Aufgabe 2
Nun lebe ich seit 2 Jahren in Namlingen. Ich entwickelte mit Paula eine tiefe Freundschaft, die mich oft aus meiner Melancholie riss. Regelmäßig treffe ich mich mit ihr und erzähle ihr mehr und mehr aus meinem Leben. Nur noch selten blitzen Erinnerungen an die Ereignisse von damals in mir auf. Außerdem besitze ich jetzt eine süße Katze namens Maja. Paula hatte sie mir letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt, damit ich nicht mehr so einsam bin.
Heute werden ich zu einer Gruppenausstellung gehen, bei der auch Muriel, eine Bekannte von mir, zwei Gemälde hängen hat. Es wird interessant sein, wie sie sich entwickelt hat. Während ich mich im Bad zurecht mache, denke ich an meine eigenen Arbeiten. Ich habe momentan eine Blockade. Mein letztes, wirklich gutes Bild hängt schon in meiner Galerie. Alles was danach kam ist Schrott und wird mir nicht gerecht.
Ich merke, wie ich langsam in ein depressives Loch rutsche und reiße mich zusammen. Heute geht es nicht um mich, sondern um Muriel. Ein Blick auf die Uhr versetzt mir einen Schock. So spät schon. Schnell laufe ich u meinem Auto und fahre zu der Ausstellung. Doch angekommen betrete ich die Galerie und entdecke sofort Muriel im Gespräch mit einer Frau und einem Mann. Die blonde Frau scheint die Galeristin zu sein.
Ich schaue mich ein wenig um, bevor ich Muriel begrüße. Die Bilder sind mäßig und ich sehe nur zwei, die mir gefallen. Nach 30 Minuten überlege ich mir, Muriel Hallo sagen zu gehen und drehe mich von dem Bild, das ich gerate betrachte, weg. Doch die Person, die ich dann direkt hinter mir sehe, löst eine Schwindelattacke bei mir aus. Es kostet mich viel Kraft, nicht einen überraschten Schrei loszulassen. Doch das Zittern, welches meinen gesamten Körper erfasst, kann ich nicht unterdrücken. Alte Erinnerungen brechen durch. Es fühlt sich wie eine Wunde an, die langsam verheilt und wo der Schorf plötzlich gewaltsam abgerissen wird.
Schnell wende ich mich wieder ab. Doch er hat mich gesehen. Ein dunkler, erdrückender Schatten legt sich über mich, als dieser Dämon in Menschengestalt auf mich zukommt.
„Hallo Schätzchen,“ raunt er mir mit seiner unverwechselbaren, rauen Stimme zu, die ich damals so anziehend fand. Er sagt noch etwas, was ich nicht verstehe, da ein Rauschen von meinem Gehörsinn Besitz ergriffen hat. Plötzlich wendet er sich ab, da etwas anderes seine Aufmerksamkeit ergriffen hat. Muriel ist zu uns getreten.
„Es ist besser, du verschwindest. Du bist hier nicht erwünscht. Da ist der Ausgang!“ Der wütende Blick, den er ihr jetzt zuwirft, hatte er auch kurz bevor er mich krankenhausreif schlug. Meine Hand tastet nach der Narbe in meinem Gesicht.
„Mal du lieber deine Bildchen weiter und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Meine Kleine will jetzt mit mir nach Hause“. Aus Angst, er könnte gewalttätig werden, nicke ich und folge ihm, als er aus der Galerie geht. Ich schäme mich zu sehr, als dass ich Muriel anschauen könnte. Sie sagt nichts mehr. Wahrscheinlich verabscheut sie mich wegen meiner Feigheit.
Langsam folge ich ihm auf die Straße. Kälte breitet sich in mir aus. Alle Fluchtversuche waren unnütz gewesen. Er hat mich gefunden. Alles wird so sein wie vorher. Panik erfasst mich, bei dem Gedanken und holt mich aus meiner Apathie zurück. Nein! Lieber sterbe ich, als mich wieder diesen Demütigungen auszusetzen. Ohne ein Wort zu sagen, drehe ich mich um und gehe wieder Richtung Galerie.
"Wo willst du hin?" Langsam drehe ich mich zu ihm.
"Du kannst mir keine Angst mehr machen." Er schnaubt wie eine wütender Stier und nach zwei großen Schritten ist er bei mir und packt meinen Arm. Ich starre ihn mit einer Selbstsicherheit in die Augen, die ich nicht wirklich empfinde.In dem Moment höre ich, wie hinter mir jemand aus der Galerie auf die Straße tritt.
"Ich schlage ihnen vor, die Frau besser in Ruhe zu lassen," droht eine männliche Stimme. Marco fixiert seinen Blick auf die Person hinter mir.
"Ach ja? Sonst passiert was?" Ungerührt fängt er an, mich in Richtung seines Autos zu ziehen. Ich wehre mich und versuche, meinen Arm zu befreien. Der Mann, der vorher gesprochen hat, erscheint in meinen Blickfeld und schlägtMarco ins Gesicht. Der taumelt zurück, verzieht sein Gesicht, lässt mich los und holt zum Gegenschlag aus, um zurück zu schlagen. Doch der Fremdeblockt die Faust geschickt ab und stößt Marco so sehr, dass er hin fällt. Marco sieht, dass er keine Chance hat, rappelt sich hoch und geht langsam zu seinem Auto. Sein Augen sprühen vor Feindseligkeit.
"Es ist noch nicht vorbei." Mit diesen Worten steigt in sein Auto und fährt weg.
Ich stehe noch etwas paralysiert da, doch dann bedanke ich mich bei dem Fremden. Mein einziges Ziel ist es jetzt, nach Hause zu fahren und eine Dusche zu nehmen. Die Ereignisse haben mich sehr mitgenommen.
"Entschuldigen Sie, dass ich mich eingemischt habe," unterbricht der Fremde meine Gedanken. "Doch Muriel hat sich Sorgen gemacht und bat mich, nach Ihnen zu schauen." Ich nicke dankend.
"Richten Sie ihr ein Danke aus. Aber ich will jetzt nach Hause," sage ich abwehrend. Auf eine Unterhaltung habe ich jetzt wirklich keine Lust.
"Verstehe ich. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Sie nach Hause fahren, zum Beispiel," fragt er mich.
"Nein, danke."
"Na gut. Ich hoffe, Sie kommen gut nach Hause. Ich will Sie nicht bedrängen."
Damit steige ich in mein Auto und fahre heim.