Beiträge von Innad

    Kapitel 22
    Einsamkeit



    „Happy Birthday to you, happy birthday to you, happy birthday, meine Tessa, happy birthday to you!“
    Tessa warf einen lächelnden Blick auf den bunten Geburtstagskuchen, der auf dem Tisch stand und im Schein von zwanzig Kerzen erstrahlte.



    „Mein süßer Schatz, ich wünsche dir alles gute zum Geburtstag! Komm her, lass dich knuddeln!“
    Langsam drehte Tessa sich um und ein glückliches Lächeln überzog ihr Gesicht, als Jess auf sie zukam und sie liebevoll ansah. Er sah gut aus, seine Haare fielen ihm locker ins Gesicht, das enge, grüne Shirt betonte seine muskulösen Körper.
    Für einen Moment dachte Tessa daran, dass sie noch nie bemerkt hatte, wie gut Jess eigentlich aussah, wie attraktiv und männlich anziehend er wirkte. Ihr war fast ein wenig so, als entdecke sie diesen Zug an ihm heute zum ersten Mal ganz und wahrhaftig an ihm.
    „Hier kommt auch direkt dein erstes Geburtstagsgeschenk!“ rief Jess lachend, zog sie in seine Arme und drückte ihr einen ungestümen Kuss auf den Mund.



    „Was ist los, mein Liebling?“ Jess lachte sie fröhlich an. „Wieso machst du denn so ein trauriges Gesicht? Heute ist schließlich dein Geburtstag und du solltest fröhlich sein!“
    Und als wolle er die Deutlichkeit seiner Worte unterstreichen, kam er ein Stück auf sie zu und kniff sie in die Seite, woraufhin Tessa zu kichern begann. „Jess, hör auf, das kitzelt!“ rief sie fröhlich.
    „Soll es ja auch!“ gab dieser unbeeindruckt zurück und setzte seine Attacke auf Tessa fort.



    Atemlos und immer noch kichernd rief Tessa nach einer Weile. „Jess, hör auf, ich krieg ja schon keine Luft mehr!“ Da ließ er von ihr ab und sah sie mit solch warmer Zuneigung in den Augen an, dass ihr Herz einen Sprung zu machen schien.
    „Das werde ich nicht riskieren, mein Schatz. Du bist doch das wertvollste, das ich habe. Ich liebe dich, Tessa.“



    Sein liebevoller Blick ruhte auf ihr, hüllte sie ein, wärmte sie, erhellte alles um sie…
    „Magst du nicht die Kerzen ausblasen, Tessa?“
    „Nun zier dich nicht so!“
    „Tessa? Träumst du?“
    Mit einem Ruck riss Tessa die Augen auf. Es fühlte sich an wie eine kalte Dusche. Sie war zurück in der Wirklichkeit. Ihre Augen fuhren einen Moment verwirrt durch den Raum, als seien sie auf der Suche nach Jess – doch er war nicht da.



    Stattdessen schaute sie in die neugierigen und fragenden Augen ihrer Eltern und Brittas, die mit ihr gemeinsam am Tisch saßen und darauf warteten, dass sie die bunte Geburtstagstorte mit den zwanzig flackernden Kerzen darauf auspusten würde.

    Kiara: Zum einen stimmt das ja, was Du über Jess schreibst. Ich denke aber auch, dass der Entzug so furchtbar ist, dass er einfach keine KRAFT mehr hat, es nochmal zu versuchen. Natürlich ist das irgendwie naiv, weil er so ja eigentlich sein eigenes Todesurteil gefällt hat, was ja auch total krass ist. Und dass Tessa ihm nicht genug Kraft gibt, ist schon schade. Aber es ist eben eine Sucht. Und wie viele Süchtige WOLLEN an sich aufhören, können aber nicht. Es gibt ja auch viele, die ihre ganzen Freunde und Verwandten dadurch verlieren und trotzdem weitermachen.


    Deswegen denke ich, dass es für Jess bisher noch nicht genug Impuls war, dass er Tessa hat und liebt.

    DAss Tessa total am Ende ist deswegen ist klar. Ich stell es mir schlimm vor, ständig Angst um den anderen haben zu müssen, total hilflos zu sein...


    Danke für Deinen tollen Kommi!:)



    Luxa: Das Mädl kommt schon recht bald, ein bißchen Geduld noch :) Auf Deine FS bin ich übrigens sehr gespannt!

    Und ja, DU hast recht, es ist eigentlich echt eine Sackgasse, zumindest bisher.




    So, hier kommt Kapitel 22. Ich bin damit nicht ganz zufrieden, es ist ein Übergangskapitel. Das nächste wird besser! Ich hoffe, es gefällt euch trotzdem und ihr lässt Kommis da!

    Die Situation schien in diesen Momenten auch für ihn unerträglich. Auch wenn er sich später entschuldigte und versuchte, es wieder gut zu machen, blieb ein seltsames Gefühl zwischen beiden bestehen… bis zum nächsten Tag, an dem schon wieder alles ganz anders sein konnte.



    Das schlimmste für Tessa war jedoch die Angst, die ihr ständiger Begleiter wurde. Eine Angst, die sie zu verschlingen schien, eine Angst, die sie in keiner Sekunde mehr abschütteln konnte.
    Unzählige Nächte wälzte sie sich unruhig in ihrem Bett hin und her, geplagt von bizarren und teilweise viel zu realen Alpträumen.



    Gleich einem irren Blitzlicht schossen Bilder durch ihren Kopf, Bilder, die sie fürchtete… Jess, der irgendwo tot auf dem Boden lag. Jess, der eine Straße entlang lief… eine Straße ins Nirgendwo…



    Unzusammenhänge, aber erschreckende Szenarien spielten sich in ihr ab, wenn die Nacht sie umgab und sie alleine, völlig alleine, in ihrer Wohnung war, nur die Geräusche aus dem Haus vernahm.



    Sie ließen sie nicht los, die Ängste und Schrecken, die sie jeden Tag aufs neue fürchtete und die sich nachts in ihren Träumen ihren Raum erobern zu schienen.



    Oft fuhr sie dann schweißgebadet und schwer atmend aus dem Schlaf, noch lange bevor es hell geworden war. Niemand war da, der ihr helfen konnte, die Schrecken ihrer Träume zu vertreiben. Sie war allein. Und sie war hilflos. Jeden Tag aufs Neue.



    So verwandelte sich Tessas Leben nach und nach in eine wahnwitzige Achterbahnfahrt – eine Extreme zwischen Licht und Dunkel, honigsüßem Glück und schwärzesten Alpträumen… und drohte ihr Herz langsam und allmählich in Stücke zu reißen. Doch gab es einen Ausweg?


    Nein.





    Fortsetzung folgt!

    Kapitel 21
    Zwischen den Extremen



    Was gibt es wohl schöneres auf der Welt als Liebe? Liebe – dieses mächtige, unergründlich tiefe Gefühl, das alles Leben und Sterben auf dieser Erde auf unerklärliche Weise zu bestimmen scheint. Und was ist wohl herrlicher als eine neue, junge, frische Liebe? Das vorsichtige Herantasten aneinander, jeden Tag eine neue Entdeckungsreise, ein erneutes Abenteuer, das wir eingehen. Doch auch Liebe, die seit Jahren besteht, ist jeden Tag wieder eine neue Herausforderung und die wärmende Glut vertrauten Gefühles ist es, die unsere Herzen am Leben erhält.
    Doch eine junge Liebe – sie ist stürmisch, leidenschaftlich und reißerisch. Sie erfüllt das ganze Sein, reißt uns mit. Schmetterlinge im Bauch, nervöses und freudiges Herzklopfen… Augen, Hände… einander erfahren, einander erfühlen…



    Wie schön muss es sein, sich in diese neue Liebe fallen lassen zu können, von ganzem Herzen. Das pure Glück dieser neuen Leidenschaft zu erfahren, mit Haut und Haar. Für eine Weile scheint es keinen Schatten auf dieser Welt zu geben. Nein, selbst das Licht ist heller als sonst, erstrahlt in der Wonne dieser neuen Liebe… was gibt es wohl herrlicheres auf dieser Welt als dieses Gefühl…?


    Doch für Tessa gab es das nicht. Sie war jung. Sie war verliebt. Sie liebte – mit Haut und Haar. Und doch war sie nicht glücklich. Sie konnte es nicht. Sie durfte es nicht. Sie würde es nicht sein. Vielleicht nie. Und das wusste sie. Wie soll ein Herz einer solchen Last standhalten? Sie wusste es selbst nicht. Wie oft ging sie in diesen Tagen durch die Straßen und nahm das Glück anderer Paare so viel bewusster wahr als zuvor. Immer wieder schnitt es ihr ins Herz, denn sie neidete ihnen die Unbefangenheit ihrer Liebe. Eine Unbefangenheit, die sie nie gehabt hatte.



    Andere Menschen ließen sich wonnig in dieses wunderbare Gefühl der neuen Liebe fallen, doch für Tessa war dies unmöglich. Zu hart wog das Gewicht der Realität, der sie so gerne entflohen wäre, die sie jedoch immer wieder einholte. Sie liebte Jess, das wusste sie. Sie liebte ihn mehr als alles andere. Doch an manchen Tagen, in heimlichen, verzweifelten und einsamen Stunden wünschte sie sich manchesmal, es wäre anders.
    Und kaum waren ihr jene Gedanken durch den Kopf geschossen, schämte sie sich vor sich selbst – denn die Liebe zu Jess war trotz allen Leides das Kostbarste, was sie je besessen hatte.


    Und dennoch wusste sie, dass ihre Liebe unter diesen Bedingungen über kurz oder lang dem Untergang geweiht sein würde. Dieses Wissen brachte sie an den Rand der Verzweiflung. Auch Jess war sich darüber bewusst. Doch immer wenn Tessa ihn darauf ansprach, in der leisen Hoffnung, nun, da er sich ihrer Liebe bewusst war, sehe er ein Licht am Ende des Tunnels, ein Ziel, für das es sich zu kämpfen lohnte, wurde er unwirsch und blockte ab. Es schien fast, als wolle er das Thema seiner Drogensucht wegignorieren. Als fliehe er davor, vor seiner eigenen unerbittlichen Wahrheit und Wirklichkeit… er floh in die Arme jener Frau, die ihm mehr am Herzen lag als alles andere. Doch warum konnte er sich dann nicht für sie überwinden, sein Leben in die Hand zu nehmen?
    Immer wenn Tessa ihn darauf ansprach, verfinsterte sich seine Miene.



    Oh, sie wusste nicht, wovon sie sprach! Dreimal war er bereits durch die Schrecken des Entzugs gegangen – für nichts und wieder nichts. Er wollte weder sich selbst noch Tessa unnötige Hoffnungen machen, die letztlich wieder enttäuscht wurden.
    Er sah keinen Nutzen darin, es noch einmal zu versuchen, auch nicht für Tessa, so sehr er sie auch lieben mochte. Den einzigen Impuls, den er manchmal hatte, war, sie zu schützen, indem er sie von sich stieß – doch auch das zerriss ihm das Herz, denn er merkte von Tag zu Tag mehr, wie viel ihm dieser Mensch bedeutete und wie schmerzlich er ihre Nähe vermisste, wenn sie nicht bei ihm war. Sie zu verlieren war für ihn unvorstellbar geworden. Doch ihr zuliebe hätte er es getan. Er merkte, wie sehr sie unter der Angst um ihn litt. Doch sie weigerte sich, ihn alleine zu lassen… und er konnte und wollte sie nicht dazu zwingen… er brauchte sie doch so sehr.


    Tessa wusste nicht, was sie darüber denken sollte, dass Jess sich weigerte, einen Entzug zu machen. An manchen Tagen fühlte sie sich nicht nur verzweifelt deswegen, sondern auch tief gekränkt… war sie ihm denn nicht wert genug, es zu versuchen? Doch was sollte sie schon tun – außer seine Entscheidung zu akzeptieren und bei ihm zu bleiben… abzuwarten… zu warten auf… ja, auf was eigentlich? Kein Mensch konnte ihr sagen, ob Jess den nächsten Monat überleben würde. Nicht einmal der nächste Tag war sicher. Sie besuchte ihn fast jeden Tag im Bahnhof oder an anderen Stellen in der Stadt, und jedes Mal empfand sie erneut die bange Angst, er könne nicht kommen… weil „es“ geschehen war.
    Doch sie schaffte es nicht, ihn alleine zu lassen. Sie liebte ihn. So einfach war es.
    Ihr Liebe jedoch war nicht einfach, drohte jeden Tag erneut unter der Last der Situation zusammenzubrechen. Natürlich gab es auch für sie lichte und sonnige Momente. Es gab Tage, an denen Jess gut gelaunt und locker war und sich voll auf Tessa einlassen konnte, ihre Nähe mehr denn je suchte.



    Hätte man nicht die Augenringe im Gesicht des jungen Mannes, seine abgetragene Kleidung und die Blutergüsse an den Armen sehen können, so hätte man vermutet, es handele sich bei Tessa und Jess um ein weiteres der vielen, verliebten und glücklichen Paare, die es auf dieser Welt gibt. An diesen Tagen, an denen die Dunkelheit sich für wenige Stunden verzog, wusste Tessa, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Es waren jene Tage, an denen sie sich in Jess Umarmung fallen lassen konnte, sich – so suspekt es auch klingen mochte – von ihm beschützt, geborgen und geliebt fühlte. Es waren die Tage, an denen es nur sie beide gab, ihre Blicke, ihre Berührungen und ihre Gespräche, welche so innig waren wie nie zuvor.




    Aber solch glückliche Momente waren oft viel zu schnell vorbei. Ein Tag war nicht wie der nächste. Es glich fast einem irren Lotteriespiel. Wenn Jess nicht ausreichend Drogen bekommen hatte, war er oft nervös, gereizt und schlecht gelaunt. Manchmal kam Tessa im Bahnhof an und wollte ihn umarmen, doch er wich ihren Berührungen aus, als wolle sie ihn vergiften.



    Obwohl sie genau wusste, dass es nichts mit ihr zu tun hatte, sondern mit seiner Verfassung zusammenhing, fühlte sich seine Ablehnung immer und immer wieder an wie ein Tritt in die Magengrube, ein Stich in ihr Herz.



    Jess seinerseits erkannte, wie weh er Tessa tat – doch er wusste sich nicht zu helfen.

    SunJoyce: Danke für Deinen Kommi! Ja, es fällt beiden nicht leicht, sich zu trennen. Tessa halt auch deswegen, weil Tru für sie so ein letzter Halt war, evtl auch Symbol für ihr Leben von früher.



    Kiara: Hihi, Deine Theorie war echt cool, aber hätte dann doch etwas zuviel durcheinander gebracht. Aber dass Du auf ein Zurückkehren von Niklas bestehst, hab ich mir notiert. Irgendwie finden den ganz viele niedlich. :rolleyes

    Ob der goldene Schuss irgendwann kommt oder nicht, weiß halt keiner. Wenn Jess so weitermacht, definitiv, das stimmt. Ob sie dabei Gefühle genießen können, isth alt auch fraglich.

    Danke für Deinen Kommi! :)



    Luxa: Da bin ich aber froh, dass Du nicht sauer bist. Und ich hoffe, es geht dir bald wieder besser! Dass Du die Hoffnung nie aufgibst, find ich toll! Das ist eine super Einstellung!

    Die Idee mit der Entzugsklinik in New York finde ich ja auch nicht schlecht, aber ich sag mal nix dazu :) Was ihr immer für tolle Ideen habt, begeistert mich! Echt - wahnsinn! Pooositiv gemeint, gell!



    Dani: Ja, Niklas ist so eine Sache für sich. Dass Du nicht willst, dass Jess stirbt, kann ich verstehen. Ob ich Deinen wunsch erfülle, kann ich nicht verraten, weißt Du ja ;)

    Danke für Deinen Kommi, ich hoffe, es geht Dir gut!



    @ineshnsch: Ja, das stimmt, für Tru ist es eine tolle Sache, dieser Umzug.Tesa ist jetzt halt arg allein.

    Danke für Deinen Kommi!


    Sorry, bin heute irgendwie nicht so schreibfreudig! DAfür gibts die Fortsetzung!

    Hihi, dann kommentiere ich mal außer der Reihe, wenn hier so viel Verwirrung herrscht (was ja nicht gerade unbeabsichtig war :applaus).

    Kiara: Ob es wirklich nur Fiktion oder Realität ist, verrate ich erstmal nicht. Soviel sei gesagt: Ein Teil davon ist auf jeden Fall Fiktion, aber welcher - das ist bisher noch mein Geheimnis!:)

    Ob Marie ihr Leben wirklich so sieht wie am Schluss - ich denke nicht... ich denke viel mehr, auch DAS kommt wieder darauf an, ob Wahrheit oder nicht. Aber dass es in ihr sehr dunkel und hoffnungslos ist momentan, das stimmt schon.

    Noch was hinzufüg: Wegen Simone und herbert - ich weiß nicht, wie Menschen reagieren, wenn sie solch einen Verlust erleben. Wir versuchen dann ja immer einen Schuldigen zu finden, weil es das irgendwie leichter macht. Und auf so einer Beerdigung liegen die Nerven schonmal blank. Woher Simone und Herbert es erfahren haben könnten, weiß man natürlich nicht. Cedrik könnte es gestanden haben und das ganze kochte dann bei der Beerdigung hoch, nachdem der Pfarrer so drauf rumritt. Oder irgendjemand hat sie gesehen an dem Abend??? Könnte auch sein - es gibt viele Möglichkeiten.



    Luxa / Jule: Hihi, ich hoffe, wir haben euch beiden nicht zu doll verwirrt. So wie Kiara schreibt, ist die Fährte ganz gut. Dass hier die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit verschwimmen, war klar beabsichtig, aber das ganze löst sich bald auf. Versprochen!



    Luxa: Du Schreibst: Aber Marie hatte nicht gewusst, das Cedrik Susans Schwester ist!

    Ich nehme mal, Du meinst, dass Cedrik Susans Bruder ist! Doch, natürlich hat Marie das gewusst. Nicht während sie mit ihm schlief, aber unmittelbar danach. Da kam Susan in die Bar und zeigte Marie ein Foto von Cedrik! Und da wurde ihr alles klar!

    Dass Susan "betrügen" sagt ist hier nicht auf Treue im Rahmen einer Beziehung bezogen. Betrügen bedeutet ja noch viel mehr - es gibt ja auch Betrug im wirtschaftlichen Sinne und natürlich auch im Freundschaftlichen :) Zusammen sind die beiden definitiv nicht, also Marie und Susan, hihi. Auch wenn es evtl was erklären würde, aber DA kann ich euch sagen - DAS ist definitiv nicht der Fall!



    Die Fortsetzung kommt denk ich am Wochenende oder Anfang der Woche! So lange müsst ihr die Verwirrung noch ein bißchen ertragen! Nur soviel: es ist nicht immer alles so wie es zu sein scheint ;)

    Marie senkte den Kopf und versank einen Moment in ihren Gedanken, der Nebel in ihrem Kopf schien sich zu verdichten und die Welt drehte sich viel zu schnell. Sie hätte stehenbleiben, innehalten und mit ihr über den Verlust weinen müssen – doch statt zu rasten, schien sie ihre Geschwindigkeit zu verdoppeln und ließ Marie wanken.
    Mit einemmal stand sie da. Stand direkt vor ihr.



    Doch sie sah nicht aus, wie sie in der Erinnerung ihrer Angehörigen weiterleben würde. Es schien nur das Abbild jenes Körpers zu sein, der in den Tiefen der Muttererde vergraben lag.
    Maries Kehle entfuhr ein Schrei, doch Susan regte sich nicht. Sie sah Marie nur an. Stechend, ohne auszuweichen. Ein Blick, der Marie die Seele zu durchbohren schien.



    „Mörderin!“ zischte Susan schließlich. „Verräterin! Wie konntest du mich nur mit meinem eigenen Bruder betrügen? Das hätte ich nie von dir gedacht! Ihr beiden seid schuld, dass ich hier liege! Ihr habt mich auf dem Gewissen, Marie! Ihr seid mit meinem Blut besudelt – alle beide! Aber vor allem DU!“



    Marie schluchzte. „Susan! Susan – wie kann ich das nur gut machen? Ich will es gut machen, Susan…“ Sie schlug die Hände vors Gesicht.
    Doch Susan sah sie nur herablassend an. „Sünde über euch beiden! Sünde über dich, Marie!“
    Marie schüttelte heftig den Kopf. Ihr Verstand sagte ihr, dass das hier nicht wahr sein konnte, Produkt ihrer gereizten Fantasie sein musste. Doch der Blick von Susans Augen war so echt, so grauenvoll echt. Ihre grünen Augen schienen sie zu durchbohren, jeden noch so kleinen Teil ihres Körpers in puren Schmerz zu wandeln.



    „Verzeih mir doch, Susan!“ Es war nur ein Wimmern, das aus Maries Kehle drang. „Ich hab das nicht gewollt…“
    Marie schluchzte, ihr Körper bebte, ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust. Die Welt drehte sich immer schneller und schneller und zwang sie in die Knie.



    Marie sie auf, doch Susan war fort. Sie war völlig alleine auf dem Friedhof und nur das Prasseln des Regens war zu hören. Doch der Blick von Susans Augen hatte sich tief in sie eingebrannt. Das Atmen fiel der jungen Frau schwer, ihre Augen brannten, ihr kompletter Körper schien zu schmerzen. Die Welt drehte sich immer schneller und schneller und schneller… bis Marie ihr endlich nachgab und kraftlos auf dem lehmigen Grabboden zusammensank und sich in die tiefe Schwärze fallen ließ, die sie umschloss…




    Fortsetzung folgt!



    Text und Fotos by Innad

    „Ich weiß genau, was geschehen ist! Mich kannst du nicht mehr täuschen!“ Die Stimme der Frau war eiskalt, schneidend. Marie sah sich hilfesuchend um, versuchte in den Gesichtern der umstehenden Menschen einen aufmunternden, beruhigenden Blick zu finden – doch ihr schlug nur Hass und Kälte entgegen.



    „Cedrik! Wie konntest du das nur tun?!“ das war Herberts anklagende, gebrochene Stimme, die an ihr Ohr drang. „Du bist mein Sohn! Wie konntest du nur? Du hast deine eigene Schwester getötet! Wie konntest du nur mit Marie schlafen? Ich hasse dich, Cedrik! Ich hasse dich!“



    Marie stand wie vom Donner gerührt. Mit einemmal fiel ihr alles wieder ein. Ihre Augen wanderten ungläubig zu Cedrik, der seinem Vater gegenüber stand, wie versteinert…
    Nun wusste sie es wieder, die Leere in ihrem Kopf machte einem Verständnis Platz, das so furchtbar war, dass Marie sich die Leere wieder herbeisehnte. Sie war schuld! Sie hatte Susan auf dem Gewissen! „Nein!“ stammelte Marie.



    „Seht sie euch an, die Sünder!“ Die harte Stimme des Priesters hallte erneut über den Friedhof und schien Marie in Stücke zu reißen. Und sie begann zu schreien, zu schreien so laut sie nur konnte…
    Das Grab war zugeschüttet und der weiße Sarg war verschwunden. Der Sarg, in dem Susan lag – oder das, was von ihr übrig war, ihr lebloser Körper. Augen, die Marie nie wieder aufmunternd anlächeln würde, Hände, die sie nie wieder in die Seite knuffen würden…



    Noch immer regnete es in Strömen. Marie stand alleine vor Susans Grab, der Rest der Gesellschaft war gegangen.
    „Susan…. Susan… es tut mir so leid“, flüsterte Marie. „Ich werde es mir nie verzeihen können, nie! Oh Susan, wenn ich es doch nur ungeschehen machen könnte!“

    Maries müde Augen ruhten für einen Moment auf Simone, welche die Hände vor ihr Gesicht geschlagen und zu weinen begonnen hatte. Mit einer hilflosen Geste trat Herbert zu ihr und nahm sie in den Arm. Er schien um Jahrzehnte gealtert.



    Während der Priester weiter über Susans Leben sprach, schweifte Maries Blick langsam, schwerfällig zur Seite – ein Stück abseits, als wolle er Abstand von all dem, was hier geschah halten, stand Cedrik. Sein Gesicht war aschfahl und er wirkte, als habe man nicht nur seiner Schwester sondern auch ihm alle Lebenskraft aus den Gliedern gesogen.



    Der Regen durchweichte sein Haar, seinen Anzug, doch es schien ihm egal zu sein. Er schien nichts mehr zu spüren, nichts wahrzunehmen. Die Hände hielt er vors Gesicht geschlagen. Weinte er? Nein, er stand einfach nur so da… wie erstarrt. So wie Marie eigentlich auch. Einen langen Moment versank sie wieder in dieser seltsam dumpfen Lethargie, bis sie die härter werdende Stimme des Priesters aufhorchen ließ.
    „Doch es war kein Unfall, wie wir alle hier wissen. Es gibt zwei Menschen, die sich in unseren Reihen befinden, welche sich den Tod dieser jungen, unschuldigen Frau ganz alleine zuschreiben müssen. Sie haben gegen die Gebote des Herren und der Freundschaft in verwerflichster Weise verstoßen. Wie die wilden Tiere sind sie übereinander hergefallen, fernab von jedem Verständnis für Keuschheit und Bescheidenheit.“



    Maries Augen weiteten sich, ihr Herz zog sich zusammen. Sie verstand nicht, was er da sagte, doch sie spürte, dass es etwas mit ihr zu tun hatte.



    Der Pfarrer sah auf und seine Augen schienen rot vor Wut und Anklage zu brennen. Er erhob seinen langen, knochigen Finger, um auf die Sünder zu zeigen.
    „Du sollst nicht töten! Du sollst nicht lügen! Du sollst nicht brechen deine Keuschheit! Ihr habt die Gebote des Herren schändlich missachtet!“ Die Stimme des Priesters überschlug sich fast vor Wut. Seine Miene wirkte unerbittlich, kalt, erdrückend.



    „Nun fragt ihr euch sicher, liebe Brüder und Schwestern, wer hier unter uns Trauernden sein könnte, der etwas so schändliches wagen würde?“ Die Stirn des Priesters zog sich zusammen. „Ich werde es euch sagen!“
    Marie schnappte nach Luft, verstand immer noch nicht, was vor sich ging.
    Die Trauergemeinde blickte den Pfarrer wie gebannt an.



    Nur Maries Augen fuhren unruhig über den Boden.
    Es war, als habe sie die Erinnerung verlassen… sie versuchte krampfhaft, zu verstehen, was vor sich ging, aber ihr Kopf war leer – so leer… „Marie und Cedrik!“



    Wie ein Donnerschlag schienen die Worte des Pfarrers durch die neblige Luft zu fliegen.
    Marie fühlte seinen Finger auf sich gerichtet und spürte, wie ihr vor Schreck der Regenschirm aus der Hand zu gleiten drohte. „Ich? Was habe ich getan? Was?“ rief sie ungläubig. Sie wusste es nicht, sie konnte sich nicht erinnern! Alles was sie fühlte, dachte und sah, war diese Leere in sich – wie ein Vakuum, das sie zu erdrücken schien.
    „Neiiiin!“ Marie fuhr herum und sah Simone wutentbrannt auf sich zustürzen.
    „Mörderin!“ schrie diese schrill. „Du hast mein Kind auf dem Gewissen! Du, die ich jahrelang wie eine eigene Tochter in meinem Hause geduldet habe!“ Wie eine Furie schien die sonst so sanfte Frau nun, Marie wich ein Stück zurück.



    „Nein!“ stammelte sie. „Nein, nein! Das – das muss ein Irrtum sein! Ich habe Susan geliebt wie meine Schwester, das weißt du doch, Simone…“
    Doch ihre Worte erstarben, als sie Simones Blick sah.

    Kapitel 14
    Sünde




    Marie sah Susan, wie sie verkabelt in diesem kahlen, gekachelten Raum der Intensivstation lag. Die Maschinen piepsten in eintöniger, erschreckender Gleichmut, aus einem Tropf fielen schwere Tropfen in einen gelblich-schimmernden Plastikschlauch, der irgendwo in ihren Körper führte.



    „Susan“, ihre Stimme klang hohl. „Susan, glaub mir, ich wollte das nicht…“
    Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt. Wie sollte sie sich je verzeihen, wenn Susan starb? Wie…?



    Vor ihren Augen verschwamm ein jegliches. Dann tauchten neue Bilder in ihr auf, schalen, seltsamen Erinnerungen gleich. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie schon her waren… oder ob sie gerade erst geschahen?



    Ein Grab, frisch ausgehoben, davor ein weißer Sarg und ein Grabstein in Engelsgestalt. Eine helle, monotone Kirchturmglocke, die irgendwo hinter den Bergen ihr einsames Lied spielte. Der Tag war grau und es nieselte. Sie stand unter einem schützenden, grau gemusterten Regenschirm, der für diesen Ort viel zu fein und zart wirkte. Die Tropfen prasselten dumpf auf die Plane des schützenden Utensils in ihrer Hand.



    Die Luft war nicht nur weihrauch- sondern trauergeschwängert. Marie starrte auf ihre Füße. Ihre neuen, samtigen schwarzen Schuhe mit den hohen Hacken waren vom lehmigen Boden des Friedhofes völlig beschmutzt.
    Sie hatte sie gemeinsam mit Susan gekauft. Es schien Jahre her zu sein, seit dies geschehen war. Und dabei war noch gar nicht so lange her? Wie lange eigentlich? Marie versuchte, sich zu erinnern, doch sie schaffte es nicht.
    Ein Priester las monotone Salben vor, die Marie nicht verstand.



    Wieso sprach ein Priester an diesem Grab? An Susans Grab? Susan war gar nicht getauft gewesen, soweit Marie sich erinnern konnte. Sie lebte ihren eigenen Glauben, aber war sie Buddhistin gewesen, Jüdin oder Paganistin? Marie wusste es nicht mehr, wusste nur, dass Susan an ein Leben nach dem Tod glaubte. Marie hatte sie manchmal ausgelacht, wenn sie ihr von ihren Vorstellungen erzählte, Vorstellungen, die für Susan sehr konkret gewesen waren.
    Für Marie spielte Glaube kaum eine Rolle in ihrem Leben. Dazu war sie viel zu praktisch veranlagt. Sie machte sich um solche Dinge nur wenige Gedanken. Zwar war es nicht so, dass sie an nichts glaubte, aber Glaube war für sie eher etwas Irdisches gewesen – den Glauben an Dinge, die selbst erfassen konnte. Egal, um welchen Religionsglauben es gegangen war, immer hatte sie die Aussagen verhältnismäßig „schwammig“ empfunden – seien es nun irgendwelche Naturreligiösen oder Christlichen oder Jüdischen oder Muslimischen gewesen. Ihre Mutter war jedoch getauft, Christin, und ab und an war Marie natürlich mit in die Kirche gegangen. Aber eine echte Definition von „Gott“ oder „Glauben“ hatte sich bei ihr nie eingestellt.



    Als sie hier stand, an Susans Grab, wünschte sie sich, sie hätte Susan einmal genauer zugehört, was sie ihr über ihre Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod nahe zu bringen versucht hatte. Denn dann wüsste sie jetzt vielleicht, wo Susan nun war? Sah sie auf sie herab und zürnte ihr?
    War die christliche Wahrheit die richtige und gab es etwas wie eine Hölle? Wenn ja, dann würde sie mit Sicherheit einmal dorthin kommen, nachdem, was sie getan hatte.
    Marie dachte nach. Was hatte sie eigentlich getan? Es fiel ihr nicht mehr ein. Ihr Kopf war leer, taub, stumpf – ihr Herz fühlte sich nicht anders an. Die Kälte des Regentages kroch ihre Beine hinauf und für einen Moment fragte sie sich, warum sie einen Rock hatte anziehen müssen… vermutlich weil sie nach der Beerdigung noch arbeiten gehen wollte.
    Aber selbst das war nicht sicher. Alles schien in diesem Moment nicht mehr sicher zu sein, wie losgelöst von jedweder Wirklich- und Wahrhaftigkeit.



    Der Priester stand hinter dem Grabstein und sah streng in die Gesichter der erstaunlich kleinen Trauergemeinde. Marie blickte ihm nicht in die Augen. Er ängstige sie, ohne dass sie sagen konnte, warum.
    „Wir begraben hier also unsere geliebte Tochter, Schwester und Freundin Susanne Lensen. Der Tod hat sie viel zu früh aus ihrem jungen Leben gerissen…“. Die Stimme des Pfarrers war laut und hart.
    Ein trockenes Schluchzen schallte über den Friedhof, hallte an den Hängen der Bäume wieder, schien die alten, zerfressenen Grabstatuen zu umfangen und von den bunt gefärbten Blättern, die heute so grau und alt wirkten, nur langsam zerstreut zu werden.

    Luxa: Ja, Du hast recht - Marie wird von ihren Schuldgefühlen immer wieder geplagt. Aber das wird wohl auch noch so weitergehen, bis sie endlich einsieht, dass sie nicht schuld ist und es nicht falsch war, mit Cedrik zu schlafen. Danke für deinen Kommi!



    Wolke2011: Wir würden uns freuen, von Dir zu hören und warten schon gespannt! :)



    Catlyn: Ach, tut Dein Kommi gut! Es freut uns beide sehr, dass Dir die Story so gefällt, auch wenn der Grund natürlich weniger erfreulich ist, bzgl des Selbst-Erlebens und ich wünsche Dir von daher alles GUte und hör auf Dein Herz!

    Vielen Dank für Deinen Kommi - es freut auch einfach, dass die Geschichte nicht so abwegig ist, weil einige unserer Leser/innen ja Probleme haben, den Konflikt nachzuvollziehen.


    Kiara: AAAACH, Knuddel! Der satz, dass wir gar keine Bilder bräuchten, läuft runter wie Öl, offengesagt haben wir beiden es nicht so arg mit den Bildern ;) und der Text fällt uns leichter!

    Du hast es wieder sehr gut erfasst - Marie verrennt sich. Das ist die Aussage des Kapitels und das ist SEHR wichtig für den Fortgang der Story. Ich lese immer wieder, dass viele den Konflikt nicht verstehen und sage hier nochmal: Der Konflikt ist NICHT, dass Cedrik Susans Bruder ist und es grundlegend falsch ist, bzw. wir es als schlimm betrachten, dass die beste Freudnin mit dem Bruder schläft.

    Ich denke, den Schlüssel zum Schloss findest Du bald, so wie ich Dich kenne- noch ein paar Kapitel schätze ich ;) und dann wirst Du bestimmt Fährte aufnehmen!

    Danke für den tollen Kommi!



    @ineshnsch: Hihi, ich glaube gerade hast Du die 2 Storys durcheinandergeworfen und "Tessa" geschrieben statt Marie. Wir wissen ja aber, wen Du gemeinst hast.


    Du siehst es auch sehr deutlich, ja. Marie gibt sich die Schuld, eben weil für SIE in IHREM Empfinden die Nacht mit Cedrik falsch gewesen ist. Daraus kommt die Schlussfolgerung - Die Nacht war falsch--> ich bin schuld.


    OB sie es schafft ihre Schuldgefühle zu überwinden und mit Cedrik zusammen zu sein, ist fraglich. Zurzeit verrennt sich sich ja offenbar immer mehr hinein.

    Danke für diesen tollen Kommi!



    Rivendell: Welcome back! Hoffentlich bist Du gut erholt?

    Danke für Dein Lob bzgl des Schreibstils, freut uns immer wahnsinnig, sowas zu hören :)


    Ich / wir geben Dir in vielerlei Hinsicht recht. Marie sollte sich nicht für schuldig halten. Die Nacht war noch frisch, sie selbst noch total durcheinander und die Situation nach der Prüfung eher ungeeignet für ein "Geständnis".

    Was die Frage betrifft, was so schlimm daran ist, wenn Bruder in die Freudin verliebt ist - eigentlich nichts. Wie ich bei Kiara schon schrieb, ist nicht das der Konflikt. Auch Susan hat nicht unbedingt übertrieben reagiert. Man weiß ja immer noch nicht, was in dem Moment in ihr vorging. Ob sie es wirklich schlimm fand, was wir vermuten. Vielleicht hatte ihre Reaktion auch gänzlich andere Gründe??? Wer weiß das schon!

    Marie ist eigentlich von all unseren Protagonisten die einzige, welche diese Nacht definitiv schlimm findet und all was geschehen ist darauf zurückführt. Cedrik macht sich auch Vorwürfe, aber nur, weil er Susan Bescheid gesagt und danach nicht auf sie geachtet hat. Er hätte ja beispielsweise auch länger und hartnäckiger versuchen können, in ihr Zimmer zu kommen und sich mit ihr auszusprechen, sie zu fragen, was denn so schlimm daran sei, dass er sich in marie verliebt hat usw. Aber er hat dann ja auch aufgegeben und das ganze auf den nächsten Tag geschoben - und darum macht er sich nun Vorwürfe und Schuldzuweisungen, was ich total verständlich finde.

    Alleine, dass man mit einem geliebten Menschen im Streit auseinander geht und dann passiert sowas, ist ja schon ganz schlimm und bringt Schuldgefühle mit sich.

    Marie jedoch trifft ja eigentlich gar keine Schuld. Sie hatte nur völlig indirekt etwas mit Susans nächtlichem Spaziergang zu tun. Aber für sie, Marie, ist es nicht indirekt. Weil sie SELBST die Nacht verurteilt. Nur deswegen. Und so wie Kiara schreibt - darin verrennt sie sich gerade.

    Ob sie sich Cedrik noch anvertraut, ist die Frage - oder ob diese Sache sie nur noch weiter von ihm wegtreiben wird.



    @ALL: So es geht frisch und munter weiter. Bitte wundert euch nicht, wo Chrissy steckt, die versinkt zurzeit nur so in Arbeit, aber das wird auch wieder anders! Dafür habt ihr ja noch mich *lach* und ich hab auch ein hübsches, neues Kapitel für euch. Bitte gewöhnt euch aber nicht an das Bild-Text-verhältnis. Das Fotografieren für das Kapitel hat mich viel Mühe gekostet und ich hoffe, es gefällt euch. Darum sind es diesmal ausnahmsweise (!) auch mal etwas mehr Bilder als sonst.


    Viel Spaß!

    Oh weh, was für ein trauriges Kapitel... da sind meine schlimmsten Befürchtungen wahr geworden und Penelope gibt tatsächlich Annabelle die Schuld... ich hoffe sehr für die beiden und ihre Freundschaft, dass das nun nur aus dem ersten Schock war und Penelope einsehen wird, dass Annabelle nicht wirklich schuld sein kann.

    Sehr bewegend war das... bin jetzt gespannt, wie es weitergehen wird, wie Annabelle das Ganze verkraftet und ob sie es Justus sagen wird, ob sie Schlüsse und Konsequenzen aus dem Geschehen zieht usw.

    Hallo Manilach!


    Eine sehr schöne Idee und die 2 sehen auch toll aus! Aber Du solltest noch etwas mehr posten, denn jede Fortsetzung muss min.4 Bilder enthalten, laut den Regeln für dieses Forum!

    Aufgabe 1


    Patricia McAllistor



    Simwooder Rundschau

    Ausgabe August 2007 / 4


    Wirtschaftsteil


    Doku: Simwooder Jungunternehmer, Teil 34



    Heute: "The most beautiful day" - Weddingplanerin Patricia McAllistor



    Wie jeder weiß, stellt die Hochzeit im Leben eines jeden jungen Paares einen besonderen Abschnitt und Wendepunkt dar. Da ist es selbstverständlich, dass man diesen Tag so perfekt und harmonisch wie nur irgend möglich gestalten möchte. Doch ist die Verlobung erst einmal bekannt gegeben und die Hochzeitsvorbereitungen beginnen, fühlt sich so manch Heiratswilliger förmlich von der Menge an Dingen, die es nun zu beachten, organisieren und entscheiden gibt, erschlagen.

    Da kann es leicht passieren, dass einem die Freude an jenem Tag, der doch eigentlich der "schönste im Leben" werden sollte, schon im Vorfeld bei alle dem Stress und der Streitereien, die häufig entstehen, vergeht.

    Doch es gibt Abhilfe - nehmen Sie doch einfach eine Wedding Planerin in Anspruch! Diese wird sie bei allen wichtigen Fragen unterstützen, Kompromisse und Lösungen suchen und sich mit all den kleinen Details beschäftigen, die letztlich den besondern Tag perfekt werden lassen.

    Eine der bekanntesten und erfolgreichsten Wedding Plan Agenturen im Umkreis führt die junge Patricia McAllistor, die wir heute in unserer Dokumentationsreihe "Jungunternehmer" genauer unter die Lupe nehmen werden. Hierfür sind wir zum Interview in das dreistöckige Gebäude in der Sea Street gefahren und haben die Jungunternehmerin in ihrem Büro besucht.

    Der Lebenslauf der Jungunternehmerin beeindruckt: Hochschulreife, Studium der Betriebswirtschaft, ein Jahr Auslandsaufenthalt in Amerika, fünf Jahre in der Branche tätig, eine Menge Auszeichnungen und Umsatzzahlen von denen einige ihrer Konkurenten träumen können.

    Patricia ist einem auf Anhieb sympathisch, eine ambitionierte, junge Frau, die weiß, was sie will und wie sie es bekommt. Spontaneität, Kreativität und Durchsetzungkraft sind es laut íhrer Aussage, die sie so weit gebracht haben, wie sie heute ist.

    Dass sie spontan ist, zeigt sich auch sofort, als wir sie bitten, vor unserer Kamera ein wenig zu posen.



    Auf die Frage hin, wie sie denn vor 5 Jahren auf die Idee gekommen sei, eine Agentur für Hochzeitsplanung zu gründen, antwortet sie mit einem Lächeln: "Ich mag erst 28 sein, aber wie jede junge Frau habe natürlich auch ich schon als Kind von einer Hochzeit in weiß geträumt. In meinem Umfeld haben schon einige Personen geheiratet und immer wieder hörte ich von ihnen, dass sie zum einen völlig von den Vorbereitungen erschlagen wurden und ihnen teilweise wirklich der Spaß vergangen ist. Zum anderen haben viele nach ihrer Hochzeit bedauert, dass der Tag nicht so perfekt war, wie er sein sollte."

    Sie sieht uns mit ihren frechen, braunen Augen offen an, als sie sagt: "Wissen Sie - die Hochzeit ist eine einmalige Sache im Leben eines Menschen. Selbst wenn er wieder heiratet, wird es nicht dasselbe sein. Darum ist es auch so wichtig, dass alles an diesem Tag stimmt. Und genau das ist mein Job - den schönsten Tag im Leben auch zu eben jenem zu machen. Das Brautpaar soll sich nur auf die Hochzeit und ihren Tag konzentrieren können, wenn es soweit ist. Als Braut hat man weder Muse noch Zeit darauf zu achten, dass die Kellner das Essen richtig servieren oder gar dass der Fotograf während der Trauung auf der richtigen Position steht. Die Braut muss an diesem Tage glänzen, imponieren und sich freuen - der Bräutigam genauso. Alles andere kann man getrost mir überlassen."

    In ihrem etwas chaotischen Büro, in dem sich alle Stilrichtungen zu vereinen scheinen, organisiert die Wedding Planerin McAllistor den Paaren alles, was diese zu haben wünschen. "Ob Springbrunnen, weiße Tauben oder eine Unterwasser-Hochzeit... ich kann alles organisieren", sagt sie zwinkernd. Immer wieder werden wir während des Interviews vom klingelnden Telefon unterbrochen - die Auftragslage ist zurzeit gerade besonders gut.



    Dazu braucht es natürlich gute Partner, stellen wir fest. Und McAllistor nickt eifrig. "Gute Partner sind dazu das A und O. Darum habe ich mir gedacht, wenn schon - denn schon und mir die besten Leute im Land mit in meine Agentur geholt! Ihnen kann ich hundertprozentig vertrauen!"

    Und wer ist wohl besser als die eigene Familie? Da diese ohnehin "nichts Besseres zu tun habe", wie McAllistor grinsend preisgibt, während sie mit uns in den Aufzug zum nächsten Stockwerk steigt, habe sie diese mir nichts- dir nichts mit ins Unternehmen geholt.

    Wir gehen vom Aufzug aus in einen liebevoll eingerichteten Blumenladen. An der Werkbank steht eine ältere Dame, die Patricia McAllistor auffällig ähnelt. Sie ist gerade damit beschäftigt, ein Bouqet aus Margarithen zu fertigen.



    "Ganz egal, welche Blumen das Brautpaar haben möchte, wir liefern sie", sagte McAllistor. "Meine Mutter ist schon ewig im Geschäft und kann einfach alles stecken, vom Brautstrauss bis hin zum Rosenspalier und noch viel mehr! Wir besorgen unseren Paaren sogar Schneeglöckchen im August und Sonnenblumen im Dezember, wenn sie es wünschen! Und Blumen sind ein wichtiger Bestandteil der Hochzeit! Was wäre eine Trauung ohne Blumen? Alleine der Duft von Rosen sorgt schon für unglaublich viel festliche Stimmung!"

    McAllistor zwinkert ihrer fleißigen Mutter kurz zu und führt uns in den Nebenraum, der gemütlich eingerichtet ist.

    "Hier können die Bräute ihre Kleider kaufen! Mein Vater ist der geborene Einkäufer und liefert uns immer wieder die neuste Mode aus Paris und London und der ganzen Welt! Ich berate die Bräute immer persönlich, wenn sie das wünschen", erklärt McAllistor und weist auf eine Dame, die gerade ein schlichtes Kleid anprobiert. "Das hier ist beispielsweise Mandy, sie wird in zwei Monaten heiraten. Mandy wollte ihr Kleid unbedingt mit mir aussuchen, und wir haben extra bis heute gewartet.
    "Nein Mandy, das steht dir nicht", konstantiert Patricia, als Mandy sie um Rat wegen des schlichten Kleid fragt. "Du brauchst etwas außergewöhnliches!" Sie lacht uns zu. "Ich sage den Bräuten immer meine Meinung - falscher Rat wäre unangebracht!"

    Mandy taucht wieder auf und trägt ein sehr außergewöhnliches Taftkleid, woraufhin Patricia begeistert in die Hände klatscht. Auch ihr Vater, Henry McAllistor, beäugt die Kundin angetan und nickt zustimmend.



    Many scheint ihr Kleid wohl gefunden zu haben, so dass Patricia uns weiter in den nächsten Stock führt, der bereits mit einem verführerischen Duft durchzogen wird.

    "Neben Blumen und Kleidung ist natürlich auch das Essen etwas ganz Entscheidendes bei einer Hochzeitsfeier", erklärt Mandy uns und öffnet uns die Tür zu einer riesigen Küche, in der ein Koch und zwei Kochassistenen geschäftig am Werkeln sind.

    "Mein Bruder Rob ist ein fantastischer Koch und leitet den Cateringservice schon seit Beginn. Er kann einfach alles credenzen, was das Herz begehrt. Und denken Sie ja nicht, dass ich das nur aus Geschwisterliebe sage - ich sehe meine Familie durchaus nicht in besserem Lichte als sie ist. Er hat drei Sterne für seine Kochkünste eingeheimst und in den besten Häusern der Gegend sein Handwerk von der Pieke auf gelernt." Sie fächert sich die Luft zu, es riecht nach frisch gebackenem Kuchen, den ihr Bruder Rob gerade in einer Backform an uns vorbeigetragen hat.



    "Duftet das nicht köstlich? Ich könnte hier stundenlang herumlaufen und naschen, wenn ich nicht so viel zu tun hätte." Sie zwinkert. "Rob ist besonders in der Herstellung von Torten ein Ass. Er kann sie in jeder Geschmacksrichtung füllen und formen wie das Brautpaar sie wünscht."

    "Natürlich habe ich auch noch jede Menge anderer Partner, die nicht in diesem Gebäude arbeiten und auch nicht zur Agentur gehören. Ich kenne Möglichkeiten und Adressen, von denen Sie nur zu träumen wagen. Sie glauben gar nicht, wie ausgefallen die Wünsche mancher Brautleute sind, aber ich sage : Richtig so! Diesen Tag gibt es wie bereits erwähnt nur einmal - und er sollte perfekt sein!"

    Nachdem wir Patricia nun kennengelernt haben, fragen wie sie zum Schluss, wieso ein Brautpaar ihre Dienste in Anspruch nehmen sollte. Dazu sagt sie freiweg: "Ganz einfach - wenn ein Brautpaar den schönsten Tag im Leben haben möchte, kann ich diesen garantieren. Ich habe noch keinen einzigen unzufriedenen Kunden gehabt. Und ich bin mit Herz und Seele dabei."

    Eine letzte, persönliche Frage möchten wir der motivierten Jungunternehmerin dennoch stellen - wie sieht es mit der eigenen Hochzeit aus? Patricia lacht auf und sagt dann: "Natürlich will auch ich irgendwann die perfekte weiße Hochzeit haben! Aber bisher fehlt mir dazu leider der passende Mann - ich habe einfach keine Zeit für die Liebe, weil ich mich zu viel mit der Liebe anderer Leute beschäftige!"

    Wieder zwinkerte sie und schelmisch zu. Eine letzte Frage stellen wir noch: Wie kann ein Brautpaar sie erreichen?

    "Per E-Mail, Brief, Persönlich oder einfach telefonisch - ich bin immer erreichbar und antworte sofort!" erwidert sie... und schon klingelt das Telefon und Patricia eilt davon, um einem neuen Brautpaar seinen perfekten Hochzeitstag zu ermöglichen.




    Viel Spaß dabei!


    Kontakt: Patricia McAllistor, Agentur "Most beautiful day", See Straße 5, Tel: 54726

    Tessa nickte eifrig. „Ja, natürlich weiß ich das noch. Du hast mir doch sogar mal ein Foto von ihr gezeigt, da muss sie so zwölf gewesen sein. Sie ist doch gar nicht viel älter als ich, oder?“ Tru nickte und Tessa fuhr fort: „Ich weiß das noch sehr gut, weil ich mir früher immer wünschte, sie würde zu dir ziehen und ich hätte dann sowas wie eine Schwester.“ Tessa lachte. „Was für Ideen man als Kind doch alles hat. Aber was ist mit ihr?“



    „Naja, sie wird heiraten“, erwiderte Tru langsam.
    Tessa sah sie freudig an. „Aber das ist doch toll, Tru! Was ist denn daran so schlimm? Ich freu mich für sie und für dich. Oder hast du etwa Angst, dass sie zu jung ist? Ich meine, sie ist ja erst Anfang zwanzig!“
    Tru lächelte. „Das ist nicht meine Sorge, ihr Zukünftiger ist ein lieber Kerl und die beiden sind schon lange zusammen. Nein, Tessa, es geht um etwas ganz anderes… Gabriela und ich haben uns zwar nicht so oft sehen können, weil sie gute drei Stunden von hier entfernt wohnte, aber wir haben doch immer einen sehr guten und innigen Kontakt gehabt. Nun ist Gabriela schwanger, das ist auch der Grund, warum sie nun doch recht schnell heiraten. Ihr Verlobter ist jedoch kein Deutscher, er kommt aus New York und lebt dort auch.“
    „Oh!“ entfuhr es Tessa. „Wie hat sie ihn denn dann kennengelernt?“
    „Sie war eine Weile als Au Pair in New York und da ist es passiert. Irgendwie sind die beiden aber recht gut mit dieser Fernbeziehung ausgekommen. Aber nun, da sie eine Familie gründen wollen, ist die Entfernung natürlich zu groß…“
    Tessa nickte verständnisvoll und musste unwillkürlich an Jess denken. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie man es aushalten konnte, seinen Liebsten so weit fort zu wissen…



    „Ja, und darum wird Gabriela also mit ihm nach New York gehen. Er hat allerdings nicht mehr viel Familie und sie werden ein ziemliches Problem wegen der Kinderbetreuung bekommen, denn erstens haben sie nicht genug Geld, als dass Gabriela lange zu Hause bleiben könnte und zweitens ist sie mitten in ihrem Studium und möchte es in New York fortsetzen, müsste dann aber nebenbei arbeiten…“
    Tessa sah erschrocken auf, als ihr zu dämmern begann, worauf Trudy hinaus wollte…
    Diese senkte den Kopf, schluckte und sagte: „Naja – lange Rede, kurzer Sinn, Tessalein – ich werde mit nach New York gehen, mir dort ein kleines Appartement in der Nähe von Gabrielaa nehmen und in der Zeit, in der sie arbeitet, ihr Baby zu mir nehmen...“
    Sie senkte den Blick und holte noch einmal Luft, bevor sie weitersprach.



    „Und offen gestanden, fühle ich mich hier auch einfach unterfordert. Ich meine… du bist inzwischen so erwachsen geworden, Tessalein… im Haushalt deiner Eltern fällt auch kaum noch Arbeit an, seitdem du fort bist … und ich wollte schon als junges Mädchen nach Amerika, aber es kam nie dazu, wie auch… ich hatte ja gar kein Geld. Ich hab es immer schade gefunden, dass mein Mann so früh gestorben ist und wir nie Kinder hatten. Aber ich hatte ja dich…“, sie lächelte Tessa liebevoll an. „Und für mich bist und warst du ja fast wie ein eigenes Kind. Und Gabriela stand und steht mir auch sehr nahe. Heute habe ich genug Geld gespart, um den Umzug wagen zu können und meinen Ruhestand in Amerika genießen zu können. Außer dir hält mich hier nichts mehr… aber wie ich schon sagte… du bist erwachsen und lebst jetzt schon dein eigenes Leben…“


    Bestürzt sah Tessa sie an. „Aber Tru! Ich – ich brauche dich doch trotzdem noch! Du weißt gar nicht, wie viel du mir bedeutest! Du bist für mich so gut wie meine Mutter – keiner hat mir so viel gegeben wie du – du warst immer da! Es tut mir so leid, wenn ich dich vernachlässigt habe… wirklich!“
    Tru lächelte. „Aber nein, Tessa, damit hat das nichts zu tun. Du hast mich nicht vernachlässigt. Und ich glaube dir auch, dass du mich noch brauchst, aber einfach nicht all zu sehr. Und das ist doch auch gut und richtig so! Du bist alt genug, um dein eigenes Leben zu leben! Und ich werde doch trotzdem noch immer für dich da sein. Ein Anruf und ich bin da – ich brauche halt nur etwas länger als vorher!“ Sie zwinkerte Tessa aufmunternd zu.



    Diese sah zu Boden. Sie konnte immer noch nicht fassen, was Tru ihr da gerade gesagt hatte… es konnte nicht wahr sein, musste ein Irrtum sein… sollte sie nun auch noch Tru verlassen, im Stich lassen? Tessa merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten und versuchte krampfhaft, dies zu verhindern.
    Sie durfte nicht nur an sich denken. Tru hatte ja recht – in New York würde sie viel dringender gebraucht als hier. Sicher war ihr Leben hier nicht schlecht, aber bestimmt auch recht einsam, gerade seit Tessa nicht mehr zu Hause wohnte.
    Aber wieso musste Tru denn ausgerechnet jetzt gehen? Jetzt, wo Tessa sie mehr denn je brauchte… doch woher sollte Tru das wissen? Sie hatte ja nie ein Wort gesagt.



    Und vielleicht war das ganz gut so gewesen… denn am Ende hätte sie ihre Pläne dann nur ihr zuliebe geändert. Und Tessa wusste sehr gut, dass Tru schon immer gerne ausgewandert wäre. Für sie war es eine einmalige Chance, viel Dinge, die sie sich wünschte, auf einmal zu bekommen – die Nähe zu ihrer Patentochter Gabriela, den Umzug in ein neues Land, eine Aufgabe und die Chance, wieder ein Kind aufzuziehen. Und wenn Tessa daran dachte, wie gut Tru das bei ihr gemacht hatte, wusste sie, dass dieses Kind schon jetzt ein Glückspilz war.
    „Wann wirst du gehen?“ Tessa sah Tru traurig an und diese schluckte erneut und sagte dann leise: „Schon in zwei Wochen – es muss jetzt alles ganz schnell gehen, weißt du, denn Gabriela ist schon im achten Monat. Die Hochzeit ist nächste Woche und danach werden die beiden sofort nach New York fliegen – und ich komme dann eine Woche später nach. Eine Wohnung habe ich schon, es ist schon alles geklärt…“ Sie sah beschämt zu Boden. „Es tut mir leid, dass ich es dir so spät sage, aber … ich habe es nicht übers Herz gebracht die ganze Zeit und dann warst du so wegen deines Jobs eingespannt und ich mit den Planungen beschäftigt… glücklicherweise hat deine Mutter meine Kündigung sofort angenommen und mich direkt gehen lassen. Ich habe sie dann auch gebeten, dir nichts zu sagen – ich wollte nicht, dass du es von dritten erfährst… nur hätte ich es dir früher sagen sollen, fürchte ich…“



    Tessa schluckte. Nur noch zwei Wochen? Ihr wurde bewusst, dass dies dann wohl der letzte gemeinsame Abend mit Trudy sein würde… das letzte Mal, das sie ihr gutes Essen genießen und sich in der Wärme ihrer Nähe fallen hatte lassen können.
    Wieder stiegen ihr die Tränen in die Augen, doch sie schluckte sie tapfer fort. Es war Zeit, Trudy etwas zurück zu geben für all das, was diese für Tessa getan hatte – sie musste tapfer sein.
    „Aber nein“, sagte sie darum und lächelte sanft. „Ich kann schon verstehen, dass du es herausgeschoben hast… naja, und unsere kleinen Geheimnisse haben wir wohl alle…“, sie dachte einen Moment mit Unbehagen an Jess und daran, dass es gegenüber Trudy mit Sicherheit auch ein Vertrauensbruch war, ihr einen derart wichtigen Teil ihres Lebens zu verschweigen. Doch gerade jetzt war sie sich sicherer denn je, dass es besser so war. Trudy würde in wenigen Tagen fort sein – sie musste nicht die Sorge um Tessa mit sich tragen. Ohnehin würde sie ihr nicht helfen können. Keiner konnte das.
    Trudy lächelte erleichtert, als sie merkte, dass Tessa sich trotz aller Traurigkeit mit ihr freute. Eine Weile plauderten sie noch über New York und Gabriela, die bevorstehende Hochzeit und Geburt, bis Tru auf die Uhr schaute und feststellte, dass es für sie Zeit wurde, nach Hause zu gehen… ihr Terminkalender sei bis zum Bersten voll zurzeit.
    „Das Geschirr mach ich schon!“ sagte Tessa schnell, als Trudy aus einer Gewohnheit heraus abräumen wollte. „Du weißt doch – ich muss mein eigenes Leben führen.“ Sie lächelte schief. „Dann kann ich damit ja mal anfangen.“
    Tru lächelte sie sanft an und zog sie dann feste in ihre Arme.
    „Ach, Tessa-Schatz, ich werde dich so vermissen. Aber ich komme dich so oft es geht besuchen, versprochen, und ich werde dir schreiben. Und wenn etwas ist, bin ich immer für dich da, das weißt du, ja? Wegen der Adresse rufe ich dich noch diese Woche an, ich hab sie noch nicht im Kopf.“
    Tessa nickte und hielt Trudy so fest sie konnte. Sie war froh, dass diese ihr Gesicht nicht sehen konnte, denn als ihr klar wurde, dass sie sich für lange Zeit zum letzten Mal in diese warme Umarmung fallen lassen konnte, bahnten sich die Tränen ihren Weg mit aller Macht nach oben, und um sie nicht zu ihrem Recht kommen zu lassen, verzog sie das Gesicht fast schmerzlich.



    Als sie die Türe hinter Tru geschlossen hatte, stand sie eine Weile bewegungslos im Flur. Seltsamerweise konnte sie jetzt, da sie die Tränen nicht mehr unterdrücken musste, nicht mehr weinen. Nur der Schmerz in ihr war deutlich zu fühlen.
    Es schien fast ihr Schicksal zu sein, dass all jene Menschen, die ihr etwas bedeuteten und die ihr Halt und Stütze gewesen waren, sie verließen – warum auch immer.
    Tessa schluckte… nun blieb ihr abgesehen von ihren Eltern – die sie ja ohnehin nicht verstanden – also nur noch ein einziger Mensch… zweifelsohne der wichtigste von allen… und doch ergriff sie gerade in diesem Moment, in dem sich die mütterliche Wärme Trudys ebenso wie ihr Parfum langsam zu verlieren begann, ein unendlich dunkles und eisiges Gefühl, dass auch dieser Mensch, den sie so sehr liebte und brauchte, sie letztlich verlassen würde…



    Aber im Gegensatz zu den anderen unwiederbringlich… und somit für immer…





    Fortsetzung folgt!

    Kapitel 20
    Lass mich nicht allein



    Tessa hob erfreut den Kopf, als es an der Türe schellte.
    Sie war heute extra etwas früher nach Hause gekommen, um die Wohnung aufzuräumen und ein wenig zu putzen – schließlich wollte sie sich vor Trudy nicht blamieren und ihrer Ziehmutter den Eindruck vermitteln, dass all ihre Lehren an Tessa vorbei gegangen wären.
    Aufgeregt betätigte Tessa den Summer und rannte dann nach draußen in den Flur, wo sie schon nach kurzer Zeit Trudys Schritte auf den Stufen vernehmen konnte.
    „Tru!“
    „Tessalein – wie schön, dass es klappt!“
    Herzlich umarmten die beiden sich noch vor der Wohnungstüre.



    Dann hielt Tru Tessa ein Stück von sich und beäugte sie eingehend.
    „Du siehst ein bisschen blass und müde aus, Tessa. Geht es dir gut?“
    Tessa nickte schnell. „Ja, es geht mir gut… die neue Arbeit verlangt mir nur viel ab und irgendwie ist im Moment alles etwas chaotisch. Ich denke, ich muss mich erst noch an mein neues Leben gewöhnen…“, sagte Tessa langsam. Dass sie damit nicht nur die Änderung im Beruf und den Umzug meinte, konnte Tru nicht ahnen.
    Einen Moment lang hatte Tessa überlegt, ob sie Tru nicht alles erzählen sollte… doch zu präsent war noch der Schmerz um das, was zwischen ihr und Niklas vorgefallen war. Sie konnte, wollte und würde es nicht noch einmal verkraften, das Vertrauen in einen lieben Menschen zu verlieren. Und so sehr sie Tru auch liebte – sie war sich relativ sicher, dass auch diese ihr von Jess abraten würde… wenngleich wohl auch auf andere Weise als Niklas das getan hatte…
    „Tessalein, träumst du?“ Tru lächelte sie verschmitzt an und Tessa grinste ertappt. In den letzten Tagen war es nicht selten, dass sie immer wieder in diesen Strudel von wirren Gedanken versank… und sich dabei nur im Kreis zu drehen schien, unablässig…
    „Komm, lass uns reingehen. Ich bin schon so gespannt, wie es aussieht“, sagte Tru da und Tessa nickte rasch. Zuerst führte sie Tru in die Küche, wo diese auch sofort ihren Einkauf verstaute.
    Nachdem Tessa ihrer Ziehmutter alles gezeigt hatte, lächelte diese und sagte: „Also, Tessalein, es ist wirklich hübsch geworden hier. Ich kann verstehen, dass du dich wohlfühlst, das würde ich wohl auch – zumindest in deinem Alter, die Einrichtung wäre mir streckenweise doch etwas zu modern.“ Sie lachte auf und fuhr dann fort: „Aber nun knurrt mir der Magen. Wie wäre es, wenn wir zu kochen anfangen, mh?“



    Und schon war sie in die Küche marschiert und streckte ihren Kopf in die Schränke, auf der Suche nach den benötigten Materialien, die sie auch alsbald gefunden hatte.
    „Schön sauber hältst du die Wohnung ja“, sagte Tru und lächelte. Tessa zwinkerte. „Naja, so oft hab ich die Küche noch gar nicht benutzt, dass sie großartig dreckig hätte werden können…“
    Tru lachte. „Das hast du wohl wirklich von deiner Mutter. Dabei kann kochen solche Freude machen, gerade in einer so tollen Küche.“ Sie holte die Zutaten aus ihrer Tüte und begann sie auf der Arbeitsplatte auszubreiten.
    „Was machst du denn?“ fragte Tessa neugierig.
    „Natürlich dein Lieblingsessen – Lachs.“
    Erfreut sah Tessa auf. „Lachs? Das hab ich schon ewig nicht mehr gegessen.“
    Tru zwinkerte. „Gibt es wohl nicht als Mikrowellengericht, was?“
    Beide Frauen lachten herzhaft auf.



    Während Trudy mit routinierten Griffen das Essen vorbereitete, stand Tessa dabei, schaute ihr zu und unterhielt sich mit ihr über dies und das – vor allem über Tessas neue Arbeit und wie es ihr gefiel.
    Tessa fühlte sich zum ersten Mal seit vergangenem Sonntag – und vielleicht sogar noch länger – wieder richtig wohl. Trus schien für sie all jene Wärme und Beständigkeit zu symbolisieren, die wir aus unserer Kindheit gewohnt sind und die wir doch immer wieder benötigen, egal, wie erwachsen wir auch sein mögen.
    Als sie Tru so am Herd stehen und in den Topfen rühren sah, tauchten in Tessa unendlich viele warme Gefühle und Erinnerungen an die vergangenen Jahre auf. So war es so oft gewesen, wenn sie aus der Schule gekommen war- Tru hatte am Herd gestanden und sich ihre Geschichten aus der Schule angehört, ihre guten Noten gelobt, sie wegen schlechter getröstet und mit ihr gemeinsam über Mitschüler und Lehrer gelacht.
    Es war fast so wie früher – nur dass Tru nun in Tessas eigener Küche stand und sie nicht mehr über die Schule, sondern die Agentur sprachen.



    Als Tru verkündete, dass sie bald fertig sei, ließ Tessa sie schließlich alleine in der Küche und deckte den Tisch. Nur fünf Minuten später saßen sich beide Frauen gegenüber und genossen den köstlichen Lachs mit geschmorten Zucchini und Reis.



    Nach einer Weile, in der sie mehr oder minder schweigend gegessen hatte, sah Tru Tessa plötzlich mit ungewohnter Ernsthaftigkeit an und sagte dann langsam: „Tessa, ich muss dir etwas sagen.“
    Tessa sah erschrocken auf. Bei der lockeren Unterhaltung hatte sie fast vergessen, dass Tru nicht nur zum Reden und Kochen hergekommen war, sondern ihr etwas wichtiges hatte sagen wollen. Die Ernsthaftigkeit in deren Stimme und der Ausdruck ihres Gesichtes zogen Tessa mit einemmal den Magen zusammen und das bis eben so köstliche Essen schien einen fahlen Beigeschmack bekommen zu haben.
    Aufmerksam sah sie ihre Ziehmutter an und sagte dann: „Tru – was ist denn los? Du klingst so ernst. Bist… bist du etwa krank?“ Die letzten Worte hatte sie fast nur geflüstert.



    Tru sah sie erstaunt an. „Nein! Nein – Tessalein, hast du dir darüber etwa Sorgen gemacht?“
    Und als sie Tessas Gesicht sah, wusste sie, dass sie recht hatte. „Ach, mein Schatz, nein – es tut mir leid, dass ich dir nicht von Anfang an gesagt habe, dass es nichts in der Art ist. Nein, ich bin kerngesund, Tessa.“
    Erleichtert atmete Tessa auf, aber sofort fragte sie sich, was denn dann der Grund für Trus Ernsthaftigkeit und Bedrücktheit sein mochte.
    „Was ist dann los?“ fragte sie darum geradeheraus und sah Tru offen an.



    Die schluckte und sah einen Moment zu Boden. Dann sagte sie langsam. „Es ist eigentlich nichts schlimmes, sogar eher etwas sehr freudiges. Aber es wird für dich wohl etwas überraschend kommen. Kannst du dich noch daran erinnern, dass ich hin und wieder von meiner Patentochter Gabriela erzählt habe?“

    SunJoyce: Was meinst Du mit, Du vertraust Niklas immer mehr? Nach dieser Aktion? Oder meinst Du, dass Du denkst, er könnte mit seiner dunklen Prophezeiung recht haben?

    VIelen Dank für Dein Lob und Deinen Kommi! :)



    @ineshnsch: Danke auch Dir wieder für Deinen Kommi! Ich denke auch, bei Tessa war das Faß einfach am Überlaufen. Sie muss sich sehr verletzt und entmündigt fühlen nach dieser Aktion...

    Dass ihre Liebe keine Chance hat, ist leider irgendwie Fakt. Aber Du hast schon recht- Liebe macht alles irgendwie möglich, grundlegend. Die Frage ist halt, wie sehr Jess Tessa liebt und andersherum und wie viel sie damit bewegen können...




    Luxa: Hey, Du Liebe, Du bist ja ganz aufgebracht! Ganz ruhig, noch hat keiner gesagt, dass Jess stirbt oder dass das ganze böse ausgeht... ich lege mich da noch nicht fest ;) und schweige da auch beharrlich zu.

    Dass ihre Liebe keine Chance hat, ist leider Fakt - zumindest unter den momentanen Umständen. Jess ist süchtig und wird sich irgendwann mit diesen Drogen das Leben rauben.

    Vergessen, dass einem selbst sowas geschehen kann, hab ich bestimmt nicht! Genau deswegen liegt mir das Thema ja auch so am Herzen!

    Ich hoffe, ich hab Dich nu nicht verärgert? :eek:




    Kiara: Ich glaube, Tessa war bisher einfach ein sehr stiller Mensch, der seine Meinung nicht direkt sondern immer durch die Blume gesagt hat. Also nicht "Niklas, beweg deinen A..." sondern "meinst du nicht, du könntest..."... ;) Und ich denke, sie versuchte bisher auch eher, Streit aus dem Weg zu gehen und hat sehr viel auf Niklas Meinung gegeben. Dass sie nun ganz anders handelt als er es ihr sagt, ist für ihn wohl total seltsam.

    Ob der Titel mehr in diese Richtung geht, verrate ich mal nicht, aber ich kann eines sagen - erstmal ist die Freundschaft zwischen beiden sicher ziemlich kaputt, das ist klar. Sie haben einander echt beide weggestossen.

    Hihi, dass Du Niklas total magst, sieht man / merkt man :D Selbst jetzt nimmst Du ihn noch in Schutz - naja, behalt das mal bei, vielleicht brauchen wir es nochmal *zwinker* in einigen Kapiteln Denn ob ich Niklas nun von der Bildfläche verschwidnen lasse oder nicht, weiß ich selbst noch nicht hundertprozentig - auch wenn die story eigentlich fertig ist, habe ich bisher schon soviel geändert :D höhö... wer weiß, wer weiß... :D

    Danke für Deinen Kommi! :)



    So, es geht schon weiter! Viel Spaaaaß!

    Kapitel 13
    Gefangen



    Es gibt Zeiten im Leben, an denen entsteht aus einem kurzen, völlig unbedachten Moment etwas viel Größeres und Mächtigeres, von einer derartigen Kraft, dass es unser ganzes Leben mit einemmal auf den Kopf stellt und uns immer tiefer hinabreißt in einen Strudel aus Verwirrungen und Gefühlen, aus Verzweiflung und Angst und Unsicherheit.
    Als Marie die Haustür hinter Cedrik zuschlug, wusste sie für einen kurzen, lichten Moment selbst nicht genau, warum sie das gerade getan hatte. Für einen winzigen Augenblick war sie kurz davor, dem einzig richtigen und spontanen Impuls ihres Herzens zu folgen, die Türe aufzureißen und diesem Mann, der sich so schnell und mit solcher Macht in ihr Herz geschlichen hatte wie kein anderer Mensch es jemals geschafft hatte, hinter her zu laufen, seine Hand zu nehmen, sich in seine Arme fallen zu lassen, sich ihm hinzugeben – und ihn schlichtweg nur zu lieben.



    Für einen winzigen Augenblick, in der ihr Geist frei von ihren eigenen, starrsinnigen Wertvorstellungen und der unendlichen Last der Schuld auf ihren Schultern war, sah sie ihre Zukunft mit Cedrik ganz genau vor ihrem inneren Auge auftauchen – und sie spürte, dass sie glücklich mit ihm werden könnte.
    Für einen kleinen Moment begriff sie, wie wertvoll es war, einen Menschen wie ihn kennen- und liebengelernt zu haben, welch ein Geschenk ihr zuteil geworden war.
    Und in diesem kleinen Moment geschah es, dass ihre Hand die Klinke schon nach unten drückte, ihre Füße schon Anlauf nahmen, um ihm hinter her zu spurten – als ihr Blick unwillkürlich über ein Bild strich, das neben ihr auf dem Sideboard im Flur stand.


    Es war eine Collage, die Susan ihr zu ihrem zwanzigsten Geburtstag geschenkt hatte – „Für meine beste und liebste Freundin Marie“, stand in großen Lettern darauf. „Und danke für all dein Vertrauen in all den Jahren, meine süße ´kleine Schwester´.“
    Sie sah die Bilder von sich und Susan als kleine Mädchen, auf der Schaukel vor ihrem Elternhaus, als Jugendliche und letztlich als erwachsene Frauen – und mit einemmal traf sie die Wucht der Schuld mit aller Kraft und als habe sie auf die heiße Herdplatte gegriffen, zog sie ihre Hand blitzartig zurück, wich von der Türe ab, als wolle sie diese zu etwas ungehörigem verführen und stolperte zurück in die Küche, wo sie sich schwer atmend auf den Stuhl fallen ließ.



    Wie einfach war ihr Leben bis vor kurzem doch noch gewesen! Wie klar, strukturiert und geordnet! Immer hatte Marie das Gefühl gehabt, ihr Leben in der Hand zu haben, zu wissen, wohin ihr Weg im Großen und Ganzen ginge. Es gab einfach Dinge, die unmöglich waren, die nicht in diesen Plan passten – und alles, was in den letzten zwei Tagen passiert war, gehörte eindeutig auf eben diese Liste.
    Für einen winzigen Moment meldete sich eine andere Stimme in Marie, die Stimme ihres Herzens, welche so unsagbar klein und kläglich gegen die ihrer Vernunft ertönte.


    Was war denn eigentlich so schlimm an dieser Nacht? Wer konnte schon sagen, was Susan gestern gedacht hatte, als sie zu später Stunde das Bett verlassen hatte? Für einen winzigen Moment kam Marie der Gedanke, dass der einzige Fehler vielleicht nur jener gewesen war, es Susan nicht von Anfang an zu sagen – niemals in all den Jahren hatte sie ihre Freundin belogen oder ihr etwas verschwiegen. Wie musste es auf Susan gewirkt haben zu erfahren, dass die beiden Menschen, die ihr am nächsten, am vertrautesten im Leben waren, einen ganzen Nachmittag neben ihr gesessen und so getan hatten, als kannten sie sich nicht… wo sie sich doch so unendlich nahe gekommen waren, ohne dass sie etwas davon gewusst hatte.


    Doch dann übermannten Marie ihre eigenen Wertvorstellungen wieder mit aller Macht. Es war nicht richtig gewesen, mit Cedrik zu schlafen, nein!



    Aus so vielen, guten, vernünftigen und so derart klar nachvollziehbaren Gründen… aber nicht nur das – es war falsch gewesen, es Susan nicht sofort zu beichten. Es war einfach alles falsch gewesen - alles, alles, alles was in den letzten achtundvierzig Stunden geschehen war! Keinen einzigen Schritt hatte sie richtig unternommen, sie! Marie – die Perfektionistin, Marie, die nichts aus der Ruhe brachte, Marie, die immer alles fest im Griff hatte, immer einen klaren und kühlen Kopf bewahrte, ihre Entscheidungen sorgfältig und zielstrebig abwog, bevor sie diese dann letztlich traf.


    Doch all das war ihr anscheinend in den letzten Stunden vollkommen abhanden gekommen. Was war nun noch von ihr übrig? Wer war sie nun überhaupt noch? Wo waren all ihre alten Werte und all die Charakterzüge, die sie sonst so an sich geschätzt hatte?



    Dass Marie ihre eigene Spur im Sand so derart verloren hatte, war eine der bitteren Erfahrungen, die alle Menschen im Leben einmal machen müssen – doch für Marie war es das erste Mal in ihrem jungen Leben, das sie feststellen musste, dass das Leben an sich nun einmal nicht gänzlich planbar ist und dass der Mensch sich immer noch am meisten in sich selbst irren kann.
    Diese Erkenntnis warf sie völlig aus der Bahn, eine unglaubliche Verlorenheit nahm sie ein und sie wusste nicht, wie sie dieser ein Ende setzen konnte.


    All das wäre schon verwirrend und schwierig genug gewesen – doch nun lag ihre beste Freundin aufgrund ihrer Fehltritte auf einer kalten Intensivstation und ihr Leben hing am seidenen Faden. Wie sollte Marie sich das jemals verzeihen, wie konnte sie sich jemals wieder in die Augen blicken?



    Marie stützte den Kopf in die Hände und schüttelte ihn dann so heftig, als wolle sie das Gedankenwirrwarr darin durch diese heftige Bewegung zur Räson bringen.
    Die Sache war für sie ganz klar … hätte sie sich nicht so vergessen, hätte sie die richtigen Entscheidungen zum richtigen Moment getroffen, wäre Susan jetzt noch gesund und munter. SIE alleine war es, welche die Schuld traf – noch viel mehr als Cedrik, das begriff sie jetzt.
    Marie schluchzte auf, die Last dieser Erkenntnis schien sie zu erdrücken.
    Noch einmal versuchte die Stimme ihres Herzens anzusetzen, flüsterte erdrückt: „Nein, Marie… nein, du irrst dich…“



    Doch Marie schüttelte nur wieder erneut den Kopf, als wolle sie die Stimme gewaltsam zum Schweigen bringen. Für sie war die Sache klar – klarer, als ihr lieb sein konnte. Sie traf die Hauptschuld, sie war der Auslöser, die Verursacherin all des Leides, das so viele Menschen an diesen Tagen überkommen hatte.


    Sie war es, die sich nicht unter Kontrolle gehabt hatte – sie hatte sich hingegeben, an ihre Leidenschaft und die Sprache ihres Herzens… und nun musste sie bitter dafür bezahlen… und alle, die darin verstrickt waren, mit ihr.


    Marie sah entschlossen auf. Für sie gab es nur eine Lösung – in Zukunft, so schwor sie sich und Susan, würde sie ihr Leben wieder kontrollieren, nicht noch einmal sollte es ihr passieren, dass sie sich ohne nachzudenken dem Augenblick hingeben würde.



    Dieser Entschluss schien eine seltsam tröstliche Ruhe in ihr Herz zu bringen, so dass sie nach einigen Minuten ihren Platz in der Küche verließ und sich im Bett zusammenrollte, um sogleich in tiefen Schlaf zu sinken.
    Sie verstand an diesem Abend noch nicht, dass gerade die Augenblicke, an denen wir Menschen unsere Spur im Sand verlassen, eben jene Augenblicke in unserem Leben darstellen, die für uns die größten Geschenke bereit halten können – weil wir die Chance haben, uns weiter zu entwickeln und uns voller Vertrauen in die Schöpfungskraft des Lebens in die Hände des Schicksal begeben und einen neuen Weg finden können.


    Zu viele Dinge waren in zu kurzer Zeit geschehen, hatten die junge Frau bis ins innerste erschüttert – in einem ihr angeborenen Reflex griff sie nach der einzigen Rettung, die sich ihr zu bieten schien – ihren alten Mustern, die sich durch die Dramatik der Situation nur noch zu vertiefen schienen.
    Marie ahnte nicht, wie viel mehr Leid aus diesem Entschluss einst noch entstehen sollte, Leid, das nur darauf aufbaute, dass sie sich verfangen hatte in ihren eigenen Wertvorstellungen von dem, was sie einmal Leben genannt hatte.




    Text und Bilder by Innad

    Kapitel 19
    Aussichtslos




    Kälte. Eisige Kälte. Ihre Augen fixierten die des jungen Mannes vor sich, er hatte ihr den Rücken zugewendet. Hatte er wirklich einmal Wärme und Zuneigung in ihr ausgelöst? Wann war das gewesen … wo… es schien Jahre, Jahrhunderte entfernt zu liegen.
    Ihre Finger klamm, kalt, wie steif. Und doch schweißig, die Nägel rammten sich in das Fleisch ihrer Hand, als diese sich zu einer Faust ballte.
    Beide Mienen wie versteinert. Kein Wort durchdrang den leeren Flur. Von oben hörte man die leisen, gedämpften Schritte über den Boden gleiten, ansonsten war es still, fast tödlich still.


    Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Vor Wut? Trauer? Enttäuschung?
    Ihre Zunge fühlte sich schwer an, das wilde Gefühl von Zorn in ihr bahnte sich wie ein Wellenbrecher den Weg nach oben in ihre Kehle. Sie sog den Atem tief ein und öffnete den Mund, um zu sprechen, als er mit einemmal herumfuhr, so blitzschnell, dass ihr Körper wie getroffen zusammenzuckte und ihr das Wort im Halse steckenblieb.
    „Ich habe euch gesehen!“ Ein Zischen war es, das die Luft durchschnitt. Waren das menschliche Worte gewesen oder eher das wilde Fauchen eines angreifenden Tieres?
    Tessas Augen weiteten sich, als sie begriff, was seine Worte bedeuteten.
    „Ja – ich habe euch gesehen! Ich habe dich gesehen – dich mit IHM!“ Dieses eine Wort war so voller Abscheu, Verachtung, Missbilligung, dass es fast schien, als wolle Niklas es wie Dreck aus dem Munde spucken.



    „Ich habe alles gesehen – wie ihr euch geküsst habt, euch umarmt! Du hast gelogen da drinnen – schamlos gelogen!“
    Verächtlich ruhte sein Blick auf ihr, kalt und verständnislos.
    Ihre Mund war trocken, ihre Lippen zitterten, ihre Hände zitterten, eiskalte Schauder rannen über ihre Haut. Es schien endlose Minuten zu dauern, die in Wahrheit doch nur Sekunden waren, bis ihre Stimme wieder fähig war, Worte zu formen.
    „Du hast mir also wieder hinterher spioniert…“
    „Was geht in deinem Kopf vor, dass du so etwas tust?“ sagte Niklas verständnislos.
    „Was geht in deinem Kopf vor, dass DU so etwas tust?“ Tessas Stimme war eiskalt geworden, ihre Augen hatten sich zu Schlitzen verengt. „Du bist so schlecht, Niklas – so schlecht, dass ich es nicht in Worte fassen kann! Ich kann dir nicht sagen, wie weh es tut, wie weh es mir tut, zu begreifen, dass man sich derart in den Menschen irren kann, von denen man immer dachte, sie ständen einem nahe! Aber ich spüre eines in mir noch viel deutlicher als den Schmerz – die Wut!“
    Sie kam einen provozierenden Schritt auf Niklas zu und er wich wie automatisiert einen ebensolchen zurück. Einen Moment schien er verunsichert, dann wurde seine Miene wieder fest.
    „Sag nur, die LIEBST diesen Junkie etwa?“
    Tessas Augen fixierten ihn mit einer derartigen Kälte, dass er das Gefühl hatte, von ihnen durchbohrt zu werden. Ihre Stimme klang schneidend, aber fester denn je:
    „Ich wüßte nicht, was dich das anginge, aber ja – ja, ich liebe ihn! Ich liebe ihn mehr als ich je jemanden geliebt habe! Bist du nun zufrieden?“
    Niklas war blass geworden. „Du musst den Verstand verloren haben, völlig den Verstand verloren haben!“
    „Nicht mehr oder weniger als du“, ihre Stimme war nur ein Zischen. „Ist dir eigentlich klar, dass ich dir vertraut habe? Du hast es mir versprochen, nichts zu sagen! Versprochen! Ich habe dich angefleht, dieses Versprechen zu halten – es war dir völlig gleich! Alles was du wolltest, war dieses Übel namens Jess so schnell wie möglich aus meinem und somit deinem Leben zu kriegen! Dafür waren dir alle Mittel recht! Aber eines muss ich dir zugute halten – dass du zu meiner Lüge geschwiegen hast! Ich nehme mal stark an, das hast du nicht aus purem Mitgefühl zu mir getan!“
    Sie funkelte ihn verächtlich an.



    „Nein, habe ich nicht! Ich habe einfach die Nase voll!“ Niklas Stimme war nun auch wieder wütend und wurde lauter, aggressiver. „Ich habe dir etliche Male klar zu machen versucht, warum ich gegen diese Sache bin – aber du hörst mir nicht zu, du begreifst es nicht! Deinen Eltern alles zu sagen, war die letzte Chance, die ich hatte!“
    „Ach hör doch auf!“ Tessa winkte genervt ab. „Die ´Sache´ war es dir nicht einmal wert, dich tiefer gehend damit zu beschäftigen. Du warst von Anfang an dagegen und damit war die Sache für dich klar und erledigt. Ich weiß nicht, Niklas – war es denn all die Jahre nicht so, dass ich deinen Ratschlägen immer mehr oder weniger widerstandslos gefolgt bin? Nur dieses eine Mal habe ich nicht auf dich gehört und DAS ist es, was du nicht ertragen kannst. Hab ich nicht recht? Hä?“
    Herausfordernd sah sie ihn an, doch er verzog nur verärgert das Gesicht und schüttelte den Kopf.
    „Es ist derart sinnlos, mit dir darüber zu reden! Du bist völlig verrannt in deine kindischen, naiven, völlig weltfremden Vorstellungen von..“
    „Erzähle du mir nicht, was weltfremd ist!“ unterbrach Tessa ihn und kam wieder einen Schritt auf ihn zu. „Was weißt DU denn schon von der Welt, abgesehen von dem behüteten Kokon, in dem du aufgewachsen bist, ebenso wie ich? Du hast dein Abitur gemacht, es geschafft, dich vor dem Wehr- und Zivildienst zu drücken, weil Papa so gute Connections zu irgendwelchen Ärzten hatte, die dir wasweißich attestiert haben…“



    Niklas Gesicht verzog sich für einen Moment betroffen – zu dieser Sache hatte Tessa bisher immer geschwiegen und sie wusste genau, dass sie einen wunden Punkt getroffen hatte. „Und seitdem sitzt du dir deinen allerwertesten auf der Uni platt, gehst nur zu den Vorlesungen, wenn du Lust dazu hast und vertrödelst die meiste Zeit der Woche mit irgendwelchen Sachen, die dich kein Stück weiterbringen! Ich hab dir das nie gesagt, ich hab es mir immer nur gedacht, ich habe dir sanft klarzumachen versucht, dass du dein Leben in die Hand nehmen sollst, aber warum solltest du eigentlich? – es ist doch furchtbar bequem so wie es ist!“
    Er wollte den Mund öffnen, doch sie schnitt ihm das Wort ab.
    „Aber das ist hier nicht das Thema, es ist dein Leben und mir soll gleich sein, wie du es lebst, das ist deine Sache – nur erzähle MIR nicht, ich sei weltfremd, wo du selbst noch nie über den Tellerrand hinausgesehen hast! Du hättest die Chance dazu gehabt, aber es war dir schlichtweg zu anstrengend – also hör auf, mich zu verurteilen und greif dir an deine eigene Nase!“
    Sie funkelte ihn an. Niklas schluckte einen Moment und wurde dann wütend.
    „Ich habe diese Diskussionen nicht nötig! Ich nicht! Du bist diejenige, die im Schlamassel steckt und ich wollte ihn dir ersparen, von Anfang an ersparen! Aber ich glaube, jetzt kann dir keiner mehr helfen!“



    „Na bravo!“ rief Tessa aus. „Bisher hat mir nämlich auch kein Mensch geholfen, also wird sich ja nichts ändern, außer dass du mir wie ein gestörter Stalker hinter her schleichst!“
    Es herrschte einen Moment kalte Stille zwischen beiden, Niklas hatte die Hände zu Fäusten geballt und sah Tessa verständnislos an, Tessa die Arme verschränkt und starrte ihm ihrerseits provozierend und hasserfüllt ins Gesicht.
    „Na gut, Tessa!“ stieß Niklas schließlich mit zusammengepressten Lippen hervor. „Dann tu, was du nicht lassen kannst! Mir ist es gleich – ab sofort gehst du mich nichts mehr an… aber merke dir eines- du brauchst dir nicht einzubilden, dass du eines Tages weinend vor MEINER Tür stehen kannst, wenn sich dein dreckiger Junkie endlich den goldenen Schuss gegeben haben wird!“
    Dunkelheit. Schwärze. Schwindel. Ein Karrussel, das sich so unendlich schnell drehte, dass die Geschwindigkeit der Zirkulation Übelkeit hervorrief. Kleine, bunte, flackernde Pünktchen, die ihr vor Augen tanzten.
    Atmen, einfach atmen – sich nicht darum kümmern, dass der Schwindel versucht, einen in die Knie zu zwingen. Atmen, einfach atmen.
    Die Dunkelheit um sie ließ nach, die Konturen der Umgebung gewannen an Gestalt zurück. Ihr Herz schien für einen Moment ausgesetzt zu haben, stillgestanden vor Schreck und Schmerz, doch nun, da es sich wieder gefangen hatte, holperte es in derartiger Heftigkeit weiter, dass sie es bis in die Schläfen spüren konnten, wo es wütend, aufrührend, attackiert pulsierte.
    „Das war zuviel!“ Zeitgleich mit den Worten, die wie ein Schuss über ihre Lippen gekommen waren, hatte ihre Hand sich erhoben und traf mit solch klatschender Wucht auf Niklas Wange, dass Tessa selbst einen Schritt zurücktaumelte.



    Nach dem unerhört lauten Klatschen von Haut auf Haut trat eine eisige Stille in den kleinen Flur. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Nur das schwere Atmen beider junger Menschen durchbrach die Stille, ohne wirklich als Geräusch wahrgenommen zu werden.
    Irgendwann kam Bewegung in den Körper des jungen Mannes, der wie versteinert gestanden hatte. Ohne die zitternde, junge Frau vor sich noch eines Blickes zu würdigen, drehte er sich und ging wie in Zeitlupe zur Türe. Erst als er die Klinke schon in der Hand hatte, drehte er sich noch einmal um.
    Seine Stimme klang hohl und fast zittrig, als er leise sagte: „Du kannst von mir denken, was du willst, Tessa. Aber du solltest wenigstens begreifen, dass eure Liebe weder eine Chance noch irgendwelche Zukunft besitzt…“ Seine Augen wurden mit einemmal weicher, als er Tessa ein letztes mal anblickte. „… ganz egal, wie sehr du ihn auch lieben magst.“
    Mit diesen Worten öffnet er die Türe und ging wortlos und schnellen Schrittes aus dem Haus.



    Tessa sah ihm nicht mehr nach. Sie hielt die Hände wie schützend vors Gesicht geschlagen, die Tränen tropften von ihren Wangenknochen auf den hölzernen Boden unter ihren Füßen.



    Ein leiser, verzweifelter Laut entwich ihrer Kehle und im selben Moment spürte sie, wie ihre Knie unter ihrer eigenen Last nachgaben. Sie sank auf den Holzboden und weinte geräuschlos. Die Worte schienen wie ein Echo in der Diele auf- und nieder zu wogen, immer und immer wieder durchfuhren sie ihre Gedanken, unbarmherzig hatten sie sich in sie eingebrannt.
    „Eure Liebe besitzt keine Zukunft…. Egal wie sehr du ihn liebst…“



    Von allem, was Niklas ihr heute gesagt hatte, war dies das einzige, was sie wirklich traf... denn tief in sich wusste sie, dass er recht hatte... und diese Erkenntnis raubte ihre jede Hoffnung aus ihrem Herzen und hinterließ nichts als Verzweiflung, pure Verzweiflung... und unendliche Angst...





    Fortsetzung folgt!