Beiträge von Stev84

    Kapitel 40: Beerdigung




    Von Tante Sylvia erfuhr ich den genauen Zeitpunkt der Beisetzung. Ich machte mich schon sehr früh auf den Weg zur Kirche, doch blieb ich draußen stehen und versteckte mich hinter einem Rosenbusch. Ich wollte nicht, dass mich jemand sah. Ich wollte nicht, dass Dad mich sah. Das einzige was ich wollt, war es Paps Beerdigung beizuwohnen und dann wieder nach Sierra Simlone Stadt zu entschwinden. Und dann sah ich sie kommen, die Trauergäste, meine Familie.




    Ich wartete, bis alle das Innere der Kirche betreten hatten und setzte mich dann unauffällig in die letzte Bank. Es war wirklich nur die engste Familie anwesend. Meine Schwester Joanna und ihr Mann Tobias, meine Großmutter Stasia und Paps Schwester Kasia. Es überraschte mich ein wenig, dass Lex Ehrmann, der Anwalt meiner Familie hier war. Ihn und Paps verband eine ganze besondere Beziehung. Ich hatte mir so oft gewünscht, dass Paps Dad verlassen und mit Lex glücklich werden würde. Doch Paps konnte sich nicht von Dad loslösen. Bis zum Schluss nicht. Neben Lex saß eine Frau, die ich nicht kannte. Als ich meinen kleinen Bruder Orion in der ersten Reihe erkannte, musste ich unweigerlich anfangen zu schluchzen. Wie gerne hätte ich ihn jetzt in die Arme geschlossen. Und dann war da noch Dad! Und bei seinem Anblick, hätte ich am liebsten die Kirche wieder verlassen.




    Doch natürlich blieb ich sitzen. Der Gottesdienst war schön. Er war wirklich schön. Es war alles so, wie Paps es sich gewünscht hätte. Die Musik, die ausgewählten Gebete. Als ich den Sarg sah, konnte ich mir nicht vorstellen, dass Paps darin liegen sollte. Es war alles so unwirklich. Ich weinte, weil mir schmerzlich bewusst wurde, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Und ich weinte, weil ich glücklich war, denn hier im Hause Gottes spürte ich, das seine Seele nun bei unserem Herrn war.




    Kurz bevor der Gottesdienst endete, schlich ich mich hinaus, um nicht gesehen zu werden. Dad, Tobias, Lex und der Pfarrer trugen gemeinsam den Sarg aus der Kirche und der Rest der Trauergäste folgte ihnen zum Friedhof, der direkt hinter der Kirche lag. Dann wurde der Sarg langsam in die Vertiefung hinabgelassen. Ich beobachtete die Szene weinend aus dem Hintergrund. "Möge der Herr ihn bei sich aufnehmen", endete der Priester schließlich sein Gebet. Er beugt sich hinunter, nahm eine Handvoll Erde und warf sie auf den Sarg. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich hören, wie meine Großmutter zu schluchzen begann und von meiner Tante getröstet wurde.




    Einer nach dem anderen ging nun zum Sarg, und warf Erde in das Grab hinunter, um so endgültig Abschied zu nehmen. Wenn alle anderen gegangen wären, dann würde auch ich zum Grab gehen und mich von Paps verabschieden. Doch plötzlich riss ein lautes Rufen mich aus meinen Gedanken: "Da ist Xana, da hinten steht Xana!". Entsetzt sah ich, wie mein kleiner Bruder Orion auf mich zugelaufen kam und sich die Blicke meiner gesamten Familie auf mich richteten.




    Orion lief so schnell seien kurzen Beine es zuließen und fiel mir um den Hals. "Endlich bist du wieder zurück, Xana. Endlich bist du wieder da". Und auch ich drückte meinen kleinen Bruder so fest ich konnte. "Ich wusste, dass du heute kommen würdest", flüsterte er mir ins Ohr. "Ich wusste, dass du Paps noch einmal auf Wiedersehen sagen würdest."




    Jetzt konnte ich mich nicht mehr länger verstecken. Orion fasste mich an der Hand und zog mich zu den restlichen Trauergästen. Da kam auch schon Joanna auf mich zugelaufen. "Xana! Ich hab mir so sehr gewünscht, dass du heute kommen würdest! Ich hab mir so sehr gewünscht, dich widerzusehen. Ich hab dich so sehr vermisst". Ihr Gesicht war tränenüberlaufen, ebenso wie meins. "Ich hab dich auch vermisst", gestand ich ihr ehrlich. "Aber ich wünschte, ich wäre aus einem anderen Grund hier."




    "Wie kannst du es wagen, heute hier aufzutauchen!", schrie Dad und kam auf mich zugestürmt. Ich konnte seine Alkoholfahne augenblicklich riechen. Im Hintergrund sah ich, wie Großmutter begann, hemmungslos zu weinen. Und daran war nur er schuld. " Wie kannst du es wagen, hier auf seiner Beerdigung aufzutauchen, nach allem, was du ihm angetan hast?!", brüllte Dad mich weiter an. "Er hat so oft versucht dich anzurufen! Er hat dir so viele Briefe geschrieben! Er wollte dich nur noch ein einziges Mal sehen, bevor er starb, aber du warst so selbstsüchtig und hast ihm diesen Wunsch nicht erfüllt. Weißt du, wie oft er, sich vor Schmerzen windend, deinen Namen gerufen hat? Aber du bist nicht gekommen! Und jetzt erdreistest du dich auf seiner Beerdigung zu erscheinen?!"




    Seine Worte trafen mich mitten ins Herz. Ich versuchte irgendetwas zu sagen, doch aus meinem aufgerissenen Mund kam kein Ton. Hatte Paps wegen mir wirklich so sehr gelitten? Es stimmte, er hatte immer wieder versucht, sich mit mir auszusprechen, doch ich hatte es jedes Mal abgelehnt. Aber wie hätte ich ahnen können, dass es ihm so schlecht ging? Doch das war keine Entschuldigung. Er war sterbenskrank gewesen und ich habe es abgelehnt mit ihm zu sprechen! Was war ich bloß für eine Tochter?




    Doch dann schoss mir ein anderer Gedanke durch den Kopf: Was war Dad denn für ein Vater, dass er mir solch einen Vorwurf machen konnte? "Nein, Dad, du wirst mir jetzt nicht die Schuld geben", entgegnete ich entschieden. "Du hast mich aus dem Haus geworfen! Das warst du ganz allein und ich hatte nichts Falsches gemacht. Ich wollte Paps beschützen! Vor dir beschützen, weil er nicht gemerkt hat, was für ein verdammter Mistkerl du bist. Und ich habe jedes Recht bei seiner Beerdigung dabei zu sein! Ich habe Paps geliebt, aber du weißt ja nicht einmal, was dieses Wort bedeutet".




    Ich dachte er würde mir gleich mit seiner geballten Faust ins Gesicht schlagen. "Hört auf, alle beide!", schrie Joanna dazwischen. Sie war total aufgelöst. "Könnt ihr nicht einmal an Paps Beerdigung für einen Moment Frieden schließen? Dieser Tag ist schon schlimm genug, aber mit euren Streitereien macht ihr es nur noch viel schlimmer". Sie begann heftig zu weinen, doch Dad und ich starrten uns nur gegenseitig hasserfüllt an.




    "Ich werde ihm niemals verzeihen", zischte ich zwischen zusammengekniffenen Lippen. Dann ging ich zum Grab hinüber, nahm eine Hand voll Erde und warf sie hinunter auf den Sarg. "Ruhe in Frieden, Paps", flüsterte ich ganz ruhig. Dann erhob ich mich und ging wütend zwischen meinem Dad und meiner Schwester hindurch. Dabei stieß ich heftig an Dads Schulter an, doch das geschah ihm nur recht. Joanna stand nur stumm da und ließ mich gehen, doch Dad rief mir noch ein letztes, wütendes, "Lass dich nie wieder hier blicken", hinterher.




    Ich lief direkt zum Haus von Tante Sylvia und Onkel Franky. Ich hatte vor, direkt wieder in die Sierra Simlone zu fliegen und all das hinter mir zu lassen, doch Dads Worte ließen mir keine Ruhe. Hat Paps wirklich so gelitten, weil ich ihn nicht mehr sehen wollte? War ich wirklich so selbstsüchtig gewesen? In meinem Koffer lagen seine Briefe. Ich hatte sie mit aus Warschau genommen und jetzt mit aus Sierra Simlone Stadt, aber ich hatte sie noch nie geöffnet. Doch jetzt musste ich es. Ich musste einfach wissen, was Paps mir geschrieben hatte.




    Er entschuldigte sich in jedem einzelnen Brief und bat mich darum, ihm zu verzeihen. Gott, hätte ich diese Briefe bloß früher gelesen. Am Abend ging ich noch einmal zu Friedhof. Das Grab war bereits aufgeschüttet und mit Blumen bedeckt. "Ich verzeihe dir, Paps", beteuerte ich heiser, als auch ich einen weiteren Strauß Blumen auf sein Grab legte. "Ich bin dir nicht mehr böse, dass du zugesehen hast, wie Dad mich aus dem Haus warf. Und ich hoffe, du kannst mir auch verzeihen". Ich fing an zu schluchzen. "Bitte, Paps, verzeih mir!".








    "Willkommen zurück zu Hause, Oxana!". Tristan nahm mich sofort in den Arm, nachdem ich das Haus betreten hatte. Ich schaffte es kaum meinen Koffer abzustellen. "Ich bin auch froh, wieder hier zu sein", entgegnete ich. "Wie lange war ich weg? Drei, vier Wochen?". "Sechs", antwortete Roland für mich. "Schön, dass du wieder da bist."




    Auf dem Weg in meine Zimmer bemerkte ich sofort die neuen Bilder. "Sind die alle von dir?", fragte ich Tristan. "Nein", gab er ehrlich zu. "Nur das Bild von Roland habe ich selbst gemacht. Die beiden von uns und das Gruppenbild sind von Roland".




    Nachdem ich mir die Bilder genau angesehen hatte, ging ich weiter. Ja, sechs Wochen war ich weg gewesen. Zunächst bin ich in SimCity geblieben. Ich hatte noch so viel, was ich Paps sagen wollte. In seinen Briefen standen so viele Dinge, die er mir nie gesagt hatte. Ich wollte einfach in seiner Nähe sein. In dieser Zeit habe ich aber weder mit meinen Geschwistern, noch mit Dad geredet. Dann bin ich nach Warschau geflogen, denn meiner Großmutter ging es nicht gut. Sie brauchte meine Hilfe und ich...ich brauchte sie auch.




    "Hallo, Schatz". Ich war gerade damit fertig geworden meine Sachen in den Schrank einzuräumen als Benny in mein Zimmer kam. Ich hatte so sehr gehofft, dass er nicht kommen würde. Nicht heute. Er kam auf mich zu und wollte mich küssen. Doch ich hielt ihn zurück. "Halt, Benny, nicht!"




    Er wurde ganz steif und sah mich verwirrt an. "Oxana, was ist denn?", fragte er und Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit. Ich wusste, dass ich es ihm nicht schonend beibringen konnte, also sprach ich es einfach aus: "Wir sollten uns trennen, Benny. Das ist mir in den letzten sechs Wochen klar geworden." "Aber, Oxana, was redest du denn da?", unterbrach er mich entsetzt. "Ich liebe dich doch. Und du liebst mich doch auch."




    "Liebe ist manchmal nicht genug", lautete meine nüchterne Antwort. "Mein Vater hat meinen Dad geliebt, und trotzdem wurde er von ihm verletzt. Und mein Dad? Ich glaube auf irgendeine kranke Art hat er Paps auch geliebt und trotzdem war er der Grund, dass es Paps sein Leben lang dreckig ging. Und das will ich nicht Benny. Du sagst, dass du mich liebst. Vielleicht stimmt das sogar, aber du wirst mir trotzdem weh tun. Wenn ich mich auf dich einlasse, dann wirst du mir irgendwann mein Herz brechen. Also mache ich Schluss, bevor es so weit ist. Benny, Geh! Bitte."




    Gedanken:



    [align=center] Ich hatte mein Haus behalten. Und darüber war ich froh, aber freuen konnte ich mich trotzdem nicht. Wie denn auch? Paps war gestorben. Er war tot! Daran konnte ich nichts mehr ändern und auch wenn ich mir immer wieder sagte, dass ich nichts dafür konnte, fühlte ich mich für seinen Tod verantwortlich. Wenn ich seine Entschuldigung zugelassen hätte, vielleicht wäre dann alles ganz anders gekommen?
    Und mir fehlte Benny. Aber meine Entscheidung war endgültig und sie war richtig. Ich habe gesehen, wie Paps gelitten hat, weil er blind war vor Liebe. Das würde ich nicht zulassen. Ich würde nicht zulassen, dass ich mich einem Menschen so sehr öffne, dass ich ihm vollkommen ausgeliefert wäre. Lieber blieb ich ein Leben lang allein.


    Das ich nun die Farm hatte, die mich jeden Tag aufs Neue forderte, war ein wahrer Segen. Natürlich war die Arbeit schwer und auf unserem Konto sah es auch nicht gut aus. 1405§ waren alles, was wir noch hatten und die erste Ernte lag noch viele Monate in der Zukunft.

    Und da wir alle drei nur noch für die Farm arbeiteten, würde auch kein Geld auf anderem Weg in unsere Kasse fließen. Obwohl, vielleicht würde es Roland schaffen, das ein oder andere Bild zu verkaufen. So könnten wir wenigstens die laufenden Rechnungen bezahlen. Aber ich wollte gar nicht so weit in die Zukunft blicken.

    Kapitel 39: Schmerzliche Nachrichten





    Was für ein eingebildeter Schnösel. Bevor ich in den heiraten würde, müssten schon sämtliche anderen Männer von der Erde verschwinden. Und selbst dann würde ich mir überlegen, ob ich nicht eher lesbisch werden sollte.



    Am nächsten Morgen stand Tristan an der Staffelei und malte. Er wollte ein Porträt von Roland malen. Ich war ja eher skeptisch, aber als ich das bisher gemalte sah, verschlug es mir fast die Sprache. "Tristan, das ist ja genial! Das sieht ja schon fast wie ein Foto aus". Das was ich dort sah, war unglaublich. Tristan lächelte verlegen. "Ähm, ich glaube, ich habe ihn ganz gut getroffen".





    Dann wollte ich Tristan mal lieber nicht stören. Aber wenn er mit dem Bild von Roland fertig war, sollte er noch unbedingt eins von mir und von sich selbst malen. Ich öffnete eine Wasserflasche und schenkte mir ein Glas ein. Dann schnappte ich mir die Fernbedingung und zappte durch die Kanäle, während ich einen kleinen Schluck aus dem Glas nahm.





    Plötzlich verließ mich die Kraft in meiner Hand und das Glas viel zu Boden. Auf dem Laminat zersprang es in tausend Scherben und das Wasser spritzte durch das Wohnzimmer. Doch ich bekam es gar nicht mit. Ich starte auf den Bildschirm und meine Lippen formten sich zu einem Schrei. Doch ich brachte nichts als einen erstickten Laut hervor. Meine Knie gaben nach und ich sackte zu Boden, mitten in die Scherben, und versuchte weiterhin zu schreien und brachte doch keinen Ton heraus.





    Roland kam aus der Küche geeilt. "Was ist passiert?", fragte er noch ganz ruhig, doch als er mich zusammengekauert auf den Boden entdeckte schwang plötzlich Panik in seiner Stimme mit. "Oxana, was ist los". Endlich schaffte ich es zu schreien, doch der Schrei ging über in ein hemmungsloses Weinen. "Oxana, was ist los?!", schrie Roland mich entsetzt an, doch ich konnte nur auf den Fernseher starren.





    Roland kam sofort rüber und kniete sich runter zu mir, versuchte mich in den Arm zu nehmen und herauszufinden, was los war, doch ich wurde von Weinkrämpfen durchschüttelt und starrte immer wieder auf den Bildschirm. Schließlich schaute auch Roland hin und langsam begann er zu begreifen, was passiert war. Auf dem Bildschirm erschien das Foto von Dr. Slake Dewory aus "Wirrungen der Begierde". "Der beliebte Schauspieler, erlag vor zwei Tagen einem schweren Krebsleiden", las die Nachrichtensprecherin von ihren Notizzetteln ab. "Die Fans der erfolgreichen Seifenoper "Wirrungen der Begierde" wunderten sich schon lange über den plötzlichen Ausstieg von Dariusz Brodlowski aus der Serie. Dieses Rätsel dürfte nun seine traurige Auflösung gefunden haben. Die Beisetzung des TV-Stars findet morgen in SimCity unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dariusz Brodlowski hinterlässt einen Ehemann und seine drei Kinder Joanna, Oxana und Orion Brodlowski."





    Ich saß auf dem Boden und weinte, wiegte mich hin und zurück, als ob das meinen Schmerz nehmen könnte. Paps* war tot. Er war tot! Ein erneuter Heulkrampf durchfuhr meinen Körper. Roland beugte sich zu mir hinunter und zog mich auf die Beine und ich ließ es widerstandslos zu. Dann drückte er mich ganz fest an sich und strich mir beruhigend übers Haar. "Weine so viel du willst, Oxana", flüsterte er mir zu. "Ich bin immer für dich da".





    Tristan beobachtete die Szene durch die Tür des Arbeitszimmers, doch wusste er einfach nicht, wie er sich verhalten sollte. Erst als ich mich auf dem Sofa in den Schlaf geweint hatte, kam er ins Wohnzimmer und setzte sich hinzu. Roland erklärte ihm, was passiert war, zumindest so viel, wie er aus dem Nachrichtenbericht erfahren hatte. "Wie können wir ihr helfen?", fragte Tristan ehrlich besorgt. Doch Roland konnte nur ratlos mit dem Kopf schütteln. "Ihr Vater ist tot. Was können wir schon mehr machen, als einfach in ihrer Nähe zu sein, wenn sie uns braucht."





    Als ich aufwachte, fühlte ich mich nur noch leer. "Ich muss jetzt alleine sein", sagte ich heiser an Tristan und Roland gewandt und ging hinüber ins Arbeitszimmer. Die beiden machten keine Anstalten, mir zu folgen und ich war dankbar dafür. Mein Vater war gestorben und ich hatte ihn im Streit verlassen. Ich konnte seine Entscheidung bei seinem prügelnden Ehemann zu bleiben einfach nicht verstehen und hab ihn seit meinem Fortgang aus SimCity nicht mehr mit ihm geredet. Er hatte immer wieder versucht, mit mir in Kontakt zu treten, doch ich hab es nicht zugelassen und jetzt war es zu spät dafür.





    Das Einzige, was ich jetzt noch machen konnte, war es bei seiner Beerdigung zu erscheinen. Das war ich ihm schuldig. Zitternd wählte ich die Nummer des Flughafens in SimVegas. "Ich möchte einen Flug nach SimCity buchen", sprach ich leise. "Noch heute Abend, wenn es möglich ist".






    Ich hatte Glück und es waren noch Plätze für den Nachtflug frei. Das Packen meines Koffers lenkte mich für einen kurzen Moment ab, aber dann brach ich wieder in Tränen aus. Zusammengekauert auf dem Bett liegend fand mich dann auch Benny vor, als er mein Zimmer betrat. Roland hatte ihn hergerufen. "Es tut mir ja so leid, Xana". Mit diesen Worten nah er mich in den Arm und war einfach für mich da.





    Weinend erzählte ich ihm, wie es dazu kam, dass ich SimCity verlassen musste, wie es dazu kam, dass ich schließlich auch Warschau verließ, warum ich den Kontakt zu meiner Familie komplett abbrechen ließ. Er war der erste Mensch, dem ich das alles anvertraute. Und es tat mir gut, darüber zu reden. "Und du willst wirklich nicht, dass ich dich nach SimCity begleite?", fragt er. Ich löste mich aus seinem Arm und richtete mich auf. "Nein, das muss ich alleine tun", antwortete ich kopfschüttelnd und er akzeptierte es, auch wenn es ihm schwer fiel.





    Benny begleitete mich noch zum Flughafen, doch die Maschine betrat ich alleine. Es war ein ruhiger Flug und die Maschine landete pünktlich in SimCity. Als ich das Flughafengebäude verließ, fror ich ein wenig. Ich hatte bereits vergessen, wie kühl die Nachtluft in SimCity sein konnte. An der Straße warteten mehrere Taxen, sodass ich kein Problem hatte eine Mitfahrgelegenheit zu finden.





    Als das Taxi in das Viertel fuhr, in dem ich aufgewachsen war, fing mein Herz an zu rasen und wieder musste ich weinen. "Können sie bitte schon hier halten?", bat ich den Fahrer. Dieser fuhr rechts ran und ließ mich vor einem knallig pinken Haus aussteigen, auch wenn man das in der Dunkelheit kaum erkennen konnte.


    Langsam ging ich auf die Tür zu und klopfte vorsichtig an.




    Es war zwar schon spät, aber ich konnte sehen, dass im Haus noch überall Licht brannte. Also drückte ich die Türklingel und wenig später öffnete eine Frau Anfang fünfzig die Tür. Sie erkannte mich sofort. "Oxana, Schatz, komm rein", begrüßte sie mich überschwänglich. "Lass dich in den Arm nehmen. Franky!", schrei sie laut in das Haus hinein. "Oxana ist hier!". Ich war so froh, meine Patentante Sylvia wieder zu sehen, und trotzdem, oder gerade deswegen, brach ich in Tränen aus.





    Tante Sylvia führte mich in die Küche und setzte sofort einen heißen Tee auf. Onkel Franky begrüßte mich ebenfalls und wir setzten uns zu dritt an den Tisch. Ich war froh, dass sie mich nicht mit Fragen löcherten. "Ich konnte einfach nicht nach Hause", erklärte ich. "Die Beerdigung morgen ... ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll." Ich begann zu schluchzen und meine Augen füllten sich mit Tränen. "Und ich hab einfach nicht die Kraft, Dad gegenüber zu treten. Er hat gesagt, ich solle sein Haus nie wieder betreten. Noch mehr Ärger halte ich einfach nicht aus." Tante Sylvia sah mich verständnisvoll an. "Du kannst gerne in unserem Gästezimmer schlafen", bot sie mir ohne zu zögern an. "Wir sind doch froh, wenn du bei uns bist."





    Und ich war froh, hier sein zu können. Ich war so erschöpft, dass ich sofort einschlief. Ich weiß nicht, ob ich es nur geträumt hatte oder ob es tatsächlich so war, aber Tante Sylvia kam noch einmal zu mir ins Zimmer, deckte mich zu und streichelte mein Haar. Genau so hat sie es immer gemacht, als ich eine Zeit lang bei ihr wohnte, damals mit zwölf Jahren, als mein Paps Dad zum ersten Mal verlassen hatte. Und auch als ich viel Jahre später ohne Dach über dem Kopf auf der Straße stand, hat sie mich bei sich aufgenommen und sich um mich gekümmert.



    * Wenn im Folgenden von "Paps" die Rede ist, dann ist Oxanas leiblicher Vater Dariusz Brodlowski gemeint. Zur Unterscheidung wird ihr anderer Vater, Arkadiusz Brodlowski, der mit Dariusz verheiratet ist, "Dad" genannt.

    Kapitel 38: Blech, Dominik Blech





    In den nächsten Tagen kam Albert immer wieder vorbei, um mit mir die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um mein Land bewirtschaften zu können, so wie die Farmervereinigung es forderte. Dank der Fürsprache der Vereinigung erhielten wir einen günstigen Kredit bei der "Bank für Landwirtschaft" in SimVegas und die Transaktionen konnten bequem über das Internet abgewickelt werden. Roland und Tristan haben mir die Leitung unserer zukünftigen Farm übertragen. Auch wenn wir drei gemeinsam in diesem Haus lebten und sie mich auch unterstützen wollten, es war irgendwie doch mein Haus, mein Land. Und deshalb sollte auch ich die Entscheidungen treffen.




    Und dank Alberts Unterstützung fühlte ich mich damit auch ganz wohl. Die erste Anschaffung war ein Geländewagen. Er war nicht mehr der Neuste und deshalb nicht sehr teuer gewesen. Albert meinte, dass wir unbedingt ein Fahrzeug brauchen würden, schon allein aus dem Grund, weil unsere Felder und Weiden einige Kilometer entfernt lagen. Glücklicherweise hatte ich in Warschau meinen Führerschein gemacht. Früh morgens brach ich mit Albert nach Ganado Alegro auf. In dieser Woche fand dort eine Viehauktion statt und ich hatte vor, dort meine weiteren Investitionen zu tätigen.




    Und so kamen wir zu unseren Rindern. Es waren nicht viele, mit dem Kredit konnten wir nur eine Herde von 22 Stück kaufen. Es waren keine Milchkühe, sondern Rinder, die für die Schlachtung bestimmt waren. Mit dem restlichen Geld, ließen wir die erworbenen Kühe besamen und wenn wir Glück hatten, würden wir nächstes Jahr 22 gesunde Kälber haben. Die männlichen Tier könnten wir mästen und anschließend verkaufen, die weiblichen dazu nutzen, unsere Herde zu vergrößern. Albert hatte mir versichert, dass sich mit Rindern gutes Geld machen ließ. Ich hoffte, dass er Recht behielt, denn die Tiere brauchten viel Pflege und würden erst in etwa zwei Jahren die ersten Gewinne abwerfen.




    Aber so lange konnten wir nicht auf ein Einkommen verzichten. Deshalb schlug Albert vor, dass ich einige der brachliegenden Felder mit Mais bepflanzte. Mais war wenig anspruchsvoll und gedieh gut in diesem Klima. Außerdem konnte er unabhängig von der Jahreszeit angepflanzt werden, auch wenn sich unter den Bauern der Sierra Simlone ein gewisser Anbaurhythmus eingestellt hatte, den ich durchbrach. Die Saat verschlang dann das letzte Bisschen Geld, dass wir noch besaßen, aber wenigsten durften ich Gerdas und Alberts Maschinen kostenlos nutzen und wurde von Albert ausführlich in deren Bedienung eingewiesen. Ich weiß gar nicht, was ich ohne seine Hilfe getan hätte.
    Jetzt stand ich auf meinem Feld und betrachtete den aufgelockerten Boden, der mit Bewässerungsgräben durchzogen war, die mithilfe einer Pumpe in der Nacht geflutet wurden. Und als ich mich hinunterbeugte, konnte ich erkennen, wie die ersten zarten Maiskeime sich der wärmenden Sonne entgegenstreckten.








    Unsere Rinder wurden fetter und der Mais wuchs. Also war es endlich mal Zeit sich eine Pause zu gönnen. Also entschloss ich mich, ein kleines Grillfest bei uns im Garten zu geben. Gegenüber von uns wohnte schon seit längerem eine Familie, die ich bis jetzt nur vom Sehen kannte und das wollte ich ändern.




    Einer dieser Nachbarn war Dominik. "Ach so ist es richtig. Eine hübsche Frau bringt mir das Essen an den Tisch, so wie es sich gehört", war der erste Kommentar, den er von sich gab, als ich gerade die gegrillten Rippchen servierte.




    Ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an und er grinste nur anzüglich und zuckte mit seiner Augenbraue. Sprachlos ging ich weiter und stellte die restlichen Teller ab. Was war denn das für einer? Hatte der sie noch alle? Der war ja wohl in der Steinzeit stehen geblieben, was seine Einstellung zu Frauen betraf.




    Glücklicherweise kamen die anderen schnell an den Tisch, so dass ich mich nicht weiter mit diesem Typen beschäftigen musste. Vielleicht hatte es ja einen Grund, dass ich bis jetzt nichts mit ihm zu tun hatte? Wenigstens stellte sich seine Mutter Glinda als sehr nette Frau heraus. "Mhh, diese Rippchen sind wirklich köstlich", bemerkte Dominik und leckte demonstrativ seine Gabel ab. "Jetzt besteht kein Zweifel mehr daran, dass ich meine zukünftige Frau Dominik Blech gefunden habe. Oxana Brodlowska, willst du mich heiraten?" Tristan verschluckte sich fast an dem Stück Fleisch in seinem Mund und musste kräftig husten.




    Und ich starrte ihn an. War...war das ein Scherz? Unsicher schaute ich zu seiner Mutter, die ihn aber genau so überrascht anblickte wie ich. Er hingegen guckte mich erst ganz ernst an und zuckte dann wieder auffordernd mit der Augenbraue. Hilflos sah ich zu Benny hinüber, der mit dieser Situation auch überfordert schien.




    "Nicky, du solltest dich schämen", durchbrach Glinda schließlich die Stille. "Wie kannst du unsere Gastgeberin nur so in Verlegenheit bringen. Und das in Gegenwart ihres Freundes." Dann wand sie sich an Benny und mich und ihre Wangen liefen vor Scham rot an. "Ich muss mich für das Benehmen meines Sohnes entschuldigen. Er hat manchmal die Angewohnheit, sich einen Spaß aus der Verlegenheit seiner Mitmenschen zu machen." Dominiks breites Grinsen zeigte dies ganz eindeutig.




    Der restliche Abend verlief dann aber doch noch ganz angenehm, auch wenn ich immer wieder das Gefühl hatte, von Dominik beobachtet zu werden. Glinda unterhielt uns mit ein paar netten Geschichten aus ihrer Jugend und nur zu schnell verschwand die Sonne hinter den Bergen. "Ich muss jetzt gehen, Xana", erklärte Benny, als er sich von Tisch erhob und mir einen Kuss auf die Wange hauchte. Das verursachte bei Dominik wieder so ein seltsames, abfälliges Lächeln. Na, dem würde ich es zeigen! Ich schnappte mir Benny und küsste ihn so leidenschaftlich, wie ich es nur konnte. "Wow!", konnte Benny da nur erwidern und taumelte glücklich in Richtung seines Jeeps.




    Eigentlich hatte ich gedacht, damit das dämliche Grinsen aus Dominiks Gesicht zu nehmen, aber irgendwie habe ich genau das Gegenteil erreicht, denn jetzt grinste er nur noch breiter. Wütend eilte ich ins Haus und hatte nicht vor, diesen Kerl auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Sollte Tristans sich doch mit ihm auseinandersetzen. Als ich mir sicher war, dass er und seine Mutter unser Grundstück verlassen hatten, ging ich wieder hinaus, um den Tisch abzuräumen. "Da bist du ja, mein zukünftige Frau Blech", erschreckte mich eine Stimme aus dem Schatten. Ich konnte nur das rote Glimmen einer Zigarette sehen, bis Dominik in das Licht der Verandabeleuchtung trat, eine Rauchwolke in den Nachthimmel blies und die Zigarette schließlich im Wüstenboden austrat. "Du nimmst diesen Zigarettenstummel aber gleich mit!", fuhr ich ihn an. "So weit kommt es noch, dass irgend so ein Möchtegern-Casanova meinen Garten zumüllt." Dominik grinste immer noch. "Ich liebe energische Frauen", sagte er und wieder zuckte seine Augenbraue.




    Und dann griff er meine Hand. Geistesgegenwärtig riss ich meinen Arm nach hinten und seine feuchten Lippen küssten nur die Luft und glücklicherweise nicht meine Hand. "Ich habe eine Freund", erklärte ich ihm, obwohl er das genau wusste. "Noch", war seine einzige Reaktion. Plötzlich wurde er ganz steif und verbeugte sich vor mir. "Gute Nacht, Fräulein Brodlowska. Und ich entschuldige mich vielmals dafür, falls ich ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habe." Dann dreht er sich um schritt davon. Doch dann drehte er sich noch einmal um und schrie in den Nachthimmel: "Und denk schon mal daran, die Hochzeit zu planen, zukünftige Frau Dominik Blech". Lachend lief er zu seinem Haus.

    Kapitel 37: Country Roads




    Gerade in den Mittagsstunden blieb uns immer etwas Freizeit. Es war einfach zu heiß und auch Bob legte dann gerne eine kleine Siesta ein. Bis auch uns drei, ihn und Gretchen gab es keine weiteren Menschen auf der Farm. Erst dachte ich, er und Gretchen wären verheiratet oder so, aber scheinbar waren sie es nicht, denn Gretchen verbrachte auffällig viel Zeit mit Roland und war dabei ständig am Kichern.




    Ich glaube, dass sollten Flirtversuche darstellen. Aber sicher war ich mir nicht. Schließlich erkannte ich einen Flirtversuch ja selber kaum, wenn er mir nicht mit der Holzhammermethode präsentiert wurde. Egal, was es nun war, Roland ließ es sich nicht nehmen, Gretchen auf der Schaukel anzustoßen oder mit ihr Spaziergänge durch die umliegenden Maisfelder zu unternehmen. Aber ob er wirklich an Gretchen interessiert war? Immerhin war sie mindestens Mitte dreißig und ihr Hausfrauencharme so gar nicht Rolands Typ.




    Gleich am ersten Tag auf der Farm fiel Roland ein Klavier auf, welches im Klassenzimmer stand. Die dicke Staubschicht ließ darauf schließen, dass es nicht sehr häufig genutzt wurde. Aus diesem Grund starrte Roland es die ersten Tage nur an, traute sich aber nicht darauf zu spielen. Erst als Bob und Gretchen eines Tages nach Ganado Alegro mussten, um einige Einkäufe zu erledigen, sah er seine Chance. Er hob die Klappe an und stellte ein Notenheft auf, welches er schon vor drei Tagen in einem der Bücherregale gefunden hatte. Und dann begann er zu spielen. Und nicht irgendwelche Kinderlieder wie "Alle meine Entchen" oder den "Flohwalzer", wie ich es gerade noch so hinbekommen hätte. Nein, er spielte Stücke von Bach und Mozart und sie hörten sich selbst auf diesem verstimmten Klavier herrlich an. Roland hatte zwar mal erwähnt, dass er als Kind Klavierstunden genommen hatte, aber mit so einem Talent hatte ich nicht gerechnet.




    Er beendet gerade sein Spiel und packte das Notenheft zurück in das Regal, als sein Blick auf eine Glas fiel, welches in der Ecke neben dem Klavier stand. "Was ist denn das?", dachte er und schaute neugierig hinein. Als er nichts erkennen konnte, pustete er kräftig hinein und wirbelte damit den Staub auf, der sich dort über Monate angesammelt haben musste. Schnell kniff er die Augen zusammen um sich vor den herumwirbelnden Schmutzteilchen zu schützen und musste laut niesen. Als er noch mal in das Glas spähte, konnte er gerade noch erkennen, wie ein Spinne herauskletterte und sich geschickt an einem dünnen Faden zum Boden herabließ und hinter dem Klavier verschwand. Ansonsten war das Glas leer.




    Wir waren schon zwei Wochen auf der Farm, als plötzlich eine ganze Horde Menschen hier auftauchten. Und es waren eindeutig keine Farmhilfen. Und dann kam die große Überraschung. Bob öffnete eine Tür im Erdgeschoss der Farm, die bis dahin immer verschlossen war und offenbarte uns eine Bowlingbahn. "Zweimal im Monat können die Bewohner aus Ganado Alegro und den umliegenden Farmen zum Bowlen kommen", erklärte er uns. "Diese Bahn hat noch mein Vater errichtet und seitdem ist sie eine feste Institution in dieser Gegend." Bob gab uns für den Rest des Tages frei und erlaubte uns, ebenfalls zu spielen. Tristan stellte sich zwar nicht sehr geschickt an, aber so erging es auch mir. So war unser Spiel wenigsten ausgeglichen und bis zum Schluss spannend.




    Roland entpuppte sich dagegen als wahres Naturtalent im Bowling. Aber das überraschte mich eigentlich nicht wirklich. Roland war eigentlich in jedem Bereich gut. Egal ob es darum ging, Klavier zu spielen, Fitnessübungen zu machen, die Dusche zu reparieren, zu kochen oder eben auch zu bowlen. Ein Strike folgte dem nächsten und er führte jedesmal einen Freudentanz auf und fing sich dabei Gretchens bewundernde Blicke ein. Aber es machte auch Spaß ihm zuzusehen. Irgendwo konnte ich Gretchen da verstehen.




    Und plötzlich schlug er vor, dass wir die Instrumente, die sich auf der anderen Seite des Raumes befanden austesten sollten. Eigentlich fragte er Tristan und mich nicht wirklich, sondern schob uns zum Schlagzeug und zum Bass und schnappte sich selbst die Gitarre. Doch während Tristan wagemutig begann, den Bass zu bedienen, stand ich wieder vom Schlagzeug auf. Roland guckte mich böse an. "Los mach schon, Oxana. Sei keine Spielverderberin!". Ich schüttelte mit meinen Zöpfen. "Ich singe lieber". Damit war Roland auch zufrieden und grinste mich an. "Na dann los!"

    "Almost heaven, West Virginia
    Blue Ridge Mountains, Shanandoah River
    Life is old there older than the trees,
    Younger than the mountains, blowing like the breeze.
    Country roads, take me home to the place I belong
    West Virginia. Mountain mama, take me home, country roads
    ."




    Die zahlreichen Übungsstunden unter der Dusche zahlten sich aus. Zumindest hatten die übrigen Besucher der Farm ihren Spaß. Sei es nun, weil wir so gut waren, oder weil sie sich über uns lustig machen konnten. Das war mir irgendwie egal, schließlich kannte mich ja niemand aus Ganado Alegro. Roland legte dann noch mal richtig los und lieferte den Zuschauern ein aufregendes Gitarrensolo. Gitarre spielen konnte er also auch.




    Ein paar Tage später kam Benny mich überraschend besuchen. "Ich dachte, du müsstest zum Viehtrieb nach SimVegas?", begrüßte ich ihn überschwänglich. Mit ihm hätte ich nun wirklich nicht gerechnet und ließ ihn kaum zu Wort kommen, weil ein Kuss dem nächsten folgte. "Ich hab es ohne dich nicht mehr ausgehalten und bin mit dem Jeep hergefahren. Mein Chef weiß nichts davon und ich muss morgen früh wieder bei der Herde und den anderen sein."




    Das war ja so lieb von ihm. Einfach alles stehen und liegen zu lassen, nur um mich zu sehen. Wir schlenderten Hand in Hand zur Veranda des Haupthauses und ließen uns auf der Bank nieder. Benny musste kichern, als ich anfing ihn im Nacken zu kraulen. Das machte er immer, wenn ich das tat und ich fand es süß, wie alles andere an ihm auch. Wir blieben sehr lange dort sitzen, bis Benny schließlich los musste, wenn er es noch vor Anbruch des Morgens zurück zur Herde schaffen wollte.




    Bennys Besuch hatte mir neue Kraft für die folgenden Tage gegeben. Und es kam mir auch ganz recht, dass Bob uns nun die Pflege der Rinder anvertraute. So fühlte ich mich Benny irgendwie verbunden, der jetzt irgendwo zwischen Ganado Alegro und SimVegas war, um die Rinderherde seines Chefs zum Viehbahnhof in SimVegas zu treiben, von wo aus das Vieh dann zu den Metropolen der SimNation, wie Simtropolis und SimCity, verfrachtet wurde.
    Tristan und Roland betrachteten die Rindviecher eher vorsichtig, wobei eine der Kühe ihre raue Zunge Richtung Rolands Hand ausstreckte und dabei mit ihren Augen rollte. Rolands Hand zuckte intuitiv weg und ich musste über seine Angst lachen. "Das sind doch nur freundliche, große Vegetarier".




    Obwohl die Farm über einen automatischen Melkroboter verfügte, wollte Bob, dass wir auch lernten, die Milchkühe mit der Hand zu melken. "Man kann schließlich nie wissen, wann die Technik einmal versagt", begründete er seine Entscheidung. "Und auf Eure Hände ist immer verlass". So große Angst ich auch vor den Pferden gehabt hatte, die Rinder waren mir sofort vertraut. Ich platzierte einen Eimer unter die Euter des Tieres und hockte mich auf ein Dreibein, welches griffbereit neben dem Gatter stand. Und auch wenn es eine Weile dauerte, bis ich die richtige Technik heraus hatte, schließlich spritzte die Milch mit kräftigen Strahlen abwechselnd aus einer der zwei Zitzen, die ich in meinen Händen hielt.




    Die Wochen flogen nur so dahin und langsam hatte ich das Gefühl, dass wir drei, Tristan, Roland und ich, es tatsächlich schaffen könnten, aus der "Grünspan Farm" einen erfolgreichen landwirtschaftlichen Betrieb zu machen.
    Dieser Meinung war scheinbar auch Bob, den er zog sich mehr und mehr zurück und überließ uns die Leitung des Hofes für die letzte Woche. Und das klappte wirklich gut. Außer natürlich, Roland und Tristan spielten sich mal wieder gegenseitig Streiche, wie etwa, dass Tristan die Leiter zum Scheunenboden versteckte, während Roland oben war. Und wer durfte die Leiter dann suchen, während Tristan sich irgendwo versteckte und kringelich lachte?




    Immerhin stellte Roland fest, dass wir auf keinen Fall irgendwelche Tier in der Nähe unseres Hauses halten sollten. Zwar hielt sich der Gestank des Misthaufens in Grenzen, da er dank der Hitze sofort austrocknete, angenehm war der Geruch aber trotzdem nicht. In diesem Punkt konnte ich ihm nur zustimmen.




    Und dann war es auch schon so weit. Unsere vier Wochen auf der Lehrfarm waren vorüber. Gefeiert wurde das mit einem großen Feuer, das Bob mitten auf dem Hofplatz entfachte. Gretchen brachte uns Marshmallows, die wir auf Stöckchen aufspießten und in die Flammen hielten.




    Na gut, in die Flammen sollte man sie vielleicht nicht direkt halten, denn dann kommen schwarze verkohlte Irgendetwas dabei heraus. Beim zweiten Mal war ich dann auch schlauer und hielt meinen Marshmallow auch nur in die Hitze über den Flammen und verschlang dann die süße, klebrige, weiße Masse.




    Und wie es sich gehört, musste natürlich auch um das Feuer herum getanzt werden. Da ich das mit Roland schon bei meiner Party für die Farmervereinigung gemacht hatte, schnappte ich mir dieses Mal Tristan. Ich musste ihm zwar erst die Schritte zeigen, aber er begriff schnell und wir hüpften wie kleine Kinder um das Feuer.




    Noch am gleichen Abend holte Albert uns ab. Bob und Gretchen verabschiedeten sich von uns. Insbesondre Gretchen schien sehr betrübt darüber zu sein, dass wir gingen, wobei dies sicherlich Rolands Verdienst war. Bob wünschte uns noch viel Glück für die Zukunft: "Macht genau dort weiter, wo ihr hier aufgehört habt. Was ich euch beibringen konnte, war nur ein kleiner Teil dessen, was ihr noch lernen müsst. Aber immerhin habt ihr jetzt ein Grundwissen, auf das ihr aufbauen könnt. Die Kappes werden euch zur Seite stehen. Und ich hoffe inständig, dass ihr Erfolg haben werdet."


    star of Night
    Vielen dank für deinen Kommentar. Ich hab mich riesig gefreut.
    Ich weiß leider nicht mehr, wo ich die Tiere runtergeladen habe. Es sind aber alles nur Deko-Objekte, die sich nicht bewegen. Das sieht auf Bildern iner Story ganz nett aus, aber fürs Spiel selbst hat es kaum einen Nutzen.

    Kapitel 36: Der Hahn auf dem Misthaufen




    Noch am gleichen Tag kündigten Roland und Tristan ihre Jobs und es schien so, als ob es beiden nicht sonderlich schwer fiele. Ich war den beiden unendlich dankbar, dass sie das für mich taten. Wir packten unsere Sachen und Albert holte uns am Abend ab, um uns auf die Farm zu bringen, wo wir die nächsten Wochen damit verbringen sollten, die Grundlagen der Landwirtschaft zu erlernen.




    Im Inneren wurden wir bereits von Gretchen, der Hauswirtschafterin, erwartet. "Folgen Sie mir bitte", forderte sie uns auf und stieg die Treppen in den ersten Stock des Hauses hinauf. Dort schritten wir einen langen Gang entlang, bis wir zu einer weiteren engen Treppe kamen, die uns direkt unter das Dach führte. Die Luft dort oben war drückend heiß, aber ansonsten war der Dachboden aufgeräumt. "Hier werden sie die nächsten Wochen schlafen", erklärte Gretchen und zeigte auf die Betten in den Fensternischen. "Die Duschen befinden sich eine Etage tiefer direkt neben der Treppe. Abendessen gibt es um sechs, Frühstück um halb sechs. Das Mittagessen wird je nachdem wie es mit der Arbeit aussieht bereitet. Der Unterricht beginnt morgen um halb sieben. Seien sie also pünktlich." Nach dieser Auskunft verabschiedete sie sich knapp und stieg die Treppe wieder hinunter.




    Roland ließ sich sofort auf eins der Betten fallen. "Die sind gar nicht mal so unbequem", bemerkte er, nachdem er es sich gemütlich gemacht hatte. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand, auf das Tristan sich gerade setzte und ließ den Raum auf mich wirken. "Nichts als Felder ringsherum", stellte Tristan enttäuscht bei einem Blick aus dem Fenster fest. "Ich glaube nicht, dass man hier abends irgendetwas unternehmen kann."




    Den ganzen Abend wollten wir natürlich nicht in der stickigen Dachkammer verbringen, also stiegen wir hinunter und sahen uns auf dem Hof um. Direkt neben dem Haupthaus stand eine rote Scheune, die auch als Kuhstall genutzt wurde. Daneben befanden sich zwei hohe Silotürme. Ansonsten war da nur noch Mais. Mais, soweit das Auge reichte.




    Mitten auf dem Hof stand ein alter, vertrockneter Baum. Das allein war nicht sonderlich interessant, denn solche Bäume fand man zuhauf in der Sierra Simlone. Was meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, war eine Schaukel, die sich sacht im Wind bewegte. Ich umfasste die Halteseile mit meiner Hand, senkte mich auf die Sitzfläche hinab und stieß mich leicht vom Boden ab. Der Ast über mir knartschte bedrohlich, aber er hielt. Und von der Schaukel aus beobachtete ich, wie die Sonne in einem Meer aus Mais versank.




    Ich schlief erstaunlich gut in dieser Nacht. Vielleicht lag es daran, dass die Sorge über die Zukunft meines kleinen Hauses endlich von mir gefallen war. Das Krähen eines Hahnes kündigte schließlich den anbrechenden Tag und damit den Beginn unserer Ausbildung zum Landwirt an. Unter der erfrischenden Dusche wusch ich mir den Schweiß vom Körper und ging dann hinunter zur Veranda, wo Gretchen bereits das Frühstück serviert hatte und Roland und Tristan es sich schmecken ließen. Bis jetzt kam mir der Aufenthalt hier schon beinah wie Urlaub vor.




    Nach dem Frühstück stand dann der Unterricht auf der Tagesordnung. Wir drei waren zurzeit die einzigen Schüler. Es war ein komisches Gefühl wieder die Schulbank drücken zu müssen. Nachdem ich SimCity verlassen musste, hatte ich auch die Schule abgebrochen und niemals mein Abitur gemacht. Aber ich war auch nie eine wirklich gute Schülerin gewesen. Ich blätterte in dem Lehrbuch, das auf meinem Tisch lag und betrachtete die bunten Abbildungen der Tier und Pflanzen, als ein Mann Ende vierzig den Klassenraum betrat.



    Er stellte sich als Bob Rembert vor und er würde uns in den nächsten Wochen sowohl die theoretische, als auch die praktischen Aspekte des Farmerlebens vermitteln. "Es ist wichtig, dass Sie sich der Verantwortung bewusst sind, die ein Leben als Farmer, gerade in einer Region wie der Sierra Simlone, mit sich bringt". Er blickte uns der Reihe nach eindringlich in die Augen. "Ohne uns Farmer, wäre dieser Teil der SimNation eine kahle, trostlose Wüste. Doch Dank unserer Arbeit, Dank unserer umfassenden Bewässerungsprogramme und Dank unsere Aufopferung für dieses Land ist es uns gelungen, die Sierra Simlone in eine fruchtbare Oase zu verwandeln. Doch denken Sie immer daran, wenn wir auch nur für einen Moment mit unseren Bemühungen aufhören, dann verwandelt sich dieses Land zurück in die Ödnis, die es ursprünglich war."
    Insbesondere Roland war gefesselt von Bobs Ansprache und auch ich musste zugeben, dass es mich plötzlich stolz machte, bald einen wichtigen Anteil daran zu haben, die Sierra Simlone zu einem angenehmen Lebensraum für die Menschen zu machen.




    Bob begann, uns ausführlich, das Klima der Sierra Simlone zu erklären und die Folgen, die dieses trockene und heiße Klima für die Nutzung des Landes bedeutete. Die Böden hier waren zwar trocken und unfruchtbar, aber die Sierra Simlone verfügte über riesige unterirdische Wasservorkommen, die regelmäßig mit dem Wasser der kräftigen Niederschläge in den Bergen um SimVegas aufgefüllt wurden und eine intensive Bewässerung des Landes erlaubten. Und Dank modernster Kunstdünger und spezieller Zuchtsorten, waren die weiten Ebenen der Sierra Simlone perfekt für die Landwirtschaft geeignet. Unser erster praktischer Unterrichtsteil bestand darin, sich mit dem gängigen Pflanzen vertraut zu machen. Fenchel, Tomaten, Gurken, Hülsenfrüchte. Alles wurde hier angebaut. Alles mehr oder weniger erfolgreich. Insbesondere die sengende Sonne bereitete den meisten Pflanzen Probleme.
    Bob gab uns den Auftrag, selbst zu experimentieren und anhand der Lehrbücher und seiner morgendlichen Vorträge zu erforschen, welche Maßnahmen zu treffen sein, um die Pflanzen am Leben zu erhalten. Allerdings war ich dabei nicht so erfolgreich. So musste ich feststellen, dass meine Tomaten alles andere als gut aussahen. Sie wirkten teilweise...gegrillt? Tristans Fenchel gedieh dagegen prächtig und Roland begann sich intensiv mit den Bodenverhältnissen und den notwendigen Düngern zu beschäftigen.




    Nach etwa eineinhalb Wochen schickte Bob uns in die Maisfelder. Irgendetwas würde nicht stimmen, teilte er uns mit und wir sollten entscheiden, was dem Mais fehlte und welche Gegenmaßnahem zu treffen sein. Ich muss zugeben, dass ich damit absolut überfordert war. Für mich sah der Mais völlig normal aus. Wie Mais halt. Wir verbrachten fast zwei Stunden im Feld und untersuchten die Maispflanzen von der Wurzel bis zur Blüte.




    Und schließlich war es Roland, der einen seltsamen bräunlich-roten Belag auf den Blättern der Pflanzen feststellt. Die Recherche in einem Buch über Pflanzenschädlinge offenbarte, dass es sich bei dieser Verfärbung um einen Pilz handelte, der sich mit einem dort aufgeführten Fungizid bekämpfen ließ. Wir teilten Bob unser Ergebnis mit und er beglückwünschte uns, denn wir hatten genau das herausgefunden, was er bereits gestern an den Pflanzen entdeckt hatte. "Dann können wir uns ja gleich daran machen, das Fungizid aufzutragen", erklärte er. "In der Scheune liegt die Ausrüstung bereit. Der Mais ist schon zu hoch, um mit dem Tracktor zu spritzen. Der Pilzbefall begrenzt sich auf etwa einen Hektar Mais. Wir könne also noch manuell spritzen." Ich atmete erleichtert auf. Ein Hektar konnte ja nicht so viel sein. "Das heißt, in zwei Tagen sollten wir damit fertig sein", beendete Bob seinen Vortrag und machte sich lachend auf den Weg zur Scheune.




    Aus den zwei Tagen wurden schließlich dreieinhalb Tage. In der Schutzkleidung und unter der Atemschutzmaske war es fast nicht aushalten und das, obwohl wir die Arbeit in die frühen Morgenstunden und den Abend verlegten. Ich glaube, ich habe noch nie so viel geschwitzt wie in diesen Tagen.
    Deshalb war ich auch unheimlich froh, als wir endlich von den Feldern wegkamen und uns mit der Tierzucht auseinander setzten. Auf der Farm selbst gab es zwar keine Schweinemast, aber es wurden hier Ferkel aufgezogen, die dann an Mastbetriebe weiterverkauft wurden. Die Ferkel waren schon sehr niedlich. Und wenn man in ihre Augen blickte, hatte man fast das Gefühl, einem Menschen ins Gesicht zu blicken. Zwar war es auch anstrengend, regelmäßig das Gehege vom Schweinedreck zu befreien, aber der Anblick der spielenden Ferkel entschuldigte für vieles.




    Die Pferde waren dann doch etwas, wovor ich gehörigen Respekt hatte. Ich meine, die sind immerhin größer als ich und ich hatte keine Lust Bekanntschaft mit ihren Hufen zu machen. Doch Bob erlaubt mir nicht, diese Lektion ausfallen zu lassen. "Du wirst immer wieder mit Pferden arbeiten müssen, Oxana. Gerade hier in der Sierra Simlone sind wir immer wieder auf diese Reittiere angewiesen." Dann drückte er mir einige Werkzeuge in die Hand, die mich an Spatel erinnerten. "Das ist für die Hufe", erklärte er. "Du musst sie säubern und kontrollieren, ob die Eisen noch richtig sitzen. Wenn nicht, müssen wir sie neu beschlagen lassen".




    Vorsichtig traute ich mich an eines der Pferde heran und strich ihm beruhigend über den Hals. "Ganz ruhig, mein Großer", sagte ich mehr um mich, als das Tier zu beruhigen und hob langsam den Huf des Tieres an. Tristan beobachtete mich mit Spannung, denn er würde das zweite Pferd übernehmen müssen. "Tristan!", unterbrach Rolands Ruf meine Konzentration und ich rutschte mit dem Spatel ab, worauf hin das Pferd kräftig zur Seite auswich und mich fast umwarf. "Was ist?", fragte Tristan ärgerlich, doch Roland winkte ihn nur zu sich hinüber. Dass ich fast zertrampelt worden wäre, interessierte scheinbar niemanden.




    "Was willst du denn?", fragte er noch einmal, als er bei Roland ankam. "Kannst du mal auf den Misthaufen klettern?", erwiderte dieser. Tristan starrte Roland verwirrt an, aber als keine weitere Erläuterung folgte, tat er einfach, was Roland verlangte. "Und jetzt?". "Wenn du schon mal da oben bist, dann kannst du ja das Hühnerhaus ausmisten", schlug Roland mit unschuldigem Blick vor. "Die Schaufel liegt direkt neben dir. Ich kann derweil...äh...schon mal die Tomaten gießen." Er drehte sich um und verschwand in Richtung des Gemüsegartens. "Verdammt!", dachte Tristan und schaute Roland ungläubig hinterher. "Er hat mich hereingelegt!"


    Kapitel 35: Farm oder nicht Farm?




    Ich verbrachte eine sehr unruhige Nacht. Albert hatte gestern bei seinem Abschied zwar sehr zuversichtlich geklungen, aber ich hatte trotzdem furchtbare Angst, mein Haus zu verlieren. Glücklicherweise rief Albert schon sehr früh am Morgen an. Doch anstatt mir zu erzählen, was er in Erfahrung gebracht hatte, bat er mich in seinen Wagen zu steigen. Wir fuhren hinaus aus der Stadt und plötzlich tauchten rechts und links von uns Mais- und Flachsfelder auf. Die sonst so karge Sierra Simlone war kaum wieder zu erkennen. Wir hielten an und Albert führte mich auf einen Weg zwischen den Feldern. "Schau dir alles genau an, Oxana", sagte er schließlich. "Auch so kann die Sierra Simlone aussehen. Grün und voller Leben. Man muss nur sehr viel Arbeit investieren." Das sah ich ein, aber warum zeigte Albert mir all dies?




    Wir gingen weiter den Feldweg entlang immer tiefer in die Felder hinein. Bis auf der linken Seite das Flachsfeld unerwartet endete und sich stattdessen der verdorrte, unfruchtbare Wüstenboden offenbarte. "Hier hat wohl jemand nicht genug Arbeit investiert", bemerkte ich sarkastisch, da man genau sehen konnte, dass auch dieses Feld irgendwann einmal bestellt worden war. Albert nickte. "Genau so ist es. Und zwar hast du nicht genügend Arbeit in dieses Feld gesteckt. Denn genau hier beginnt dein Land. Deine 55 ha."




    Ich schaute mich um und konnte das Ende des vertrockneten Feldes gar nicht ausmachen, so riesig war es. Doch Albert hatte mir noch mehr zu zeigen. "Siehst du diesen Zaun dort?" ich nickte. "Auch dass gehört alles noch dir. Der alte Señor Verdura, der ehemalige Besitzer der "Grünspan Farm" hat hier bis zu seinem Tod vor einigen Jahren Rinder gezüchtet." Langsam schritt ich auf das Gatter zu und mit etwas Druck öffnete es sich knarrend. Das war also alles meins? Und ich hatte es noch nicht einmal geahnt.




    Warum zeigst du mir das alles, Albert?", fragte ich ihn traurig. "In dem Brief stand doch, dass ich das Haus und somit auch das Land in drei Monaten ohnehin verlassen muss. Jetzt ist es also auch egal." "Ich hab mit der Farmervereinigung gesprochen", antwortete Albert. "Wenn du das Haus wirklich behalten möchtest, dann geben sie dir noch mal eine Chance. Du musst aber dieses Land bewirtschaften. Das ist die Bedingung." Er reichte mir ein Schreiben der Farmervereinigung. "Hier steht alles genau erklärt. Jetzt liegt es an dir zu entscheiden, was du möchtest. Ich weiß, dass es keine leichte Entscheidung ist."







    "Auf meinen Wunsch hin, ließ Albert mich allein auf meinem Land zurück, von dem ich bis vor zwei Tagen noch nicht einmal geahnt hatte. Ich wusste, dass der Weg zurück nach Sierra Simlone Stadt lang war, aber ich brauchte die Zeit, um mir darüber klar zu werden, was ich wollte. Doch erst als ich auf mein kleines grünes Haus zukam, das hell erleuchtet in der kühlen Abendluft stand wurde mir bewusst, dass dies mein Zuhause war. Ich wollte hier bleiben, egal was ich dafür auch tun musste.




    Als ich die Tür öffnete, konnte ich das fröhliche lachen von Roland und Tristan hören. Nein, ich wollte diese "Familie" um keinen Preis verlieren...nicht noch einmal. Als sie bemerkten, dass ich von meinem Treffen mit Albert zurück war, wurden sie augenblicklich still und warteten auf das, was ich ihnen zu sagen hatte. Schließlich ging es auch um ihre Zukunft. "Albert hat mir heute das Land gezeigt", begann ich zu erzählen. "Unser Land, was wir eigentlich als Pächter dieser Farm hätten bestellen müssen. Und Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Aber die Farmervereinigung lässt uns hier wohnen bleiben." Roland und Tristan rissen beide überrascht die Augen auf und ihre Gesichter hellten sich auf. Allerdings hatte ich noch nicht zu Ende gesprochen. "Aber wir müssen die Farm bestellen. Wir müssen nachweisen, dass wir mindesten zwei Drittel der Fläche landwirtschaftlich nutzen oder wir müssen die Farm in drei Monaten verlassen. So sind die Bedingungen."




    Es herrschte betroffene Stille. "Wir haben doch überhaupt keine Ahnung, wie man das Land bewirtschaftet. Wie sollen wir das denn anstellen?", sprach Tristan den Gedanken aus, der uns alle beschäftigte und schaute abwechselnd zu mir und zu Roland herüber.




    Da holte ich das Schreiben heraus, das Albert mir auf der Weide gegeben hatte und zeigte es den beiden. "Falls wir uns dazu entschließen sollten zu bleiben, werden wir für vier Wochen auf eine Farmschule in der Nähe von Ganado Alegro geschickt. Dort werden uns dann die notwendigsten Kenntnisse zum Bewirtschaften einer Farm in der Sierra Simlone vermittelt. Zudem würden wir einen günstigen Kredit von der Farmervereinigung erhalten um die ersten Jahre überstehen zu können."




    "Ich weiß, dass ich euch zu nichts zwingen kann, aber ich möchte dieses Haus behalten. Ich möchte Sierra Simlone Stadt nicht mehr verlassen. Und ich glaube, wenn wir das gemeinsam angehen, dann werden wir das auch schaffen. Dann werden wir aus der "Grünspan Farm" wieder einen florierenden Agrarbetrieb machen. Ihr müsste euch nicht jetzt sofort entscheiden. Ich kann verstehen, dass ihr Zeit braucht, um alles genau abzuwägen. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr beide mich bei dieser Sache unterstützen würden, denn alleine werde ich es wahrscheinlich nicht schaffen."




    Ich ging in mein Zimmer, aber dort hielt ich es nicht lange aus. Zum einen war da diese drückende Hitze im Raum, die erst in den frühen Morgenstunden erträglicher werden würde. Zum anderen machte ich mir aber viel zu viele Gedanken darüber, wie Roland und Tristan sich wohl entscheiden würden. Schließlich würde es für beide bedeute, ihren bisherigen Job aufzugeben. Ich musste mit jemanden reden, also rief ich Benny an, der versprach, sofort zu kommen. Ich setzte mich nach draußen auf die Bank vor dem Haus und wartete, bis mein Freund endlich mit dem Geländewagen vor unserem Haus hielt. Er begrüßte mich mit einem liebevollen Kuss und setzte sich zu mir. Ich erzählte ihm von dem Angebot der Farmervereinigung und von der schweren Entscheidung, die meine beiden Mitbewohner jetzt treffen mussten. "Mach dir keine Sorgen, Oxana", versuchte er mich zu beruhigen. "Ich bin mir sicher, dass alles gut wird. Und im schlimmsten Fall finden wir gemeinsam eine Lösung".




    Ich war so dankbar dafür, Benny zu haben. In dieser Nacht fuhr er nicht wieder zurück auf die Ranch, auf der er angestellt war, sondern blieb bei mir. Trotz der Hitze schmiegte ich mich eng an seinen Körper, denn ich wollte jetzt ganz nah bei ihm sein. Und als ich so den angenehmen Duft seiner Haut einatmete und seinem gleichmäßigen Atmen lauschte, vergaß ich für einen Moment meine Sorgen und viel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.





    Doch als ich am Morgen die Augen aufschlug kreisten meine Gedanken sofort wieder um die Zukunft meines Zuhauses. Ich ging hastig in die Küche und fand Roland und Tristan bereits am Kückentisch sitzend vor. An meinem Platz stand ein duftendes Omelett und ich nahm mir auch vor es zu essen und die beiden nicht mit irgendwelchen Fragen unter Druck zu setzen. Sie würden mir ihre Entscheidung schon mitteilen, wenn sie sich entschlossen hätten. Aber schließlich konnte ich nicht länger warten. "Habt ihr es auch überlegt? Habt ihr entschieden, ob ihr mir beim Aufbau der Farm helfen wollt?" Ich schaute nervös vom einen zum anderen, bis Tristan sich zu Roland drehte und ihn ernst anblickte: "Willst du es ihr sagen oder soll ich?"




    Roland begann zu sprechen: "Wir haben uns heute Nacht noch lange unterhalten, Oxana. Aber schließlich sind wir uns einig geworden". Meine innere Anspannung wurde immer unerträglicher, doch plötzlich wandelte sich Rolands starrer Gesichtsausdruck in ein warmes Lächeln. "Wir werden dir helfen, Oxana und dich bei allem unterstützen. Du kannst also auf uns beide zählen."




    Ich war so glücklich diese Worte aus seinem Mund zu hören, dass die Tränen mir über die Wangen liefen. Ich ging auf Roland zu und umarmte ihn so fest ich konnte. "Danke, ich danke euch beiden so sehr", brachte ich schluchzend hervor und lächelte dabei auch Tristan zu, der etwas verlegen immer noch auf seinem Platz am Tisch saß.


    star of Night


    Vielen Dank für dein Lob. Es freut mich immer wieder, ein wenig Rückmeldung zu bekommen.
    Ich arbeite gerade an den letzten Kapiteln der Geschichte, in denen ist Oxana aber bereits fast 50, es liegt also alles weit in der Zukunft. Alle bisher veröffentlichten Kapitel lagen schon etwas länger auf meiner Festpaltte und ich habe noch sehr viel Material für weitere Fortsetzungen.


    Gruß
    Stev

    Kapitel 34: Nachricht von der Farmervereinigung




    Eigentlich sollte Tristan nur vorrübergehend bei uns wohnen bleiben. Aber inzwischen gehörte er einfach unzertrennlich zu unserer WG. Und deshalb haben Roland und ich beschlossen, ihn offiziell bei uns aufzunehmen und das Haus entsprechend auszubauen. Mit unserem Ersparten konnten wir das Esszimmer ein klein wenig erweitern und ein weiteres Zimmer neben dem von Roland anbauen.




    Denn auf Dauer wurde es doch ein wenig nervig, dass Roland und Tristan sich ein Zimmer und sogar ein Bett teilen mussten. Und spätestens seitdem ich mir mein Bett und Zimmer mit Letizia teilen musste, wusste ich die Privatsphäre eines eigenen Zimmers zu schätzen. Tristan schien auch alle Fälle sehr glücklich über sein neues Zimmer zu sein.




    Der Architekt hat sich große Mühe gegeben, die Form unseres Hauses nicht zu zerstören. Und ich fand, es ist ihm ganz gut gelungen. Der Anbau fügte sich sehr gut an und trotzdem wirkte das Haus nicht zu massiv, aber auch nicht zu zerstückelt.




    Eines Morgens holte ich wie gewöhnlich die Post aus dem Briefkasten. Doch neben den üblichen Rechnungen und Werbeschreiben fand sich noch ein unerwarteter Brief. Der Absender war die "Farmervereinigung der Sierra Simlone" und der Brief war eindeutig an Roland, Tristan und mich adressiert.




    Ein Brief von der Farmervereinigung? Was konnten die denn bloß von mir wollen? Für die Party, die ich letztens ausgerichtet hatte, haben sie sich schon längst bedankt. Ich setzte mich zu den Jungs an den Frühstückstisch und holte den Brief aus dem Umschlag. Doch was ich da las konnte einfach nicht wahr sein. Ich musste mich verlesen haben! Doch da stand es, schwarz auf weiß.




    "Die wollen mir das Haus wegnehmen", unterbrach ich Tristan und Roland in ihrer Unterhaltung. "Guter Witz", lachte Tristan. "Dabei ist doch heute gar nicht der erste April." Doch mir war überhaupt nicht zum Lachen zumute und ich schaute Roland mit ernster Mine an, der sofort erkannte, dass es mein voller Ernst war.




    Ich reichte Roland den Brief und er begann zu lesen. Tristan saß nun auch schweigend am Tisch und wartete auf Rolands Reaktion. "Ich fürchte, du hast Recht, Oxana", erklärte Roland bedrückt, nachdem er den Brief sorgfältig gelesen hatte. "Die Farmervereinigung will, dass wir das Haus verlassen, weil angeblich gegen irgendwelche Bestimmungen verstoßen worden ist. Wir haben drei Monate Zeit uns was Neues zu suchen." Rolands Worte trafen mich hart. Bis jetzt hatte ich gehofft, den Brief nur falsch verstanden zu haben.




    Die Tränen schossen mir in die Augen und ich könnte nicht mehr länger am Tisch sitzen bleiben. Ich dachte, ich hätte endlich ein neues Zuhause gefunden und nun sollte alles wieder vorbei sein? Das war doch nicht möglich. Tristan sah hilflos zu Roland hinüber, doch der schüttelte nur mit dem Kopf: "Lass sie für einen Moment allein. Sie muss diese Nachricht erst einmal verdauen".




    Ich war froh, dass Roland mich erst einmal in Ruhe ließ. Aber ich war auch froh, als er schließlich zu mir vors Haus kam, wo ich die letzte halbe Stunde Wüstenameisen dabei beobachtet habe, wie sie unter meiner Veranda ein Nest anlegten. Diese Insekten mussten sich keine Sorge darüber machen, dass sie bald obdachlos sein würden. "Was sollen wir jetzt machen?", fragte ich Roland. Im Gegensatz zu mir wirkte er sehr gelassen. "Wenn wir tatsächlich hier raus müssen, dann finden wir bestimmt auch eine neue Bleibe". Darüber hatte ich auch schon nachgedacht, aber ihm war genauso klar wie mir, dass es fast unmöglich war, eine Unterkunft in Sierra Simlone Stadt zu bekommen. Ganz zu schweigen davon, wenn man zu dritt war. "Versuch doch mal, mit denen von der Farmervereinigung zu reden", schlug Roland schließlich vor. "Die Kappes sind doch auch Mitglieder. Vielleicht wissen sie ja, was es mit diesem Brief genau auf sich hat."







    Da hatte Roland natürlich Recht. Gerda und Albert würden sicher wissen, was es mit diesem Brief auf sich hatte und vielleicht hätten sie auch eine Lösung für mich, damit ich mein Haus behalten konnte. Ich rief sofort an und Albert versprach mir, sich mit mir im Longhorn Saloon zu treffen.




    Wir setzten uns an die Theke und bestellten was zu Essen. Aron erkannt mich natürlich sofort wieder, doch ich hatte keine Zeit mich mit ihm zu unterhalten. Viel wichtiger war jetzt der Brief. Während wir auf das Essen warteten, gab ich ihn Albert, der sich ihn gründlich durchlas. Als er ihn weglegte, wirkte sein Gesicht aber alles andere als zuversichtlich. "So wie es aussieht, hat die Farmervereinigung gar keine andere Wahl, als auch aus eurem Haus zu vertreiben, denn ihr habt gegen die Agrarrichtlinien der Sierra Simlone verstoßen."




    "Was sollen wir den angeblich getan haben?", fragte ich leicht genervt, da die Vereinigung es nicht einmal für nötig hielt, mir einen vernünftigen Grund für den Rauswurf zu nennen. "Die Frage ist nicht, was ihr gemacht habt, sondern eher, was ihr nicht gemacht habt", entgegnete Albert. "Ihr habt gegen §21 der Agrarrichtlinien verstoßen. Ganz einfach ausgedrückt, ihr habt euer Land nicht bewirtschaftet, obwohl ihr gesetzlich dazu verpflichtet gewesen wärt."




    Jetzt war ich total verwirrt. Welches Land den bitteschön? Ich besaß kein Land. Nicht einmal das Haus gehörte mir richtig. Es würde erst in etwas mehr als vier Jahren endgültig an mich übergehen. Was wollte also die Farmervereinigung von mir? Albert konnte mir ansehen, dass ich das alles nicht verstand. "Wir können gleich zum Provinz-Archiv gehen", schlug er deshalb vor. "Dort finden sich alle Grundbucheinträge. Dann können wir auch gleich herausfinden, von welchem Land in diesem Brief die Rede ist."







    Das Archiv wurde erst vor wenigen Wochen eröffnet und ersetzte nun die vielen kleinen Archive, die zuvor über die ganze Sierra verteilt gewesen waren. Trotzdem war es nicht leicht, die aktuellsten Grundbücher unter all den Dokumenten zu finden und das fünfzehnjährige Mädchen, das gelangweilt im Empfangsbereich saß, war uns dabei auch keine allzu große Hilfe.




    Doch dann fand ich die gesuchten Dokumente. "Simlane 10, Sierra Simlone Stadt. Grundstück befindet sich im Besitz der Provinzbehörde. Derzeitige Pächter: Oxana Brodlowska, Roland Reichert, Tristan Linse. Eingetragen als "Grünspan Farm". Umfasst das Wohngebäude mit der obigen Adresse, sowie 56,45 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Die "Grünspan Farm" unterliegt den Regelungen der örtlichen Farmervereinigung." Ich konnte kaum glauben, was ich dort las. Mir gehörten also mehr als 55 Hektar Land? Ich gab Albert das Grundbuch. "Also dir gehört das Land, dass zwischen unserem und dem Land der Tülles liegt", lachte er. "Ich hab schon seit Jahren versucht, den Besitzer zu ermitteln." "Und was soll ich jetzt tun?", fragt ich ihn ratlos. "Fahr erst einmal nach Hause", riet mir Albert. "Und ich werde mich mit der Farmervereinigung in Verbindung setzten und mich informieren, was du jetzt machen kannst. Ich rufe dich sofort an, wenn es etwas Neues gibt."

    Kapitel 33: Faustkampf





    Wir blieben das ganze Wochenende in SimVegas und ich wollte lieber gar nicht wissen, was dieser Kurzurlaub Benny gekostet hatte. Aber ich würde mich revanchieren und das Tag für Tag aufs Neue. Er brachte mich bis nach Hause, wo ich mich von ihm mit einem langen Kuss verabschiedete. Alleine die Vorstellung heute Nacht nicht wieder neben ihm einschlafen zu können brach mir fast das Herz.




    Aber ich hatte ja Letizia. Zumindest dachte ich das, denn als ich die Tür zu meinem Zimmer öffnete, offenbarte sich mir eine Szene, die ich lieber nicht gesehen hätte. Da lagen doch tatsächlich Letizia und Roland auf meinem Bett und...naja...machten es miteinander. Ich schloss die Tür leise wieder und hoffte, dass die beiden mich nicht bemerkt hätten. Danach ging ich rüber zu Rolands Zimmer und legte mich zu Tristan ins Bett. Morgen musste ich als erstes meine Bettwäsche wechseln!




    Dummerweise entwickelte sich Letizia in den folgenden Tagen zu einer immer größeren Plage. Hat sie uns früher nur mit ihren Sticheleien und ihrer Faulheit zur Weißglut getrieben, wurde sie plötzlich auch noch handgreiflich. Ihr bevorzugtes Opfer war dabei Tristan, der eine Frau schlecht zurückschlagen konnte. Ich bekam langsam das Gefühl, dass Letizia Orléans nicht freiwillig verlassen hatte, sonder ins Exil geschickt worden ist.




    Und dann ging sie auch auf mich los! Ohne großartige Vorwarnung schlug sie mit ihrer Faust auf mich ein und beschimpfte mich mit französischen Schimpfwörtern, deren Bedeutung ich gar nicht wissen mochte. Doch da hat sie die Falsche angegriffen. Erst schlug ich zurück und dann sagte ich ihr mal ordentlich die Meinung, denn jetzt hatte sie die Grenze überschritten.




    "Du Miststück!", schrie ich sie an. "Was fällt dir ein, mich zu schlagen? Ich hab dich in mein Haus aufgenommen und deine ganzen Sticheleien über mich ergehen lassen. Ich hab zugesehen, wie du Tristan erniedrigt und Roland nach Strich und Faden ausgenutzt hast, aber jetzt bist du eindeutig zu weit gegangen. Nimm deinen französischen A**** und verschwinde aus meinem Haus! Ich will dich hier nie wieder sehen!"




    Letizia funkelte mich mit ihren teuflischen, roten Augen an, als ob sie mich gleich anspringen wollte. Doch ich gab keinen Zentimeter nach und meine finstere Mine gab ihr deutlich zu verstehen, dass sie jetzt lieber nichts mehr sagen und einfach verschwinden sollte.




    Was sie dann auch tat. Noch während sie ihre Sachen in den Koffer packte, rief ich ein Taxi, dass dieses Monster so schnell wie möglich aus meinem Haus, ja am besten aus der Sierra Simlone oder der ganzen SimNation, fortschaffen sollte. Roland war der einzige, der sie hinausbegleitete um sich zu verabschieden, doch sie würdigte ihn nicht einmal eines Blickes.




    Am nächsten Morgen musste ich mich dann bei Roland entschuldigen. "Es tut mir leid, dass ich Letizia aus dem Haus werfen musste, aber sie hat mir einfach keine andere Wahl mehr gelassen. Und auch wenn du sie scheinbar liebst, ändert es nichts daran, dass diese Frau den verdorbensten Charakter hat, den ich je bei einem Menschen erlebt habe." Roland sah mich zweifelnd an. Scheinbar hatte ihn Letizias Auszug mehr zu schaffen gemacht, als ich geglaubt hatte und dann wurde mir auch klar warum. "Sie hat sich nicht einmal von dir verabschiedet, stimmt‘s? Oh, Roland, es tut mir so leid für dich. Du hast sie wirklich geliebt und sie..."




    Roland begann plötzlich zu lachen und unterbrach mich mitten in meinem Satz. Was war denn jetzt kaputt? "Ach, Oxana, mir ist es doch völlig egal, ob sie weg ist." Ich sah ihn überrascht an. "Glaubst du etwa, dass ich nicht gemerkt hätte, was für ein Biest Letizia ist? Und ich hab auch gemerkt, dass sie vom ersten Moment an versucht hat mich auszunutzen. Aber das Spiel kann man auch zu zweit spielen. Auch wenn sie einen furchtbaren Charakter hat, sieht sie doch einfach rattenscharf aus. Und da hab ich einfach so getan, als ob ich auf sie reinfallen würde, um sie ins Bett zu kriegen. Und das hat ja auch wunderbar geklappt." Mein Mund blieb vor Erstaunen offen stehen. Ich hätte nie geglaubt, dass Roland so manipulierend sein könnte.




    Und mit Letizias Auszug kehrte wieder eine entspannte Atmosphäre in die Simlane 10 ein. Jetzt waren wir wieder unter uns, meine drei Jungs und ich.



    Gedanken:

    Die letzten Wochen waren so voller Gegensätze, dass es kaum vorstellbar war. Auf der einen Seite, musste ich mich mit Letizia Kappe, der Cousine von Gerda rumschlagen. Diese Frau hätte mich so manches Mal fast zur Weißglut getrieben, dabei bin ich ganz bestimmt kein leicht reizbarer Mensch.
    Auf der anderen Seite hatte ich ein wirklich gutes Verhältnis zu Tristan entwickelt. Er war derjenige, der mir half mit Letizia als Mitbewohnerin fertig zu werden. Wahrscheinlich lag es daran, dass er unter ihr genauso zu leiden hatte wie ich.
    Aber was noch viel wichtiger war: Ich hatte meinen Traummann gefunden. Benny war einfach unglaublich und ich war so glücklich mit ihm. Und wenn ich daran dachte, dass ich schon viel früher hätte mit ihm zusammen kommen können, dann bereute ich diese vergeudeten Wochen.
    Auf unserem Konto sah es gar nicht mal schlecht aus. Allerdings trug ich kein Stück dazu bei. Roland arbeitete immer noch für die Ölfirma an den Bohrtürmen und jobbte nebenher im Café. Tristan hatte dagegen in den letzten Wochen eine richtige Glückssträhne in der Arbeit und war zum Wahlkampfleiter des örtlichen Vorsitzenden der Ölgesellschaft aufgestiegen.




    Wenn er sich geschickt anstellte und sein Vorgesetzter die Wahlen zum Vorstand der "SimNationalen
    Vereinigung Für Öl- und Gasförderung" gewann, dann stand ihm möglicherweise eine Kariere in der Ölpolitik bevor. Zumindest hegte er diese Hoffnungen.




    Letizia hatte zur Haushaltskasse so ziemlich gar nichts beigetragen. Die lächerlichen 280§ hatte sie wahrscheinlich allein für die Wasserrechnung verbraucht, die aufgrund der von ihr verursachten regelmäßigen Überschwemmungen explodiert war. Gearbeitet hatte sie nie, was ich aber auch nachvollziehen konnte. Schließlich war sie nur vorübergehend in der Sierra Simlone. Dafür hätte sie aber ruhig im Haushalt anpacken können. Ich ärgerte mich immer noch, wenn ich daran zurückdachte, wie faul sie gewesen war.
    Normalerweise ließ ich meine neuen Mitbewohner den Test der Flughafenbehörde durchführen, aber Letizia hatte das kategorisch abgelehnt. Zufällig fand ich dann aber doch das zerknüllte, aber dennoch ausgefüllte Formular im Mülleimer.




    Das Ergebnis überraschte mich dann wenig. Mir war schon aufgefallen, dass sie der unfreundlichste und schlampigste Mensch war, den ich kannte. Allerdings musste der Test sich bei der Aktivität irren. Zumindest hatte ich nicht einmal beobachtet, dass Letizia freiwillig auch nur einen Finger gerührte hätte.




    Ihre seltsame Vorliebe für maskierte Männer im Vampir-Kostüm nahm ich ihr sofort ab. Diese Frau sah ja schon selber fast wie ein Vampir aus. Dass sie allerdings kein Parfüm mochte, überraschte mich, so dick wie sie es selbst auftrug. Aber vielleicht mochte sie es ja nur nicht an einem Mann?




    Den Test musste sie kurz vor ihrem Auszug angefertigt haben, denn als sie eingezogen war, konnte sie noch nicht einmal einen Kaffee kochen. Aber vielleicht lag es daran, dass sie solche Aufgaben lieber ihren liebestollen Verehrern überließ, oder zumindest welchen, die sie für solche hielt.



    Und als ich den Punkt las, der ihre Beziehungen zu Mitmenschen betraf, wäre ich vor Lachen fast vom Stuhl gefallen. Sie hielt uns drei tatsächlich für ihre Freunde. Also, wenn sie so zu Freunden war, wie wir sie in den letzten Wochen erlebt hatten, dann mochte ich nicht wissen, wie diese Frau ihre Feinde behandelte.


    Kapitel 32: Das Erste Mal





    Und dieses Glücksgefühl hielt an und plötzlich hatte Letizia keine Chance mehr, mich auf die Palme zu bringen. Das heißt aber nicht, dass sie es nicht versuchte. " 'Ast du endlisch eingesehen, dass du mit diese Figur nie einen Mann abbekommen wirst?", spritzte sie ihr Gift, als sie bemerkte, dass ich mich seit ein paar Tagen mit einem kleinen Salat begnügte. "Aber bei deine bauern'afte Ver'alten werden dir auch ein paar Kilo weniger nischt 'elfen."




    Wenn die wüsste! Aber irgendwo hatte sie schon recht. Ich wollte tatsächlich ein paar Pfunde los werden. Ich hatte zwar nicht das Gefühl, dass meine Pölsterchen Benny groß stören würden, aber ich fühlte mich selbst wohler mit ein paar Kilos weniger auf den Rippen.




    Und deshalb verbrachte ich auch wieder mehr Zeit mit meinem Training und vor allem weniger Zeit mit Essen. Meine "Julia" hatte ich wohlwissend aufbewahrt und sie erwies mir erneut ihre treuen Dienste. Und diesmal war es Tristan, der mich in meinen Bemühungen abzunehmen unterstützte. Er überzeugte mich, dass mein Training im klimatisierten Fitnessstudio viel angenehmer sei, als in der Hitze der Wüste. Außerdem waren wir hier vor Letizia und dem liebestollen Roland sicher.







    Und Stück für Stück schmolzen meine Pfunde dahin. Stolz über meine erbrachte Leistung betrachtete ich mich im Spiegel. Das neue Abendkleid saß perfekt, aber waren meine Haare auch in Ordnung? Irgendwie war es so ungewohnt, sie offen zu tragen. Und heute wollte ich einfach perfekt aussehen. Benny hat vor mich in ein Restaurant in SimVegas auszuführen...und wir hatten nicht vor, heute Nacht wieder zu kommen.




    Ich fühlte mich fast wie ein Star, als das Taxi vor dem Falltuer-Building im Zentrum SimVegas' hielt und Benny die Wagentür öffnete, um mir hinaus zu helfen. Der rote Teppich führte uns eine kleine Treppe hinauf in die opulent ausgestattete Empfangshalle des Gebäudes, das unteranderem ein Hotel und mehrere Restaurants beherbergte.



    Benny bestätigte an der Rezeption kurz unsere Buchung bevor wir mit den Fahrstuhl in das Restaurant fuhren, dass sich im dritten Stock des Falltuer-Buildings befand. Am Ausgang des Fahrstuhls erwartete uns sofort eine freundliche, ältere Dame, die uns zu unserem Tisch führte. Der Service war ausgezeichnet, denn gerade als wir uns gesetzt hatten, stand auch schon ein Kellner an unserem Tisch, der uns die Speisekarten und ein Glas Mineralwasser brachte.




    Auf sein Anraten hin bestellten wir den Hummer, der einfach nur fantastisch schmeckte. Überhaupt war die ganze Atmosphäre unglaublich. Der prasselnde Kamin, die Kerzen auf dem Tisch, die leise Pianomusik. Doch das Schönste war, dass Benny bei mir saß. Das machte dieses Essen perfekt.




    Als wir das Restaurant verließen und erneut in den Fahrstuhl stiegen, begann mein Herz zu rasen, denn ich wusste genau was gleich passieren würde. Benny tippte einen Code in das Display des Lifts und nach einer überraschend ruhigen Fahrt öffnete sich die Tür und wir stiegen direkt in unser Hotelzimmer hinaus.




    Der Raum war unheimlich geschmackvoll eingerichtet und großzügig. Doch was mich am meisten faszinierte, war der Ausblick. Wir mussten mindestens in der dreißigsten Etage sein und vor mir breitete sich die glitzernde Skyline SimVegas' aus.




    Benny öffnete eine Flasche Sekt, die der Zimmerservice für uns hinterlassen hatte, und wir beide tranken einen Schluck. Und dann nahm er mich in den Arm und begann mich zu küssen und ich erwiderte seine Liebkosungen. Langsam begann ich seien Anzug und sein Hemd aufzuknöpfen und er öffnete den Reißverschluss an meinem Kleid. Und als ich schließlich fast unbekleidet vor ihm stand strich er sanft über meinen Körper, ließ mich auf das Bett gleiten und begann erneut mich liebevoll zu küssen.




    Er beugte sich über mich und küsste meine Lippen, meinen Hals, meinen Busen. Und ich wollte ihn nur berühren, ihn ganz nah bei mir spüren, eins mit ihm werden. "Bist du sicher, dass du das möchtest?", unterbrach er unser Liebesspiel und sah mir in die Augen. Ich konnte spüren, dass ich hätte nein sagen können und er das widerstandslos akzeptiert hätte. Aber ich wollte es. Ich wollte mit ihm schlafen, mit dem Mann, den ich liebte.




    Benny war so unheimlich liebevoll, dass der kurze Anflug von Angst schnell verflog. Für mich war es das erst Mal, dass ich mit einem Mann schlief. Und ich hätte mir niemand anderes Vorstellen können, an den ich meine Unschuld verlieren wollte. Doch das Schönste war, danach Bennys glückliches Gesicht zu sehen, die Liebe in seinen Augen zu erkennen und in seinen Armen einzuschlafen.


    Kapitel 31: Ein Kuss am Meer




    Na, wenigstens hatte ich in Tristan einen Verbündeten, der von Letizia mindestens genau so genervt war wie ich. Während sie mich bei jeder Gelegenheit auf die Palme brachte, ignorierte sie ihn einfach komplett. "Äh, Letizia, ich wollte mich gerade duschen", stammelte er verlegen, als sie einfach ins Bad herein spazierte und sich ungeniert auf die Toilette setzte. "Oh, du bist auch 'ier?", tat sie überrascht, machte aber keine Anstallten wieder zu gehen. "Misch stört es über'aupt nischt, wenn du disch jetzt duscht. Du bist ja ohne'in keine rischtige Mann."




    Daraufhin überließ er ihr einfach das Bad und setzte sich zu mir in die Küche. Letizia hatte es wieder einmal geschafft jemanden fertig zu machen. "Wie lange soll sie noch einmal hier bleiben?", fragte er mich bekümmert. "Langsam glaube ich, es wäre fast besser, wenn ich bei meinen drei homophoben Mitbewohnern geblieben wäre, als mit dieser Frau unter einem Dach zu leben." "Ende des Monats ist sie weg", antwortete ich ihm und zählte selbst schon die Tage, bis es so weit war.




    Der Wüstenboden hinter dem Haus erwies sich erfreulicherweise als Letizia-Frei-Zone und so war es nicht verwunderlich, dass Tristan und ich plötzlich viel Zeit dort verbrachten. Gegen Abend war es dann sogar richtig angenehm sich den Abendwind um die Nase wehen zu lassen. "Ich brauche echt eine Auszeit von dieser Frau!", stöhnte Tristan entnervt und ich konnte ihm nur beipflichten. "Lass uns doch morgen einfach mal wegfahren", schlug er nach einer kurzen Gedankenpause vor und plötzlich lebte er richtig auf. "Lass uns ans Meer fahren! Nach Seda Azul, das sind doch gerade mal 70 Kilometer. Mit dem Taxi sind wir in knapp einer Stunde da und wir wären endlich Letizia los."







    Das brauchte er mir nicht ein zweites Mal zu sagen. Und so fuhren wir beide gleich am nächsten Morgen mit dem Taxi Richtung Meer nach Seda Azul, einem kleinen Ferienort am Atlantischen Ozean. Unser Ziel war die hiesige Strandpromenade. "Ich hab übrigens noch einen Arbeitskollegen gefragt, ob er sich mit uns hier treffen will", erklärte Tristan kurz bevor das Taxi vor den schmucken kleinen Holzhäuschen zum stehen kam. "Ich hoffe das ist okay für dich. Ich glaube du kennst ihn sogar." Mir sollte es recht sein. Ich wollte nur weg von Letizia und die wird er ja wohl nicht eingeladen haben.




    Nun gut, vielleicht hätte Tristan ja doch lieber Letizia einladen sollen, denn ich konnte es kaum glauben, als plötzlich Benny aus einem der Läden an der Promenade heraus spaziert kam. Als er Tristan erspähte, kam er winkend auf ihn zu. Doch dann sah er mich und plötzlich verfinstert sich seine Miene. "Hast du das alles eingefädelt", blaffte er mich wütend an. "Ich hab dir doch klipp und klar erklärt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will!". Tristan starrte uns nur verwundert an.




    Ich versuchte Benny zu erklären, dass ich nicht geahnt hatte, dass er auch kommen würde, doch er hörte gar nicht richtig zu. Stattdessen murmelte er etwas von "Ich rufe mir jetzt sofort ein Taxi" und marschierte rüber zur Telefonzelle. Doch Tristan lief ihm hinterher. "Warte, du kannst doch jetzt nicht einfach wieder abhauen, Benny. Ich hab dich eingeladen, Oxana hat damit nichts zu tun", erklärte er und schaute die Treppen hoch, wo ich wie versteinert das Gespräch verfolgte. "Ich hab keine Ahnung was zwischen euch vorgefallen ist und es ist mir auch egal. Wir sind hier um Spaß zu haben, also stell dich nicht so an."




    Benny wirkte zwar immer noch zerknirscht, aber er ließ sich von Tristan überreden, doch mit uns gemeinsam den Tag zu verbringen. Plötzlich meldete sich auch mein Magen, also beschlossen wir erst einmal etwas zu Essen. Schlussendlich entschieden wir uns für ein kleines, gemütliches Fischrestaurant mit Blick auf das Meer.




    Die Jungs amüsierten sich dabei köstlich, indem sie sich ein Wettessen lieferten. Wären wir zu Hause, hätte ich auch sofort mitgemacht, aber in so einem feinen Lokal war mir das doch ein wenig zu peinlich. Doch auch wenn Benny ganz locker mit Tristan umging, mir gegenüber verhielt er sich sehr verkrampft und andersherum erging es mir da auch nicht besser.




    Ich weiß ja, nach dem Essen soll man eigentlich nicht ins Wasser, aber der Pool direkt am Strand war einfach zu verführerisch. Wobei ich schon befürchtet hatte, dass Tristans missglückter Hechtsprung, der in einem Bauchklatscher endete, böse Folgen haben könnte, insbesondere wenn ich daran zurückdachte, wie er seine Spaghetti di Mare in sich hineingestopft hatte.



    Und den Rest des Tages verbrachten wir damit, uns am Strand von der Sonne verwöhnen zu lassen. Nicht dass es in Sierra Simlone Stadt keine Sonne gebe, nur wurde es zu Hause innerhalb weniger Minuten heiß wie in einem Backofen, während uns hier die frische Meeresbrise Abkühlung verschaffte. Und das Wasser war auch nur ein paar Meter entfernt. Und mit jeder weiteren Minute die wir gemeinsam verbrachten entspannte sich die Situation zwischen Benny und mir.




    Wir blieben bis zum Sonnenuntergang am Strand sitzen. Danach klopften wir uns den Sand von der Haut und zogen uns wieder an. Keiner von uns hatte schon Lust wieder nach Hause zu fahren, also entschlossen wir einen Spaziergang am Strand zu machen. Doch kaum waren wir ein paar hundert Meter unterwegs, verabschiedete sich Tristan plötzlich. "Ich hab da drüben im Café gerade einen alten Bekannten gesehen", erklärte er wenig überzeugend. "Ihr könnt ja ohne mich weitergehen. Ich warte dann hier auf euch". Und schon verschwand er in Richtung der Promenade. Die faule Socke hatte doch nur keine Lust mehr weiter zu laufen.




    Wenn er nicht mit wollte, dann gingen wir halt alleine weiter. Tristan verpasste dann einfach diesen wundervollen Gesamteindruck. Man konnte das Rauschen der Wellen hören, die auf den feinen Sandstrand zurollten und die Luft war angenehm frisch. Wortlos schritten wir immer weiter an der Küste entlang. Und ganz plötzlich überkam mich das starke Bedürfnis, mich bei Benny zu entschuldigen und ihm alles zu erklären.




    Ich blieb stehen und sofort drehte Benny sich in meine Richtung. "Stimmt etwas nicht?" Ich versuchte die richtigen Worte zu finden, doch irgendwie wusste ich, dass es die gar nicht geben konnte. "Hör mir bitte zu", begann ich zu sprechen und an seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass Benny sofort verstanden hatte, worüber ich reden wollte.




    "Es war falsch von mir, mit Kasimir auszugehen. Und das sage ich nicht nur, weil er sich als ein totales Ekel entpuppt hat. Ich hab dir damit wehgetan und das wollte ich nicht. Wirklich nicht. Und ich weiß, dass mein Verhalten dadurch nicht besser wird, aber ich habe nie mit Kasimir geschlafen. Das musst du mir glauben."




    Benny schaute schweigend auf den Sand. Nur daran, dass er seine Arme nervös vor seinem Oberkörper verschränkte und sich dabei an seinen Oberarmen festklammerte konnte ich erkennen, dass es ihm schwer fiel, die passenden Worte zu finden. "Als ich dich mit ihm gesehen habe und als ich dann auch noch Kasimirs Geprahle hörte, da habe ich mich plötzlich so dumm gefühlt", offenbarte er mir schließlich. "Ich weiß, dass ich kein Traumtyp bin. Meine Nase und die Art wie ich mich kleide...", er seufzte schwer. "Aber dann kamst du, eine wunderschöne junge Frau, und gabst mir das Gefühl, dass ich doch begehrenswert bin. Das war wie in einem Traum, verstehst du? Wieder in die Realität gerissen zu werden, war einfach nur furchtbar. Ich hätte einfach wissen müssen, dass so etwas passiert." Mit jedem Wort wurde seine Stimme dünner und er wagte es nicht, mir ins Gesicht zu blicken.




    Da trat ich einfach einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn sanft auf den Mund. Unsere Lippen berührten sich kaum, aber Benny riss erstaunt seine himmelblauen Augen weit auf. Und als ich ihn ein zweites, drittes Mal küsste, jeweils mit einer kurzen Unterbrechung wobei ich nie den Augenkontakt zu ihm verlor, da entspannte er sich endlich.




    Und dann zog er mich zu sich heran und umschloss mich mit seinen Armen. Und plötzlich war ich diejenige, die seine Küsse in Empfang nahm.




    Tristans Räuspern riss uns aus unserer Zweisamkeit. "Unser Taxi zurück nach Sierra Simlone wartet an der Promenade", erklärte er breit grinsend, während Benny und ich auf ihn zu schlenderten."Ich vermute mal, ihr beiden wollt auf der Rückfahrt zusammen sitzen, stimmt’s?"




    Als wir dann in der Stadt kamen, konnte ich mich gar nicht von Benny trennen. Wir standen auf meiner Veranda, küssten uns, hielten Händchen, wir genossen es einfach zusammen zu sein. Tristan rollte nur mit den Augen und ging laut gähnend ins Haus. Aber ich hatte nur noch Augen für Benny.




    Nach etwa der zwanzigsten "diesmal aber wirklich"-Verabschiedung schlich ich leise in mein Zimmer. Letizia schlief bereits und nahm wieder einmal die gesamte Breite des Bettes für sich in Anspruch. Aber heute war mir das egal. Dieses Gefühl in mir war einfach unbeschreiblich. Wie hatte ich jemals auch nur einen Gedanken an Kasimir oder Albert verschwenden können, wenn Benny doch der perfekte Mann für mich war?

    Kapitel 30: Die Schwammdusche




    Und das tat er dann auch. Madame hatte Hunger? Kein Problem, sie musste nur nach Roland rufen und schon bereitete er ihr ihr Wunschgericht zu, während sie sich in unseren Korbsessel zurücklehnen und ihren Kaffee genießen konnte, den ebenfalls Roland vorher frisch für sie gebrüht hatte.





    Als ich dann bei einem gemeinsamen Essen ansprach, dass Letizia, da sie nun mal jetzt zu unserer Wohngemeinschaft gehörte, auch im Haushalt mithelfen müsse, starrte sie mich nur entgeistert an. "Du willst, dass isch putze und die Abwasch mache? Mon Dieu, und isch habe geglaubt, dass du misch aus reiner Freundschaft zu dir ge'olt 'ast. Aber du bist genauso wie Gerda und willst misch be'andeln wie ein Dienstmagd. Aber gut, wenn es sein muss werde isch meine perfekte 'Aut mit die Putzmittel ruinieren." Plötzlich sah Roland mich entsetzt an. "Aber Oxana, das kannst du doch nicht zulasse. Letizia musste bei ihrer Cousine doch schon genug leiden."




    Und anstatt dass Letizia am heutigen Abend denn Abwasch machte, wie ich es vorgeschlagen hatte, stand Roland auf und übernahm diese Aufgabe für sie. "Roland, du bist eine wirkliche Schatz", bedankte sie sich und ließ beim Vorübergehen ihre Fingerspitzen über Rolands Rücken gleiten. Ich konnte nur laut aufstöhnen und meine Augen verdrehen. Es war kaum mit anzusehen, wie Roland sich von Letizia einwickeln ließ. Und auch Tristan konnte bei dieser Szene nur mit dem Kopf schütteln.




    Einmal beobachtete ich, wie Letizia sich in Rolands Gegenwart auffällig zu strecken begann. Natürlich entging dies Roland keineswegs, aber ich wette, dass diese Schlange das genauso beabsichtigt hatte. "Soll ich dir vielleicht deinen Rücken massieren, Letizia?", fragte er hoffnungsvoll und sie gab ihm prompt die gewünschte Antwort: "Das ist aber nett von dir, Roland. Meine ganze Rücken ist verspannt von die unbequeme Bett in die isch schlafen muss. Aber isch beschwere misch nischt. Ah qui", stöhnte sie auf, als Roland ihre Schultern massierte, "genau das 'abe isch gebraucht um die Qualen zu vergessen, die isch jede Nacht in diese Bett erleiden muss." Ich ging fast schon wieder an die Decke! Dieses undankbare Biest! Aber ich hatte es Gerda versprochen und irgendwie war dieses Monster auch eine gerechte Strafe dafür, dass ich mich an einen verheirateten Familienvater herangemacht hatte.





    Letizia hatte übrigens eine sehr eigenwillige Art, Roland ihren Dank zu erweisen. Eines Abends, als er alleine mit ihr in der Küche war, öffnete sie einfach den Reisverschluss ihres Kleides und ließ es zu Boden gleiten. Und dann drehte sie den Wasserhahn der Spüle auf, tauchte einen Schwamm hinein und drückte ihn über ihrem Busen aus, sodass das Wasser an ihren Brüsten herabfloss. Roland beobachtete dieses Schauspiel fasziniert und geschockt zugleich.




    Er konnte seinen Blick einfach nicht von Letizias wunderschönem Körper wenden. Ihre Brüste waren einfach perfekt. Als er in ihr Gesicht blickte, setzte sie urplötzlich einen erschrockenen Gesichtsausdruck auf, als ob sie erst jetzt gemerkt hätte, dass Roland überhaupt in der Küche war. Nur erkannte Roland nicht, dass dieser gespielt war, schaute beschämt auf den Boden und verschwand so schnell es ging in seinem Zimmer, während Letizia ungestört ihre Abkühlung an der Spüle fortsetzte.






    Ich hämmerte erneut gegen die Badezimmertür. "Letizia, beeil dich! Ich muss ganz dringend auf die Toilette!". Diese Frau war schon seit mindestens einer Stunde im Bad und so lief das hier jeden Tag, seitdem sie eingezogen war. Ich hüpfte ungeduldig von einem Bein auf das andere und versuchte meine Blase zusammenzudrücken. "Wegen dir mache ich mir noch in die Hose!"




    Doch von so etwas ließ Letizia sich nicht beirren. "Es dauert nun mal seine Zeit so unglaublisch gut auszusehen wie isch", antwortete sie seelenruhig. "Aber isch kann verstehen, dass jemand mit deine Aussehen das nischt nachvollziehen kann." Dann wurde es wieder ruhig und ich hörte nur noch das gelegentliche Plätschern des Badewassers durch die Tür hindurch.




    Schließlich, nach weiteren 40 Minuten, öffnete sich die Tür und eine perfekt gestylte und erfrischte Letizia spazierte hinaus. Ich stürmte sofort auf die Toilette zu und befreite die Fluten, die sich in mir angestaut hatte. Erst da bemerkte ich, dass das Badezimmer einem Hochwassergebiet glich. Aus dem Hahn der Badewanne spritzte Wasser an einer Stelle heraus, aus der es eigentlich nicht herausspritzen sollte und eine Pfütze breitete sich immer weiter auf den Fliesen aus. Fassungslos über das Chaos, was Letizia hier angerichtet hatte drückte ich blind die Toilettenspülung und musste mit Schrecken beobachten, wie das Wasser plötzlich überschwappte, ohne das ich etwas dagegen unternehmen konnte. "Isch weiß gar nischt, warum du disch so aufregst", entgegnete Letizia als ich sie wütend auf das Chaos ansprach. "Das ist doch im 'Andumdrehen wieder sauber".




    Tja, nur das Madame dazu in kleinster Weise beitragen würde. Sie wusste schließlich welchen Deppen sie für sich arbeiten lassen konnte. "Roland, mir ist passiert ein klein Ungeschick in die Badezimmer", spielte sie die unschuldige Jungfer in Not. "Die Wasser'ahn ist kaputt, aber isch bin viel zu schwach für die schwere Werkzeug. Isch brauche die 'Ilfe von eine große starke Mann." "Kein Problem, Letizia", antwortete Roland liebestrunken. "Ich werde das sofort für dich erledigen."




    Und das tat er dann auch umgehend. Wahrscheinlich hätte ich Roland sogar selbst gebeten, den Wasserhahn und die verstopfte Toilette wieder zu reparieren, aber Letizia schaffte es auf diese Weise sich komplett vor der Arbeit zu drücken und das Aufwischen des Bodens blieb an mir hängen. Ich sehnte den Tag herbei, an dem diese Frau endlich aus Sierra Simlone Stadt verschwinden würde.




    Doch bis es so weit war, hatte sie noch viele Gelegenheiten, mich zur Weißglut zu treiben.
    Das Telefon klingelte und Letizia nahm ab. "Oxana? Nein, die ist nischt zu 'Ause. Und nein, isch kann ihr auch nischts ausrischten. Isch bin schließlisch nischt ihre Sekräterin".




    Dann legte sie einfach auf und ich starte ungläubig das nun stumme Telefon an. Das war doch nicht zum aushalten. Da stand ich direkt neben ihr und dieses Monster behauptete einfach ich wäre nicht zu sprechen. Und dann lächelt sie mir auch noch unschuldig ins Gesicht, als ob ich nicht genau mitbekommen hätte, was sie da gerade getan hatte.




    Ich versuchte meistens ruhig zu bleiben und diese Frau zu ignorieren so gut es ging. Aber manchmal ging sie einfach zu weit. "Warum hast du das gemacht Letizia?", schrie ich sie an. "Wäre es so schwer gewesen mir einfach den Hörer in die Hand zu drücken? Wäre das wirklich so viel verlangt? Argrrgh!". Doch eine Entschuldigung war von dieser Frau nicht zu erwarten. Stattdessen versuchte sie mir wieder einmal ein schlechtes Gewissen einzureden: "Isch bin als Gast in diese 'Aus gekommen und du meckerst immer nur rum an mein Ver'alten. Wenn du misch nicht 'ier 'aben möschtest, dann kann isch auch zurück gehen zu Gerda." Sie wusste genau, dass sie mich mit diesem Satz beruhigen konnte. Schließlich hatte ich Gerda mein Versprechen gegeben und ich hatte nicht vor, es zu brechen.





    Das Schlimmste an ihr war aber, dass ich sie mehr als einmal dabei erwischte, wie sie versuchte Roland gegen mich aufzuwiegeln, indem sie ihm vorheulte, wie schlecht ich sie doch behandeln würde. Doch auch wenn Roland sich in letzter Zeit wie ein liebeskranker Welpe verhielt, so versuchte er wenigstens meinen Standpunkt zu verteidigen. Noch! Denn ich musste mit Schrecken feststellen, dass Letizias Einfluss auf ihn von Tag zu Tag wuchs.




    Und plötzlich guckte Roland nicht mehr mit mir unsere Lieblingssoaps am Abend, sondern mit Letizia und anstatt sich von mir mit eine Kissenschlacht zu liefern, übernahm jetzt Letizia diese Aufgabe. Sie nahm mir einfach meinen besten Freund weg! Wütend stopfte ich das Chili con Carne in mich hinein und kaute stumm darauf herum. Vor wenigen Wochen war Roland noch unsterblich in mich verliebt gewesen und jetzt wackelt Letizia einmal mit dem Hintern vor seiner Nase und er hat mich vergessen. Männer!


    Hallo StarOfNight


    Natürlich sind Kommentare gern gesehen. Ich würde zwar auch so fleißig weiter posten, aber es ist doch nett zu wissen, wie die Geschichte bei den Lesern so ankommt.
    Also vielee, vielen Dank für deine netten Worte. Es werden noch ganz viele Kapitel folgen, dass kann ich schon einmal versprechen.


    Und traut euch ruhig, einen Kommentar dazulassen. Ich freue mich. Und konstruktive Kritik ist auch immer willkommen.

    Kapitel 29: Das Monster in meinem Haus




    Ich war noch nicht lange wieder zu Hause, als Gerdas Cousine auf unser Haus zukam. Und ich bekam einen richtigen Schrecken, als ich sie sah. Ihre Haut war ganz seltsam verfärbt. Es sah fast so aus, als ob sie schon...naja, tot wäre. Zumindest stellte ich mir genau so eine Leiche vor. Es lief mir kalt den Rücken hinunter. Aber noch viel schlimmer waren diese roten Augen, die mich teuflisch anstarrten. Was für ein Monster hatte ich mir da bloß ins Haus geholt?




    Aber nun war es zu spät, schließlich hatte ich Gerda mein Wort gegeben. Ich führte Letizia in mein Zimmer, wo wir beide die nächsten Wochen schlafen sollten. "Diese Zimmer ist ganz nett", bemerkte Letizia. "Etwas klein vieleischt, aber es müss reischen für die nä'ste Woch. Danke du kannst jetzt gehen. Isch sage bescheid, wenn isch 'Unger 'abe." Sie winkte mich mit ihrer Hand hinfort und begann es sich auf meinem Bett gemütlich zu machen.




    Ohne ein Wort zu sagen, drehte ich mich um und verließ das Zimmer. Aber Moment einmal, das war mein Zimmer! Irgendetwas lief hier gerade ziemlich falsch. Als öffnete ich die Tür erneut und trat wieder hinein. "Nicht das wir uns falsch verstehen, Letizia, dieses Zimmer müssen wir uns teilen. Auch das Bett."




    Letizia starrte mich an, als hätte ich Chinesisch gesprochen. "Hast du verstanden, was ich gesagt habe?", fragte ich deshalb noch einmal zur Sicherheit nach. "Natürlisch 'abe isch verstanden", antwortete Letizia eingeschnappt. "Isch 'abe gerade nur versucht zu überlegen, wie wir beide wollen passen in diese Bett. Isch meine, bei dein Umfang könnte es 'ier ein bisschen eng werden."




    Oh mein Gott! Was war das bloß für eine gemeine Kuh. Ich tat so, als ob ich ihre Beleidigung überhört hätte und ging ins Nachbarzimmer. Doch innerlich kochte ich. Diese Frau war gerade erst 10 Minuten in meinem Haus und hat es schon zwei Mal geschafft mich zu erniedrigen. In diesem Moment konnte ich verstehen, dass Gerda sie so schnell wie möglich loswerden wollte. Was aber konnte Albert bloß in ihr sehen?




    Mir wurde aber sehr schnell klar, dass Letizia offenbar eine sehr starke Wirkung auf Männer auszuüben schien. Zumindest Roland war ihr vom ersten Augenblick an verfallen und lauschte aufmerksam jedem Wort, das aus ihrem Gift spritzenden Mund kam. "Isch bin ja so froh, dass isch 'ier bei eusch wohnen kann. Bei Gerda und Albert war es einfach nur furchtbar."








    'Sofort als isch ankam bei mein Cousine Gerda, begann ihr Ehemann Albert mit mir zu flirten. Isch konnte es kaum glauben. Bien sûr, isch bin eine un'eimlisch atraktive Frau und kein Mann kann mir widerstehen, aber Albert ist nun einmal der Mann meiner Cousine Gerda und deshalb 'abe isch jeden Annährungsversuch im Keim erstickt, aber Albert wollte einfach nischt auf'ören mir schöne Augen zu machen.'




    'Gerda wurde sofort eifersüchtisch und be'andelte misch ab da wie eine Dienstmädschen. Isch musste in ein enge kleine Kammer in ein Bett mit Strohmatratz schlafen und für Gerda die 'Ausarbeit erledigen, während sie sisch einen schönen Tag auf die Feld machte. Und dann versuchte sie misch sogar zu vergiften mit ihre Essen. Mon Dieu, isch dachte fast, isch muss sterben. Gerda 'ätte sisch bestimmt gefreut.'




    'Dann zwang sie misch, misch um ihre klein Balg zu kümmern, Elvira. Dabei wusste sie doch ganz genau, dass isch Kinder 'asse. Und trotzdem ließ sie misch mit die kleine Schrei'als alleine, weil sie Albert angeblisch auf die Feld 'elfen musste. Aber ist es etwa mein Schuld, wenn sie es nischt schaft Arbeit und Kinder unter ein 'Ut zu bringen? Muss isch misch dann mit die stinkende Windeln abgeben, nur weil Madame angeblisch zu müde ist?




    'Und dreckisch war es in diese 'Aus! Isch traute misch kaum noch, dass Badezimmer zu benutzen. Anstatt, dass Gerda dort mal sauber machte, legte sie sisch gleich ins Bett, wenn sie von die Feld kam. Und isch musste die ganze Tag um die Wasserpfütz herumlaufen! Was wenn isch ausgerutscht wäre? Isch glaube nischt, dass sie so müde war, dass sie nischt einmal mehr kurz mit die Lappen wischen konnte. Gerda wollte misch einfach nur ärgern.'




    'Und dann ist sie vollkommen ausgerastet! Isch beobachtet, wie sie die Betten machte und erwähnte, dass mein Bettwäsche schon seit drei Tage nischt mehr gewechselt worden war und Gerda sie endlisch mal waschen könnte, wenn sie sonst schon nischts tat. Und plötzlich ging sie auf mich mit die Kissen los. Sie schlug so 'eftig, dass isch schon fast Angst um meine Leben 'atte. Ganz zu schweigen davon, dass sie meine Frisur total ruiniert 'atte. Mon Dieu, kannst du dir vorstellen, wie lange isch gebraucht 'abe um wieder so perfekt auszusehen? Ja und anstatt sisch zu entschuldigen bei mir, 'at sie mein Koffer in meine 'And gedrückt und gesagt, dass isch in die Simlane 10 gehen soll.'







    Naja, diese Geschichte hatte ich aber ein wenig anders zu hören bekommen, doch Roland fiel auch Letizias scheinheiliges Getue sofort herein. "Du Ärmste. Du musstest bei deiner Cousine ja Höllenqualen erdulden. Aber keine Angst, ich werde schon dafür sorgen, dass es dir bei uns besser ergeht."

    Kapitel 28: Die Bitte




    'Und seit diese Frau in meinem Haus wohnt, passieren seltsame Unfälle. Es kann natürlich sein, dass es überhaupt nichts mit Letizia zu tun hat, aber erst vor fünf Tagen stand plötzlich der Herd in Flammen.'




    'Zum Glück war Albert in der Nähe und konnte mit dem Feuerlöscher aus der Scheune den Brand schnell löschen. Aber Letizia hat keine Anstallten gemacht, irgendetwas gegen die Flammen zu unternehmen. Das ganze Haus hätte abbrennen können, ihr wäre das egal.'




    'Und vor zwei Tagen ist dann plötzlich der Fernseher kaputt gegangen und Albert musste versuchen ihn zu reparieren. Mein Herz wäre fast stehen geblieben, als ich Alberst Schrei hörte und sah, wie der Strom durch seine Gliedmaßen zuckte. Er hätte dabei sterben können, Oxana! Und Albert weiß, wie gefährlich Strom sein kann, deshalb bin ich auch überzeugt, dass er den Strom abgestellt hat, bevor er anfing, am Fernseher herumzubasteln.'




    'Der Schlag war so heftig, dass seine gesamte Kleidung dabei verpufft ist. Er hatte nur noch seine verbrannten Boxershorts am Körper. Und er sah aus, als ob er sich in Asche gewälzt hätte. Es war ein furchtbarer Anblick. Der Schreck sitzt mir noch bis heute in den Knochen.'




    'Doch noch bevor ich mich von diesem Schreck erholt hatte, kam Letizia auf Albert zu. "Oh, Albert, du Dummerschen. 'Ast du dir etwa verletzt? Du weißt doch, dass du musst vorsischtisch sein mit die Elektrizität." Und dann malte sie mit ihrem Finger ein Herzchen auf Alberts rußgeschwärzte Haut. "Aber so kann isch sehen dein Muskel. Unter deine Anzug erkenne ich ja nischts." Oh, ich hätte diese Frau umbringen können!'




    'Doch natürlich blieb ich ruhig, aber nur um mit anzusehen, wie Letizia meinem Albert immer offensichtlicher Avancen machte...und Albert immer offensichtlicher diese erwiderte.'




    'Und weil es so nicht weiter gehen konnte nahm ich mir meine Cousine zur Seite und fragte sie direkt, was ihr den einfallen würde, meinen Mann zu verführen und das direkt vor meinen Augen und den Augen der Kinder und ob sie sich nicht schämen würde?'




    'Doch anstatt nur einen Funken Reue zu zeigen, grinste sie mich an: "Isch gebe deinem Albert nur das, was er von dir nischt bekommt, du vertrocknette Schnepfe. Isch kann es einfach nischt ertragen, einen Mann so unglücklisch zu sehen." Dann drehte sie sich zur Seite und winkte verführerisch lächelnd Albert durch die Glasscheibe der Eingangstür zu. Diese Unverschämtheit war einfach zu viel für mich und ich blieb mit offenem Mund stehen.'




    'Ich stand da und wusste nicht, was ich sagen sollte und Letizia machte sich nicht einmal die Mühe auf eine Reaktion von mir zu warte, sondern verschwand im Haus und wand sich Albert zu. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich etwas unternehmen musste, wenn ich meine Ehe retten wollte. Und deshalb habe ich dich angerufen, Oxana.'




    "Du musst mir helfen, Oxana", fleht sie mich an. "Bitte!". Sie war den Tränen nahe. "Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll", antwortete ich wahrheitsgemäß und da wagte Gerda einen verzweifelten Versuch: "Nimm Letizia bei dir auf. Sie wird nur noch etwa drei Wochen hier bleiben, bis sie für immer nach Simtropolis verschwindet. Wenn sie erst einmal aus meinem Haus verschwunden ist, dann werde ich Albert zurückgewinnen können."




    "Natürlich, Gerda. Natürlich helfe ich dir. Letizia kann gleich bei mir einziehen." Ich war so überglücklich, dass Gerda nichts von der Umarmung zwischen Albert und mir wusste, dass ich ihr in diesem Moment jeden Gefallen getan hätte. Und auch Gerda schien tief berührt. "Danke, Oxana. Ich hätte sonst wirklich nicht mehr gewusste, was ich machen soll."

    Kapitel 27: Besuch der Cousine




    Ich wartete darauf, dass sie anfing, mich anzubrüllen, dann wäre es plötzlich viel einfacher für mich. Doch nichts geschah. Gerda starrt weiter nur ruhig auf den Tisch und dachte angestrengt nach. "Ich habe eine große Bitte an dich, Oxana", seufzte sie schließlich. "Aber ich fange am besten ganz von vorne an."








    'Alles fing damit an, dass meine Cousine Letizia aus Orleans anrief. "Gerda, chéri, isch muss disch um ein groß Gefall bitten. Isch werde nächste Woche in die SimNation kommen, weil isch nischt mehr glücklisch bin ihr in Fronkreisch. Meine Appartement in Simtropolis wird aber erst in zwei Monat frei. Isch 'abe ge'offt, so lange bei dir bleiben zu dürfen?" Zu diesem Zeitpunkt tat mir meine Cousine noch leid. Sie war immer ein unglückliches Kind gewesen, mit einer ungesunden Haut und entstellten Augen. Kein schöner Anblick, dass kann ich dir sagen. Also stimmte ich zu, dass sie vorübergehend bei uns wohnen könne.'




    'Doch die Frau, die da vier Tage später aus dem Taxi stieg und auf unser Haus zuschlenderte, war nicht mehr zu vergleichen mit der kleinen, hässlichen Cousine, an die ich mich noch aus Kindertagen erinnern konnte.'




    'Und Albert entgingen ihre offensichtlichen Reize auch nicht. Er stürmte sofort hoch erfreut auf meine Cousine zu und hieß sie in der Familie willkommen. Und du kannst dir sicher sein, dass Alberts Freude weit darüber hinaus ging, was für einen verheirateten Mann in Gegenwart seiner Frau angebracht wäre.'




    'Albert überhäufte sie förmlich mit Komplimenten und Schmeicheleien und Letizia war dem leider überhaupt nicht abgeneigt und flirtete mit Albert. Direkt vor meinen Augen! Kannst du dir so ein dreistes Verhalten vorstellen?'
    Mein Herz raste. Oh Gott, wenn Gerda nur wüsste, dass ich genau dasselbe getan hatte. Ich hatte mit Albert geflirtet, mich von ihm umarmen lassen. Was war ich bloß für eine Freundin?




    Gerda fuhr in ihrer Erzählung fort: 'Mich ignorierte sie dabei vollkommen. Nein, einmal nahm sie mich doch wahr und zwar als Albert sie in das Haus führte. Da drehte sie sich nämlich zu mir um bat mich mit ihrer süßen Stimme: "Gerda, chéri, würdest du bitte mein Koffer in das 'Aus tragen. Er ist so schwer und du weiß am besten wo er 'in kommen soll." Ich hätte sie in der Luft zerreißen können!'




    'Aber ich hatte ihr erlaubt, bei uns zu bleiben, da konnte ich sie ja schlecht wieder hinauswerfen. Außerdem dachte ich mir, dass sie mir im Haushalt oder zumindest mit den Kindern helfen könnte. Letizia sah mich zwar an, als ob ich ihr befohlen hätte in einen Sack mit giftigen Schlangen zu greifen, aber schließlich stimmte sie doch zu, mir hier und da zu helfen.
    Allerdings stellte sie sich nicht sehr geschickt darin an, sich um die Kinder zu kümmern. Miranda, Hans und Desdemona gingen ihr einfach weitestgehend aus dem Weg, doch die kleine Elvira konnte meiner Cousine nicht so leicht entkommen.'




    'Elvira zeigte ihren Unmut dann auf ihre eigene Art und Weise, indem sie ihr Essen gleich wieder nach draußen beförderte und es über Letizia verteilte, die darüber alles andere als glücklich war.'




    'Und als Strafe begann Letizia unsere Kleine förmlich zu tyrannisieren. Ich war meist mit der Arbeit auf dem Hof zu beschäftigt, dass ich gar nicht mitbekam, wie sie sich Elvira schnappt, sie in eine Ecke setzte und dann so lange mit ihren teuflischen Augen anstarte, bis die Kleine ganz verängstigt war.'




    'Und ihm Haushalt hilft sie kein Stück mit. Ganz im Gegenteil ich habe eher das Gefühl, dass nun noch ein fünftes Kind im Haus wohnt, dem ich hinterher räumen muss. Ständig steht das Bad unter Wasser und die Toilette ist die reinste Fundgrube für Keime aller Art und ich bin diejenige, die das ganze Chaos beseitigen darf. Manchmal bin ich mit meinen Kräften einfach nur noch am Ende.'




    'Und obwohl sie mir versprochen hat sich um Elvira zu kümmern, macht sie es nicht. Es ist eine Sache sich einfach nicht um die Kleine zu kümmern, aber es mir zu versprechen und es dann nicht zu machen, obwohl ich mich auf sie verlasse ist einfach unverantwortlich. Eines nachts bin ich aufgewacht und Elviras Bettchen war leer.'




    'Und wo fand ich die Kleine dann? Nicht etwa bei Letizia, wo ich sie vermutet hätte, sondern allein im dunklen Badezimmer auf den kalten Fliesen. Und dort spritzte sie mit dem dreckigen Wasser herum, was wahrscheinlich Letizia selbst in ihrer Schlamperei dort verteilt hatte.'




    'Doch Madame schien das nicht weiter zu stören. Sie reagierte nicht auf mein Klopfen an ihre Zimmertür und schlief sich erst einmal ordentlich aus.'




    'Und am Morgen kam sie dann in ihrem knappen Nachthemdchen aus dem Zimmer und begann um Albert herum zu schawenzeln. Und das ist das eigentliche Problem, Oxana. Ich weiß nicht, wie lange Albert ihren Verführungen noch widerstehen kann.'




    'Ich kenne meinen Albert und weiß ganz genau, dass er gerne anderen Frauen hinterher schaut. Das war schon in unserer Schulzeit so, als wir zusammen kamen. Albert hat sich ständig umgesehen, aber im Endeffekt habe ich es immer geschafft, seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Doch ich werde auch nicht jünger und vier Schwangerschaften hinterlassen ihre Spuren. Ich fürchte einfach, dass es ihm irgendwann nicht mehr reichen könnte sich nur umzusehen, insbesondere, wenn ständig eine Frau um ihn herum schwirrt, die mit ihren Reizen nicht geizt.
    Und das tut Letizia auf keinen Fall. Sie flirtet mit Albert bei jeder Gelegenheit, insbesondere, wenn ich in der Nähe bin. Und er flirtet zurück! Sie darf sogar von seinem Teller essen, etwas, was er mir schon seit Jahren nicht mehr erlaubt.'


    Kapitel 26: Wirrungen der Begierde




    Nach wie vor stand ich ohne Job da. Und nicht zu arbeiten tat mir irgendwie nicht gut. Zumindest tat es meiner Figur nicht gut, denn aus Langeweile stopfte ich leider alles Mögliche in mich hinein und ich bemerkte dann auch leider, dass mein Hintern und mein Busen wieder diese stärk ausgeprägten Rundungen zeigten. Das war nicht gut. Gar nicht gut!




    Dafür gestaltete sich das Leben mit Tristan ganz angenehm. Mit ihm konnte ich fast genauso viel Spaß haben wie mit Roland. Insbesondere wenn wir gemeinsam Soaps gucken konnten. "Hey, Oxana, komm schnell", winkte er mir zu, als ich aus der Küche kam. "Wirrungen der Begierde hat gerade erst begonnen. Du hast also noch nichts verpasst."




    "Nee, lass mal gut sein", antwortete ich ihm. "Dieser Soap kann ich echt nichts abgewinnen. Das ist alles viel zu unrealistisch und gestellt. Ich setz mich lieber an den PC." Doch Tristan versuchte mich weiterhin zu überzeugen, schließlich war "Wirrungen der Begierde" seine absolute Lieblings-TV-Sendung, wie ich gleich nach seinem Einzug festgestellt hatte, und er konnte immer noch nicht verstehen, warum ich sie nicht genau so liebte. "Ach komm schon, schlechter als die Soaps, die wir uns sonst noch ansehen, ist diese hier auch nicht. Außerdem ist heute die letzte Folge in der Dr. Slake Dewory mitspielt. Das musst du dir ansehen."




    Die letzte Folge mit Dr. Slake Dewory? Das machte mich doch stutzig und ich setzte mich zu Roland und ihm auf die Couch. Früher hatte ich diese Soap geliebt und jede Folge gespannt mitverfolgt, doch es ist jetzt schon fast eineinhalb Jahre her, dass ich mir "Wirrungen der Begierde" das letzte mal ansah. Stumm folgte ich der Handlung und beobachtete die letzten Szenen mit Slake. "Der Schauspieler von Slake heißt doch auch Brodlowski? Dariusz oder so. Seid ihr beiden vielleicht verwand?", fragte mich Tristan, als die Schlussmelodie der Serie erklang.




    "Verwand? Ich mit Slake? Wo denkst du hin", lachte ich unsicher. "Es gibt sicherlich hunderte Brodlowskis in der SimNation." "Ja, stimmt auch wieder", antwortete Tristan lachend. "Wäre aber schon lustig gewesen, wenn ich mit der Verwanden eines Stars zusammenleben würde." "Ja, das wäre wirklich lustig", kicherte ich gequält und starrte dann den Bildschirm an, um dieses Thema zu beenden.




    Lange blieb ich aber nicht sitzen, sondern verzog mich laut gähnend in mein Zimmer. Doch müde war ich keineswegs. Ich war wütend, traurig...und enttäuscht. Ich war wütend darüber, dass ich meine Freunde belog und traurig, weil ich nicht anders konnte. Natürlich war ich mit Dariusz Brodlowski verwand. Er war mein Vater! Der Vater, den ich vor seinem prügelnden Ehemann beschützen wollte und auch der Vater, der zuließ, dass mich der gleiche prügelnde Ehemann ein paar Tage später aus dem Haus warf. Die Enttäuschung darüber hatte ich bis heute nicht verkraftet. Wieso hatte er das zugelassen? Wieso?




    Ich hatte all die Monate hier in Sierra Simlone Stadt versucht, nicht mehr an meinen Vater zu denken, mich nicht länger von den Gedanken an meine Familie in SimCity quälen zu lassen. Doch auf einen Schlag hatte mich dass alles wieder eingeholt. Warum hört Paps bloß mit der Rolle in "Wirrungen der Begierde" auf? Diese Rolle war die Erfüllung seiner beruflichen Träume gewesen und ich konnte einfach nicht verstehen, warum er aufhören wollte.




    Ich setzte mich an den PC und versuchte etwas herauszufinden. Irgendeinen Hinweis darauf, warum Paps aufhören wollte. Ich war selbst überrascht, wie sehr mich das beschäftigte. Doch ich fand nichts zu seinen Beweggründen. Auf den Fanpages der Serie war zwar überall von seinem Abgang zu lesen, doch nirgends wurde ein Grund genannt.




    Und plötzlich erwischte ich mich dabei, wie ich mein Handy in der Hand hielt und die Telefonnummer meiner Eltern in SimCity wählte. Doch ich konnte die OK-Taste nicht drücken. Als ich die Nummer im Display sah, überkamen mich die Erinnerungen an meinen Dad, den prügelnden, trinksüchtigen Ehemann meines Vaters. Nein, ich bin in die Sierra Simlone gezogen, um endlich von diesen Menschen loszukommen. Wenn ich jetzt anrief, würde ich mir selbst mit einem Schlag meine gewonnene Freiheit wieder nehmen.








    Ich rief nicht an. Dafür klingelte am nächsten Morgen das Telefon und es meldete sich eine aufgeregte Gerda. "Oxana, ich muss dringend mit dir sprechen." Der Tonfall ihrer Stimme machte deutlich, dass es sich um eine ernste Angelegenheit handeln musste. "Am besten treffen wir uns gleich auf dem Golfplatz. Ich möchte diese Angelegenheit nicht am Telefon mit dir besprechen."




    Wenig später erschien ich auf dem Golfplatz, wo Gerda bereits auf mich wartete. "Gut, dass du so schnell gekommen bist", begrüßte sie mich knapp. "Es fällt mir nicht leicht darüber zu reden, aber es muss sein. Setzen wir uns erst einmal hin."




    Gerda führte mich zielstrebig zu einem Tisch, der sich unter dem schattenspendenden Dach der Golfplatzbar befand. Auf dem Weg dorthin sprach sie kein Wort und auch als ich mich gesetzt hatte starrte sie eine Weile nur wortlos auf die Tischplatte. "Es geht um Albert, Oxana", setzte sie schließlich an. "Ich fürchte, dass meine Ehe ernsthaft in Gefahr ist." Ich musste tief schlucken.




    Gerda wusste es! Sie muss von meiner innigen Umarmung mit Albert auf meiner Party erfahren haben. Diese Umarmung ging weit über einfache Freundschaft hinaus, dass hatte ich an diesem Abend sofort gespürt und trotzdem hatte ich sie nicht abgebrochen, sondern mich noch enger in Alberts starke Arme geschmiegt. Oh, Gott, vielleicht hatte sie uns beide sogar dabei beobachtet? Ich versuchte eine Erklärung hervorzubringen, eine Entschuldigung. Doch wie konnte ich mich gegenüber Gerda rechtfertigen, dass ich mich an ihren Ehemann herangemacht hatte? Dafür gab es einfach keine Entschuldigung. Ich konnte Gerda nur dafür bewundern, wie ruhig sie noch immer bleiben konnte, obwohl ich, die Ehebrecherin, genau vor ihr saß.

    Kapitel 25: Und da waren es drei




    Früh am nächsten Morgen stand Roland auf and begann das Chaos vom vergangenem Abend zu beseitigen. Insbesondere die Essensreste mussten weg, bevor die Sonne zu hoch stand, ansonsten würde es in wenigen Stunden nur so von Fliegen und anderen Insekten wimmeln, die nur zu gerne auch in das Haus flogen. Einmal saß sogar ein Geier auf unserer Veranda, als ich versehentlich einen Burger hab stehen lassen.




    Roland bemerkte in seinem Arbeitseifer nicht einmal, dass Tristan sich ihm nährte. Doch als er sich mit einem Stapel Teller in der Hand umdrehte und seinen besten Freund sah, war er doch angenehm überrascht. "Hi, Tristen", begrüßte er ihn fröhlich und stellte die Teller zurück auf dem Tisch. "Wo warst du den gestern Abend? Du hast doch gesagt, dass du kommst und du hast echt eine tolle Party verpasst."




    Doch Roland merkte schnell, dass irgendetwas nicht stimmte. Das war nicht der ständig fröhliche und lachende Tristan, den er sonst kannte. "Was ist los Tristan?", fragte er deshalb sofort. Tristan Blick sprach eigentlich Bände. Irgendetwas war passiert, dass ihn tief getroffen hatte. Roland wusste nur noch nicht was. "Es gab ein paar Probleme in meiner WG", erklärte Tristan und Roland ahnte schon, dass "ein paar Probleme" stark untertrieben war.




    Doch er drängte Tristan nicht. Er würde ihm schon erzählen, was passiert war, wenn er es wollte. Und Tristan wollte darüber reden, auch wenn er nur zögerlich begann: "Du kennst doch meine drei Mitbewohner Martin, Frank und Abdul. Wir haben alle vier gemeinsam bei der SimÖl Gesellschaft angefangen und eine Haus zugewiesen bekommen. Und du weißt ja selbst wie das ist. Bevor du anwirbst verspricht dir die Gesellschaft das Blau vom Himmel und wenn du in der Sierra Simlone angekommen bist, stecken sie dich monatelang in ein Zeltlager oder in eine überfüllte Wohnung. Da hatten wir vier ja noch Glück und eigentlich dachte ich, dass die Jungs ganz in Ordnung wären, doch da habe ich mich scheinbar gewaltig getäuscht."




    "Abdul hat gestern irgendwo aufgeschnappt, dass ich auf Typen stehe. Es ist nicht so, dass ich das verheimlichen würde, aber ich muss nicht jedem meine Sexualität auf die Nase binden und bis jetzt hatte ich noch keinen Grund gehabt, es meinen Mitbewohnern zu sagen." Tristan wurde langsam immer lauter und immer zorniger. "Aber die Jungs sahen das wohl etwas anders. Abdul ging sofort auf mich los und meinte, dass so ein Verhalten nur total widerlich sei. Und mein anderer Mitbewohner Martin warf mir an den Kopf, dass er niemals mit mir Schwuchtel in einem Bett geschlafen hätte, wenn er es gewusst hätte. Als ob ich ihn jemals auch nur angeflirtet hätte! Wir haben nun mal nur zwei Doppelbetten in unserem Haus und irgendwie müssen wir zu viert darin schlafen. Und dann haben sie mir mitgeteilt, dass ich mir lieber so schnell wie möglich eine neue Bleibe suchen soll, denn mit einem wie mir wollten sie nicht länger unter einem Dach wohnen."




    "Und selbst Frank hat sich auf deren Seite gestellt. Dabei dachte ich, dass er ein wirklicher Freund sei. Aber da habe ich mich wohl geirrt. Das man sich so in Menschen täuschen kann!". Bei den letzten Worten wurde Tristan wieder ruhiger und sichtlich bekümmert. Doch das wollte Roland auf keinen Fall zulassen. "Jetzt lass dich bloß nicht von denen fertig machen. Wenn die drei hirnlose Idioten sind, dann ist das deren Problem und nicht deins. Und du gehst garantiert nicht dorthin zurück. Wir holen gleich deine Sachen und dann ziehst du bei mir und Oxana ein."




    "Meinst du das im Ernst?", fragte Tristan sichtlich überrascht und als Roland energisch mit dem Kopf nickte fiel er ihm sichtlich bewegt um den Hals. "Danke, Roland! Danke, danke, danke! Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann."




    Und so stolperte ich etwa eine Stunde später über Tristans Sachen, die nun in unserer Küche standen. Eine kurze Erklärung reichte mir um Rolands Einzugsangebot noch einmal zu bestätigen und so feierten wir mit Pizza und Sekt den Einzug des dritten Bewohners in das kleine grüne Haus in der Simlane 10.




    Gedanken


    Und wieder waren einige Wochen in meiner neu gewählten Heimat vergangen. Und es waren keine schönen Wochen, aber ich hoffte, dass diese schlimmen Zeiten endlich vorbei waren. Mit Roland war alles endgültig geklärt und das Gerede der Leute würde nachlassen. Zumindest hoffte ich das.
    Nur hatte ich wieder keinen Job. Zurück in den Saloon konnte ich nicht. Die Belastung würde ich nicht aushalten und vielleicht war es auch ganz gut, wenn ich mich die nächsten Wochen etwas von der Bildfläche zurückzöge. Aber auf Dauer war das auch keine Lösung. Vielleicht sollte ich noch einmal mit meinem alten Chef im Labor reden. Mehr als nein sagen konnte er schließlich nicht.
    Auf alle Fälle war es nicht verwunderlich, dass unser Konto immer noch recht leer war. Es reichte um die laufenden Kosten zu decken, aber größere Ausgaben waren da nicht drin. Und die schienen auf uns zu zukommen, denn unser Haus war für zwei Bewohner eingerichtet, aber ab jetzt waren wir ja zu dritt.

    Viel mehr als die Sachen, die er an sich trug und eine Kiste mit ein wenig Kleinkram hatte Tristan aber leider nicht mitgebracht. Und die 123§ die er auf unser Haushaltskonto eingezahlte würden für einen Hausumbau wohl kaum ausreichen.
    Aber das war auch nicht so wichtig. Wir würden schon klarkommen und Tristan war ein echt netter Mitbewohner. Ich hatte mit Roland monatelang in unserem winzigen Haus gelebt, da würden wir uns jetzt nicht beschweren. Und solange kein anderes Zimmer vorhanden war, schlief Tristan halt bei Roland im Zimmer.
    Gleich nach seinem Einzug hatte ich den Test rausgesucht, den auch ich schon bei meiner Einreise machen musste und den Roland zum Spaß bei seinem Einzug gemacht hatte. Und dabei war folgendes für Herr Tristan Linse, 22, geboren in Estella Grande herausgekommen:




    Er war extrem offen und nett und auf keinen Fall ein ernster Typ. Aber das hatte ich auch schon ohne Test festgestellt. Allerdings schien er etwas schlampig und faul zu sein. Ich hoffte bloß, dass der Test sich in diesen Punkten irrte.




    Was seinen Männergeschmack betraf, so stand er auf den gut gebauten Typ, der auch ruhig mal nach Mann pur riechen konnte. Kein Wunder, dass Tristan seine Freizeit gern mal im Fitness-Studio verbrachte. Allerdings mochte er es nicht, wenn sein Gegenüber sich verstellte und eine Maske aufsetzte.




    Seine liebsten Gesprächsthemen waren Kultur, Sport und die Arbeit. Vielleicht nicht ganz mein Fall, aber Roland schien immer sehr interessiert. Schade, dass er so überhaupt nichts mit Tieren und der Natur anfangen konnte.





    Was seine Arbeit anging, so war er zur Zeit Praktikant im Politbüro der SimÖl Gesellschaft, welches sich um die Vergabe der Bohrgenehmigungen vom Staat kümmerte und mit den Staatschefs anderer Länder über den Im- und Exporte von Öl verhandelte. Ich war gespannt, ob er wirklich dabei bleiben würde.




    Denn besondere Fähigkeiten brachte Tristan für diesen Beruf nicht mit. Insgesamt gab es so gar nichts, wo er wirklich gut drin war. Aber er konnte die Toilette reparieren und bekanntlich war das ein sehr wichtiges Kriterium, das ein Mitbewohner in meinen Augen erfüllen musste.


    Mehr gab es zu Tristan im Moment nicht zu sagen. Aber dafür musste ich noch einmal von unserer Party erzählen. Ich habe hinterher noch mit ein paar Gästen gesprochen und scheinbar hatte es allen gefallen. Frau Tülle war sogar so begeistert, dass sie mich seitdem jedes Mal grüßte, wenn wir uns im Lebensmittelladen begegneten.
    Also hoffe ich, dass die Zukunft deutlich rosiger werden würde, als die letzten Wochen. Und solange man Freunde hatte, ließ sich alles schaffen.


    Kapitel 24: Die Farmer-Fete




    Gleich am Wochenende war es soweit. Gerda leistete ganze Überzeugungsarbeit und der Verein der "Farmerfrauen der Sierra Simlone" stimmte dem Vorschlag zu und stellte mir auch die nötigsten Dinge zur Verfügung. Für Musik, Tische, eine Bar und den Grill war also gesorgt. Und dem Anlass entsprechend zogen Roland und ich uns passende Kleidung an. Wir wirkten damit tatsächlich fast wie Jungfarmer.




    Als die Sonne langsam hinter den Bergen zu verschwinden begann, schmiss Roland den Grill an und brutzelte leckere Rippchen. Ich hatte zunächst befürchtet, dass sich niemand auf der Party blicken ließe, weil eben ich sie gab. Doch ich irrte mich. Angelockt von dem Duft des gegrillten Fleisches oder durch die Tatsache, dass die Sonne nicht mehr unerträglich auf uns niederbrannte, zeigten sich die ersten Gäste.




    Nachdem sie sich am Büfett bedient hatten, löschten meine Gäste ihren Durst an der Bar. Wir hatten auf Gerdas Rat hin einen Barkeeper kommen lassen und dieser stellte sich auch als notwendig heraus, denn er musste ständig neue Bowle ansetzen. Die Bewohner der Sierra Simlone waren dem Alkohol alles andere als abgeneigt.




    Und nach ein, zwei Gläsern ging es plötzlich richtig rund. Die Leute stürmten förmlich auf die Tanzfläche und tanzten ausgelassen zu der Country-Musik, die aus der Jukebox kam. Und auch wenn diese Musik nicht unbedingt meinem Geschmack entsprach, konnte ich mich der ausgelassenen Stimmung nicht entziehen. Und ein Blick auf die Tanzfläche zeigte mir, dass mein Ansehen weniger stark gelitten hatte, als ich befürchtete. Meine Freunde, wie Manuela und mein früherer Arbeitskollege Maxim waren gekommen und auch viele der ansässigen Farmer ließen sich blicken.




    Mitten in der Feier tauchte plötzlich ein uralter Mann auf. "Moses persönlich ist auf meiner Party erschienen", schoss es mir bei seinem Anblick durch den Kopf und im nächsten Augenblick rügte ich mich selbst für diesen blasphemischen Gedanken.




    Und trotz seines hohen Alters war der Fremde alles andere als unbeweglich. Er begann ausgelassen zu der Musik zu tanzen und lachte dabei über das ganze zahnlose Gesicht. Und als er dann plötzlich anfing, selbst ein paar alte Volkslieder zum Besten zu geben, schnappten wir anderen uns ein paar Topfe aus der Küche und begleiteten ihn instrumentell.




    Dabei stellten wir uns wirklich gut an, wie ich fand. Mit dem Gesang des Alten, den rhythmischen Schlägen unserer "Instrumente" und auch der gesanglichen Unterstützung im Refrain konnten wir uns hören lassen. Zumindest hatten alle einen Heidenspaß. Besonders Frau Tülle, von der "Blauheiden Farm" amüsierte sich köstlich.




    Zum Abschluss der Darbietung bewarfen wir uns gegenseitig mit Konfetti, welches irgendwer zuvor an alle Gäste verteilt haben musste. Ich fand es sehr schade, als der alte Mann sich dann nach einem Glas Bowle und einem deftigen Rippchen von uns verabschiedete und leise vor sich hin lachend in Richtung Wüste verschwand.




    Als krönenden Abschluss dieses Festes entzündeten wir ein großes Feuer, dass in dieser klaren Nacht sicher noch bis weit in die Wüste hinein zu erkennen war. Plötzlich stimmte Roland ein altes Volkslied an und zeigte mir ein paar Schritte, die mich irgendwie an eine Polka im Country-Stil erinnerten. Doch lustig war es allemal.




    Nach und nach verabschiedeten sich die Gäste und schließlich war nur noch Albert da. "Sss war ne wundervolle Patty, Ochschana", lallte er, strahlte dabei aber über das ganze Gesicht. Er hatte ganz offensichtlich ein paar Gläser zuviel von der Bowle gekostet. "Ich hoffe du machscht sowasch bald wieder."




    Und dann umarmte er mich überschwänglich und drückte mich fest an sich. "Du bischt eine...eine escht tolle Frau. Jaa dasch bisse wirklich." Und bei diesen Worten wiegte er mich sacht hin und her.




    Und ich genoss es. Ich genoss jede seiner Berührungen. Ich genoss seinen festen Griff, der mich umklammerte und ich genoss es, von ihm als tolle Frau bezeichnet zu werden. In diesem Moment wünschte ich mir, dass er mich nie wieder los ließe, dass er hier bliebe und mich....Nein! Was dachte ich da bloß. Das hier war Gerdas Mann!




    Ich löste mich hastig aus seiner Umarmung und verabschiedete mich. Und dann machte sich Albert fröhlich pfeifend auf den Weg nach Hause. Nach Hause zu seiner Ehefrau, wie ich mir noch einmal ins Gedächtnis rief. Und trotzdem zog es mich dann unweigerlich zu dem Fenster meines Zimmers und ich starte in die Dunkelheit hinein, in die Albert gerade entschwunden war.