik, konnte ich die Freude darüber, Dad wiederzusehen, nicht verbergen. Es gab so viele Dinge, die ich in Fragen wollte. Und ich musste ihn endlich um Verzeihung bitten. Doch als ich mich umdrehte, war sein Stuhl leer. Ich blickte mich hastig in dem Raum um, doch von Dad war keine Spur zu sehen. "Er ist verschwunden", erklärte Joanna mit einem traurigen Lächeln. "Daran wirst du dich gewöhnen müssen. Er taucht immer wieder aus dem Nichts auf und in der nächsten Minute ist er wieder verschwunden."







    Meine Nerven lagen einfach nur blank. Trotz der weiterhin sehr angespannten politischen Situation, nahm sich Joanna die Zeit, mich zurück in die Simlane zu begleiten. Der Whirpool im Garten war ein idealer Ort, um wieder zur Ruhe zu kommen.




    Joanna und ich mussten beide loslachen als wir feststellten, dass wir genau denselben Badeanzug trugen. Hin und wieder merkte man doch, dass wir Zwillinge waren. Das warme Wasser im Pool lockerte nicht nur meine verspannten Muskeln, sondern auch mein Geist fühlte sich auf einmal leichter an. Ich plantschte mit meinem Händen auf der Wasseroberfläche herum und ehe ich es mich versah, befanden sich Joanna und ich schon mitten in einer Wasserschlacht.




    Doch dieser Moment der Ausgelassenheit wehrte viel zu kurz. Schnell kehrte der Ernst des Alltags wieder bei uns ein. Joanna begann mir von Dad zu erzählen. "Etwa fünf Jahre nach seinem vermeidlichen Tod stand er plötzlich vor meiner Tür. Ich konnte es im ersten Moment kaum glauben. Als Dad damals mit der Jacht in den Sturm hinaus gesegelt war, hatte er wirklich vor, sein Leben zu beenden. Doch wie durch ein Wunder überlebte er den Schiffsuntergang. Doch als er merkte, dass ihn alle für tot hielten, entschloss er, dass es das Beste sei, uns in diesem Glauben zu lassen. Er muss erkannt haben, wie viel Leid er in all den Jahren seiner Familie, und dir im Besonderen, durch sein rücksichtsloses Verhalten zugefügt hat."




    "Doch er blieb nicht lange. Ich hatte es damals kaum geschafft, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er nicht tot war, als er auch schon wieder ohne Nachricht verschwand. Es dauerte über ein Jahr, bis ich wieder von ihm hörte. Seitdem arbeitet er von Zeit zu Zeit für mich. Meist bringt er mir von sich aus nützliche Informationen und manchmal, so wie in Dominiks Fall, schicke ich ihn auf eine bestimmt Mission. Allerdings ist Dad nicht immer der Zuverlässigste. Es kann schon mal passieren, dass er einen meiner Aufträge einfach unerledigt abbricht. Trotzdem bin ich überglücklich, dass er wieder bei uns ist."




    Leider musste Joanna wieder zurück ins "Justice"-Hauptquartier. Ich hätte mich zu gerne noch länger mit meiner Schwester über Dad unterhalten. Wir hatten vieles, was bei meinem Weggang vor über 20 Jahren geschehen war, noch immer nicht richtig besprochen. Im Whirlpool wurde es mir langsam zu warm und ich legte mich auf die Luftmatratze im Pool und genoss die Sonnenstrahlen, die hier in SimCity nicht so erbarmungslos auf einen niederbrannten, wie in der Sierra Simlone. Dad hatte Joanna gebeten, mir nichts von seiner Rückkehr zu erzählen. Und ich verstand seine Bitte sogar. Vor wenigen Jahren wäre ich noch nicht bereit gewesen, ihm seien Taten zu verzeihen. Ich war ihm dankbar, dass er mich zu nichts gedrängt hatte.







    Meine Kinder begannen sich in SimCity richtig wohl zu fühlen. Magdalena nahm Klaudia problemlos in ihren Freundeskreis auf. Klaudia blühte regelrecht auf. Zuhause in der Sierra Simlone hatte sie nie viele Freunde gehabt. Sie dachte bis jetzt auch, dass sie das gar nicht brauchen würde, doch sie wurde eines Besseren belehrt. Erst jetzt merkte sie, wie viel Spaß es machen konnte, nach der Schule einfach mit ein paar Freundinnen wild im Kinderzimmer zu tanzen und Neuigkeiten über diverse Popstars auszutauschen.




    Sky und Jakób verstanden sich ebenfalls super. Obwohl Sky fast zwei Jahre jünger war, war er für Jakób ein willkommener Spielkamerad. Nach der Schule konnten sie zusammen an der Konsole zocken.




    Und Ball spielen machte mit einem Jungen auch viel mehr Spaß als mit seiner doofen Schwester. Die konnte ja eh nicht fangen.




    Klaudia fand in Ann-Lee, der Tochter meiner Pateneltern Frankie und Sylvia Mashuga, innerhalb kürzester Zeit eine wirklich gute Freundin. Mit ihr konnte sie lachen und einfach vergessen, was in der Sierra Simlone alles vorgefallen war. Die beiden Mädchen lagen einfach auf einer Wellenlänge.




    Aber ihrer Cousine Magda konnte sie sich voll und ganz anvertrauen. Der Raketenangriff auf unsere Stadt und die anschließende Flucht hatten sie wirklich sehr mitgenommen. Aber das schlimmste Ereignis war das Eindringen der Soldaten in unser Haus. Obwohl sie körperlich nicht verletzt wurde, saß der Schreck darüber, dass sie möglicherweise zum Sex gezwungen worden wäre, immer noch sehr tief. Ich hatte schon mehr als einmal mit ihr ausführlich über das Geschehene gesprochen, aber es fiel Klaudia sehr viel einfacher, ihre Gefühle einer Gleichaltrigen anzuvertrauen.

    Kapitel 167: Ein wachsames Auge



    Ich verbrachte einige Stunden auf dem Friedhof. Zum ersten Mal fand ich seit Tagen wieder etwas Ruhe und innere Zufriedenheit. Da der Tag inzwischen weiter vorangeschritten war, brachte ich Goya wieder zum Haus meiner Schwester und machte mich anschließend auf den Weg, um mich mit Joanna zu treffen. Ich fand ihren Arbeitsplatz, das Gebäude der "Sky Meal", der Catering-Agentur der Fluggesellschaften in der SimNation, ohne Schwierigkeiten. Die Dame am Empfang hatte mein Kommen offenbar bereits erwartet, denn sie unterbrach ihr Telefongespräch bei meinem Anblick und schickte mich sofort hoch in die dritte Etage, wo sich das Büro meiner Schwester befand.




    Mit dem Fahrstuhl fuhr ich in das oberste Stockwerk und klopfte an Joannas Bürotür. Umgehend wurde ich von ihr hereingebeten. Joanna saß an ihrem riesigen Schreibtisch und tippte eifrig an ihrem Computer. Ein Lächeln überzog ihr Gesicht, als sie vom Bildschirm aufblickte und sah, dass ich ihrer Einladung tatsächlich gefolgt war. Offenbar war sie sich bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob ich bereit wäre, das Hauptquartier von "Justice", der Mafia-ähnlichen Organisation, der meiner Schwester vorstand, zu betreten. Und diese Befürchtung war durchaus berechtigt. Mein bisher einziger Kontakt mit "Justice" hätte für mich fast mit dem Tod geendet und dementsprechend hielten sich die Sympathien für die Organisation meiner Schwester in Grenzen.




    Joanna beendet die e-mail, an der sie gerade schrieb, und klappte den Bildschirm ihres Computers herunter. Sie kam auf mich zu und begrüßte mich mit einem Kuss auf die Wange. Doch bevor sie noch etwas sagen konnte, fiel ich ihr ins Wort. "Wo ist Kinga? Ich muss sie einfach sehen! Ich muss mich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass meine Tochter wohlauf ist."




    "Xana, ich habe dir doch schon gestern Abend erklärt, dass es Kinga gut geht", erwiderte meine Schwester. "Ich muss sie trotzdem sehen, Jojo. Wir haben uns nie ausgesprochen. Ich habe Kinga einfach fortgeschickt. Wir hatten nie die Chance das Geschehen richtig aufzuarbeiten. Ich konnte Kinga nie richtig erklären, warum ich ihr nie erzählt habe, dass Albert und nicht Dominik ihr Vater ist. Und ich konnte ihr nicht erklären, warum ich sie von Zuhause wegschicken und in deine Obhut geben musste. Und jetzt ist da dieser Krieg. Ich habe Angst, dass...dass ich nicht mehr die Gelegenheit haben könnte, sie um Verzeihung zu bitten. Ich habe mich bereits von Dad und Paps im Streit getrennt. Und wir beide wissen, dass ich nicht mehr die Möglichkeit hatte, mich mit ihnen auszusöhnen. Mit Kinga soll mir das nicht auch passieren." Joanna streichelte mir behutsam den Rücken. Genau in diesem Moment wurde die Tür geöffnet und die junge Frau vom Empfang betrat mit einer Kanne Kaffee in der Hand das Büro.




    Sie stellte die Kanne auf einen niedrigen Tisch in einer Ecke des Büros ab und goss zwei Tassen ein. Dann verließ sie wortlos wieder den Raum. Joanna ging auf die dampfenden Tassen zu, nahm sie in die Hand und reichte mir anschließend eine davon. Dann forderte sie mich auf, mich auf die Couch am Fenster zu setzen. "Du wirst noch jede Menge Gelegenheiten haben, dich bei Kinga für alles zu Entschuldigen", setzte sie unser Gespräch fort. "Aber es wäre ein Fehler, wenn du sie jetzt sehen würdest, Xana. Kinga ist noch nicht bereit dafür."




    Ich blickte Joanna verständnislos an. Meine Schwester fuhr sich unsicher mit den Fingern durch die Haare und biss sich auf die Unterlippe. Sie überlegte genau, was sie mir nun sagen sollte. "Du hast mich vor zwei Jahren gebeten, mich um Kinga zu kümmern, damit sie wieder ein geregeltes Leben führen kann. Und ich habe dir versprochen, dass ich das für dich tun werde...allerdings auf meine Art. Kinga hat riesige Fortschritte gemacht. Du würdest sie kaum wiedererkennen. Von dem unreifen Mädchen, das du in meine Obhut gegeben hast, ist nicht mehr viel übrig." Es war das erste Mal, dass Joanna und ich so offen über Kinga sprachen. Und mein Herz machte einen Freudensprung als ich hörte, wie gut Kinga sich in den letzten Jahren entwickelt hatte.




    Doch Joanna trübte meine Freude augenblicklich wieder. "Aber Kingas Hass auf dich ist immer noch unverändert stark, Xana. Es tut leid, aber ich fürchte, deine Tochter würde dich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sehen wollen. All die Briefe, die du ihr in den letzten Jahren geschrieben hast, hat sie ungeöffnet zerrissen. Sie ist nicht bereit, dir zu verzeihen. Möglicherweise wird sie irgendwann dazu in der Lage sein, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg. Wenn ich dir aber jetzt erlauben würde, Kinga zu sehen, dann befürchte ich, dass all die Narben, die bei ihr langsam angefangen haben zu verheilen, wieder aufbrechen könnten. Die zwei Jahre Arbeit, die ich in Kinga investiert habe, um sie zu einer vernunftbewussten Frau zu erziehen, wären dann umsonst gewesen. Und das möchtest du doch auch nicht, nicht wahr? Ich werde dir daher nicht erlauben, sie zu sehen. Noch nicht."




    Das war zu viel für mich. Die Tränen schossen mir wieder einmal in die Augen und ich stand hastig vom Sofa auf. Ich hielt die Kaffeetasse fest umklammert und blickte durch das große Fenster hinaus auf die Dächer von SimCity. Doch ich nahm die Stadt gar nicht wahr. Meine Gedanken waren nur bei Kinga. Wie konnte ich es so weit kommen lassen, dass meine eigene Tochter mich so sehr hasste? Wieso konnte ich es nicht verhindern? "Kinga ist weit entfernt von jedem Kampfgeschehen", setzte Joanna ruhig fort. "Sie ahnt noch nicht einmal, dass die SimNation sich in einem Krieg befindet. Dein Besuch würde ihr Leben, das so langsam wieder geordnete Bahnen annimmt, nur durcheinanderwirbeln. Du musst mir einfach vertrauen, dass ich mich gut um deine Tochter kümmere."




    "Ich vertraue dir doch, Jojo", versichert ich meiner Schwester. "Sonst hätte ich die Zukunft meiner Tochter nie in deine Hände übergeben. Ich weiß, dass du nur das Beste für sie willst." Joanna kam auf mich zu und nahm mich fest in den Arm. Es tat so gut, von ihr getröstet zu werden. Sie gab mir den Halt, den ich mir in der jetzigen Situation so sehr von Dominik gewünscht hätte. Aber er war hunderte von Kilometern weit entfernt und ich konnte nur dafür beten, dass er immer noch am Leben war.




    Die nächste Welle der Verzweiflung überrollte mich. Joanna spürte das sofort. "Du denkst an Dominik, nicht wahr?", fragte sie und ich nickte, während eine einzelne Träne meine Wange herunterlief. "Du weißt nicht, ob es ihm auch gut geht?", fragte ich meine Schwester verzweifelt. Joanna schüttelte mit dem Kopf. "Nein, ich weiß nicht mehr über Dominiks Verbleiben, als du." Meine Schultern sackten zusammen und der kleine Hoffnungsschimmer, der soeben in mir entflammt war, erlosch augenblicklich. Wenn nicht einmal Joanna etwas über Dominiks Verbleib wusste, dann war jede Hoffnung vergebens. Doch Joanna hört nicht auf zu sprechen. "Ich habe keine weitern Informationen über Dominik, aber heute Morgen ist jemand aufgetaucht, der mehr weiß."




    Meine Schwester fasst mich an den Schultern und drehte mich um 180 °, so dass ich über ihren Schreibtisch hinweg in die andere Ecke des Büros schauen konnte. Ich drehte meinen Kopf nach hinten und blickte Joanna verständnislos an. Doch mit einem Kopfnicken gab sie mir zu verstehen, dass ich in die von ihr angedeutete Richtung schauen sollte. Und da erst bemerkte ich die Gestalt, die nun langsam aus dem Schatten hervortrat. Ich erkannte den Mann sofort, auch wenn er anders aussah, als ich ihn in Erinnerung hatte. Dennoch dauert es einige Sekunden, bis mein Gehirn das Gesehen verarbeiten konnte. Meine Knie wurden weich und ich sackte zu Boden.




    "Dad." Meine Stimme war zuerst nicht mehr als ein Flüstern, doch dann begann ich regelrecht zu schreien. "Dad, Dad, Dad! Dad, du bist es!" Ich rappelte mich so schnell es ging auf und lief auf meinen Vater zu, der in der Ecke des Büros meiner Schwester stand. Ich sprang ihm einfach in die Arme, so als ob ich nicht bereits 44, sondern gerade einmal 16 wäre. Und Dad fing mich mit Leichtigkeit auf. Trotz seiner bereits deutlich über 60 Jahre spürte ich die Kraft in seinem Körper. "Meine, Oxana", sagte er und drückte mich fest an sich. "So wild wie eh und je."




    Dad setzte mich wieder ab und ich konnte meinen Blick gar nicht von ihm wenden. Er war älter geworden. Die Haare waren nicht mehr leuchten rot, sondern inzwischen grau und unzählige Falten waren in seinem Gesicht erschienen. Aber er war es ganz sicher. Seine Augen waren immer noch so kornblumenblau und strahlend, wie ich sie aus meiner Kindheit kannte. Und auch er betrachtet mich ganz aufmerksam. Ich versuchte zu ergründen, was ich für diesen Mann empfand, denn ich nun seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte und der mir so viel Leid und Schmerzen zugefügt hat. Doch da war keine Spur von Hass mehr. Ich war einfach nur wahnsinnig froh, meinen Vater, den ich nie um Verzeihung bitten konnte und den ich schon seit Jahren für Tod hielt, wiederzusehen.




    "Wo warst du all die Zeit?", war das erste, was ich ihn fragte. Ich wunderte mich nicht darüber, dass Dad noch lebte. Ich hatte immer geahnt, dass er es war, der mich damals vor Joannas Ex-Lover Giovanni gerettet hatte. Aber ich wollte zu gerne wissen, warum er all die Jahre vorgegeben hatte, tot zu sein. Dad antwortet mir nicht sofort. Stattdessen ging er hinüber zu dem Regal, in dem Joanna ihren Alkohol aufbewahrte, und zog eine Flasche Whiskey heraus. "Diese Frage wird dir deine Schwester sicherlich bei Gelegenheit gerne beantworte", erwiderte er schließlich, nachdem er ein Glas mit der bräunlichen Flüssigkeit gefüllt hatte und genüsslich einen Schluck davon nahm. "Heute aber bin ich hier, um dir etwas über den Verbleib von Dominik zu erzählen."




    "Dominik? Du weiß wo mein Mann ist? Geht es ihm gut? Du musst mir alles darüber erzählen, Dad", stürmte ich auf meinen Vater ein. Joanna kam auf mich zu und legte ihre Hand auf meinen Rücken um mich etwas zu beruhigen, aber ihrem Blick konnte ich entnehmen, dass sie genau so neugierig darauf war zu erfahren, was mit Dominik geschehen war, wie ich. Dad setzte das Whiskyglas an seinen Lippen an und leerte es in einem Zug. "Sehr guter Tropfen, Kleines", lobte er Joanna und stellte das Glas ab. "Nun denn", wandte er sich wieder uns zu, "dann setzt euch mal hin, die Geschichte ist etwas länger."




    "Du darfst nicht glauben, dass deine Schwester nicht ein wachsames Auge auf deinen Mann gehabt hätte, Oxana. Und zwar war das mein Auge. Ich habe in den letzten zwei Jahren immer mal wieder in Simnistrien nach dem Rechten gesehen und überprüft, ob die Lage dort ruhig blieb. In den letzten Wochen begann es sichtlich zu brodeln, also habe ich ein Lager in der Nähe der Bohrtürme aufgeschlagen, für deren Sicherheit Dominik zuständig war, um ihn besser im Auge behalten zu können."




    "Doch wochenlang geschah nichts. Die simnistrische Regierung machte es den simnationalen Ölfirmen zwar nicht gerade leicht, ihrer Arbeit nachzugehen, aber bis auf verstärkte Kontrollen der Transporter und des Personals geschah nichts weiter. Dominik ging seiner Arbeit nach, die aber im Wesentlichen darin bestand, Diebe vom Gelände der Ölfirmen fern zu halten, die sich immer wieder im Dschungel rumtrieben und hofften, etwas von dem Öl mitgehen lassen zu können."




    "Die Nacht vor drei Wochen war eigentlich wie jede andere zuvor auf. Etwa gegen Mitternacht wurde der Schichtwechsel vollzogen. Dominik hatte die letzten vier Stunden vor den Toren des Geländes Wache gehalten und wurde jetzt von einem seiner Kollegen aus dem Sicherheitsteam abgelöst. Ich bin mir sicher, dass er sich auf ein paar Stunden Schlaf nach einem anstrengenden Tag freute."




    "Doch der wurde ihm an diesem Tag verwehrt. Kaum dass dein Mann die Tore hinter sich geschlossen hatte, sprang eine Gruppe bewaffneter simnistrischer Soldaten aus dem Unterholz und stürmte auf das Gelände der Ölgesellschaft zu. Geblendet von dem hellen Licht der Laternen, die zu beiden Seiten des Tores hingen, erkannte der Sicherheitsmann am Tor die Gefahr erst, als es für ihn bereits zu spät war."




    "Und er wird auch keine Gelegenheit mehr bekommen, diesem Fehler wieder gut zu machen. Ohne ein Wort der Warnung eröffneten die Simnistrier das Feuer und der überraschte Mann fiel tot zu Boden, noch ehe er begriffen hatte, was da genau vor sich ging."




    "Dominik hingegen zögerte nicht einen Augenblick. Er brauchte nicht erst die Leiche seines jungen Kollegen zu sehen, um zu begreifen, dass alle Mitarbeiter der Ölgesellschaft in großer Gefahr waren. Er hängte sich das Gewehr über die Schulter und stieg hastig die Leiter zu einem der Wachtürme hinauf. Er sah die simnistrischen Soldaten mit ihren Pistolen in den Händen und handelte augenblicklich. Zwei Schüsse erklangen und zwei der simnistrischen Angreifer gingen zu Boden. Die anderen Soldaten erkannten die Gefahr und suchten Deckung hinter dicken Baumstämmen, während Dominik selbst hinter der niedrigen Betonmauer Schutz suchte."




    "Dominiks Ganze Aufmerksamkeit galt den Soldaten vor dem Tor, die sich verschanzten und immer wieder Schüsse auf ihn abgaben, denen er zum Teil nur knapp entgehen konnte. Aber immerhin hielt er sie in Schacht. Dominik war eindeutig in der besseren Position und hätte diesen Angriffstrupp sogar zum Rückzug zwingen können. Doch einem der Simnistrier war es gelungen, unbemerkt über die Mauer zu klettern und nun schlich er sich heimtückisch an deinen Mann heran, der die Gefahr in seinem Rücken nicht bemerkte."




    "Du warst nah dran, Witwe zu werden, Tochter. Doch zu Dominiks Glück war ich nicht nur in Simnistrien um ihn zu beobachten, sondern auch um ihn zu schützen. Ich hatte genau beobachtet, wie der Soldat über das Tor geklettert war. Auch ich hatte meine Wege, hinter die Mauern des Ölbohrturmgeländes zu kommen. Der Soldat hat wohl nicht mit weiteren Sicherheitskräften gerechnet, denn dann wäre er nicht ohne Deckung einfach die Leiter hinaufgeklettert. So stellte er ein leichtes Ziel für mich dar und ich konnte Dominik das Leben retten."




    "Doch in Sicherheit war er deswegen nicht. Der kurze Moment der Ablenkung genügte und die restlichen Soldaten, die im Dschungel Deckung gesucht hatten, stürmten auf das Tor zu. Dominik hatte keine Chance mehr sie aufzuhalten. Und mit Schrecken stellte er fest, dass die Simnistrier keine Gnade zeigten. Sie schossen wahllos auf jeden, der sich auf dem Gelände befand. Die Bohrturmarbeiter, die durch die Schüsse aus ihrem Schlaf gerissen wurden und aus den Schlafsälen lugten, um zu sehen, was es mit dem Lärm auf sich hatte, wurden kaltblütig niedergeschossen. Dominik erkannte, dass er hier niemandem mehr helfen konnte, zumal weitere Soldaten aus dem Dschungel stürmten. Er tat das einzig Richtige und sprang die vier Meter vom Wachturm. Und dann rannte er in den Dschungel, so schnell und so weit wie er konnte."

    Kapitel 166: Wut und Verzweiflung




    Ich war Sky keineswegs böse, dass er unsere treue Hündin mit nach SimCity genommen hat. Eher war ich böse auf mich selbst, dass ich Goya einfach so in der Sierra Simlone zurückgelassen hätte. Joanna scheuchte uns alle ins Haus hinein. Erstaunt stellte ich fest, dass meine Schwester einen Buttler beschäftigte, dem sie auftrug, schnellst möglich das Abendessen zu servieren. In SimCity war von dem Krieg im Süden des Landes offenbar nicht viel zu spüren. Wir hatten im ganzen Haus Licht und auch das Essen fiel mehr als üppig aus. Für einen Moment hätte ich vergessen können, dass mein Zuhause der Schauplatz eines grausamen Kampfes geworden war.




    Nachdem wir gegessen hatten, kamen Joannas Kinder nach Hause. Trotz des Krieges ging das Leben in SimCity seinen gewohnten Lauf. Die Kinder waren ganz normal zur Schule gegangen und hatten hinterher noch die Musikschule besucht, so wie sie es immer taten. Ich konnte nur hoffen, dass meine Nichte und mein Neffe nicht gezwungen waren, diesen Alltagstrott in den kommenden Tagen und Wochen zu unterbrechen. Magdalena war ein halbes Jahr jünger als Klaudia und Jakób zwei Jahr älter als Sky. Magda und Klaudia kannten sich bereits von früheren Familientreffen und ich war mir sicher, dass sich auch die Jungs gut verstehen würden. Magda schnappte sich auch sofort alle drei und führte sie in das Dachzimmer, welches vorerst Klaudias und Skys neues Zuhause werden würde.




    Da wir Erwachsenen nun unter uns waren, konnte ich mit Joanna und Tobias in Ruhe über die Ereignisse der letzten Tage sprechen. Desdemona war im Badezimmer beschäftigt, sodass wir wirklich unter uns waren. Während mein Schwager ein Feuer im Kamin entfachte, setzte ich mich mit meiner Schwester auf die Couch im Wohnzimmer. "Was genau ist passiert, Jojo", fragte ich sie. "Ich weiß inzwischen, dass Simnistrien uns angegriffen hat. Aber warum? Und warum waren wir diesem Angriff so schutzlos ausgeliefert?"




    "Wir waren so schutzlos, weil die SimNation sich in Simropa zu sehr isoliert hat", antwortete Tobias anstelle meiner Schwester und setzte sich zu mir auf das Sofa. "Unsere Regierung hat jahrelang auf ihre Unabhängigkeit beharrt und sich jedweden Verhandlungen über einen Beitritt zur Simropäischen Union oder gar zur NATO widersetzt. Und jetzt haben wir den Salat. Die Simropäische Union hat ihr "Unbehagen" über die Angriff Seitens Simnistriens geäußert. Das ich nicht lache. Portugal und Spanien haben uns ihre Unterstützung zugesagt. Moralisch, wohlgemerkt. Unsere feinen Nachbarn sind zum jetzigen Zeitpunkt weder bereit die Grenze für die Flüchtlinge aus der Sierra Simlone zu öffnen, geschweige denn, uns militärisch gegen Simnistrien zu unterstützen."




    "Heißt das etwa, wir stehen völlig ohne Verbündete dar?", fragte ich fassungslos. "Was ist mit unserer eigenen Armee? Ich habe Militärkolonnen gesehen, die in den Süden unterwegs waren?" Tobias lachte bitter. "Ach ja, unser feines Militär. Jetzt, nach fast einer Woche haben sie es geschafft, sich halbwegs zu organisieren. Du hast Recht, die Streitkräfte wurden mobil gemacht und marschieren Richtung Süden. Aber unsere Armee ist winzig. Wir haben gerade einmal 80.000 Soldaten. Simnistrien hat nach unseren letzten Informationen fast 30.000 Mann in der Sierra Simlone stationiert. Und mindestens 500.000 weitere Mann stehen in der Heimat bereit."




    "Und sie kämpfen mit modernsten Waffen. Ihre Hubschrauber haben unsere Flugabwehrstellungen am Golf von Cádiz mühelos ausgeschaltet. Ihre Flugzeuge sind für unser Radar praktisch unsichtbar. Vorgestern sind die ersten Bomber ohne Gegenwehr fast bis nach Simtropolis vorgedrungen." Ich musste tief schlucken. Dann war es im Norden der SimNation doch nicht so friedlich, wie ich angenommen hatte. Und womöglich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Schrecken des Krieges auch SimCity erreichten.




    "Aber wir stehen nicht ganz alleine dar", brachte sich meine Schwester in das Gespräch ein. "Noch am Tag des Angriffs auf die Sierra Simlone, erfolgte eine offizielle Kriegserklärung des Königs von Simrokko gegen Simnistrien. Blut ist eben dicker als Wasser und der simrokkanische König ist mit einer Cousine unseres Fürsten verheiratet. Die Simnarischen Inseln haben sich dem Königreich umgehend angeschlossen. Das erschwert den Simnistriern den Zugang zu unserer südlichen Küste. Aber wir wissen nur zu gut, dass die Simnarischen Inseln praktisch keine Kriegsmarine besitzen und die Flotte Simrokkos ist hoffnungslos veraltet. Bereits in den ersten drei Kampftagen haben sie zwei Fregatten verloren und die simnistrischen Flugzeugträger auf ihrer Fahrt in unsere Hoheitsgewässer kaum verlangsamen können."




    Ich konnte nicht länger ruhig sitzen bleiben und sprang vom Sofa auf. "Und jetzt!" brüllte ich meine Schwester an, ohne daran zu denken, dass die Kinder mich hören könnten. "Sollen wir darauf warten, dass Simnistrien uns vernichtet? Uns in unseren Löchern verkriechen und hoffen, dass alles wieder gut werden wird?" Ich schlug mit der Faust gegen die Rückenlehne des Sofas, auf dem Joanna saß, und ignorierte den Schmerz, der durch meine Hand fuhr. Joanna blickte mit voller Mitgefühl an.




    "Uns bleibt gar nichts anderes übrig, Oxana", erklärte meine Schwester ruhig. Ich ließ mutlos die Schultern sinken. "Wenn es hart auf hart kommen sollte, wenn wir in SimCity nicht länger sicher sind, dann werde ich dafür sorgen, dass wir alle das Land verlassen. Dank "Justice" stehen mir einige Mittel und Wege offen. Und das Fürstenhaus verhandelt ununterbrochen mit Staatschefs aus aller Welt. Einer meiner Informanten im Fürstenpalst in Santa Regina teilte mir vor wenigen Stunden mit, dass Simbirien bereit ist, auf unserer Seite in den Krieg einzutreten. Und Simbirien steht in einem militärischen Bündnis mit Russland. Das könnte dem ganzen Krieg eine Wendung geben."




    Ich konnte Joannas Hoffnung nicht teilen. Was würde es ändern, wenn Simbirien oder gar Russland in den Krieg eingriffen? Beide Staaten waren tausende Kilometer von der SimNation entfernt. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich versuchte sie zu unterdrücken, denn ich wollte vor meiner Schwester und ihrem Mann nicht schwach erscheinen. Also gab ich vor durstig zu sein und eilte in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen.




    Doch meine Nerven lagen blank. Meine Hände zitterten so sehr, dass mir das Glas aus den Händen glitt und in der Edelstahlspüle in tausend Scherben zersprang. Und nun gab es kein Halten mehr für mich. Ich fing an hemmungslos zu weinen. Tobias erkannte, dass er sich jetzt besser zurückziehen sollte und meine Schwester folgte mir umgehend in die Küche. "Es ist doch nur ein bescheuertes Glas, Xana", redete sie beruhigend auf mich ein.




    Joanna wusste genau, dass ich nicht wegen des Glases so aufgelöst war. Ich musste endlich all die Dinge los werden, die mir nun schon seit Tagen und Wochen auf der Seele lasteten. "Ich musste meine engsten Freunde, meine Familie, mein Zuhause zurücklassen", schluchzte ich. "Ich weiß nicht, ob ich sie jemals wiedersehen werde. Und ich weiß nicht, ob ich Dominik jemals wiedersehe. Er ist jetzt irgendwo dort in Simnistrien. Ich habe miterlebt, was die Simnistrier den Menschen in der Sierra Simlone angetan haben. Sie sind böse und grausam und er ist ihnen schutzlos ausgeliefert. Und...und...ich weiß nicht, wo meine kleine Kinga ist. Ich weiß nicht, ob es meiner Tochter jetzt gut geht."




    "Kinga geht es gut, Oxana", versicherte mir meine Schwester umgehend. Sie faste mich mit beiden Händen fest an den Schultern und zwang mich, ihr in die Augen zu sehen. "Du hast Kinga in meine Obhut gegeben und ich würde niemals zulassen, dass ihr etwas zustößt. Kinga ist in Sicherheit, Oxana." Ein Blick in Joannas Augen genügte mir um zu wissen, dass sie die Wahrheit sprach. Ich schniefte einige Male und nickte schließlich. Langsam hörten die Tränen auf zu fließen. "Du schläfst jetzt erst einmal, Schwesterherz. Nach all den Strapazen der vergangenen Tage brauchst du vor allem etwas Ruhe. Und dann sehen wir weiter. In Ordnung?" Ich nickte schwach und ließ mich von Joanna in mein Schlafzimmer führen.




    Desdemona lag bereits im Bett. Wir würden uns für die Zeit in SimCity das Zimmer teilen müssen. Ich war mir sicher, dass sie gehört hat, wie ich vorhin wütend geworden war. Und auch meine bitterlichen Tränen dürften ihr nicht entgangen sein. Aber sie rührte sich nicht, als ich mich ins Bett legte. Und ich war ihr dankbar dafür, denn ich war nicht in der Verfassung, um mit ihr über meine Gefühle zu reden. Sie war zwar meine Schwägerin und ich mochte sie sehr gern, aber unsere Beziehung war nicht tief genug, als dass ich ihr mein Herz ausgeschüttet hätte. Mit einem letzten Gedanken an Dominik und Kinga fiel ich in einen festen, traumlosen Schlaf.







    Geweckt durch Geräusche aus der Küche, schlug ich meine Augen auf. Es war noch fast dunkel in dem Zimmer, aber es dämmerte draußen bereits und die Sonne würde bald aufgehen. Als ich die Küche betrat, entdeckte ich Joanna, die Eier und Milch zu einem Waffelteig verrührte. "Guten Morgen, Xana", begrüßte sie mich. Die dunklen Ringe unter ihren Augen verrieten deutlich, dass sie heute Nacht nicht gut geschlafen hatte. Vermutlich traf das auch schon auf die vorherigen Nächte zu. Ich sammelte ein paar dreckige Teller ein, die ich im Esszimmer fand, und spülte sie ab.




    Joanna hielt die Schüssel in der einen Hand und rührte den Teig kräftig mit der anderen, während sie unruhig von Ecke zu Ecke schritt. "Eigentlich könnte auch Sebastian, mein Buttler, das Frühstück vorbereiten", erklärte sie, ohne dass ich danach gefragt hätte. "Aber es ist für mich zu einem Ritual geworden, dass ich das jeden Morgen selbst erledige. Das ist nur ein kleiner Beitrag, den ich für meinen Mann und meine Kinder leiste, aber "Justice" lässt mir nicht viele Möglichkeiten, um mich intensiver um meine Familie zu kümmern. Ich werde gleich nach dem Frühstück aufbrechen. Zurzeit passieren einfach zu viele Dinge." Sie seufzte. "Ich möchte, dass du heute Nachmittag zu mir in das Hauptquartier kommst", setzte sie fort. "Dort können wir in Ruhe über alles reden." Ich nickte.




    Gemeinsam mit den Kindern frühstückten wir und dann verließ meine Schwester das Haus. Da wir bei unserer Flucht aus Sierra Simlone Stadt so gut wie nichts mitgenommen hatten, erlaubte mir Joanna, mir etwas aus ihrem Kleiderschrank rauszusuchen. Beim Anziehen bemerkte ich zwar, dass wir Zwillinge waren, deshalb aber nicht unbedingt einen identischen Körperbau hatten. Joannas Sachen zwickten hier und da, und an manchen Stellen waren sie mir einfach zu locker. Aber schließlich fand ich etwas, mit dem ich zufrieden war.




    Ein kurzer Anruf von Joanna hatte genügt, damit Klaudia und Sky sofort eine Schule in SimCity besuchen konnten. Ich war mir zunächst unsicher, ob es klug war, die Kinder während einer solchen Krise zur Schule gehen zu lassen. Aber Joanna überzeugte mich davon, dass es besser für die Kinder war, wenn der Alltag so normal wie möglich verlief. Niemand konnte sagen, wie lange der Krieg von SimCity fern bleiben würde. Und bis dahin sollten die Kinder ein normales Leben genießen dürfen.




    Ich nutzte die Zeit, um mich gründlich in meinem Geburtshaus umzusehen. Das Haus meiner Kindheit hatte sich stark verändert. Es war nun über 20 Jahre her, dass ich es zum letzten Mal betreten hatte. Und damals musste ich es im Streit mit meinen Eltern verlassen. Ich hatte mich nicht mehr hier her getraut. Für Joanna war dieses Haus hingegen immer ihr Zuhause geblieben. Im Laufe der Jahre hatte sie es ihren Bedürfnissen und ihrem Geschmack angepasst. Ich schaute die Bücherregale durch, auf der Suche nach Büchern aus meiner Kindheit. Doch ich entdeckte nichts Vertrautes. Das hier war zwar immer noch das Haus meiner Eltern, auf der anderen Seite war es das aber auch nicht mehr. Es war ein seltsames Gefühl, dass sich nicht richtig beschreiben ließ.




    Die wenigsten Veränderungen hatte das Haus von außen erfahren. Immer noch bildeten die roten Backsteinwände einen wunderbaren Kontrast zu dem gelben Putz. Auch das Gewächshaus, dass Dad immer ein Dorn im Auge gewesen war, stand noch im Garten. Sicher, es gab auch einige Veränderungen, aber wenn ich mir das Gebäude ansah, dann tauchten doch die ein oder andere Kindheitserinnerungen auf.




    Und auch wenn das Haus aufgrund der vielen Veränderungen nur bedingt Erinnerungen weckte, so taten es doch die vielen Familienbilder, die in der oberen Etage hingen. Viele der gezeigten Szenen waren mir unbekannt. Ich kannte nicht den 16 jährigen Orion, der seine kleine Nichte auf dem Arm hielt, auch nicht die vielen Zeitaufnahmen aus der Kindheit meines Neffen und meiner Nichte. Als diese war zu einer Zeit geschehen, als ich keinen Kontakt zu meiner Familie hatte. Dafür rührte mich das Bild meines Paps fast zu Tränen. Ich besaß keine Bilder von ihm, auch nicht von Dad. Paps noch einmal sehen zu können, und sei es nur auf der Leinwand, war einfach wunderbar.




    Sky und Jakób würden erst in ein paar Stunden von der Schule wiederkommen und bis zu meinem Treffen mit Joanna hatte ich auch noch etwas Zeit. Ich bat Tobias um eine Leine für Goya und machte mich anschließend auf dem Weg zum Friedhof. Die Gräber meiner Eltern waren im tadellosen Zustand. Ich hatte von Joanna auch nichts anderes erwartet. Da es wieder ein warmer Tag zu werden versprach, goss ich lediglich die Blumen und zündete eine Kerze an.




    Eine für Paps, aber auch eine für Dad. Ich hatte Dad inzwischen seine Fehler verziehen. Ich wusste nicht genau, wann es geschehen war. Vermutlich kurz nachdem ich auf der Mission, auf die Joanna mich für "Justice" geschickt hatte, fast umgekommen wäre. Ich hatte immer noch das Bild in meinem Kopf, wie ich halb Tod im Wald liege, und ein Engel mich zur Straße trägt. Und dieser Engel hatte verblüffende Ähnlichkeit mit Dad.

    Kapitel 165: Flucht




    Unser Fluchtweg führte uns über die alte Landstraße, die nicht mehr war, als eine Schotterpiste, die sich in engen Kurven durch die Berge und Schluchten des Gebirges zog, welches die Sierra Simlone vom Rest der SimNation trennte. Nach Aussage unseres Fahrers wurde die neue Schnellstraße von den Simnistriern gut bewacht und ein durchkommen wäre nicht möglich. Von diesem abgelegenen Weg schienen sie aber nichts zu ahnen. Um dennoch nicht die Aufmerksamkeit auf uns zu lenken, fuhren wir ohne Licht. Die Straße war kaum zu erkennen und die Schlucht immer nur einen Handbreit entfernt, aber wir durften kein Risiko eingehen.




    Durch den nun schon seit Tagen anhaltenden Regen war der Rio Seco, der in der Schlucht unter uns dahin floss, zu einem reißenden Strom angeschwollen. Mit Grauen musste ich daran denken, dass vor vielen Jahren genau auf dieser Piste Albert und Gerda von der Straße abgekommen waren und ich den Fluss stützten. Albert, der Mann, mit dem ich ein gemeinsames Leben beginnen wollte, hat diesen Unfall nicht überlebt. Ich wollte gar nicht daran denken, was passieren könnte, wenn unsere Fahrer in der Dunkelheit zu nah an den Rand der Schlucht herankam.




    Doch mit einem Augenblick war dieses Angst wie weggeblasen, denn ein viel ernsteres Hindernis stand uns im Weg. Offensichtlich hatten die simnistrischen Soldaten die alte Landstraße inzwischen entdeckt und sie gesichert. Ein Militär-Jeep blockierte die Straße und zwei Soldaten standen mit Maschinengewehren bewaffnet davor und versperrten uns den Weg.




    Nein, nein, nein! Das durfte nicht sein. Es durfte einfach nicht so enden. Wir waren so kurz davor, dem Schrecken des Krieges zu entkommen und mit einem Schlag schien alles vorbei. Was würden die Simnistrier mit uns anstellen? Würden sie uns für unseren Fluchtversuch in ein Straflager stecken? Oder würden die beiden uns in ihrer blinden Wut an Ort und Stelle umbringen?




    "Haltet euch alle gut fest!", schrie mit einem Mal unser Fahrer. Er hatte unseren Fluchtwagen fast vollständig zum Stehen gebracht, als wir die Straßenblockade vor uns aufgetaucht war. Jetzt aber umfasste er mit beiden Händen fest das Lenkrad und gab Vollgas.




    Die Reifen drehten auf dem Untergrund aus Sand und Kies zunächst wild durch, doch dann schoss unser Fluchtwagen nach vorne. Desdemona und die Kinder schrien voller Panik, während ich nur krampfhaft versuchte, mich irgendwo festzuhalten. Die beiden Soldaten starten uns ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an und sprangen in letzter Sekunde zur Seite, als sie merkten, dass das auf sie zurasende Fahrzeug nicht langsamer werden würde. Doch der einzige Ausweg der ihnen blieb war hinunter in den Fluss und damit vermutlich in den sicheren Tod. Unser Fluchtfahrzeug knallte mit voller Wucht gegen den Militärjeep. Unser Auto wurde beinah hochgeschleudert, doch der Fahrer schaffte es irgendwie, die Kontrolle wiederzuerlangen. Der Jeep hingegen hatte weniger Glück und stürzte hinunter in den reißenden Fluss.




    Ich zitterte am ganzen Körper. Sky klammerte sich fest an mich und Klaudia weinte nur. Desdemona schaute fassungslos hinunter in die Schlucht. Doch weder vom Jeep noch von den beiden Soldaten war auch nur die geringste Spur zu erkennen. Und unser Wagen fuhr unbeirrt weiter. Die Motorhaube war sichtlich zerbeult, doch der Motor surrte leise vor sich hin und der Ort des Entsetzens lag mit jeder Sekunde weiter hinter uns zurück. Und mit jeder Sekunde kamen wir dem sicheren SimCity ein Stück näher.


    Gedanken


    Würde ich Grünspan je wiedersehen? Ich wusste es nicht. Ohne Vorwarnung waren die Simnistrier in die Sierra Simlone eingedrungen. Niemand konnte ahnen, wann sie meine Heimat wieder verließen und ob sie es überhaupt taten.


    Doch ich musste nicht nur mein Zuhause verlassen. Ich ließ auch viel Freunde und Bekannte zurück. Tristan war schwer verwundet und ich hatte nicht einmal den Mut gefunden, mich von ihm zu verabschieden. Ich wusste, dass er bei Frank in guten Händen war. Hätte ich Tristan noch einmal gesehen, dann hätte ich ihm unsere Flucht nicht verheimlichen können. Und ich hätte es nicht über das Herz gebracht, ihn in einer besetzten Stadt zurückzulassen.


    Das Schicksal vieler Freunde war mir indes unbekannt. Roland war in Seda Azul und ich konnte nur hoffen, dass es ihm dort gut ging. Andere hatten hingegen nicht so viel Glück gehabt. Dominiks Bruder Dennis und Stev hatten ihr Haus verloren und Skys Lehrerin, Frau Jolowitz, und Benny mussten diesen sinnlosen Angriff mit ihrem Leben bezahlen.
    Dominiks Schicksal blieb weiterhin ungewiss. Seit nun fast drei Wochen habe ich kein Lebenszeichen mehr von ihm bekommen. Zur Zeit des Überfalls befand sich Dominik in Simnistrien. Wurde er dort als Bürger der SimNation gefangengenommen? Musste er sich verstecken? Ich wusste es nicht und konnte nur beten, dass es ihm gut ging.


    Aber immerhin waren wir jetzt auf dem Weg nach SimCity. Klaudia und Sky waren in Sicherheit und dafür war ich unendlich dankbar. Ich hoffte, dass sich auch meine anderen Probleme aufklären würden, wenn ich erst einmal in SimCity ankam.




    Ein heftiges Rütteln des Autos führte dazu, dass ich mit meinem Kopf gegen die Fensterscheibe stieß. Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Draußen war es inzwischen hell. Eine riesige rosarote Sonnenscheibe erhob sich soeben über dem Land. Ich musste eingeschlafen sein. Meine letzte Erinnerung war die Bergstraße in der Sierra Simlone, kurz nachdem wir der simnistrischen Patrouille entkommen waren. Doch ein Blick aus dem Fenster verriet mir eindeutig, dass wir nicht mehr länger in der Sierra Simlone waren.




    Im Wagen herrschte vollkommene Stille. Ich konnte nicht erkennen, ob Desdemona auf dem Beifahrersitz ebenfalls schlief, aber ein Blick zur Seite offenbarte, dass sowohl Sky als auch Klaudia eingeschlafen waren. Das war auch bitter notwendig. Die Kinder hatten in den letzten Tagen und Stunden so viel Leid und Schrecken erfahren müssen, wie die meisten Menschen nicht einmal in einem ganzen Leben.




    Allerdings schlief Sky offensichtlich doch nicht so tief, wie ich zunächst angenommen hatte. Als ich behutsam seine kleine Hand streichelte, schlug er die Augen auf. Er blinzelte müde, doch dann entdeckte er die für ihn unbekannte Landschaft, die an uns vorbeizog. "Ist das ein Wald, Mama?", fragte er neugierig, als er die saftig grünen Bäume am Straßenrand sah. "Ja, Liebling", antwortete ich ihm im Flüsterton, um die anderen nicht zu wecken, und Sky bestaunte mit offenem Mund die grüne Natur. Wenn ich die Landschaft richtig einschätzte, dann befanden wir uns im nördlichen Teil der Provinz Simtonge, möglicherweise auch schon im südlichen Simster. Bis SimCity war es immer noch ein langer Weg, aber wir kamen unserem Ziel näher.




    Ich blickte auf die Straße und bemerkte, dass wir das einzige Fahrzeug auf der Autobahn waren, das in Richtung Norden unterwegs war. Doch auf der gegenüberliegenden Fahrbahn zog sich eine ganze Kolonne von Militärfahrzeugen dahin. Und sie alle trugen das Wappen des Fürsten der SimNation. Es tat sich also doch etwas! Die restliche SimNation hatte die Sierra Simlone nicht vergessen. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Meine Schwiegereltern, meine Freunde und Bekannten, alle, die ich in der Sierra Simlone zurücklassen musste, konnten also auf baldige Hilfe hoffen.







    Die Fahrt nach SimCity zog sich hin, wie ein klebriges Karamellbonbon. Unser Fahrer machte kaum Pausen, dennoch erreichten wir erst am späten Nachmittag die mir noch gut aus meiner Kindheit vertrauten Vororte der Stadt. Ein endgültiges Gefühl der Sicherheit breitete sich in mir aus, als ich das Herrenhaus der von Spinnwebs und das quietschbunte Haus meiner verrückten Pateneltern Silvia und Frankie Maschuga erkannte. Wir waren also endlich angekommen. Der Wagen bog in die Einfahrt meines Elternhauses ein und kam zum Stehen. Sofort riss ich die Tür aus und stieg ins Freie. Der ganze Albtraum hatte ein Ende gefunden.




    Ich schaffte es einmal tief durchzuatmen, als auch schon die Haustür meines Elternhauses aufflog und meine Zwillingsschwester Joanna heraustrat. "Xana, Gott sein Dank, ihr seid da!", rief sie aufgeregt und lief auf mich zu. Und da gab es auch für mich kein Halten mehr und ich rannte meiner Schwester entgegen.




    Wir fielen uns gegenseitig um den Hals. "Geht es euch gut, Xana?", fragte meine Schwester immer und immer wieder. "Ist euch nichts passiert? Seid ihr in Ordnung? Nach meiner letzten Nachricht habe ich nichts mehr von Orion gehört. Ich wusste nicht einmal, ob ihr die Sierra Simlone verlassen habt. Das Handy- und Telefonnetzt ist vollständig zusammengebrochen. Es ist schwer überhaupt noch an irgendwelche Nachrichten zu kommen." Joanna hörte gar nicht mehr auf zu reden. "Es ist alles gut, Jojo", unterbrach ich meine Schwester sanft. "Dank dir geht es uns allen gut."




    Ich löste mich aus Joannas fester Umarmung. Meinem Schwager Tobias war unsere Ankunft ebenfalls nicht entgangen. Er beendet seine Arbeit an einem alten Autowrack im hinteren Teil des Gartens und kam zu uns herüber. Nachdem er zuerst mich kurz begrüßt hatte, umarmte er Sky stürmisch. "Du bist dann wohl mein kleiner Neffe Sky, was? Wir kennen uns noch nicht, aber ich bin dein Onkel Tobi." Joanna umarmte erst Desdemona herzlich und begrüßte dann ihre Nichte. Hätte wir nicht vor einem Krieg fliehen müssen, dann hätte man unsere Zusammenkunft für ein glückliches Familientreffen halten können.




    Plötzlich war ein lautes Klopfen aus dem Kofferraum unseres Fluchtwagens zu hören. Unser Fahrer sprang erschrocken aus dem Auto und wir alle musterten das Fahrzeug misstrauisch. Alle, bis auf meinen Sohn. Ich versuchte ihn noch festzuhalten, doch Sky lief einfach los und öffnete die Klappe des Kofferraums. Und meine Überraschung hätte nicht größer sein können, als plötzlich Goya heraussprang. "Ich könnte sie doch nicht alleine bei den bösen Männern lassen", erklärte er trotzig. "Also habe ich sie in den Kofferraum springen lassen, als niemand hingeguckt hat, und habe ihr gesagt, sie soll ganz leise bleiben." Er strahlte über das ganze Gesicht und fing sofort an, mit seiner tierischen Freundin zu toben, die begeistert in das Spiel mit einstimmte.