Kapitel 31 Herr Gruber!
Es ist sechs Tage her als Aron im Kloster war und seine Lebensgeschichte erzählte.
Nach dem Nachmittagsgebet redeten die Nonnen mit Fay. Sie erzählten ihr, dass es Zeit für sie wäre, den nächsten Schritt in ihrem Leben zu wagen und dass ein Kloster nicht der richtige Ort für ein junges Mädchen sei. Schwester Johanna erzählte ihr von ihrem Vater.
„Mein Vater ist ein alter einsamer Mann, der in einem kleinen Dorf namens Fichtelberg wohnt. Er hat einen kleinen Hof mit Tieren und wohnt dort ganz alleine. Er würde sich über deiner Gesellschaft sehr freuen und wenn du magst, kannst du ihn auch ein wenig helfen. Er hat auch einen kleinen Laden auf seinem Grundstück, so kannst du ein paar Leute kennenlernen. Er war früher mal Lehrer an einer Uni und wird ein gutes College für dich finden. Was hältst du davon?“ fragte Schwester Johanna Fay. „Ich weiß nicht, wollt ihr mich nicht mehr bei euch haben? Fragte Fay und wusste nicht so recht, was das zu bedeuten hatte.“ Doch …, wir möchten dich gerne bei uns haben. Du bereitest uns sehr viel Freude, und bis ein fleißiges Mädel, aber du kannst, nicht ewig hier bleiben es sei denn, du möchtest eine Nonne werden. Aber wir glauben, dass dies nicht deine Bestimmung ist. Mein Vater kann dich aufs College vorbereiten, denn er weiß eine Menge darüber. Wenn du jemals deine Erinnerungen wieder erlangen möchtest, kannst du dich nicht in einem Kloster verkriechen.“ meinte Schwester Johanna. Fay schaute ein wenig skeptisch, denn seitdem sie ihr Gedächtnis verloren hatte, fürchtete sie sich ein wenig vor allem, was fremd war.
Nur vier Tage später war es denn soweit, wo in den frühen Morgenstunden ein Taxi wartete und Schwester Johanna Fay zu ihrem Vater bringen wollte. Fay wurde von allen Nonnen liebevoll verabschiedet und sie bedankte sich noch mal für alles. „Und …, bis du bereit, Nikole?“ fragte Johanna und Fay nickte, obwohl sie schon ein mulmiges Gefühl hatte. So verließ sie mit Schwester Johanna das Kloster und schaute erwartungsvoll in die Zukunft.
Etwas traurig winkten die Nonnen das Taxi hinterher, bis es nicht mehr zusehen war.
In der nächstgrößeren Stadt hatte Johanna noch eine kleine Überraschung für Fay. Da in dem kleinen Dorf ihres Vaters, fast keine Geschäfte waren, machte sie mit Fay noch einen Einkaufsbummel. Die einzigen persönlichen Sachen die Fay hatte, waren ja nur die die sie am Tag ihres Verschwindens anhatte. Einen Mantel bekam sie von einer Nonne und Johanna kaufte in der Stadt alles, was so ein junges Mädchen brauchte. Fay war das sichtlich peinlich und immer wieder wies sie Johanna darauf hin, dass sie das nicht bräuchte. Doch Johanna war fast in einem Kaufrausch und hatte schon fast vergessen, wie viel Spaß es machte, einkaufen zu gehen.
„Das ist doch alles viel zu teuer!“ meinte Fay, als sie bemerkt hatte, was Johanna ausgab. „Ach Nikole, macht dir mal darüber keinen Kopf. Das Geld hat mir mein Vater geschickt, denn er glaubt fest daran, dass ich wieder nach Hause komme und das Leben als Nonne aufgebe.“ erwiderte sie. „Aber das bekommen Sie eines Tages alles wieder.“ meinte Fay denn sie wollte auf keinen Fall, das jemand soviel Geld für sie ausgibt. „Ja, ja, kannst es irgendwann mal einen bedürftigen Menschen geben. Dann ist das Geld da, wo es ohnehin hingekommen wäre.“ erwiderte Johanna.
Nachdem sie noch was gegessen hatten und Fay sich etwas Wärmeres anzog, ging ihre Reise weiter.
Als sich Fay während der Fahrt so die Gegend ansah, war sie ganz froh darüber, dass sie jetzt was Wärmeres anhatte. Umso näher sie dem kleinen Dörfchen kamen umso kälter wurde es. Fay war immer in Gedanken was sie wohl beim Herrn Gruber erwarten würde, freute sich aber dennoch auf neue Aufgaben und Ziele. Fay wusste ja nicht, wo sie herkam und so hoffte sie immer wieder jemanden zu begegnen der sie erkennen würde. „Es ist eigentlich ganz gut, das ich mich nicht all zu lange an einem Ort aufhalte. So besteht für mich, eine größere Chance viele Menschen zu treffen. Vielleicht ist ja jemand dabei der irgendwas über mich weiß. Ich habe Familie da bin ich mir ganz sicher und sie werden bestimmt auch alles tun, um mich zu finden.“
Es war schon Dunkel, als sie endlich bei Herrn Gruber ankamen. „Da seiht ihr ja endlich, ich habe mir schon sorgen gemacht. Und du …, du musst Nikole sein?“ sagte Herr Gruber und reichte Fay seine Hand. „Johanna hat mir schon einiges über dich erzählt. Kommt erstmal mit rein, es ist kalt hier draußen!“ Herr Gruber bezahlte das Taxi und Fay folgte Johanna, die schon ins Haus ging. Fay wunderte sich über den alten Mann und über Johanna. Vater und Tochter schienen nicht ein besonders gutes Verhältnis zu haben.
Johanna verstand sich mit ihrem Vater nicht besonders Gut und es kostete sie große Überwindung, überhaupt zu ihm zu fahren. Als sie sich gegenüberstanden, wussten beide nicht so recht, was sie sagen sollten. Fay merkte die angespannte Situation, sah nach unten und schwieg. Als Johanna sich damals entschlossen hatte ins Kloster zu gehen, war ihr Vater nicht erfreut darüber. Er hatte sehr früh seine Frau verloren und Johanna war immer so eine Art Mutterersatz für ihren sehr jungen Bruder. Er hatte damals sehr unter dem Verlust seiner großen Schwester gelitten und an seiner Mutter konnte er sich nicht erinnern.
Johanna fragte ihren Vater; „Bist du auch sicher, dass ich Nikole bei dir lassen kann?“ „Wieso, zweifelst du an dem, was ich sage? Wenn ich das nicht wollte, hätte ich das schon am Telefon gesagt. Außerdem wäre es schade um das Mädel, wenn es im Kloster bleiben müsste.“ erwiderte Herr Gruber etwas zornig.
„Du bist immer noch wütend, weil Mutter so früh von uns gegangen ist, und gibst Gott dafür die Schuld. Deshalb hast du auch deinen Glauben verloren. Es ist ja auch so einfach, Gott für alles die Schuld zu geben, dabei hilft er uns, bloß dieses sehen wir nicht oder wollen es nicht sehen. Er hat das Mädchen zu uns gebracht und bittet dich jetzt drum, ihr zu helfen. Er hat dich nicht vergessen und irgendwann wirst du Mutter wieder sehen und sie wird stolz auf dich sein.“ meinte Johanna. Herr Gruber sah seine Tochter nur an und schwieg.
„In welches Zimmer soll ich die Koffer bringen?“ fragte Johanna ihrem Vater, der wiederum sagte; „In deinem Zimmer! Es ist immer noch genauso wie damals. Ich habe immer gehofft, dass du wieder Heim kommen würdest. Ich kann bis heute nicht verstehen, warum du ein Leben als Nonne gewählt hast.“ „Komm Pa, lass gut sein! Ich mag darüber nicht reden, nicht jetzt!“ Johanna redete noch mit ihrem Vater über Fay, auf was er alles Achten sollte. Herrn Gruber tat Fay unendlich leid und er konnte richtig mitfühlen, wie leer es in ihr sein musste. Diese Leere hat auch er all zu oft gespürt.
Danach zeigte Johanna Fay das Haus und ihr zukünftiges Zimmer. Sie half ihr noch die Taschen auspacken und Herr Gruber machte was zum Abendbrot.
Beim Essen herrschte eine ungewohnte Stille. Keine wusste so recht, was er sagen sollte.
Nachdem Essen begaben sie sich zur Stube, setzten sich auf dem Sofa und redeten.
Johanna erzählte ihren Vater, warum sie Fay nicht zur Polizei gebracht hatte, dabei verschwieg sie aber wehr Fays richtige Eltern sind. Herr Gruber ist Gelehrter und für ihn müssen Beweise und Fakten da sein, um eine Sache zu glauben. So meinte sie nur zu ihrem Vater; „Auch wenn es für dich schwer zu verstehen ist, es ist für Nikole sicherer, wenn erstmal bei dir bleibt. Ich kann dir nicht sagen, was ihr wiederfahren ist, nur sollte sie im Moment nicht dahin zurückkehren, wo sie hergekommen war.“ „Wie kannst du dir da so sicher sein, wenn du nichts über Nikole weißt?“ unterbrach Herr Gruber seine Tochter. „Ich weiß das dir der Glaube fehlt, um das zu verstehen. Aber diese Wege wurden mir für Nikole offenbart und der Herr bittet nun dich um Hilfe.“ Herr Gruber schüttelte mit dem Kopf und meinte; „Johanna es gibt Gesetze, an denen auch du dich halten musst. Du machst dich strafbar und das weißt du auch.“ „Mag sein Papa, aber wenn ich sie der Polizei übergebe, wird sie zwar wieder nach Hause gebracht und man wird ihr erzählen, wer sie ist, doch ihre ganzen Erinnerungen kommen dadurch auch nicht wieder. Ich habe lange mit Nikole darüber geredet und sie versteht auch mein Handeln und vertraut auf ihren Glauben.“ Herr Gruber sah Fay an und fragte sie; „Kindchen bis du denn damit einverstanden?“ Fay wusste erst gar nicht, was sie dazu sagen sollte. Sie hatte in den letzen Tagen zwar viel mit Johanna geredet, doch nie darüber, dass die Polizei sie nach Hause bringen könnte. So nickte sie Herrn Gruber erstmal zu und hoffte noch mit Johanna reden zu können.
Die Gelegenheit bot sich auch 20 Minuten später. Herr Gruber ist zu Bett gegangen und Johanna brachte Teetassen zur Küche um sie in die Spüle zu stellen. „Du kommst dir bestimmt etwas überrumpelt vor, Nikole?“ sagte Johanna zu Fay. „Naja ich verstehe nicht ganz, warum ich nicht nach Hause soll?“ stellet Fay ihre Frage. „Nikole, du bist etwas ganz Besonderes. Deine Amnesie ist nicht durch eine Verletzung oder so gekommen, sondern eher von höherer Gewalt. Ich kann dir aber nicht erklären, warum es so ist. Du hast mir von deinem Schutzengel erzählt, von Dingen, die du träumst, von Bildern, die du siehst. Du merkst an dir selber, dass du Fähigkeiten hast, doch dessen du dir noch nicht bewusst bist. Du darfst vor dem Unbekannten keine Angst haben, du musst es nur zulassen. Vergesse das was du gelernt hast, das was du siehst oder hörst. Vertraue auf den Herrn und schaue tief in dir rein, dann wirst du erkennen und Antworten auf deine Fragen finden. Das geschieht nicht von heute auf morgen. Es braucht Zeit, bis du erkennen wirst, was deine Bestimmung ist. Ich weiß nur, dass es falsch wäre, dich zur Polizei zu bringen. Der Herr hat dich zu uns geführt, nun sollte ich dich zu meinem Vater bringen. Ich weiß nicht, was der Herr mit dir vorhat und wohin dich deine Reise noch führen wird, bist du wieder weißt, wer du bist. Aber vertraue und die Wege werden dir offenbart! Doch wenn dein Zweifel zu groß sein sollte, kannst du jederzeit zur Polizei gehen. Mein Vater wird dich denn hinbringen. Doch bevor du dich dazu entschließt, schaue tief in dich hinein!“
*geht noch weiter*