Kapitel 55: When the moon hit's your eye...
Obwohl wir in unseren Flitterwochen waren, könnte es Francesco sich nicht erlauben, seine Arbeit ruhen zu lassen. Regelmäßig ließ er sich von seiner Mutter über die Geschehnisse in Rodaklippa und ganz Simskelad auf dem Laufenden halten und brütete bis spät in die Nacht hinein über Ratsbeschlüssen, Steuerlisten und den Haushaltsplänen für das kommende Jahr. Ich nutzte die Zeit dann für ausgedehnte Spaziergänge durch die hügelige Landschaft oder vertrieb mir die Zeit mit Spielen auf der Gitarre, die ich mir von einem der Hotelangestellten ausgeliehen hatte.
Aber Francesco arbeitete natürlich nicht die ganze Zeit. Unsere Hochzeitsreise gab ihm nämlich die Gelegenheit, sich seiner großen Leidenschaft, dem Weinhandel, zu widmen. Und ich war neugierig, mehr über seine Lieblingsbeschäftigung zu erfahren. An einem Nachmittag fuhren wir also zu einem Weingut hinaus, mit dem Francesco schon seit Jahren geschäftliche Beziehungen unterhielt. „Willkommen, Lord Hartfels“, begrüßte uns Signora Camara, die Winzerin. „Ich bin hoch erfreut sie wieder einmal auf Gut Lussureggiante begrüßen zu dürfen.“
Da der kalte Wind oben auf den Hügeln besonders stark wehte, bat sie uns umgehend in das Innere des Weinguts. „Und sie müssen dann Lady Hartfels sein“, begrüßte sie auch mich, sobald wir die Mäntel ausgezogen hatten. „Ich habe die Bilder ihrer Hochzeit in den Illustrierten verschlungen. Aber in Wirklichkeit sind sie noch viel schöner, als auf den Fotos.“ Ich errötete bei dem Kompliment und bedankte mich. Ein Blick zu Francesco verriet mir, dass auch er über dieses Kompliment erfreut schien.
„Und bald kommt ja auch schon der kleine principe oder die kleine principessa auf die Welt“, fuhr Signora Camara begeistert fort. „Wann ist es denn so weit?“ „Ich bin jetzt am Anfang des fünften Monats“, antwortete ich und gab ihr erfreut die Erlaubnis, meinen Bauch berühren zu dürfen. „Der Geburtstermin ist für Mitte Mai angesetzt.
Nach dieser Begrüßung führte Seniora Camara uns durch das Weingut. Francesco war besonders an dem Weinkeller interessiert, in dem die Fässer mit dem Wein aus diesem Jahr lagerten. Die Weinlese war längst abgeschlossen, daher standen die Weinpressen zu meinem Leidwesen alle still. Aber Francesco interessierte sich ohnehin eher für den fertigen Wein und nicht so sehr für den Vorgang der Herstellung. „Dieses Jahr werden wir eine sehr guten Wein verkaufen können. Der Sommer war sehr sonnenreich, es hat aber auch ausreichend geregnet“, erklärte die Winzerin. „Wir haben auch schon ausprobiert, unseren Wein mit dem aus ihrem Gut zu mischen, Lord Hartfels. Die Süße unseres Jahrgangs zusammen mit dem herben Geschmack der Trauben aus Rodaklippa harmonieren wunderbar. Sie müssen gleich ein Glas davon probieren.“
Das ließ Francesco sich nicht zweimal sagen und wir kehrten in das Haupthaus zurück. Seniora Camara öffnete eine Flasche des eben erwähnten Coupage-Weins und schenkte Francesco ein Glas ein. „Und für sie, Lady Hartfels, habe ich einen ausgezeichneten Saft aus unseren Trauben.“ Auch mir schenkte sie ein Glas ein. Der Traubensaft schmeckte so, wie ein Traubensaft eben schmeckte. Aber Francesco schien von dem Coupage-Wein sichtlich angetan. „Sie müssen mir davon ein paar Flaschen mitgeben, Signora Camara. Meine Mutter wird diesen Wein lieben.“
Danach nahm Francesco mich zur Seite und ergriff meine Hände „Ich werde mit Signiora Camara den Rest des Tages Verträge ausarbeiten müssen, Klaudia. Ich werde eine größere Menge ihres Weines kaufen. Du würdest dich hier nur langweilen. Ich habe daher einen der Pflanzer gebeten, dich zu den Ruinen unweit von hier zu fahren. Dann siehst du wenigstens etwas von der schönen Landschaft.“
Ich war schon enttäuscht, dass ich auch diesen Tag wieder nicht vollständig mit Francesco verbringen konnte. Aber als Frau des Lords von Rodaklippa sollte ich mich schon einmal an diesen Zustand gewöhnen. Leider spielte auch das Wetter nicht so richtig bei meinen Besichtigungsplänen mit. Der leichte Schneefall war in einen unangenehmen Dauerregen übergegangen. Die Ruinen des Amphitheaters waren deswegen nicht weniger beeindruckend, aber bei Sonnenschein hätte die Besichtigung sicher noch mehr Spaß gemacht.
Der Pflanzer berichtete zudem, dass es in der Nähe noch die Ruinen eines alten Thermalbades gäbe. Da ich ohnehin schon durchnässt war, entschied ich, dass ein paar Minuten länger im kalten Regen nun auch nichts mehr ausmachen würden. Also marschierte ich durch den aufgeweichten Boden zu den Ruinen. Und diese waren wirklich sehenswert. Den besonderen Charme machten die roten Mohnblumen aus, die überall zwischen den Mauerresten wuchsen. Die unterirdischen heißen Quellen sorgten dafür, dass sie selbst im Winter noch gut gediehen. Wie schön musste es hier erst im Sommer aussehen.
Erst als ich wieder im Hotel ankam, merkte ich, wie durchgefroren ich eigentlich war. Aber ein heißes Bad half mir, mich schnell wieder aufzuwärmen. Und auf diese Weise könnte ich das einzige wirklich luxuriöse Zimmer unseres Hotels entsprechend würdigen.
In den folgenden Tagen bekam ich noch weniger von Francesco zu sehen als zuvor. Seine Geschäfte und politischen Verpflichtungen führten ihn nach Pisa, Lucca und Florenz. Ich hätte all diese Städte auch gerne gesehen. Aber Francesco überzeugte mich, dass ich dort nur die Hotellobbys zu sehen bekommen hätte und ich in meinem Zustand ohnehin lieber nicht so weiter Strecken fahren sollte. Also verbrachte ich meine Tage damit, Monte Vista zu erkunden, selbst wenn es dabei wie aus Eimern schüttete. Auf einem meiner Streifzüge entdeckte ich eine kleine, verwinkelte Buchhandlung, die wunderschöne Bilderbücher für Kleinkinder im Angebot hatte. Mein kleiner Zwerg würde sich darüber sicher sehr freuen, also schlug ich gleich zu.
Das ungewöhnlich kalte Winterwetter wich bald den Vorboten des Frühlings. Es wurde warm. So warm, dass man auch ohne Jacke auf die Straße gehen konnte. Man merkte richtig, wie sich die Gassen Monte Vistas wie nach einem Winterschlaf wieder mit Menschen füllten. Und auch mich zog es auf die Straße, und zwar mit meiner Gitarre. Ja, ich wusste, dass es nicht standesgemäß war. Aber ich hatte hier noch nirgendwo Paparazzi entdeckt und was Francesco, oder besser gesagt seine Mutter, nicht wussten, machte sie nicht heiß. Und den Einheimischen schien mein Spiel zu gefallen, denn sie ließen ordentlich Trinkgeld da.
So schön meine Spaziergänge durch Monte Vista und die Umgebung auch waren, so war ich doch am glücklichsten, wenn Francesco bei mir war. In den letzten Tagen vor unserer Abreise hatte er keine Geschäfte mehr zu erledigen und gemeinsam besichtigten wir noch einmal die Ruinen des Amphitheaters und der Therme. Am Abend unserer Abreise aßen wir dann in einem Bistro in der Altstadt. Das Wetter war inzwischen so gut, dass man selbst in der Abendluft kaum fror. Vor dem Bistro war eine Tanzfläche aufgebaut und Francesco musste mich nicht zweimal zum Tanz auffordern. Es war so wunderschön. Der Mond schien über der Burg und ich lag in Francescos Armen. Das Wort „Liebe“ war weder ihm noch mir in den letzten Wochen über die Lippen gekommen. Aber konnte es noch einen Zweifel geben, dass wir und liebten. Wie sonst hätte ich so glücklich sein können?
----------------
Ich habe ein paar der neueren Charaktere zum Download bereitgestellt:
Ehemann Francesco, Schwägerin Alexis, Onkel Orion, Tante Desdemona