Beiträge von Innad

    Luxa: Danke für Deinen Kommi! ja, Anerkennung tut natürlich auch Tessa gut! Und das Bild das Du genannt hast, find ich selbst nicht so toll, ich hatte nur nicht so ne riesige Auswahl ;)



    Kiara: Hihi, den Zebrateppich find ich auch nicht so toll... aber wers mag :rolleyes

    Mh - der letzte Satz hat eigentlich eine ganz andere Bedeutung, als die, die ihr zuordnet. Damit meinte ich (wie Chrissy schreibt) eigentlich eher, dass die Jess und sein Schicksal nicht mehr ignorieren kann - es ist Bestandteil seines Lebens sozusagen.




    Jule: Danke für Deinen Kommi! Tessa ist ja ausgezogen, um nicht mehr unter ständiger Beobachtung zu stehen - das steht ja im Vorkapitel :)

    Deine anderen Fragen - verliebt hat sie sich nicht in Jess, nein, er ist für sie eigentlich eher ein Freund, denke ich...
    Und ob er zu ihr zieht? Weiß nicht - aber ihr werdet es bald erfahren



    @ineshnsch: Wieder ein toller langer Kommi! :) Du hast es mal wieder gut getroffen, alles was du geschrieben hast, kommt mir sehr nahe und dem, was ich mir selsbt denke

    WARUM es für Jess zu spät ist - ich denke, er ist einfach mürbe und sieht keinen Sinn mehr.



    Dani: Himmel, Du lässt nicht locker :D

    Die Wohnung hab ich eigentlich hauptsächlich vorgestellt, weil ich damit zeigen wollte, wie sehr Tessa auch ihren Geschmack geändert hat - sie ist erwachsener geworden.

    Ob Jess einzieht - ich schweige mal - lies einfach das kommende Kapitel.

    Ein Entzug wäre sicher das einzig richtige, nur denke ich, dass Jess darin keinen Sinn mehr sieht :(




    chrissy: Doppelkommi, wow! Ich hab Dir ja schon was drüben dazu geschrieben - Du triffst total ins Schwarze mit allem, was Du schreibst :)

    Es war Montagnachmittag und Tessa saß gespannt auf der Holzbank nahe des Bahnhofgebäudes, wo sie auf Jess wartete. Er erschien wie versprochen um halb fünf und sah sie aufmerksam an.
    „Was ist los, Tessa? Seit wann machst du es so spannend und wieso treffen wir uns heute hier?“
    „Ich… ich muss dir was zeigen.“
    Ihre Stimme klang aufgeregt und ihre Augen funkelten. Sie erinnerte Jess fast ein wenig an ein kleines Kind, das an Weihnachten vor dem geschmückten Tannenbaum stand und die Bescherung nicht mehr erwarten konnte.
    Er lächelte. „Tessa – was ist denn los? Du strahlst richtiggehend. Nun rück schon raus mit der Sprache!“



    Tessa zwinkerte ihm verschwörerisch zu und zog die Zeitung aus ihrer Tasche, welche sie schon so oft durch ihre Finger hatte gleiten lassen, dass sie bereits reichlich abgegriffen aussah.
    Jess begriff sofort. „Tessa… sag nur… ist das… dein Artikel… der von damals?“
    „Ja!“ Sie schien richtiggehend zu jauchzen. „Stell dir das nur vor… er ist gedruckt worden und ich hab die Projektgruppe geleitet und ab sofort brauch ich keine Hühnerzuchtartikel mehr zu schreiben!“
    Sie faltete die Zeitung auf und zeigte ihm stolz die Doppelseite, auf der ihr Artikel zusammen mit all jenen Informationen, welche ihre Gruppe in den letzten Tagen erarbeitet hatte, in dicken Lettern prangte.
    Jess sah sie lächelnd an. „Ach, Tessa – das ist echt toll! Das freut mich so für dich!“



    Sie lächelte zurück und gab ihm die Zeitung. Die nächsten Minuten saßen sie still nebeneinander, während Jess den Artikel eingehend studierte.
    „Das ist toll geschrieben“, sagte er schließlich. „Vor allem mit dem letzten Satz hast du genau das ausgedrückt, was mir so wichtig war…“ Er nahm die Zeitung wieder heran und las vor: „Und genau darum kann unser Aufruf an alle unsere Leser nur einer sein – lassen Sie die Finger von den Drogen … sie sind es nicht wert, dass man sein Leben dafür wegwirft.“
    Er sah sie an. „Das hast Du toll formuliert.“



    Tessa spürte, wie das Wohlgefühl und die kribbelige Aufregung, die sie die letzten Tage erfüllte hatte, mit einemmal verschwand und sich ihr Magen zusammenzog, als sie Jess´ traurige Augen sah.
    „Jess… ich hab das aus einem ganz gewissen Grund geschrieben“, sagte sie dann. „Lies doch mal alles andere, was da steht… ich meine… ich hab mich in den letzten Tagen so viel mit dem Thema Drogensucht beschäftigt und offen gesagt, versteh ich deine Entscheidung bezüglich des Entzugs immer weniger.“ Sie sah ihn offen an. „Jess – es muss die Hölle sein, das glaube ich dir ja… aber … genau das ist es doch… du MUSST dein Leben nicht wegwerfen! Du hast es immer noch in der Hand… und Du hast eine reelle Chance, Jess… wieso versuchst du es nicht wenigstens?“



    Doch Jess schüttelte den Kopf. „Nein, Tessa – ich habs dir schon etliche Male gesagt und werde es dir immer wieder sagen – es hat keinen Wert mehr für mich. Grundlegend magst du natürlich recht haben, aber nicht in meinem Fall… und bitte, lass das Thema jetzt sein. Tessa – versteh es doch… für mich ist es einfach zu spät. Viel zu spät.“



    Tessa schluckte und hätte so gerne so vieles erwidert, doch Jess wandte den Blick ab und schob das Kinn nach vorne, ein Zeichen dafür, dass jede weitere Diskussion zwecklos sein würde. Tessas Blick fiel auf die Zeitung, die er neben sich auf die Bank gelegt hatte.
    Hatte sie heute Morgen noch ein unbeschreibliches, stolzes Glücksgefühl durchrannt, als sie ihr Werk vor sich hatte liegen sahen, so schien ihr Herz mit einemmal so schwer, dass es nicht mehr fähig war, sich zu freuen.
    Für einige wenige Tage hatte sie es geschafft, die Angst und Sorge um Jess zu verdrängen – ein normales Leben zu leben… doch in diesem Moment begriff sie, dass das nicht mehr möglich sein würde…



    Plötzlich überkam sie eine hilflose Traurigkeit und während Jess schweigend neben ihr saß und in die Luft starrte, beschlich Tessa der beklemmende Gedanke, dass es nicht nur für Jess zu spät war, um umzukehren … sondern auch für sie selbst...





    Fortsetzung folgt!

    Es war später Mittwochnachmittag und Tessa war gerade damit beschäftigt, einen Artikel über das Jahrestreffen der „Opel Freund Nord“ zu schreiben, als das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte.
    Sie sah auf und zuckte zusammen, als sie die interne Rufnummer erblickte. Nervös nahm sie den Hörer ab und versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
    „Frau Berger?“
    „Ja, Herr Andres?“
    „Schön, dass ich Sie noch erwischte, Frau Berger. Ich würde Sie gerne in meinem Büro sprechen, wenn das möglich ist. Haben Sie jetzt Zeit?“
    Tessa schluckte.
    Der Redaktionschef hatte sie bisher noch nie in ihr Büro gebeten – bis auf das eine Mal, als sie sich hier beworben hatte – und auch sonst hatte er von ihr so gut wie noch nie Notiz genommen. Was konnte er nur von ihr wollen?



    Tessa biss sich nervös auf die Lippen und überlegte fieberhaft, ob sie in den letzten Tagen irgendetwas verbockt haben könnte…. Vielleicht ging es um diesen blöden Verschreiber in ihrem letzten Artikel über die Zuchtstute Nelly – sie hatte ihn trotz mehrmaliger Korrektur nicht entdeckt und so etwas wurde gar nicht gerne gesehen.
    „Frau Berger? Sind Sie noch dran?“
    Erschrocken nickte Tessa, bis ihr einfiel, dass Herr Andres das ja nicht sehen konnte.
    „Natürlich, Herr Andres. Ich komme sofort, wenn es Ihnen passt.“
    „In Ordnung, ich erwarte Sie.“
    Und schon hatte er aufgelegt. Tessa fistelte sich nervös an ihrer Jeansjacke herum und warf einen hilfesuchenden Blick zum Nachbarschreibtisch, wo normalerweise ihre Kollegin Antonia saß, doch diese war heute früher nach Haus gegangen. Dabei hätte sie ihren Rat jetzt so gut gebrauchen können!
    Doch es half alles nichts – je schneller sie es hinter sich bringen würde, desto besser – also atmete Tessa tief durch und machte sich auf den Weg zum Büro des Redaktionschefs, das nur einige Zimmer den Gang hinunter lag.
    Zaghaft klopfte sie an dunkle Holztür. Von innen drang eine freundliche, aber tiefe Stimme. „Herein, bitte!“
    Noch einmal atmete Tessa tief durch und versuchte, sich selbst Mut zuzusprechen, als sie die Tür mit Schwung öffnete und möglichst unbekümmert ins Zimmer ging.



    Nervös strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und blieb kurz hinter der Tür stehen. Das Büro war riesig, hier fanden meist auch die Redaktionssitzungen- und –meetings statt.
    Herr Andres sah von seinem Schreibtisch am anderen Ende des Büros auf und lächelte Tessa freundlich zu.
    „Frau Berger, schön, dass es geklappt hat. Setzen Sie sich doch.“
    Und er wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch.
    Beklommen setzte Tessa sich und wartete geduldig, bis er den Blick von seinem Notebook wieder aufrichtete und sie freundlich anlächelte.
    Herr Andres war eine interessante Persönlichkeit. Sein Alter konnte Tessa nur schlecht einschätzen, sie vermutete, dass er Anfang 30 sein mochte. Er wirkte zwar immer recht imposant, war aber an und für sich sehr beliebt bei den Redaktionsmitarbeitern und für seinen lockere, aber zielgerichtete Arbeit geschätzt.
    Seine Haare trug er in kleine Rastazöpfe geflochten, was einen seltsamen Gegensatz zu dem schwarzen Anzug bildete, den er trug. Die rosafarbene Krawatte und die grün gefärbte Brille verliehen seiner Erscheinung etwas extravagantes.
    Freundlich lächelte Herr Andres Tessa an.
    „Nun, Frau Berger, Sie arbeiten inzwischen schon eine ganze Weile hier, nicht wahr?“



    Tessa nickte schüchtern. „Ein gutes halbes Jahr in etwa.“
    „Wie sieht es denn aus mit Ihrem Studienplatz?“ Er sah sie aufmerksam an.
    „Nun ja – ich hab noch nichts gehört, aber normalerweise kommen die Mitteilungen immer erst im späten Herbst.“
    „Sehr schön – und Sie hoffen also, im kommenden Frühling an der Akademie genommen zu werden?“
    „Ja – ich hoffe es.“
    „Haben Sie denn dann weiterhin vor, nebenbei für uns zu arbeiten?“
    Tessa sah ihn verwirrt an und sagte unsicher. „Ich… ich weiß nicht so recht, ich hab mir da noch gar keine Gedanken darüber gemacht…“
    „Ich würde es Ihnen empfehlen, Berufserfahrung ist das A und O.“
    Wieder lächelte er freundlich und sagte dann: „Aber natürlich habe ich Sie nicht hergebeten, um mit Ihnen über Ihr Studium zu sprechen, Frau Berger. Es geht viel mehr um Ihre Arbeit.“



    Tessa schluckte. Sie hatte es ja geahnt – dieser vermaledeite Zuchtpferde-Bericht!
    „Frau Berger, was Sie so schreiben, macht Ihnen das denn Spaß?“
    Tessa sah Ihren Chef zögerlich an. „Nun ja… schon…“
    Er lachte laut auf. „Das reicht mir als Antwort… begeistert klingen Sie gerade nicht…“
    „Naja… ich fürchte einfach, mir fehlt manchmal etwas die Begeisterung für Zuchtpferde und Opel-Freunde, aber ich werde es sicher noch lernen.“
    Herr Andres zwinkerte ihr freundlich zu. „Wir haben alle mal klein angefangen, Frau Berger. Dennoch – ich muss sagen, ich bin nicht sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit.“
    Tessa sank das Herz. Also doch!
    „Ich… ich werde versuchen, mich zu verbessern“, sagte sie leise.
    „Nein – so meine ich das nicht. Ihre Artikel sind in Ordnung, aber Sie können es so viel besser.“
    Tessa sah auf. „Wie meinen Sie das?“
    Er holte einige Blätter Papier heraus und schob sie über den Tisch zu ihr.
    „Ich meinte das hier! Ihr Vorgesetzter Herr Beck hat mir das vor einiger Zeit gegeben, mit der Bitte, es zu lesen. Und ich muss sagen, ich bin vollauf begeistert davon.“
    Tessa starrte auf die Blätter, die er ihr zugeschoben hatte und fasste es nicht – es war der Bericht über Jess, den sie vor Wochen geschrieben hatte!



    Lange hatte sie gezögert, überlegt, ob sie ihn überhaupt abgeben sollte oder lieber doch nicht… und es dann schließlich getan. Da sie so lange nichts davon gehört hatte, war er letztlich völlig in Vergessenheit geraten… bis gerade eben.
    „Wenn Sie nichts dagegen haben, möchten wir den Bericht auf jeden Fall in der nächsten Ausgabe drucken. Ich habe schon einige Ihrer Kollegen angewiesen, noch einige begleitende Berichte und Artikel zum Thema Drogensucht zu schreiben. Wie sind Sie nur auf so etwas gekommen und wer ist Ihre Quelle?“
    Tessa sah rasch auf. „Oh – das… das kann ich nicht sagen, ich habs versprochen. Aber sagen wir einfach so – ich hab diesen jungen Mann per Zufall getroffen und … einfach Interesse an ihm gehabt.“
    Herr Andres nickte begeistert. „Ja, genauso funktioniert guter Journalismus, Frau Berger. Ich muss schon sagen – alle Achtung, dass Sie das in Ihrem Alter schon geschafft haben. Nun, Frau Berger – Sie scheinen mir in diesem Gebiet recht fachkundig und ich wollte Sie bitten, die Gruppe zum Thema Drogensucht zu leiten.“
    Tessas Augen weiteten sich. „Ich?“ stieß sie hervor.
    Herr Andres nickte. „Ja, Sie haben die fachliche Kompetenz und auch wenn es nicht üblich ist, dass jemand Junges wie Sie die Gruppen leitet, scheint es mir in diesem Fall doch angebracht. Die Mitarbeiterinnen der Gruppe erfahren Sie morgen, ich schicke Ihnen alles per E-Mail zu. Sind Sie einverstanden?“



    Tessa nickte aufgeregt. „Natürlich – nur… was genau muss ich dann tun?“
    „Sie koordinieren, welche Informationen noch benötigt werden, wer was schreiben wird und Sie lesen die Artikel Korrektur.“
    Tessa konnte kaum glauben, was Herr Andres ihr da gesagt hatte.
    Er besprach noch einige Details mit ihr und entließ sie dann mit den Worten. „Dann viel Glück mit der Gruppe und viel Spaß, Frau Berger! Das Thema wird nächste Woche in der Montagausgabe gedruckt, Sie fangen morgen mit der Gruppe zu arbeiten an.“
    Tessa wollte gerade aufstehen, da fügte er plötzlich hinzu: „Ach – und Frau Berger?“
    „Ja?“
    „Ab sofort brauchen Sie sich nicht mehr mit den Opel-Freunden herumschlagen.“ Er zwinkerte. „Sie dürfen ab sofort richtige Artikel schreiben. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne?“



    Eine Antwort war in diesem Falle überflüssig – ein Blick in das Gesicht des jungen Mädchens reichte dem erfahrenen Redaktionsleiter vollkommen, um die Sache für beschlossen zu erklären.

    Kapitel 13
    Veränderungen



    Tessa stieg aus dem Auto und blieb einen Moment wie verzaubert vor dem großen, weiß getünchten Mehrfamilienhaus in der Kastanienstraße stehen.
    Hier war also ab sofort ihr neues Zuhause – sie konnte es immer noch nicht richtig glauben, denn alles war mit einemmal so furchtbar schnell gegangen.
    Ihre Augen schweiften über die freundlichen, blau-weißen Fensterrahmen und Balkontüren und blieben an dem großen Balkon in der Mitte hängen.



    Hinter diesen Fenstern verbarg sie sich, ihre neue, kleine und hübsche Wohnung, eine Wohnung, die sie loseisen sollte von den starren Rahmen ihrer Herkunft, die ihr Freiheit schenken sollte und die sie mit einemmal erwachsen hatte werden lassen.
    In den letzten zwei Wochen war hier fast ununterbrochen gewerkelt worden. Die Wohnung hatte sich zwar in gutem Zustand befunden, dennoch mussten die Wände gestrichen und teils tapeziert werden, Lampen angebracht und Anschlüsse installiert.
    Doch ihr Vater hatte Wort gehalten – kaum hatten ihre Eltern sich an den Gedanken von Tessas Auszug gewöhnt, hatten sie in bekannter Manier alle Hebel in Bewegung gesetzt, um dem Wunsch ihrer Tochter so schnell als irgend möglich nachzukommen.
    Gute Beziehungen machten sich offenbar wirklich bezahlt – keine Wartezeiten oder Fristen bei den Möbelhäusern und Handwerker, die sofort auf dem Teppich standen, waren das Ergebnis gewesen.
    Tessa konnte kaum glauben, dass ihr Entschluss, hier her zu ziehen, tatsächlich erst vor zwei Wochen gefallen war und sie nun schon hier stand und dabei war, ihre fertige Wohnung zu betreten.
    In den letzten zwei Wochen war ihr kaum Zeit für etwas anderes als die Vorbereitungen geblieben, selbst die Besuche bei Jess hatte sie eingeschränkt, natürlich nicht, ohne ihm vorher zu erklären, warum.
    Langsam öffnete Tessa die Haustüre und ging durch den Flur die Treppen nach oben in ihr Reich.
    Die vielen Stunden, die sie alle in die Einrichtung investiert hatten, waren nicht umsonst gewesen. Tessa lächelte, als sie in ihrer ersten eigenen Küche stand.



    In warmen Orangetönen hatte sie diese gehalten, die Wände jedoch in blau gestrichen. Sie fragte sich insgeheim, wie oft sie hier wohl kochen würde – bisher schaffte sie es gerade mal, sich ein Ei in der Pfanne zu braten… ob das jemals anders werden würde?



    Dann schritt sie weiter in das hell eingerichtete Badezimmer und während sie sich am Waschbecken erfrischte, genoss sie die Stille in der Wohnung viel bewusster als sie das jemals in dem großen Haus ihrer Eltern hatte tun können.



    Auch das Wohnzimmer war wunderschön geworden.



    Ein großzügiger Arbeitsplatz würde Tessa in Zukunft genug Platz zum Lernen geben, Bücherregale boten Raum für die vielen Lehrbücher, die kommen mochten und eine Ess-Ecke lud Besucher dazu ein, auch einmal zum Essen zu bleiben.



    Tessa hatte fast nichts aus ihrem alten Mädchenzimmer mitgenommen – es war ihr fast ein wenig vorgekommen, als wolle sie einen Teil ihres alten Lebens bewusst zurücklassen… denn dieser Umzug schien einen neuen Abschnitt einzuleiten, von dem sie selbst noch nicht recht wusste, wohin er gehen mochte.
    Sie ging an der großen, weißen Couch vorbei und betrat ihr Lieblingszimmer. Es roch noch ein wenig nach Farbe, denn die Maler hatten es erst vor drei Tagen endgültig fertigbekommen. Das Schlafzimmer hatte Tessa bewusst in tiefen, dunkelroten und erdigen Tönen gehalten. Hier fühlte sie sich am wohlsten. Sie strich die Bettdecke glatt und sah sich um.



    Zum ersten Mal seit Wochen fühlte sie sich richtiggehend glücklich und zufrieden – das Gefühl, das alles hier ihr Reich war, ihr Rückzugsort, ein Ort, an dem sie niemanden mehr Rechenschaft ablegen musste, erfüllte sie mit Ruhe und Zufriedenheit und als sie an diesem Abend auf ihrem gemütlichen Bett lag, fühlte Tessa sich einfach nur als glücklicher, junger Mensch, für den ein spannender, neuer Abschnitt des Lebensweges begonnen hatte.


    @JuleII: Ich freu mich echt total, dass Du "mich" noch entdeckt hast und mitlesen wirst!!! Danke für deinen lieben Kommi! :)


    Luxa: Auch danke für Deinen Kommi! Ja - die Eltern sind halt Eltern ;) besorgt und ein wenig übervorsichtig, aber letztlich ist das wohl normal für ihre Gattung :D


    Kiara: Du bist der Brüller : oha ich seh noch Alpträume auf sie zukommen.. so allein.. das Knacken des Stromkastens... das Heulen einer Eule und eine bibbernde Tessa unter der Decke ihres Designerbettes *lach*

    DAS kann ich mir auch bildlich vorstellen! :)

    Niklas ist im Moment auch für Tessa total schwer einzuschätzen... aber wir werden im übernächsten Kapitel erfahren, was er so treibt und in seinem Kopf rumgeht, keine Bange.

    Deine Überlegung mit Jess und dem Einzug ist natürlich schon nicht falsch - ob Jess da aber zustimmen würde??? Wer weiß... Es wäre für ihn vielleicht ja eine Chance, doch noch von der Straße wegzukommen... dürfte nur nicht irgendwann Tessas Mutter mit dem Zweitschlüssel reinplatzen, wenn er gerade unter der Dusche steht *gg*

    Danke für Deinen Kommi... ich sehe, Du nimmst allmählich eine Spur auf ;)



    @all: Das nächste Kapitel ist recht lang und besteht aus 3 Teilen. Ich hab lang überlegt, ob ich es trennen soll, fand es so dann aber doch am besten. Es ist ein Zwischenkapitel, das aber unbedingt reingehört, ich hoffe es gefällt euch dennoch - und es sind recht viele bilder diesmal ;)

    Viel Spaß dabei!

    Kiara: Ja, das ist schon verwirrend mit unserer Abwechslerei :) hihi. Aber grundlegend kommentiert immer diejenige von uns, die auch den Text geschrieben hat.

    Deine Vermutungen sind wie immer hoch interessant und Du könntest natürlich recht haben. Würde Susan jetzt sterben, würde Cedrik noch mehr in seinen Schuldgefühlen versinken. Das Verhältnis zwischen ihm und Marie hast Du sehr gut beschrieben. Ich denke schon, dass die beiden ahnen, wie sie füreinander empfinden, aber wirklich aussprechen tut es natürlich bisher noch keiner von beiden.

    Danke für deinen schönen Kommi !




    Rivendell: Erstmal möchten wir Dir einen schönen Urlaub wünschen! :) Ja, die Bilder aus der Vergangenheit sollten auch genau das veranschaulichen, wie lange Marie die Familie schon kennt und auch, wie eng das Verhältnis zwischen ihr und den Lensens ist.
    Danke für Deinen Kommi!


    @JuleII: Deine Gedankengänge find ich auch sehr interessant, gerade in Hinblick auf die neue Sig von uns. Ja, das stimmt, alles, was Du schreibst, könnte eintreffen, aber ich darf natürlich noch nichts davon verraten, wobei Du schon wirklich ganz gut mit diesen Gedankengängen liegst :)

    Danke auch Dir für diesen tollen Kommi!


    @ineshnsch: Du beschreibst Cedriks Gefühle sehr gut. Glücklicehrweise haben wir sowas noch nicht erlebt, aber versucht, die Situation möglichst nahe zu schildern. Cedrik weiß natürlich sehr genau darum, dass sein Geständnis der auslösende Faktor für Susans Nachtspaziergang und den Unfall war und mit diesem Wissen muss er nun erst einmal irgendwie zu leben versuchen. Je nachdem, wie Susan aus dem Unfall hervorgehen wird, kann das natürlich verdammt schwer werden, da hast Du recht.

    Vielen Dank für diesen tollen Kommi!


    @ALL: Wir werden versuchen, noch im Laufe der Woche das nächste Kapitel einzustellen, können es aber nicht ganz versprechen, weil im Moment alles ein bißchen drunter und drüber bei uns geht :) Aber seht es uns nach und bleibt gespannt - im nächsten Kapitel passiert durchaus wieder etwas entscheidendes und es lohnt sich zu warten! :)


    Bis dahin bedanken wir uns bei euch allen fürs treue Lesen

    Chrissy und Innad

    Tessa zögerte nicht lange, ihren Entschluss in die Tat umzusetzen. Sie ergriff darum die nächste Gelegenheit beim Schopfe – schon zwei Tage später wollte es der Zufall so, dass sowohl sie als auch ihre Eltern zum Mittagessen zu Hause waren. Ihr Vater war am späten Abend von einem Geschäftstermin in Russland zurückgekommen und hatte sich heute die Arbeit mit nach Hause genommen, ihre Mutter hatte den Salon für ein paar Stunden ihren Mitarbeitern überlassen und Tessa hatte sich bei der Zeitung ein paar freie Stunden herausgeschlagen.
    Trudy hatte eine Truthahn in die Ofen geschoben und war froh, die ganze Familie einmal beisammen zu haben.
    Auch Tessa war froh um Trudys Anwesenheit, denn sie wusste, dass ihre Ziehmutter sie in ihrem Vorhaben unterstützen würde – in Tru würde sie sich nicht auch noch täuschen, da war sie sicher.
    Als Tru ihr einen Teller mit dampfendem Essen reichte, schien diese ihre Gedanken zu erraten und als wolle sie ihr ein wenig auf die Sprünge helfen, sagte sie sanft: „Tessalein, was ist heute los mit dir? Liegt dir etwas auf dem Herzen?“



    Tessa lächelte dankbar. Es war so gut, wenigstens noch Tru auf ihrer Seite zu haben- auch wenn diese ihre wahren Beweggründe natürlich auch nicht kannte und vermutlich nicht verstehen würde… dennoch war ihre mütterliche Wärme Balsam für Tessas wundgescheuertes Herz.
    „Nun ja – schon, du hast recht… ich wollte etwas mit euch allen besprechen, darum bin ich froh, dass wir heute so zusammen sitzen.“
    „Was hast du denn auf dem Herzen, Tessa?“ Ihre Mutter sah sie aufmerksam an und auch ihr Vater hatte den Blick auf sie gerichtet.
    Tessa fasste sich ein Herz und sagte: „Also – ich habe viel nachgedacht in letzter Zeit und… ich habe mir etwas überlegt. Ihr hattet mir vor einigen Monaten, nach dem Abi, doch einmal angeboten, die Eigentumswohnung in der Innenstadt zu übernehmen, wisst ihr noch?“
    Tessas Mutter sah ihre Tochter erstaunt an.



    „Du meinst die Wohnung in der Kastanienstraße?“
    „Ja, genau, die meinte ich“, sagte Tessa langsam. „Also … wenn sie noch frei ist, würde ich das Angebot jetzt gerne annehmen.“
    „Wieso das denn auf einmal?“ Tessas Mutter sah ihre Tochter fragend an. „Vor einigen Monaten sagtest du noch, du wolltest nicht alleine wohnen. Woher kommt dieser plötzliche Sinneswandel?“
    „Naja“, Tessa schluckte unsicher und rief sich die Worte in Erinnerung, die sie sich so sorgfältig zurechtgelegt hatte. „Es ist einfach so… ich wäre viel näher an der Redaktion und auch an der Uni, sobald ich dann meinen Studienplatz habe, was ja hoffentlich im nächsten Frühling der Fall sein wird… und… ich weiß auch nicht, ich denke, ich bin jetzt einfach soweit, ich würde gerne auf eigenen Beinen stehen… es wäre soviel praktischer für mich.“
    Sie sah Tru hilfesuchend an und diese enttäuschte sie wieder nicht, denn sie lächelte sanft und sagte: „Ich finde diese Idee gut, Amanda. Tessa wird in wenigen Wochen immerhin schon zwanzig, das dürfen wir nicht vergessen. Unser Mädchen wird erwachsen…“ Sie bedachte Tessa mit einem liebevollen Blick ", und je eher sie selbstständig wird, desto besser ist es. Und in der Wohnung in der Kastanienstraße ist sie trotzdem immer noch ein wenig in eurer schützenden Hand, fliegt nicht ganz aus dem Nest.“



    Tessa lächelte sie dankbar an und blickte dann zu ihrem Vater, der sich die ganze Zeit in nachdenkliches Schweigen gehüllt hatte.
    Er erwiderte ihren Blick und sagte dann: „Und du bist dir sicher, dass du alleine zurechtkommen wirst, Tessa?“
    Tessa sah ihn scheinbar empört an. „Natürlich werde ich das! Ich bin doch kein kleines Kind mehr!“
    „Nun ja – die Wohnung ist noch frei, es spricht so gesehen nichts dagegen“, sagte er langsam.
    „Weißt du, Papa, wenn ich dann den Studienplatz habe, wird es für mich viel einfacher sein, nicht den langen Weg in die Stadt zu haben – ich meine… ich werde viel lernen müssen und um jede freie Minute dankbar sein, weißt du.“
    „Das ist eine löbliche Einstellung“, erwiderte ihr Vater mit unverkennbarem Stolz.
    „Und wegen des Geldes braucht ihr euch auch nicht zu sorgen“, sagte Tessa schnell und rechnete nach. „Ich habe einige tausend Euro zur Seite gelegt und immerhin verdiene ich ja bei der Zeitung auch noch etwas. Ich kann die Miete also bestimmt bezahlen.“



    Ihre Mutter sah sie erstaunt an. „Also Tessa! Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass wir von unserer eigenen Tochter Miete verlangen würden?“
    „Die Wohnung steht zur Zeit ohnehin leer“, sagte ihr Vater lächelnd. „Der vorherige Mieter ist vor vier Wochen ausgezogen, du hast dir einen guten Zeitpunkt ausgesucht.“ Er sah seine Frau an. „Und deine Mutter hat natürlich recht, Tessa, wir werden keine Miete von dir verlangen, das kommt gar nicht in Frage. Du wirst das jetzt verdiente Geld später sicher einmal gut gebrauchen können, also lege es gut an, damit es ordentliche Zinserträge bringt.“
    „Aber für die Einrichtung brauche ich es doch auch“, erwiderte Tessa zaghaft.
    Ihr Vater lächelte gütig. „Das kannst du getrost uns überlassen, mein Mädchen. Schließlich bist du erst knapp zwanzig und wir können es uns leisten, dir die Wohnung einzurichten. Wenn du einmal selbst verdienst, und damit meine ich richtig und nicht nur diesen Praktikantenjob bei der Zeitung, sieht das anders aus. Aber zurzeit unterstützen wir dich natürlich noch, wo wir können.“ Er lächelte und fing sofort an zu planen: „Wann willst du umziehen? Noch diesen Monat? Dann werde ich sofort die Malerfirma anrufen, damit die Wände nächste Woche fertig sind. Und du könntest heute Nachmittag mit deiner Mutter losfahren und Möbel aussuchen. Was hältst du davon?“



    Tessa schluckte. „Es wäre mir schon recht, wenn es so schnell wie möglich machbar wäre mit dem Umzug“, sagte sie dann langsam. „Nur – ich möchte wirklich nicht, dass ihr mir alles bezahlt, ich meine, das braucht ihr nicht und…“
    Sie verstummte, als sie Trudys beschwichtigenden Blick sah und begriff, dass sie hier nicht weiterbohren sollte. Also seufzte sie nachgiebig und fügte hinzu: „Aber wenn ihr es gerne wollt, bedanke ich mich natürlich herzlich dafür. Und gerne können wir heute Mittag Möbel aussuchen gehen, wenn du magst, Mama.“
    Ihre Mutter sah sie mit funkelnden Augen an. „Oh, das ist wunderbar, ich habe schon so lange kein Zimmer mehr eingerichtet! Natürlich wirst du dir alles aussuchen, Tessa, ich kann dir nur raten, keine Bange!“
    Sie klatschte vergnügt in die Hände und schien über der Vorfreude auf den Einkaufsbummel plötzlich all ihre Bedenken bezüglich Tessas Umzugsplänen vergessen zu haben.
    „Arthur, weißt du, da gibt es doch diesen neuen Designerladen an der Chiemchaussee, wie wäre es, wenn wir es da zuerst versuchen?“



    Sie sah ihren Mann aufmerksam an, doch dieser schien schon die nächsten Schritte zu planen und nickte nur geistesabwesend. Während ihre Mutter die Geschäfte aufzählte, in die sie zu gehen gedachte, und ihr Vater die Nummer des Malers auf seinem PDA zu suchen begann, warf Tessa Trudy einen Blick zu und diese lächelte gütig und obwohl sie es nicht aussprach, konnte Tessa sie die Worte flüstern hören: „Ich werde dich vermissen, Tessalein“ …





    Fortsetzung folgt!

    Kapitel 12
    Flucht



    An diesem Abend krabbelte Tessa früh in ihr Bett. Sie fühlte sich so erschöpft wie noch nie in ihrem bisherigen Leben. Alles tat weh – jede einzelne Faser ihres Körpers, aber noch viel mehr ihre Seele und ihr Herz. Nie hatte sie deren Existenz so schmerzlich intensiv gespürt wie an diesem Abend. Wenn sie daran zurückdachte, was an diesem Wochenende alles geschehen war, schien es zu viel zu sein, um in ihren schmalen Körper und ihr eigentlich so großes Herz zu passen.
    Erst die furchtbare Auseinandersetzung mit ihren Eltern, dann die traurige Begegnung mit Jess, die ihr all die Hoffnungslosigkeit dessen Situation noch mehr verdeutlich hatte als alle vorherigen Treffen es getan hatten, und letztlich dieser entsetzliche Streit mit Niklas, dessen Bilder ihr selbst noch vor Augen auftauchten, als sie mit geschlossenen Augen im Bett lag.



    Noch immer hallten seine Worte „Abschaum“, „Junkie“, „naiv und kindisch“ in ihrem Kopf wieder, immer wieder tauchte sein wutverzerrtes Gesicht, seine sonst so warmen Augen, die derart kalt und abschätzend gefunkelt hatten, vor ihr auf und es schien, als wolle sich ihr Verstand gegen dieses Paradoxum wehren, indem er Anstalten machte, sich einfach abzuschalten.
    Es war das erste Mal in Tessas jungem Leben, dass sie die bitterste aller Erfahrungen machten musste – zu erleben, wie eine Freundschaft zerbricht, zerbricht an unterschiedlichen Auffassungen von der Welt und der Menschheit – aber nicht das war das schlimmste an allem, sondern der Verlust ihres Vertrauens, das sie wie selbstverständlich in die Welt, vor allem aber in die Menschen um sich herum, gehegt hatte. Seufzend schlug Tessa die Bettdecke wieder zurück. Sie fand nicht in den erlösenden Schlaf, obwohl sie unendlich müde war.



    Ihre Gedanken schweiften wieder zurück zu Niklas und ihren Eltern. Sie konnte nicht begreifen, wie sie jahrelang neben diesen Menschen, vor allem neben Niklas, hatte leben können, so viele wunderbare und wichtige Dinge mit ihm teilen, sich so oft verstanden von ihm hatte fühlen können, wo in diesem einen Punkt ihre Meinungen und Denkweisen so auseinander gingen. Ja, schlimmer noch – sie war völlig entsetzt über seine Intoleranz und sture Denkweise. Zwar konnte sie verstehen, dass er sich um sie sorgte – vermutlich wäre es umgekehrt ähnlich gewesen. Und dennoch hätte er dieser Sorge doch auf ganz anderen, viel hilfreicheren Wegen Ausdruck verleihen können.
    Tessa ließ die Schultern hängen und starrte auf den Boden.



    Mit einemmal fühlte sie sich furchtbar verloren und einsam. Der Streit mit Niklas hatte nur eines bewirkt – dass sie ihre allerletzte Vertrauensperson verloren hatte. Doch sie konnte und wollte nicht nachgeben, denn ihr war Jess zu wichtig, um ihn aufzugeben. Selbst wenn sie Niklas bezüglich seiner Befürchtungen recht gegeben hätte – es wäre ihr gar nicht mehr möglich gewesen, sich von Jess zu entfernen. Er war ihr viel zu nahe gekommen und sie ihm.
    Und wie würde es auf ihn wirken, wenn sie sich nun von ihm zurückzöge?
    Nein, daran wäre keine einzige Sekunde zu denken! Und schon gar nicht wegen Niklas´ Verbohrtheit!



    Traurig dachte Tessa an die vergangenen Stunden zurück. Der Schmerz, den sie empfand, wurde von einer nervösen Angst überdeckt, als sie an Niklas´ unverschämte Drohungen zurückdachte… er würde doch nicht wirklich ernsthaft daran denken, ihren Eltern von Jess zu erzählen?
    Tessa wurde bang zumute. Es war ohnehin schon alles kompliziert genug – würden ihre Eltern von der ganzen Sache erfahren, wäre die Situation noch schärfer als sie es ohnehin schon war. Und doch würde es auf Dauer immer schwieriger, es ihnen zu verheimlichen. Tessa seufzte ratlos. Was sollte sie nur tun?


    Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, ihnen selbst die Wahrheit zu sagen – immerhin wäre das besser, als wenn Niklas ihnen seine verzerrten Gedankengänge mitteilen und sie so direkt völlig gegen Jess aufhetzen würde. Doch Tessa verwarf diesen Gedanken direkt wieder.
    Doch auf Dauer würde sie ihr Geheimnis nicht wahren können – viel zu oft war sie unterwegs, ohne zu sagen, wo sie war. Zwar fragten ihre Eltern normalerweise nicht danach, aber auf Dauer fiel auch ihnen so etwas auf.
    Fieberhaft flogen die Gedanken durch Tessas Kopf und mit einemmal hatte sie eine Idee.



    „Das ist es!“ flüsterte sie erleichtert in die Stille der Nacht. „Das müsste klappen!“
    Ja, sie hatte eine Lösung gefunden – zwar musste sie immer noch Angst haben, dass Niklas seine Drohung wahr machen würde – dagegen konnte sie wohl nichts unternehmen. Aber sie wusste zumindest einen Weg, um die Situation für den Moment zu entschärfen – und sie spürte, wie diese Idee Besitz von ihr ergriff und die Vorstellung an deren Umsetzung sie mit einer unglaublichen Erleichterung erfüllte, so dass sie sich etwas beruhigter wieder zurück in die Decken kuschelte und bald darauf in einen traumlosen Schlaf sank.

    Luxa: Ja, schon richtig, Niklas hat sich ziemlich daneben verhalten. Dafür sorgen, dass Tessa nix mehr mit ihren Eltern zu hat, ist eher schwierig - sie sind halt ihre Eltern ;) Aber das nächste Kapitel bringt Dir da sicher schon etwas Aufschluss :)


    tear: Freu mich sehr über Deinen Kommi! Ja, Du hast recht - wenn Niklas es Tessas Eltern sagt, bricht ihre Welt noch mehr zusammen. Aber ich denke mal, er sieht das nicht so - für ihn ist Tessas Zusammensein mit Jess, also ihre Freunschaft, irgendwien ur eine Spinnerei - eine recht riskante, wie man ja zugeben muss. Und er will sie eben beschützen. Da er nicht aus seiner Haut raus kann, wählt er also diesen (falschen, zugegebenermaßen) Weg!


    Ines: Ich staune immer wieder, wie gut Du die Charaktere erfasst und es auf den Punkt bringst - wunderbar, dein Kommi, wie so oft, weil es Du es genau getroffen hast. Niklas kann nicht aus seiner Haut, er hat ein pauschalisiertes Bild von Menschen wie Jess, er stellt es auch aus einer gewissen Scheu und Bequemlichkeit nicht in Frage. Es ist einfacher für ihn, den direkten Weg zu wählen - das Insekt zu zerquetschen, bevor man es sich am Ende noch näher anschauen muss sozusagen.

    Dass er Tessa mit verletzt, versteht er gar nicht, auch weil er sie in dem Punkt nicht für voll nimmt, es für eine Spinnerei hält und Tessa damit total zurückstößt. Er hat sicher Angst um sie, ja, aber er kann nicht aus seiner Haut.

    Tessa ist nun natürlich die gelackmeierte, sie hat sich ihm anvertraut und zu dem Verlust ihres besten Freundes, kommt nun auch noch die Angst, dass er es ihren Eltern sagen wird.

    Ein toller KOmmi, wie immer! Vielen Dank!


    Kiara: Du hast es auch sehr gut erfasst - ich denke auch, man kann eigentlich beide verstehen und Deine Antwort, die Du für Niklas geschrieben hast, wäre wohl wirklich die einzig richtige gewesen. Aber weißt Du, dann hätt er eben mal über den Tellerrand kucken müssen und sich anstrengen und für einen Junkie ist ihm es das nicht wert. Er will diese Sorte Mensch einfach nicht in seinem Leben haben und auch nicht im Leben der Menschen um ihn herum -d as ist für ihn einfach eine welt, die er nicht versteht (und es doch zu tun glaubt) und die er deswegen am liebsten aus seinem und jedermanns Weltbild streichen würde.

    Ich denke, dass Tessa sich da so in ihm getäuscht hat, liegt wohl daran, dass die beiden die Sache nie thematisiert haben, warum auch, wenn man keinen Anstoß dazu hat.

    Ich denke nicht, dass Tessas Eltern noch so eine große Macht auf ihre Tochter hätten, sie ist ja schon fast 20 und so, aber sie haben sie schon nicht unwesentlich in der hand und die Vosrtellung, dass sie es von Niklas erfahren, ist für sie schon erschreckend, ist ja klar.

    Dein Kommi war mal wieder auf den Punkt gebracht, super :)



    Dani: Ja, Du warst mit Deiner Vermutung sehr nah dran, er hat sie zwar nicht gesehen, aber es gerochen sozusagen ;)


    Und Du hast recht - er darf ihr den Umgang nicht verbieten, wer ist er denn?! Aber er macht es eben aus seiner Angst heraus, auch wenn er es gtu meint, er tut nicht gut damit.

    Danke für Deinen lieben Kommi und DU lässt und lässt nicht locker, was Tessa und Jess betrifft, was ;)

    Hihi, da ist uns Annabelle einfach erwachsen geworden, ohne dass wirs gemerkt hätte ;) Aber sie sieht schon anders aus, aber gut.

    Justus ist aber schon vorher älter gewesen, oder? Bei der Szene, wo er mit Elvira spricht, ist mir das aufgefallen.

    Die Fortsetzung war sehr aufschlussreich, Justus ist also Elviras (Halb?)bruder! Da wird einem doch einiges klarer! Und verwandt mit Schneewittchen und Dornröschen - das ist der Knaller! Nun versteht man auch, wieso Elvira bzw. ihre Mutter so wild darauf ist, ihr Blut mit dieser Linie zu mischen!

    Unter diesem aspekt find ich´s gar nicht gut, dass Annabelle nun schwanger ist irgendwie...

    Bin mal wieder sehr angetan und freu mich total auf die FS!

    „Das… das ist deine Meinung?“ rief sie aufgebracht.
    „Was soll das schon heißen, meine Meinung?“ erwiderte er langsam und ruhiger. „Ich denke doch einfach nur, dass das, was du tust, gefährlich ist. Und ich kann dich nicht verstehen, Tessa – ich dachte immer, du verabscheust Drogen…“
    „Natürlich tu ich das! Aber… das hat doch gar nichts mit Jess zu tun. Niklas, versteh doch – ich habe einen wundervollen Menschen getroffen, und ich mag ihn – ich mag ihn sogar sehr, verstehst du! Ich will ihn nicht an diese verfluchten Drogen verlieren!“
    „Wie kann er ein wundervoller Mensch sein, wenn er drogenabhängig ist? Wenn er diesen Mist einnimmt, der ihn verändert … der stiehlt und raubt und Verbrechen begeht… und andere Menschen für seine Drogen bezahlen lässt!“
    „Mein Gott!“ rief Tessa aus. „Denkst du denn, er tut das zum Spaß?“
    „Nein, aber er TUT es – und das reicht! Nein, Tessa, wirklich – halt dich in Zukunft fern von ihm!“



    Herausfordernd funkelte Tessa ihn an. „Was? Willst du mir das etwa verbieten oder wie? Vergiss es doch! Du hast mich schrecklich enttäuscht!“
    Sie starrten sich einen Moment feindselig an, dann sagte Niklas: „Ja, gut, von mir aus. Aber du hast mich auch enttäuscht, Tessa. Ich hätte nie von dir gedacht, dass du so etwas tust!“


    Tessa fuhr auf. „Was? Was hab ich den getan? Dass ich HINTER die Fassade schaue, versuche, mich in die Menschen hineinzufühlen und sie nicht alle einfach ohne nachzudenken über einen Kamm schere? Dass ich nicht so verdammt unfair bin wie du?“ Sie sah ihn an und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Verzweifelt schlug Tessa die Hände vors Gesicht und wimmerte: „Geh einfach, Niklas! Lass mich allein! Und vergiss, was ich dir gesagt habe!“



    Niklas´ Gesichtszüge wurden sanfter. „Tessa… nun beruhige dich doch.“
    Doch sie wich ihm aus, als er versuchte, sie in den Arm zu nehmen. „Lass mich! Ich will dir nicht mehr zuhören, geh einfach, geh – und vergiss alles, was ich dir erzählt hab!“
    „Ich kann nicht“, erwiderte er und sah sie ernst an. „Ich mache mir Sorgen um dich. Ich habe Angst, dass dieser Junkie dir eines Tages weh tun wird…“


    Tessa sah auf und stammelte : „Du kennst ihn nichtmal und trotzdem richtest du über ihn!“
    „Aber ich kenne diese SORTE Mensch!“ rief Niklas aufgebracht.
    „WOHER??! WOHER???!“ Tessas Stimme war inzwischen hysterisch.
    Niklas zuckte hilflos mit den Achseln. „Ich weiß nicht… ich kann mir einfach vorstellen, wie die sind…“
    „Vergiss es!“ schluchzte Tessa. „Geh einfach nur noch! Geh jetzt!“ Ihre Stimme klang schrill.
    „Tessa – hör auf, ihn zu treffen!“
    „Vergiss es!“
    Er packte sie unsanft am Arm, sein Gesicht war nun wütend.
    „Hör mir zu, Tessa! Dieser Typ kann gefährlich werden! Lass es! Denk doch nur daran, was deine Eltern sagen würden, wenn sie das wüssten!“



    Er verstummte und sah sie vielsagend an.
    Tessas Augen weiteten sich. „Was… warte einen Moment“, stammelte sie. „Du… du hast doch nicht vor, es ihnen zu sagen?“
    Und da er keine Antwort gab, rief sie aufgebracht: „Niklas!! Du .. du hast es versprochen! Du hast es geschworen!“
    „Da wusste ich noch nicht, wie schlimm das, was du mir sagen würdest, ist“, erwiderte er.
    „Deine Einstellung ist zum Kotzen, gelinde gesagt“, zischte Tessa und wies zur Tür. „Und nun geh endlich! Und halt dein Versprechen! Bitte!“ Das letzte Wort klang flehentlich.


    Niklas sah sie an. „Ich werde es ihnen nicht sagen – wenn du mir versprichst, diesen Junkie nie wieder zu sehen!“
    Tessas Miene wurde kalt. „Ein Versprechen ist bedingungslos, Niklas. Das weißt du so gut wie ich.“ Sie sah ihn eiskalt an. „Wenn du auch nur Wort sagst, werde ich dich abgrundtief hassen!“



    „Ich tu es nur zu deinem besten!“ sagte Niklas aufgebracht. „Du bist zu naiv und kindisch, um zu begreifen, was für einen Schwachsinn du da machst!“


    Tessa spürte, wie sie ihre Kräfte verließen. Sie hatte keine Energie mehr, Niklas weitere Widerworte zu geben, ihn anzuschreien oder anzuflehen. Sie schüttelte nur den Kopf und ein Schluchzen schüttelte ihren Körper.
    „Du bist der schlechtere Mensch – nicht Jess!“ schluchzte sie hinter vorgehaltenen Händen.
    „Du bist verrückt geworden, Tessa!“ zischte Niklas wütend und drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür.



    „Ich werde ein Auge auf dich haben! Wenn du es eben nicht selbst einsiehst, muss ich mich eben darum kümmern.“ Seine Stimme klang schneidend kalt, als er sich endgültig abwandte und zur Tür ging.


    Tessa sah nicht mehr auf und stand schluchzend in der Mitte des Raumes. Etwas in ihr war zerbrochen und sie wusste, es würde nie wieder heil werden… nie wieder.




    Fortsetzung folgt!

    Kapitel 11

    Enttäuschungen




    Eine Stunde später saßen Niklas und Tessa nebeneinander auf der Couch und schwiegen.
    Es war eine seltsame Situation, die es zwischen den beiden Freunden so nie gegeben hatte.
    Nach einer Weile erhob Niklas schließlich die Stimme: „Tessa… weißt du, warum ich hier bin?“

    Tessa sah ihn ratlos an. „Nein, Niklas. Woher auch? Ist vielleicht etwas mit Bettina nicht in Ordnung?“ Sie versuchte ihn aufmunternd anzulächeln, darauf gefasst, dass er ihr gleich traurig gestehen würde, dass die Beziehung zwischen ihm und Bettina ein Desaster sei.



    Doch nichts dergleichen geschah, Niklas sah sie vielmehr verblüfft an und sagte dann: „Nein, ganz und gar nicht, es läuft prima zwischen uns.“
    Tessa schluckte. Wenn es nicht um Bettina ging, konnte das nur eines bedeuten…

    „Ich mache mir viel mehr Gedanken um DICH“, fügte Niklas hinzu und sah sie aufmerksam an. „Was ist mit dir los in letzter Zeit? Du bist so anders.“
    Tessa wich seinem Blick aus. „Wie kommst du darauf?“
    „Du rufst nicht mehr an, du besuchst mich nicht, es scheint fast, als würdest du mir ausweichen!“
    „Moment mal – du warst in den letzten Wochen auch sehr mit deiner Bettina beschäftigt“, sagte Tessa und versuchte, ihre Stimme nicht allzu giftig klingen zu lassen.
    „Ist es das? Fühlst du dich von mir vernachlässigt?“
    Tessa sah ihn an und spürte, wie sehr sich alles dagegen wehrte, ihn anzulügen.
    „Kann schon sein“, sagte sie darum nur leise.

    Niklas jedoch musterte sie prüfend und schüttelte dann den Kopf. „Das kannst du erzählen, wem du willst, aber nicht mir. Ich kenne dich wie meine Westentasche und ich merke, dass du Probleme hast – weitaus größere als meine Beziehung mit Bettina. Was ist los?“
    Verzweifelt sah Tessa ihn an und spürte, wie der Drang danach, sich endlich jemanden – ihm!- anzuvertrauen, sekündlich stärker wurde.
    „Ich sehe es in deinen Augen, Tessa. Bitte sag mir, was los ist, was dich belastet.“
    Tessa wich seinem Blick aus. „Ich kann es dir nicht sagen.“



    Niklas sah sie sanft an und griff nach ihrer Hand. Seine Hand war warm und fest und ein wohliges Gefühl durchdrang sie.
    „Deine Hände sind eiskalt“, sagte er weich. „Was ist los? Du hast mir schon immer alles erzählt… wieso machst du das auf einmal nicht mehr?“
    Tessa schüttelte schwach den Kopf. „Ich kann es einfach nicht.“
    „Und warum?“
    „Weil du es nicht verstehen würdest.“
    „Wie kannst du das wissen, wenn du es nicht versuchst?“
    „Ich weiß es einfach.“ Sie sah ihn traurig an und Niklas schluckte besorgt, er hatte Tessa nie so niedergeschlagen erlebt.
    „Hab ich dich jemals enttäuscht? Egal in was?“ fragte er sanft.
    „Nein…“
    „Wieso vertraust du mir dann nicht auch diesmal?“
    Tessa sah ihn unsicher an und spürte, wie ihr Widerstand immer kleiner wurde. Würde er es nicht doch verstehen? Sie waren sich so nahe, es konnte nicht sein, dass er so anders denken würde als sie. Vielleicht würde er ihr sogar helfen, sich auch mit Jess anfreunden – vielleicht könnten sie ihn zu zweit überzeugen, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen?

    Sie spürte, dass sie jemanden brauchte, mit dem sie ihr Geheimnis und dessen Last teilen konnte… und wenn dieser Jemand nicht ihr bester und innigster Freund Niklas sein konnte, wer dann?
    „Versprich mir, dass du es niemanden sagen wirst. Ganz egal, wie du darüber denkst.“ Sie sah ihn ernst an. „Schwör es mir!“



    „Natürlich werde ich es niemandem sagen, das verspreche ich dir. Aber bitte sag mir nun, was los ist.“

    Und bevor Tessa weiter darüber nachdenken konnte, ob sie das richtig oder falsche tat, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus… sie erzählte Niklas alles, begonnen mit jenem Tag, an dem sie Jess im Supermarkt getroffen hatte. Sie erzählte ihm Jess´ traurige Geschichte und sie sprach von ihren Ängsten und dem Gefühl der Hilflosigkeit, Jess nicht helfen zu können.
    Die Worte kamen hastig und überstürzt aus ihrem Mund, als wolle sie diese so schnell als nur irgend möglich herausbringen, sie fasste das Geschehene so straff zusammen, wie es ging, um schließlich den Blick zu senken und auf Niklas´ Reaktion zu warten.

    Doch dieser schwieg und als Tessa aufblickte und in seine Augen sah, durchfuhr sie die stechende Erkenntnis, dass es ein Fehler gewesen war, ihrem besten Freund alles anzuvertrauen.
    „Was denkst du darüber, Niklas?“ sagte sie mit rauer Stimme. „Kannst du mich verstehen?“
    Er sah sie ernst an und schüttelte dann den Kopf.
    „Nein“, antwortete er ehrlich. „Nein, Tessa – ganz… ganz ehrlich, ich bin völlig schockiert über das, was du mir da gerade erzählt hast.“ Er sprang auf und baute sich vor ihr auf wie vor einem kleinen Kind. „Wie kannst du nur so einem dreckigen Junkie helfen?!“



    Tessas Augen weiteten sich. Ein lautes Klirren wie von zerbrochenem Glas hallte in ihrem Kopf wider und sie brauchte einige Sekunden, um zu begreifen, dass es nur das Echo des Zerbrechens des bisher wertvollsten Schatzes, den ihre Seele beherbergt hatte, gewesen war.

    Für einen Moment war es ihr unmöglich zu atmen, so sehr schnürte der Schmerz ihre Brust ein. Dann brachen Wut, Enttäuschung und der unsagbare Schmerz in ihr mit einer Wucht aus ihr heraus, als sie aufsprang und sich ihre Stimme hell überschlug: „Wie… wie kannst du sowas nur sagen? Bist du verrückt geworden? Ich habe dir eben zu erklären versucht, dass er nicht einer dieser typischen … Junkies…“ sie spuckte das Wort aus wie Dreck, „ist … und du… du…“



    Ihr fehlten die Worte, um ihrem Entsetzen Laut zu geben.
    Niklas sah sie mit zusammengezogenen Augenbrauen an und erwiderte ärgerlich. „Du bist viel zu naiv, Tessa! Was du da tust, ist einfach nur gefährlich, verstehst du das denn nicht? Wenn dieser Typ eines Tages unter Entzugserscheinungen ist, wird er nicht mehr sein als eine tickende Zeitbombe! Er könnte dich schlagen oder überfallen – oder töten!“
    Tessa sah ihn fassungslos an. „Jess würde mir nie etwas antun! Nie!“
    „Du bist zu gutgläubig! Mein einziger Rat ist nur der: Lass die Finger von diesem Junkie, bleib in deiner eigenen, weitaus besseren Welt zu Hause, Tessa! Himmel… du… du brauchst dich doch nicht abzugeben mit so einem… so einem… Abschaum!“
    Tessa stockte erneut der Atem und sie starrte Niklas entgeistert an. Es schien ihr, als kenne sie den Menschen, der vor ihr stand, nicht wieder.

    Kiara: :rollauge Oh weh, nun zahlst Du es mir mit gleichen Mitteln heim. Deine Theorien sind meistens gut, das weißt Du doch - aber ich mag ja auch nicht zuviel verraten ;)

    Was Du sagst, stimmt - Tessa hat reichlich Gewissenskonflikte. Und ich denke auch, sie sollte sich jemandem anvertrauen und... naja, lies einfach das nächste Kapitel

    Danke für Deinen Kommi und nicht sauer sein, dass ich nicht mehr preisgeben kann, ja? :)



    Dani: Oh ich werde richtig rot wegen deinem lieben Kommi! Vielen Dank dafür!

    Ja, mir tut Jess auch immer wieder leid. Und wieso Du so sehr darauf beharrst, dass Jess und Tessa mehr füreinander empfinden, bleibt mir ja schleierhaft, aber mein Mündchen oder eher meien Finger sind hartnäckig zugeschlossen ;) Du wirst es ja sehen, ob Du noch recht hast (wäre es denn wirklich wünschenswert, wenns so wäre...?)

    Hilflosigkeit - da sprichst Du etwas sher wichtiges an. Ich glaube, das ist fast das zentrale Thema der Story, zumindest bisher. Es ist so furchtbar, nur zusehen zu können... und zu merken, dass es nicht nur den anderen, sondern einen selbst zerreißt, in den Abgrund treibt... das ist das schlimmste daran. Wohl eines der schlimmsten Dinge überhaupt für einen Menschen - die Kontrolle verlieren... hilflos sein, tatenlos zusehen zu müssen... furchtbar.

    Danke für Deinen tollen Kommi!!!!



    @ineshnsch: Ja, Du hast recht - wie eigentlich immer :) Tessa sollte sich jemanden anvertrauen. Was Deine Gedanken bzgl NIklas betrifft, sag ich mal nix und verweise aufs folgende Kapitel! :)

    Danke für Deinen Kommi, der wie immer einfach toll war.





    @all: So ich hatte heute zwar wahrlich was anderes zu tun als Kap 11 zu machen, habs aber trotzdem gemacht :D Ich hoffe, ihr würdigt das ;) *hihi*

    Viel Spaß dabei!

    Marie erschrak. Sie erkannte die attraktive, fröhliche Frau nicht mehr wieder. Simones Gesicht zeichnete blankes Entsetzen. Ihre Augen waren rotgeweint und von dunklen Ringen gezeichnet. Sie schien regelrecht eingefallen, sehr blass und unendlich müde.



    Als sie Cedrik und Marie sah, schaffte sie es jedoch sogar, kurz zu lächeln und einen Hauch ihrer so vertrauten Wärme schien in den Flur zu kriechen.
    „Marie… Cedrik… ich bin sehr froh, dass ihr da seid“, sagte sie leise. Marie sprang auf und fühlte sich von Simones Armen umschlossen. Sie merkte, dass die unterdrückten Tränen krampfhaft nach oben drängten. „Es ist schon gut, Marie“, flüsterte Simone. „Wein nur, wenn dir danach ist.“



    Marie sah sie an und wischte sich die Tränen aus den Augen. „Nein, nein- es geht schon“, sagte sie hastig.
    Der Arzt war inzwischen zu Herbert und Cedrik getreten und sagte: „Ihrer Frau geht es wieder besser, Herr Lensen. Ich habe ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht.“ Cedrik erhob sich.
    „Wissen Sie etwas von Susan?“ fragte Herbert leise.
    Der Arzt schüttelte den Kopf. „Nein, es tut mir leid. Sie ist nach wie noch im OP. Ich nehme an, dass die OP noch mindestens zwei Stunden dauern wird.“



    „Ist… sie denn noch in Lebensgefahr?“ fragte Cedrik mit dünner Stimme.
    Der Arzt sah ihn ernsthaft an. „Sie sind der Bruder?“
    Cedrik nickte. Der Arzt seufzte. „Ihre Schwester hat schwere Verletzungen von dem Unfall getragen. Meine Kollegen versuchen wirklich alles. Sobald wir etwas wissen, sagen wir Ihnen sofort Bescheid.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand den langen Gang hinab.
    Simone hatte sich inzwischen neben Cedrik gesetzt und ihm kurz mit einem liebevollen Lächeln die Hand gedrückt. Marie bewunderte Simone immer wieder für den Umgang, den sie mit Cedrik pflegte. Sie behandelte ihn fast wie einen eigenen Sohn.
    „Setz dich zu uns, Marie“, sagte sie leise. Marie tat, wie ihr gehießen.
    „Vater… was… genau ist denn passiert?“ fragte Cedrik nach einer Weile.
    Herbert atmete tief durch. „Wir wissen es natürlich nicht genau… der Autofahrer sagte nur, sie sei aufeinmal vor ihm aufgetaucht. Sie muss vollkommen unachtsam über die Straße gegangen sein…“ Herbert schüttelte verzweifelt den Kopf. „Das passt nicht zu Susan. Ich kann mir das nicht erklären.“
    „Die Ärzte sagen, der Aufprall hat sie mit voller Wucht getroffen“, ergänzte Simone leise und fast tonlos.



    „Der Autofahrer hat glücklicherweise sofort den Krankenwagen gerufen und erste Hilfe geleistet. Der arme Mann, er ist ebenfalls vollkommen fertig. Ich habe ihn vorhin kurz gesehen, er wurde selbst eingeliefert.“
    Marie atmete tief durch. Sie sah in ihren inneren Bilder Susan, die vom Wagen erfasst wie ein Ball durch die Luft geschleudert wurde und merkte, wie ein eiskaltes, blankes Entsetzen ihre Glieder durchlief.



    „Sie hat mehrere Brüche und innere Verletzungen“, sprach Simone unaufgefordert weiter.
    „Die Ärzte sagen, sie verliert zuviel Blut… sie versuchen alles, um die Verletzungen und Blutungen zu stillen… aber sie können nichts garantieren…“ Ihre Stimme brach und ein trockenes Schluchzen drang aus ihrer Kehle. Marie und Cedrik griffen beide gleichzeitig nach Simones Hand und trafen sich auf ihrer.
    Simone sah sie beide an und sagte: „Ihr beiden seid mir in diesem Moment mehr als Gold wert, wisst ihr das? Ich bin mir sicher, Susan spürt, dass wir alle hier sind und für sie beten…“



    Sie verstummte und senkte erneut den Kopf. Die vier Menschen schwiegen fortan und versanken in ihren eigenen, beklemmenden Gedanken.
    Die Stille im Krankenhaus schien erdrückend. Hin und wieder hörte man Schritte auf dem Flur, und jedes Mal zuckten alle zusammen und richteten den nervösen Blick zur Tür – doch nichts regte sich.
    Nach einer Weile jedoch kümmerte sich Marie nicht mehr um die Schritte, die jedes Mal an der Tür vorbeischlurften. Sie hielt den Kopf gesenkt und fühlte nichts mehr als Leere in ihrem Kopf.



    Die Zeit schien stillzustehen, und niemand sprach mehr ein Wort, bis in der Ferne ein sanftes, rotes Schimmern damit begann, die Schatten der Nacht zu verdrängen...




    Fortsetzung folgt!




    Pictures & Text by Innad

    Kapitel 8
    Quälende Ungewissheit



    Herbert Lensen senkte den Blick und suchte nach Worten. „Die Ärzte sagen… sie wissen nicht, ob… ob Susan es schaffen wird.“
    Marie fühlte, wie sich ihre Eingeweide zusammenzuziehen schienen. Der Boden schien einen Moment unter ihren Füßen nachzugeben. Cedrik sah sie an und legte seinen Arm um ihre Taille, als wolle er sie stützen.
    Herbert hatte sich abgewandt und starrte wie betäubt zum Fenster hinaus.
    Cedrik schluckte und atmete schwer. Wenn Susan nun sterben würde, wäre er alleine schuld. Seine Augen weiteten sich, als er das volle Ausmaß seiner Situation begriff.



    Wie hatte er sie nur gehen lassen können!
    Aber wer hätte schon damit gerechnet, dass Susan das alles so aus der Fassung bringen würde?
    Gemeinsam mit Marie und seinem Vater setzte er sich auf die Bank und schwieg. Er merkte, dass seinen Körper eine klamme Kälte erfasste und hüllte sich in die Weste, die er aus dem Auto gefischt hatte, bevor er zusammen mit Marie in die Klinik gehechtet war.
    Was um Himmels Willen war denn nur so furchtbar daran, dass er sich in Marie verliebt hatte? Wieso traf das Susan nur so? Er hatte vermutet und geahnt, dass Susan verblüfft, vielleicht auch erbost sein würde. Aber nun hatte er vielmehr den Eindruck, dass sein Geständnis ihr komplettes Weltbild erschüttert zu haben schien. Was war ihr nur durch den Kopf gegangen, welche Gedanken hatte sie gehabt? Hatte sie es tatsächlich als so furchtbar empfunden, dass er mit Marie geschlafen hatte? Oder war sie nur erbost gewesen, dass sie beide es ihr nicht sofort gesagt hatten? Er dachte an seine Worte zurück, die er gegenüber Susan geäußert hatte, zum Anfang ihres verhängnisvollen Gespräches. „Sie war nur ein One-Night-Stand.“ Hatte Susan geglaubt, er denke genau so über Marie? Hatte sie am Ende das aus der Fassung gebracht? Er konnte sich keinen Reim darauf machen.
    „Oh Susan“, fuhr ihm durch den Kopf. „Was hast du nur gedacht?“



    Doch das wusste in diesem Moment niemand von ihnen – außer Susan selbst.
    Eine Weile herrscht Schweigen, bis Marie leise fragte: „Herbert, wo ist Simone?“
    „Simone hat einen Nervenzusammenbruch erlitten. Ein Arzt kümmert sich gerade um sie“, sagte Herbert tonlos und deutete in Richtung einer Tür gegenüber, auf der die Buchstaben „U2“ standen. „Es ist nur wenige Augenblicke vor eurer Ankunft passiert.“
    Marie holte tief Luft. Sie konnte nur ahnen, wie furchtbar Herbert sich fühlen musste. Seine Tochter lag im OP und rang um ihr Leben und seine Frau war unter dieser Belastung zusammengebrochen.



    Marie dachte an früher. Herbert und Simone waren für sie fast ein Teil ihrer eigenen Familie. Sie hatte so oft bei Susan übernachtet, unzählige Male mit der Familie gegessen, gelacht und Ausflüge unternommen. Selbst in den Urlaub war sie manchmal mitgenommen worden.



    So war es auch kein Wunder, dass Herbert und Simone ihr irgendwann einmal das „du“ angeboten hatten. Susan war ein Ebenbild ihrer Mutter Simone. Diese war genauso weiblich rund, hatte sanfte, fröhliche Augen, einen vollen Mund und ein Lachen, das wie ein Glöckchen durch den Raum schweben konnte.
    Sie nahm das Leben genauso wie Susan – sie nahm das an, was kam. Nie hatte Marie sie ernsthaft klagen oder jammern hören. Simone schien wie ein Fels in der Brandung.
    Selbst Herberts Seitensprung damals schien sie nicht aus der Fassung zu bringen, zumindest nicht äußerlich. Sie verzieh ihm, denn sie war großherziger als die meisten anderen Menschen die Marie kannte.
    „Weißt du, die Sache ist an sich schon schwer genug“, hatte sie oft gesagt, wenn Marie und Susan mit ihr darüber sprachen.



    „Aber es ist nun mal geschehen und wenn es geschehen ist, hat es auch seinen Sinn. Und wenn es nur der Sinn war, einem weiteren Menschen Leben zu schenken…“ Marie warf einen kurzen Blick auf Cedrik neben sich. Ja, Simone hatte recht gehabt, es hatte einen Sinn … für sie. Denn dieser saß nun neben ihr und es schien ihr unmöglich, dass es je ein Leben ohne ihn hatte geben können.
    Maries Gedanken wanderten wieder zurück zu Simone, die immer wieder betont hatte, dass sie und Herbert sich trotz allem immer noch sehr geliebt hatten und dass jeder Mensch nun einmal Fehler macht. „Liebe bedeutet auch, verzeihen zu können“, hatte sie weise gesagt. „Denn so lange die Liebe noch lebt, gibt es nichts, was jemals wichtiger sein kann. Und Menschen machen Fehler. Das ist auch gut so, sonst wären sie nicht menschlich. Und manchesmal erwächst aus diesen Fehlern sogar etwas wundervolles. Herbert und ich hat diese Krise nur noch mehr zusammengeschweißt als vorher. Nichts im Leben geschieht ohne Sinn. Je eher wir es annehmen, desto schneller können wir befreit und glücklich leben.“
    Marie schluckte bitter. Dass die gelassene, sonst so tapfere Simone zusammengebrochen war, verdeutlichte noch einmal die Schwere und Grausamkeit der momentanen Situation.
    „Herbert…“, sie erhob leise ihre Stimme und stellte fest, dass sie immer noch seltsam krächzend klang. „Kann ich irgendetwas für euch tun?“



    Herbert sah Marie an und lächelte schwach. „Nein, Marie, danke. Es ist sehr gut, dass du da bist, dafür danke ich dir.“
    „Und … Simone… soll ich vielleicht nach ihr sehen?“
    Er schüttelte den Kopf. „Der Arzt sagte, er gibt ihr ein Beruhigungsmittel, ich denke, es wird ihr dann besser gehen.“
    Marie nickte und schwieg erneut eine Weile. Dann war es Herbert, der das Schweigen brach.
    „Ich kann es einfach nicht begreifen“, sagte er mit zitternder Stimme. „Was um Himmels Willen hat Susan um diese Uhrzeit draußen gesucht?“
    Marie sah auf. „Das habe ich mich auch gefragt. Wo… wo ist es denn geschehen?“
    Herbert schluckte. „Irgendwo in der Horbach-Siedlung… ein ganzes Stück von ihrer Wohnung entfernt. Ich kann mir nicht erklären, was sie dort mitten in der Nacht gewollt hat…“
    „Sie müsste heute auch arbeiten, ich verstehe es auch nicht“, sagte Marie langsam.
    „Cedrik, weißt du nicht etwas?“ sagte Herbert zu seinem Sohn. „Du warst doch bei ihr. Hat sie irgendetwas gesagt?“



    Cedrik atmete schwer und antwortete nicht. Marie sah ihn lange an und streichelte dann seine Hand. Er warf ihr einen kurzen, hektischen Blick zu. Marie zog die Augenbrauen zusammen. Cedrik sah aus, als halte er sich persönlich für den Verursacher dieser Situation. Sein Blick war wie der eines gejagten Rehes, voller Panik und Verzweiflung. War das nur die Angst um Susan oder war da mehr?
    Doch bevor sie weiter grübeln konnte, wich er ihrem Blick aus, zog sein Hand zurück und sagte leise: „Ich… ich weiß nicht, was sie dort gemacht hat. Ich habe nicht gemerkt, dass sie aus dem Haus ging, ich muss fest geschlafen haben. Es tut mir leid…“ Seine Stimme brach und er schlug sich verzweifelt die Hände vors Gesicht. Herbert stand auf und tätschelte ihm die Schulter.
    „Ist schon gut, mein Sohn, du brauchst dir keine Vorwürfe zu machen. Du bist schließlich nicht für das Tun und Lassen von Susan verantwortlich.“
    „Er hat recht, Cedrik. Es bringt nichts, sich Vorwürfe zu machen“, sagte auch Marie, der es im Herzen weh tat, Cedrik so zu sehen und die nicht recht verstand, wieso dieser sich so quälte.




    „Es war ein Unfall. Keinen trifft die Schuld“, sagte Herbert noch einmal und setzte sich wieder neben Marie auf die Bank.
    Cedrik schwieg und richtete den Blick auf den Boden. Er fühlte Maries fragenden Blick auf sich gerichtet, doch er sah nicht mehr auf. Es vergingen endlos lange Minuten, bis sich die Tür „U2“ öffnete und ein Arzt mit Simone herauskam.

    Eine schöne, wenngleich auch ungewohnt kurze *lach* Fortsetzung! Ich denke mal, ich könnte mit meiner Vermutung gar nicht so falsch liegen, nehm aber mal an, dass es noch einige Irrungen und Wirrungen gibt, die auf uns zukommen, bevor Heinrich vielleicht doch noch und von Casta (!) von dem blöden Elvira Fluch erlöst wird.

    Wenn nun allerdings ein Sohn geboren wurde, hat Elvira ihr Ziel erreicht - denn der ist dann ja der Thronfolger, schnuppe, ob Heinrich Elvira liebt oder nicht :eek:

    Bitte wart nicht so lang mit der FS, ich bin soooo gespannt!

    Unbemerkt von ihm verließ Susan nur wenig später das Haus und lief orientierungslos durch die Strassen. Sie nahm überhaupt nichts wahr. Weder die Uhrzeit, noch wohin sie lief. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie hatte das Gefühl, als sei darin ein Schmiedehammer am Werk.



    Durch dieses Chaos in ihrem Kopf nahm sie auch nicht wahr, dass sie unbewusst die Straßenseite wechselte. Auch die näher kommenden Scheinwerfer rissen sie nicht aus ihrer Lethargie. Erst als sie Reifenquietschen vernahm, erwachte sie aus ihrer Versunkenheit. Doch es war zu spät….



    Nun war nichts mehr so, wie es sein sollte. Das alles lief wie ein Film vor Cedriks Augen ab, als er gemeinsam mit Marie die Klinik betrat und in das versteinerte Gesicht von seinem Vater blickte…




    Fortsetzung folgt!



    Text by FunnyChrissy
    Pictures by Innad

    Kapitel 7
    Ein Schritt in die Unendlichkeit



    Er führte einen langen, regelrechten Kampf mit sich selbst. Wog instinktiv das Für und Wider ab, war kurz davor, die Wahrheit zu sagen, verwarf es aber wieder.
    „Es enttäuscht mich, dass du so wenig Vertrauen zu mir hast. Noch mehr enttäuscht es mich, dass du mich anlügst und ich somit ein komplett neues Bild von dir habe. Es tut weh, aber ich kann es nicht ändern. Ich gehe jetzt schlafen, gute Nacht!“ Damit erhob sie sich und ging Richtung Türe.



    Cedrik wusste, er musste handeln.
    „Susan! Bitte, lauf jetzt nicht weg. Gut, du hast Recht. Es passt nicht zu mir, dass bin nicht ich. Trotzdem stimmt es, ich kannte das Mädchen erst wenige Stunden. Wir haben uns gestern in der Bar kennen gelernt, in welche du mich eingeladen hast. Erinnerst du dich? Du hast vergeblich gewartet, mich deiner Freundin Marie vorstellen zu können. Die Begegnung mit diesem Geschöpf machte es mir unmöglich, mit dir und Marie harmlos an einem Tisch zu sitzen.“
    Er ging ein paar Schritte ins Wohnzimmer und starrte ins Leere.



    Als er sich umdrehte, blickte Susan ihm auffordernd in das Gesicht. „War sie so etwas Besonderes?“
    Er nickte und strahlte regelrecht von innen heraus, zumindest kam es Susan so vor. „Ja, das war sie und das ist sie. Es war ein verzauberter Moment. Zuerst ein paar harmlose Blicke, erste Flirtversuche. Es hatte eingeschlagen – auf beiden Seiten. Sie ist ein engelgleiches Geschöpf. Wir haben beide alles über Bord geworfen, das wohl unser beider Leben bestimmte. Es zählte nur der Augenblick und dieser war geschaffen für uns. Kannst du das nicht verstehen? Hast du so etwas noch nie erlebt? Einfach den Augenblick genießen und nicht an morgen denken?“



    Susan zog verwundert ihre Stirn kraus. „Natürlich hab ich das, aber mit einem völlig Fremden hab ich noch nie geschlafen. Mag ich schon meine Erfahrungen mit dem männlichen Geschlecht haben, ich hab mir meine Typen genau angesehen. Natürlich waren auch harmlose Liebeleien darunter. Aber immer war eine gewisse Basis vorhanden, ein Gefühl für den anderen. Der Wille, es zu versuchen. Klar bin ich es auch schon locker angegangen, das gebe ich zu. Aber nie hätte ich mit einem Fremden eine Nacht verbracht, oder auch nur ein paar Stunden. Habt ihr wenigstens verhütet?“



    Cedrik horchte auf. Ihm wurde bewusst, dass keiner von beiden auch nur ansatzweise an Verhütung gedachte hatte. Zu kostbar war der Moment gewesen, zu einmalig dieser Zauber. „Nein, aber es wird schon nichts passiert sein.“ Er machte sich um diese Tatsache auch wirklich die wenigsten Sorgen.
    „Trotzdem, Cedrik. Es passt nicht zu dir. Es erschreckt mich ein bisschen. Aber wenn dieses Mädchen so besonders war, wie du sagst, gönne ich es dir. Ich möchte nur nicht, dass du dein Leben wegwirfst.“
    „Ich werfe doch mein Leben nicht weg, nur wenn ich mal mit einer Frau schlafe, die ich erst wenige Stunden kenne. Susan, du übertreibst.“ Er zeichnete mit seiner Fussspitze das Muster des flauschigen Teppichs nach.
    „Kenne ich das Mädchen? Bestimmt, in dem Lokal verkehren viele bekannte Gesichter. Erzähle, wie sah sie aus?“
    Jetzt gab es kein Zurück mehr, das wurde Cedrik immer bewusster. Er konnte Susan nicht noch einmal anlügen. Insgeheim beruhigte er sich damit, dass es so schlimm nicht sein konnte. Was hatten sie schon getan? Verrat war es gewiss keiner. Sie waren beide nur Menschen, die sich einem Gefühl hingegeben hatten. Nicht mehr und auch nicht weniger.



    „Du kennst sie besser, als du ahnst.“ Seine Stimme klang wieder fest und klar. Er wusste nun, dieser Weg war richtig. Er handelte gewiss gegen Maries Willen. Aber auf Dauer, davon war er überzeugt, war es richtig und auch Marie würde dies einsehen. Jedenfalls wollte er Susan nicht nochmals verletzen. Wenn er sie nun belog und sie fand es mal durch Zufall heraus, würde sie ihm das niemals verzeihen.
    „Ach ja? Kennst du ihren Namen? Oder habt ihr euch nur Kosenamen gegeben? Namen sind auch nicht wirklich wichtig, gell?“ Sie lächelte schon wieder vergnügt. Anscheinend nahm sie es schon wesentlich lockerer als noch vor ein paar Minuten.



    „Es ist Marie.“ Gespannt beobachtete er seine Schwester. Mit jeder Reaktion hatte er gerechnet. Aber ganz bestimmt nicht mit dem, was jetzt passierte.
    „Marie?“ Susan starrte ihren Bruder an, als habe er den Verstand verloren.



    Er konnte ihren Gesichtsausdruck absolut nicht einordnen. Immer wieder nur flüsterte sie ein Wort vor sich hin: „Marie.“ Dann schüttelte sie den Kopf, sprang auf und rannte aus dem Zimmer. Cedrik wollte sie zurück halten, doch sie riss sich aufgebracht von ihm los. Sie schloss sich in ihr Zimmer ein und verriegelte die Türe.
    Obwohl Cedrik alles versuchte, sie zum Aufschließen zu bewegen, ertönte von drinnen kein Laut. Nach einer Weile gab er es auf und beschloss, die Aussprache auf den nächsten Tag zu verschieben.



    Nichts ahnend, dass es diesen in dieser Form nicht geben würde.

    Tessa spürte, wie es ihr heiß und kalt wurde. Was sollte sie nur sagen?
    „Um ehrlich zu sein… ich hab das nur gesagt, damit Mama nicht mehr ständig darauf herumhackt. Ich meine… du hast es gestern doch mitbekommen. Sie kann sich nicht von dem Gedanken lösen, Niklas und ich kämen wieder zusammen. Das belastet mich.“
    Sie lächelte ihren Vater tapfer an und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, was in ihr vorging. „Kannst du das nicht verstehen?“



    Ihr Vater runzelte die Stirn und lächelte dann leicht. „Doch, das kann ich schon. Aber sie meint es ja nur gut. Trotzdem würde ich gerne wissen, wo du stattdessen warst?“
    „In der Stadt“, log Tessa schnell. „Ein Eis essen, ein bisschen spazieren. Es ist heute so schön draußen…“
    Ihr Vater sah sie skeptisch an. „Nun gut. Du weißt, du musst uns keine Rechenschaft ablegen, wo du hingehst, nur möchte ich auch nicht, dass du die Unwahrheit sprichst.“
    Tessa spürte, wie das schlechte Gewissen in ihr aufloderte. Sie hasste es zu lügen – aber ließ man ihr denn eine andere Wahl? Wohl kaum.
    „Niklas hat uns aber noch mehr gesagt“, fuhr ihr Vater fort. „Er meinte, dass du in letzter Zeit kaum noch zu erreichen wärst und dich seltsam verändert hättest.“



    Tessa schüttelte den Kopf und ihr Gesicht verzog sich fast wütend.
    Natürlich war sie anders als sonst! Was sie in den letzten Wochen erlebt hatte, schien ihr Weltbild in den Grundmanifesten zu erschüttern! Aber hatte Niklas sie einmal selbst danach gefragt?
    „Niklas hat jetzt seine Bettina“, sagte sie aufgebracht. „Er ist es, der nicht mehr so oft anruft!“
    „Schon gut, Tessa – das geht mich ja auch eigentlich gar nichts an“, sagte ihr Vater besänftigend. Er befürchtete offenbar, gleich einen Ausbruch weiblicher Eifersüchtelei mit erleben zu müssen und wollte dieses Gespräch daher schnell in andere Bahnen lenken.
    „Ich möchte nur wissen, ob alles in Ordnung bei dir ist?“
    Tessa senkte den Blick. War alles in Ordnung? Konnte man das so nennen? Wie gerne hätte sie sich ihrem Vater anvertraut – doch noch zu gut hatte sie das vorabendliche Gespräch in Erinnerung. Daher sagte sie nur: „Ja, es ist alles in Ordnung.“
    „Gut, Tessa. Aber sieh zu, dass du das mit Niklas klärst. Seine Freundschaften muss man pflegen, es ist nicht gut, sich zu isolieren“, erwiderte ihr Vater.



    Als er an der Tür stand, drehte er sich noch einmal zu ihr um.
    „Und ruf Niklas an. Er macht sich Sorgen und wartet darauf, dass du dich meldest.“
    Tessa seufzte. „Ja, ich werde ihn anrufen.“
    „Gleich jetzt, ja?“
    „Ja… gleich jetzt.“
    Als die Tür sich hinter Tessas Vater schloss, entfuhr dieser ein Seufzer der Erleichterung. Sie fühlte sich fast, als sei sie nur haarscharf an einer Katastrophe vorbeigeschlittert.
    Ihr Blick fiel auf das Telefon. Sie hatte es versprochen, sie musste Niklas anrufen… sie musste einfach versuchen, so normal wie möglich zu sein, damit niemand Verdacht schöpfte. Vielleicht würde irgendwann ein Zeitpunkt kommen, an dem sie allen erzählen konnte, was geschehen war... doch noch war es nicht soweit.
    Also griff sie zum Hörer und wählte Niklas Nummer. Da er zu Haus nicht zu erreichen war, versuchte sie es noch einmal auf dem Handy. Es klingelte nur zweimal, dann war er am Apparat.
    „Hei Niklas, hier ist Tessa!“ Sie versuchte, fröhlich und gelassen zu klingen.
    „Tessa – gut, dass du anrufst. Ich war heute Mittag bei euch, aber du warst nicht da!“
    „Ich weiß, mein Vater hat es mir ausgerichtet. War etwas besonderes oder wolltest du nur so vorbei schauen?“



    „Nicht wirklich“, erwiderte Niklas und Tessa spürte, dass seine Stimme anders als sonst klang. „Ich muss dringend mit dir reden. Können wir uns treffen? Bei dir, in einer halben Stunde?"
    Tessa zuckte zusammen, ließ sich aber nichts anmerken. Dass Niklas so dringend mit ihr reden wollte, konnte ja auch andere Gründe haben als ihr Verhalten – vielleicht war ja sogar etwas mit Bettina? Vielleicht hatten sie sich getrennt? Dieser Gedanke schien sie auf unerklärliche Weise zu erleichtern und sie spürte fast so etwas wie Schadenfreude, im gleichen Moment aber Mitleid mit Niklas. Bestimmt war etwas mit Bettina, wenn es so dringend war…
    „Gib mir eine Stunde“, sagte sie darum. „Ich mag noch etwas essen und mich frisch machen.“



    „Gut, das passt, ich bin noch bei meinen Eltern und muss auch nochmal zu Haus vorbei. In einer Stunde bin ich da.“ Und schon hatte er aufgelegt.


    Nachdenklich kratzte Tessa sich am Kopf. Ob sie recht hatte mit ihrer Vermutung? Oder ob er doch wegen ihr kam?
    Sie seufzte und hoffte, dass er ihr nicht zu viele Fragen stellen würde, die sich nicht würde beantworten können… oder vielmehr - wollen...





    Fortsetzung folgt!