Kapitel 23: Ein guter Rat
Am Morgen wurde ich durch ein leises Klopfen an meiner Zimmertür geweckt. "Herein", murmelte ich verschlafen und richtete mich langsam auf. Es war Roland, der den Raum mit einem Teller voller Marmeladenbrote und einem heißen Cappuccino betrat und auf mein Bett zukam. "Guten Morgen", begrüßte er mich freundlich und stellte das Frühstück auf meinem Nachttisch ab. "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte er dann besorgt. "Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit von dir distanziert habe, aber mir ist trotzdem aufgefallen, dass du irgendwie betrübt warst. Und die letzten Tage bist du nicht einmal mehr zur Arbeit gegangen und hast das Haus auch sonst nicht verlassen. Und dein Verhalten gestern hat mir fast schon Angst gemacht, als du stundenlang mit dir selbst geredet und gelacht hast. Geht es dir gut Oxana?"
Ich begann leicht meinen Kopf zu schütteln und hatte plötzlich Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. "Nein, mir geht es nicht gut", gestand ich in weinerlichem Ton. Ich deutete mit meiner Hand auf den leeren Platz neben mir und Roland legte sich zu mir aufs Bett. Ich erzählte ihm von den Gerüchten, die Kasimir über mich in die Welt gesetzt hatte, und wie sehr mich die Situation belastete. "Ich habe versucht dich vor ihm zu warnen", sagte er schließlich. "Aber wahrscheinlich habe ich dabei zu sehr an mich selbst gedacht, als dass diese Warnung bei dir ankommen konnte. Es tut mir leid."
Plötzlich spürte ich, wie sich wieder diese Distanz zwischen uns aufzubauen drohte, und damit wären wir nicht weiter, als bei unserer letzten Entschuldigung. Doch dann legte Roland überraschend seine Hand auf meine Schulter. "Sind wir wieder Freunde? Und zwar so richtig, wie früher?", fragte er mich und lächelte dabei vorsichtig. Mein breites Grinsen war Antwort genug und Roland zog mich zu sich heran. "Und wenn diesmal Problem auftauchen", fügte ich hinzu, "dann reden wir früher darüber". "Versprochen!"
Wenigstens zu Hause war nun wieder alles im Lot. Aber ich traute mich kaum mehr auf die Straße hinaus, denn ich hatte ständig das Gefühl, dass die Leute über mich redeten. Ich ging nur noch raus, wenn ich in die Kirche wollte. Und ich verbrachte viel Zeit dort. Es konnte nicht Schaden Gott um Hilfe zu bitten, aber sich auch für die schönen Dinge im Leben zu bedanken. Schließlich hatte ich mich wieder mit Roland versöhnt. An diesem Nachmittag erschien auch Gerda in der Kirche zum Rosenkranzgebet.
Nachdem das Gebet beendet war, sprach sie mich zögerlich an. "Ähm, Oxana, mir sind da ein paar unschöne Dinge über dich zu Ohren gekommen." Vor Scham wäre ich fast in der Bank versunken. Es wussten tatsächlich alle bescheid. Kasimir hatte ganze Arbeit geleistet. Gerda konnte spüren, wie unangenehm mir die Situation wurde. "Ich wollte dir nur sagen, dass ich das Gerede der anderen nicht glaube", fuhr sie fort und ich schaute sie erstaunt an. "Du musst nicht so überrascht tun, Oxana. Ich kenne dich nun, seitdem du in diese Stadt gezogen bist und du hast immer den Eindruck eines sehr anständigen Mädchens gemacht."
Über dieses unsägliche Thema wollte ich mich lieber nicht in einem Gotteshaus unterhalten, also gingen wir hinaus auf den Kirchenvorplatz. "Kasimir hat diese Gerüchte in die Welt gesetzt", erklärte ich ihr. "Aber ich bin auch selbst schuld. Wie konnte ich mich jemals auf ihn einlassen? Und jetzt weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Die Leute denken doch jetzt sonst was von mir."
"Da hast du leider Recht. Aber vielleicht kann ich dir helfen", bot Gerda an. "Wir Farmerfrauen richten jedes Jahr ein Fest für unsere Nachbarn aus. Und im Grunde bist du auch eine von den Farmerfrauen. Zumindest ist dein Haus in den Grundbüchern offiziell als "Grünspan Farm" eingetragen und das heißt, du bist automatisch Mitglied im Farmerverein der Sierra Simlone. Ich könnte bei unserer nächsten Sitzung vorschlagen, das Fest dieses Jahr bei dir stattfinden zu lassen. So hättest du die Gelegenheit, dich bei deinen Nachbarn von der besten Seite zu zeigen." Ich war zunächst etwas skeptisch. Dieser Schuss konnte auch nach hinten losgehen. Was wenn alle die Feier bei "dem Flittchen" boykottieren würden? Aber schließlich stimmte ich doch zu.