Beiträge von Innad

    Kapitel 34
    Eine Entscheidung




    Als Tessa von dem ins Zimmer fallenden Tageslicht erwachte, fühlte sie sich wie gerädert.
    Alles schien ihr weh zu tun, jeder einzelne Muskel des Körpers bewies sein Dasein auf schmerzliche und aufdringliche Weise. Für einen Moment fragte sie sich, wie es zu diesem Zustand gekommen sein mochte und drehte sich mit einem leisen Stöhnen auf den Rücken, die Augen noch geschlossen.



    Dann bemerkte sie, dass etwas anders war als sonst. Sie war von einem Duft umgeben, den sie sonst nicht kannte, der ihr aber der liebste von allen auf dieser Welt war. Und neben sich tastete sie einen warmen, weichen Körper. Auf ihre Berührung hin fing Jess verschlafen zu brummen an.

    Nun fiel Tessa alles wieder ein. Mit erschreckender Klarheit schossen ihr die Bilder aus der Ruine durch den Kopf und sie schauderte. Jess öffnete derweil die Augen und rutschte zu ihr herüber, um sie sanft zu küssen.
    „Guten Morgen, Tessa. Wie fühlst du dich?“
    Tessa setzte sich langsam auf und stellte erstaunt fest, dass ihr Kopf nicht einmal halb so sehr schmerzte wie sie es befürchtet hatte.
    „Ganz gut“, antwortete sie darum wahrheitsgemäß.



    Sie betrachtete Jess, der sich neben ihr aufgesetzt hatte und sich nun mit dem Kopf am Bettrahmen anlehnte. Es war ein merkwürdiges, aber unbeschreiblich schönes Gefühl, ihn in der Nähe zu haben, neben ihm aufzuwachen…
    Wenn sie vierundzwanzig Stunden zurückdachte, schien sich ihre Welt von Kopf bis Fuß geändert zu haben. Gestern war sie noch voller Sorge ob Jess´ Verschwinden aufgewacht, mit Selbstvorwürfen in Kopf und Herz… und heute lag sie hier neben ihm. Hier, in ihrer Wohnung, ganz dicht… fast wie ein normales Pärchen.



    Doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie kein normales Pärchen waren und sie betrachtete den Mann neben sich unter einem anderen Blickwinkel. Wie lange mochte es her sein, seit er zum letzten Mal seine Sucht hatte befriedigen können? Noch wirkte er ungewöhnlich entspannt, sah ausgeschlafen und frisch aus. Doch wie lange würde dies noch andauern?
    Wann würde sie ihn wieder gehenlassen müssen?

    „Was ist los, Tessa?“ fragte Jess da, als habe er ihre Gedanken erahnt.



    Tessa schluckte und wich aus, indem sie sagte: „Ach nichts… ich… ich hab nur darüber nachgedacht, was alles geschehen ist. Ich kann es immer noch nicht so recht fassen… es kommt mir so unwirklich vor.“
    Jess´ eben noch aufmunternd lächelndes Gesicht wurde schlagartig ernst und er zog sie vorsichtig in die Arme.
    „Das geht mir genauso, Tessa“, sagte er dann. „Ich kann immer noch nicht fassen, dass das wirklich geschehen ist. Es ist furchtbar, und ich wünschte, ich hätte es verhindern können. Ich weiß nicht, wie ich mir das verzeihen soll… du hättest dabei sterben können…“
    Auch Tessa liefen bei diesen Worten kleine Schauer über den Rücken – denn sie wusste, dass Jess recht hatte.



    Jess schauderte ebenfalls zusammen.
    „Nein, Jess“, sagte Tessa schnell. „Mach dir nicht solche Vorwürfe. Das bringt doch niemanden mehr etwas. Es ist nun mal geschehen. Und ich bin genauso schuld, eigentlich ich alleine. Ich meine, woher hättest du wissen sollen, dass ich dich dort finde? Dass ich dort bin? Ich hätte wissen müssen, was ich tu. Ich hätte nicht so unvorsichtig sein dürfen. Ich fürchte, ich war zu gutgläubig und zu sehr auf den Gedanken fixiert, dich finden zu müssen…“
    Jess nickte. „Aber genau das ist es doch, was mich so furchtbar trifft, Tessa. Du warst so vieles zu riskieren bereit für mich… und ich… was habe ich jemals für dich riskiert?“
    Er sah sie traurig an.
    Sie wusste, dass er nicht unrecht hatte, aber sie wollte, sie konnte es ihm nicht zeigen. Darum schüttelte sie hastig den Kopf und küsste ihn traurig auf die Schläfen.
    „Das darfst du so nicht sehen“, sagte sie dabei leise.



    Jess schüttelte den Kopf. „Aber es ist die Wahrheit, Tessa. Du hast mir immer so viel gegeben… und was hab ich dir gegeben?“
    „Deine Liebe!“ erwiderte sie schnell.
    Er lächelte sie kurz an und sagte: „Ja… das hab ich… aus ganzem Herzen, das ist richtig, aber…“
    „Kein aber… das war das größte Geschenk, was du mir machen konntest“, sagte Tessa schnell und küsste ihn.


    Als sie von ihm abließ, lächelte er kurz, wurde dann aber sofort wieder ernst.
    „Nein, Tessa… so einfach ist es nicht. Ich hab dir nicht viel geben können. Im Gegenteil, ich hab dir dein Leben nur schwerer gemacht. Es wäre wohl einfacher gewesen, wenn du mich nie getroffen hättest…“
    „Das stimmt nicht! Du hast mein Leben um so vieles bereichert…“, begann Tessa, doch Jess unterbrach sie: „Das mag sein, aber es ist nicht einfach geworden durch mich, und wer sollte dir das verübeln? Du lebst in ständiger Angst und Sorge um mich. Das, was für andere Paare ganz normal ist, werden wir nie haben… Ruhe und Zufriedenheit. Ein gemeinsames Zuhause, bisher nicht einmal eine gemeinsame Nacht…“
    Er sah sie ernst an. „Denkst du denn, ich habe diese Gedanken nie gehabt, mir nie gedacht, dass auch du sie hast? Und denkst du, ich bin so blind, nicht zu erkennen, wie du dich in den letzten Wochen verändert hast? Dass du immer dünner und blasser geworden bist, dass du chronisch müde bist, weil du in der Nacht aus Angst nicht schlafen kannst…“
    Tessa schluckte und konnte ihm nicht widersprechen. Es berührte sie zutiefst, all diese Dinge von Jess zu hören. Sie hatte nicht unbedingt gedacht, dass er all dies nie selbst bemerkt oder gedacht hätte… aber es war nie ein Thema zwischen ihnen gewesen…



    Jess strich ihr sachte eine Strähne aus dem lädierten Gesicht und sprach dann weiter. „Du hast ein Recht auf all das, Tessa. Wir haben ein Recht darauf. Ein Recht auf eine Zukunft. Oder nicht?“
    Tessa sah ihn fragend an. Sie wusste nicht recht, worauf er hinauswollte, doch er sprach sofort weiter: „Ich habe viel nachgedacht gestern Abend, nachdem du eingeschlafen bist. Du warst bereit, dein Leben für mich zu riskieren… und ich bin nicht einmal bereit, das geringste zu versuchen, was ich für dich und uns tun könnte… und müsste…“

    @Llyna: Vielen lieben Dank für Deinen Kommi! Du hast es recht, für die beiden ist es ganz wichtig, einfach nur nah beeinander zu sein. Da rückt wohl erstmal alles andere in den Hintergrund.



    @ineshnsch: Ja, Du hast recht, die Realität steht sozusagen schon wieder vor der Tür. Aber vielleicht war das Erlebnis einschneidend genug, um etwas zu ändern - ganz richtig.
    Dass Jess bei tessa bleibt, ist nach dieser Sache bestimmt ganz wichtig, da hast Du recht, auch körperlich gesehen.
    Danke für Deinen lieben Kommi!



    @Dani04: Ja, Du hast recht, ich finde die beiden zusammen auch niedlich! Trotz der Unterschiede! Dass die beiden nicht mehr in die Ruine gehen sollten, denke ich auch. Ich glaub, da sind sie aber beide zu vernünftig, um das zu machen.
    Danke für Deinen lieben Kommi! Und ich nutz Deine Neugier nicht aus, keine Bange! :)




    Kiara: Oh je, du arme, klingst echt gestresst. Bei mir ist es zurzeit aber auch echt knapp... das ist die Jahreszeit :D Du hast ganz recht, was Du schreibst bzgl Jess, dass ihm klar wurde, was Tessa ihm bedeutet. Nur ob das was auslöst oder nicht? Das wirst Du gleich erfahren, nehm ich an :)


    Danke für Deinen Kommi und einen Anti-Stress-Knuddler ;)

    Tessa sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie und wunderte sich darüber, wie ruhig ihre Stimme klang. „Das ist Liebe.“
    Jess Gesicht verzog sich schuldbewusst und schmerzerfüllt und er sah zu Boden.



    „Ja…“, sagte er dann langsam. „Das ist Liebe…“
    Er setzte sich neben sie und griff nach ihrer Hand. „Ich habe das, was ich damals sagte, auch nicht so gemeint, Tessa… ich weiß gar nicht mehr genau, was ich gesagt habe… ich stand völlig neben mir…“
    Tessa schüttelte sachte den Kopf. „Ich weiß“, erwiderte sie schlicht und strich über seinen Oberschenkel.



    Vorsichtig zog Jess sie an sich heran und küsste sie.
    Eine Weile saßen sie nur engumschlungen beieinander, dann sah Jess Tessa wieder an und fragte: „Aber woher wusstest du, wo ich bin?“
    Tessa schluckte. „Jasmin hat es mir gesagt… du darfst ihr nicht böse sein. Ich war völlig verzweifelt.“

    Jess verzog schmerzlich und schuldbewusst das Gesicht. „Ich gebe ihr keine Schuld. Der einzige, der Schuld trägt, bin ich… denn ich hätte DICH suchen müssen. Ich hätte wissen müssen, dass es einen Grund dafür gibt, dass du nicht wiederkommst. Irgendetwas in mir hat mir auch gesagt, dass es so ist. Aber ich war viel zu beschäftigt mit mir und meinen Problemen…“



    Er zog sie ein Stück näher an sich.
    „Ich hätte es verhindern können.“
    Tessa schüttelte langsam den Kopf. „Nein, Jess. Gib dir keine Schuld. Ich hätte auch vernünftiger sein müssen… ich hätte wissen müssen, wie gefährlich das ist, was ich tu…“
    Sie sah ihn einen Moment an und sagte dann: „Was ist eigentlich passiert, während ich ohnmächtig war… ich kann mich nur daran erinnern, dass dieser… dieser Mann mich geschlagen hat…“ Sie schluckte schwer und bei der Erinnerung an diesen Augenblick schauderte sie erneut zusammen.

    Jess strich ihr sanft und beruhigend über den Rücken.


    „Ich hab dich schreien hören“, erklärte er. „Mir war sofort klar, dass du es bist. Ich habe zwar gedacht, dass es eigentlich nicht sein kann, aber ich habe deine Stimme erkannt. Ich war gerade mit zwei meiner Kumpels, Ben und Tobi, auf der oberen Etage, als ich dich hörte. Sofort bin ich nach unten gerannt, Ben und Tobi waren dabei. Dieses Schwein war gerade mit dir fertig, du musst gerade in diesem Moment auf den Kopf gefallen sein… ich bin auf ihn losgegangen… ich weiß selbst nicht mehr, was dann geschehen ist. Ich muss ihm wohl ordentlich eine verpasst haben, denn er hat nur etwas geflucht und ist dann fortgegangen. Der Rest der Truppe ist natürlich auf uns aufmerksam geworden. Tobi hat sie abgelenkt und Ben auch, indem sie irgendetwas erzählt haben… ich hab es nicht richtig mitbekommen. Ich hab dich nur noch geschnappt und bin mit dir zu deinem Auto gelaufen… den Rest weißt du ja.“
    Tessa schluckte. Mit einemmal wurde ihr klar, dass sie nicht nur sich selbst durch ihren unüberlegten Spaziergang, sondern offenbar auch Jess und seine Freunde in allergrößte Gefahr gebracht hatte.
    „Und… was ist nun mit deinen beiden Freunden?“ fragte sie leise.
    Jess sah besorgt aus und zuckte die Schultern.


    „Ich weiß es nicht. Vielleicht haben sie mit einer Lüge alles zurechtbiegen können. Die Hellows sind brutal, aber offen gesagt ziemlich dumm, das haben wir in der Zeit, in der wir dort waren, allesamt festgestellt. Wir sind dort meist nicht zusammen aufgetreten. Jeder von uns ist einzeln zu der Gruppe gestoßen, um möglichst wenig Verdacht zu erregen. Ich weiß nicht, was mit ihnen ist… ich hoffe, es geht ihnen gut… aber ich denke schon.“
    „Und…“, Tessas Stimme war dünn. „Und… was ist mit dir? Was werden sie mit dir machen?“
    Er zuckte erneut mit den Schultern. „Ich sollte mich wohl von ihnen fernhalten in Zukunft…“ Er sah sie an. „Aber das ist jetzt alles nicht so wichtig. Wichtig bist du. Wie fühlst du dich?“
    Tessa seufzte. „Erschöpft und müde“, sagte sie dann.
    Jess sah sie einen Moment unsicher an. „Soll… soll ich bei dir bleiben? Heute Nacht?“

    Tessa nickte und rieb ihre Stirn an seiner Jacke. „Ja… bitte… lass mich heute nicht alleine… geht das?“
    „Natürlich geht das“, erwiderte er mit fester Stimme und half ihr auf. „Lass uns schlafen gehen.“
    Die beiden betraten das Schlafzimmer und Jess half Tessa vorsichtig aus ihren Kleidern. Keiner von beiden dachte in diesem Moment darüber nach, dass sie sich zum ersten Mal so nahe kamen oder dass es ihre erste gemeinsame Nacht werden würde
    Es zählte nur der Wunsch und die Sehnsucht, sich festzuhalten, nach den Schrecken der letzten Stunde die Wärme des anderen Körpers zu spüren und das Gefühl zu haben, den anderen nicht alleine zu lassen.
    Nachdem beide ins Bett gekrabbelt waren, umschloss Jess Tessa vorsichtig von hinten mit beiden Armen. Diese seufzte wohlig auf und kuschelte sich näher an den warmen Körper, der sie sanft umschlungen hatte.
    „Gute Nacht, Jess“, flüsterte sie.
    „Gute Nacht, Tessa.“



    Und das letzte Gefühl, das Tessa noch wahrnahm, bevor sie in einen traumlosen Schlaf fiel, war das Gefühl von Wärme … und Glück.







    Fortsetzung folgt.

    Kapitel 33
    Was es ist


    Was es ist



    Es ist Unsinn
    sagt die Vernunft
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe



    Es ist Unglück
    sagt die Berechnung
    Es ist nichts als Schmerz
    sagt die Angst
    Es ist aussichtslos
    sagt die Einsicht
    Es ist was es ist
    sagt die Liebe



    Es ist lächerlich
    sagt der Stolz
    Es ist leichtsinnig
    sagt die Vorsicht
    Es ist unmöglich
    sagt die Erfahrung



    Es ist was es ist
    sagt die Liebe


    E. Fried


    Jess hastete um den Wagen herum, öffnete die Beifahrertür und bückte sich, um Tessa erneut zu tragen, doch diese schüttelte heftig den Kopf.
    „Nein, Jess – ist schon in Ordnung, ich kann selbst gehen.“
    Jess sah sie zweifelnd an, doch Tessa biss die Zähne zusammen und hievte sich unter einiger Anstrengung und einem leisen Stöhnen aus dem Wagen. Jess stützte sie zwar, aber sie musste feststellen, dass ihre Beine sie zwischenzeitlich wieder erstaunlich gut trugen.
    Nur ihr Kopf schien immer noch kleine, schwallartige Explosionen zu produzieren, jede schmerzhafter als die andere.
    Jess legte sanft den Arm um ihre Schultern und gemeinsam gingen sie in Richtung der Haustüre. Für einen Moment schwindelte es Tessa und sie holte tief Luft.


    „Ist wirklich alles in Ordnung?“ fragte Jess besorgt.
    Tessa nickte. „Ja, es geht schon. Ich friere… lass uns reingehen.“
    Mit zittrigen Fingern schloss sie die Türe auf und war froh, als der Aufzug sie nach oben gebracht hatte und sie endlich den vertrauten Geruch ihrer Wohnung wieder wahrnahm. Die mollige Wärme des Hauses hüllte sie ein.
    Erst als sie zielstrebig durch die Küche ins Wohnzimmer gegangen war, fiel ihr auf, dass Jess noch nie hier gewesen war. Doch das schien in diesem Moment nicht zu zählen.

    Jess atmete plötzlich tief und geräuschvoll aus, und Tessa erschrak für einen Moment, weil es fast wie ein Stöhnen geklungen hatte.
    „Tessa…“, stammelte er. „Tessa… was hast du nur dort gemacht? Ich hatte solche Angst um dich… ist dir eigentlich klar, in welche Gefahr du dich gebracht hast? Sieh dir doch nur an, was sie mit dir gemacht haben…“
    Er strich ihr sacht über die Wange, sein Gesicht war vor Sorge und Entsetzten über die gut sichtbaren Spuren, welche die Schläge ihres Peinigers in Tessas Gesicht hinterlassen hatten, regelrecht verzerrt.


    Erst jetzt, im hellen Licht des Wohnzimmers, konnte man erkennen, wie schlimm er Tessa zugerichtet hatte und Jess war für einen kleinen Augenblick froh, keinen Spiegel im Raum erkennen zu können, in dem Tessa sich selbst ansehen konnte.



    Tessa griff nach Jess Hand. Dann schluckte sie und flüsterte. „Es tut mir leid, Jess… ich… oh, Jess…“
    Mit einemmal schien der seltsame Schockzustand von ihr abzufallen. Ganz langsam, aber mit stetem Wachstum schlichen sich die Gefühle und Bilder der letzten Stunden wieder in ihr Bewusstsein.
    Und plötzlich schienen die Hüllen, welche der Schock um sie gelegt hatte, mit einer derartigen Wucht aufzubrechen, dass Tessa das Gefühl hatte, darunter in die Knie zu gehen. Mit einem erstickten Schluchzen schlug sie die Hände vors Gesicht, drehte sich zur Seite und begann heftig zu weinen.
    Vorsichtig näherte Jess sich ihr, wie einem verwundeten, geschundenen Tier.



    „Tessa….“, er klang hilflos und ein wenig ängstlich. „Oh, Tessa… es tut mir so leid… es ist alles meine Schuld…“
    Tessa konnte nichts erwidern, zu sehr war sie von heftigen Schluchzern geschüttelt, die ihren ganzen Körper und ihre Seele erfasst zu haben schienen.



    Nach einer kleinen Ewigkeit wurde sie langsam ruhiger und schließlich sah sie Jess an und sagte leise: „Halt mich fest, Jess… bitte, halt mich fest… lass mich nicht mehr los…“
    Jess zog sie in seine Arme und drückte sie feste an sich, so fest, dass sie schmerzlich aufstöhnte, was in diesem Moment jedoch völlig gleich war. Die beiden klammerten sich förmlich aneinander wie Ertrinkende.



    Nach einer kleinen Weile ließ Jess vorsichtig von Tessa ab und sagte ernst: „Ich muss mich um deine Wunden im Gesicht kümmern, Tessa.“ Vorsichtig führte er sie zur Couch, wo sie sich erschöpft niederließ. „Wo hast du Verbandszeug?“ fragte Jess.
    „Im Badezimmer, gleich hier rechts, neben dem Schlafzimmer“, erwiderte Tessa.


    Schnell verschwand Jess und kam gleich darauf mit dem Verbandmaterial zurück. Er versorgte die Wunden notdürftig und sehr vorsichtig, reinigte sie und wischte das inzwischen getrocknete Blut ab. Mehr konnte er nicht tun.
    Als er fertig war, blieb er unsicher vor Tessa stehen und schluckte schwer.
    „Bist du dir sicher, dass es dir sonst gut genug geht?“ fragte er besorgt.
    Tessa nickte langsam. „Mein Kopf tut ziemlich weh“, erwiderte sie. „Aber ich denke, es ist nicht weiter schlimm.“
    „Tessa… was… was hast du in der Ruine gewollt?“ fragte Jess leise und sah Tessa ernst an.
    „Was schon… dich suchen natürlich“, erwiderte sie langsam. „Ich wollte dir sagen, dass ich all das, was ich bei unserem Streit gesagt habe, nicht so gemeint hab, Jess… Ich war lange krank und konnte nicht kommen…“ Tessa schwieg. Seltsamerweise hatte das, was sie vor wenigen Stunden noch so getrieben, innerlich aufgefressen hatte – nämlich Jess zu sagen, dass sie ihn nicht verlassen würde – an Bedeutung verloren. Vermutlich, weil nun jedes Wort um diesen unsäglichen Streit nicht mehr wichtig war. Er schien Jahre her zu sein.
    „Dann hast du dich nur darum in diese Gefahr gebracht?“ stieß Jess entsetzt hervor. „Nur um mir zu sagen, dass du… mich nicht verlassen hast?“
    Er sah sie verstört und entsetzt an. Die Erkenntnis, dass Tessa ihr Leben riskiert zu haben schien, nur um ihm klar zu machen, dass sie weiterhin zu ihm hielt, hinterließ ihn regelrecht fassungslos.



    Er ging unruhig einige Schritte im Zimmer auf und ab, während Tessa schweigend ins Leere starrte. Schließlich drehte er sich hastig um und sagte mit zitternder Stimme. „Tessa… das ist verrückt…“

    @Dani04: Ich hab ja gesagt, so schlimm ist es gar nicht :) Naja, eine Anzeige würde vermutlich wenig bringen, aber eigentlich gehört dieser Clan hinter Gittern, das stimmt! Danke für Deinen Kommi und dass Du Dich getraut hast :) !



    @Llyna: Es freut mich, dass Dir die FS so gefallen und es auch nicht zu übertrieben ist! Da hab ich selbst immer was Bedenken wegen :hua


    Also, ich glaube, Tessa geht nichtmal nur deswegen nicht ins Krankenhaus, weil sie sich den Ärzten nicht aussetzen will. Sie müsste ja sagen, wie sie überhaupt da hingekommen ist, was sie da wollte... und würde sich selbst evtl in den Verdacht bringen, auch etwas mit der Szene zu tun zu haben. Und vor allem, wenn Jess dabei wäre, würde evtl noch auf den der Verdacht fallen, sie würde ihn also auch nochmal in Gefahr bringen.
    Und zudem riskieren, dass ihre Eltern mitkriegen, was los ist. Dann müsste sie denen erstmal eine Erklärung geben können, was sie an einen derartigen Ort geführt hat.
    Ob es ein Fehler war, nichts in ein Krankenhaus zu fahren, wird sich noch herausstellen.
    Danke für Deinen Kommi! :)




    @ineshnsch: Genau, Du hast es ganz richtig erkannt, warum Tessa eigentlich nicht in eine Klinik möchte. Und auch Deine Überlegung bzgl Jess und die Konsequenzen für ihn aus der Handlung in der Ruine sind absolut korrekt und ich gehe da heute auch nochmal drauf an mit der FS.
    Ob Jess bei Tessa bleibt und wie lange, ist natürlich die Frage... eigentlich braucht er ja bald wieder einen neuen "Schuss"... :(
    Aber das werdet ihr alles noch sehen!
    Vielen Dank für Deinen Kommi! :)

    Hallo
    ich hab die letzten FS gelesen und fand sie mal wieder toll!



    Ich finde Deine Kulissen übrigens immer ganz klasse, dafür erstmal ein dickes Lob! Du kriegst das echt super hin! (ich mag es nicht, wenn es überall so leer aussieht, aber ich weiß, wie viel Arbeit es ist, das hinzukriegen, gelingt mir meist nicht wirklich :D )


    Und nunmal zum Inhalt an sich. Ich bin gespannt, was Mollys nächste Erinnerung ist. Dass etwas zwischen Liz und Tobias zu sein schien, war ja schon klar. Aber was? Erfahren wir das jetzt?


    Was könnte das sein, warum er nicht möchte, dass Liz und Molly befreundet sind? Evtl war er mal mit Liz zusammen?


    Und irgendwo ist da natürlich auch immer noch die große Frage, warum Molly mit halb verlorenem Gedächtnis durch die Gegend wandelt. Ich fürchte, sie braucht auch bald etwas zu essen und hoffe, sie kommt demnächst wieder in irgendeine Zivilisation.



    Bin gespannt, wie es weitergeht!

    Hallo Kiara


    so, nun bin ich auch zum Lesen gekommen!


    Das war eine schöne und interessante Fortsetzung! Ich finde, Du hast die Unterschiede zwischen den beiden Menschen(gruppen) total gut und auch amüsant deutlich gemacht (Zoe soll sich waschen- das fand ich den Brüller :roftl).


    Dass nun alle erkannt haben, dass sie sich irgendwo in einer anderen Welt / Dimension befinden müssen, weil Merlaron natürlich nicht auf dem ihnen bekannten Erdballen vorhanden ist, macht Herrn Seedner und den Teens natürlich Angst, wer würde die nicht haben.


    Sie haben eigentlich großes Glück gehabt, direkt auf den freundlichgesinnten Teros gestoßen zu sein und nicht auf irgendjemanden, der ein unfreundlicheres Gemüt besitzt.


    Dass Teros die Augen von Herrn Seedner bekannt vorkamen, gibt mir zu denken. Da gibt es evtl dann auch noch eine Verstrickung diesbzgl? Aber wir werden es ja sehen!



    So, nun hoff ich, Du machst ganz bald weiter und freu mich wie immer auf das nächste Kapitel!

    „Nein, Jess – es geht mir schon wieder besser“, sagte sie schnell, und hoffte, ihn damit überzeugen zu können.
    Doch er schüttelte heftig den Kopf

    „Tessa… sieh dich doch an! Du hast Schmerzen… das MUSS sich jemand ansehen!“



    „Nein, Jess… hör zu…“, sagte sie schnell. „Ich weiß, dass du nicht unrecht hast. Aber ich glaub nicht, dass etwas gebrochen ist.“ Sie bewegte langsam Arme und Beine, was zwar etwas schmerzhaft, aber durchaus machbar war. „Ich glaube, mir tut nur alles durch den Aufprall weh.“



    Sie lehnte sich ein wenig im Sitz zurück und holte Atem. Dann sprach sie weiter: „Jess… überleg doch bitte… wenn wir eine Klinik fahren, wird jeder fragen, woher diese Verletzungen kommen…“
    Sie sprach nicht weiter und sah ihn nur aufmerksam an.



    Jess begriff, worauf sie hinauswollte und schluckte. Er sah aus wie ein in die Enge getriebenes Tier. Tessa merkte, dass er zwischen der Sorge um sie und der Angst um die Konsequenzen abzuwägen versuchte. Langsam erhob er die Stimme: „Tessa… das ist mir egal… ich hab Angst um dich.“
    Sie griff langsam nach seiner Hand, bedacht darauf, keine allzu schmerzhafte Bewegung zu machen. „Ich weiß… aber bitte fahr mich einfach nur nach Haus. Mehr brauch ich nicht. Ich will einfach nur nach Haus…“



    Sie sah ihn flehentlich an und er schluckte.
    „Jess“, ihre Stimme war eindringlich. „Bitte…“
    Mit Schaudern dachte Tessa daran, was geschähe, würde ihre Eltern erfahren, was heute passiert war.
    Jess schluckte. „In Ordnung“, sagte er langsam. „Aber wenn es dir schlechter geht, werde ich nicht zögern, den Krankenwagen zu rufen…“
    „Ich möchte einfach nur nach Haus…“, inzwischen war ihre Stimme schwach geworden, sie merkte, dass sie am Rand ihrer Kräfte war. Sie sehnte sich nur noch nach ihrem Bett und dem geborgenen Schutz ihrer vier Wände.



    Jess sah sie einen Moment schweigend an. In seinem Blick lag eine ungekannte Zärtlichkeit. Dann nickte er und warf den Motor an, während Tessa sich schwach im Sitz zurücklehnte und Jess in wenigen Worten erklärte, wohin er fahren musste.

    Dann gab Jess Gas und schweigend fuhren sie gemeinsam durch die Nacht – nach Hause.









    Fortsetzung folgt.

    Kapitel 32
    Nach Haus



    Tessa stöhnte leise auf und öffnete langsam die Augen. Sie konnte nicht lange in dem dämmrigen Zustand dumpfer Taubheit verbracht haben, denn Jess stapfte immer noch mit ihr durch die leeren, verschneiten Straßen. Wo sie sich genau befanden, wusste sie nicht – der Schwindel und der Schmerz in ihrem Kopf hatten sie jedweder Orientierung beraubt.
    Jess keuchte vor Anstrengung, setzte aber tapfer weiter einen Fuß vor den anderen und bahnte sich einen Weg durch die inzwischen beträchtlich gestiegene Schneedecke.


    „Jess…“, murmelte Tessa. „Ich bin zu schwer… bleib stehen…“
    Doch Jess schüttelte heftig den Kopf. „Wir sind gleich da, Tessa“, sagte er in einem beruhigenden Ton.
    Tessa schloss erneut für einen kleinen Augenblick die Augen und versuchte krampfhaft, sich in Erinnerung zu rufen, was genau geschehen war. Ihr Kopf fühlte sich doppelt so schwer und groß an als gewöhnlich, was wohl daran liegen mochte, dass er so unsagbar weh tat, stach und hämmerte. Auch ihr Gesicht fühlte sich trotz der eisigen Kälte um sie herum seltsam heiß und brennend an. Sie befühlte vorsichtig mit der Zunge ihre Lippen, von denen der metallische Geschmack von Blut zu stammen schien und zuckte zusammen, als sie die aufgesprungene Stelle erreichte, die für den unangenehmen Geschmack verantwortlich war.
    Das Knirschen des Schnees unter Jess Schuhen dröhnte in ihrem Kopf.



    Mühsam gelang es ihr, die Bilder der vergangenen Minuten zumindest fragmentweise zu rekonstruieren… sie erinnerte sich an ihre Erkundung der Ruine und an die Auseinandersetzung mit diesem unheimlichen Mann, der sie wohl so zugerichtet hatte.
    Doch was war geschehen, nachdem einer seiner Stöße sie offenbar so hart auf den Hinterkopf hatte fallen lassen, dass sie das Bewusstsein verloren hatte?
    Auf einmal war Jess dagewesen – doch wo war er hergekommen? Was war in der Zwischenzeit geschehen?
    Sie öffnete die Augen erneut, weil Jess stehengeblieben war. Sie standen vor ihrem Auto, das friedlich auf dem kleinen Parkplatz stand, als sei nichts in der Zwischenzeit geschehen.

    „Wo hast du den Schlüssel?“ fragte Jess atemlos. Tessa löste vorsichtig einen Arm, der um Jess´ Schulter gelegen hatte und tastete mit klammen Fingern nach dem Schlüssel in ihrer Tasche, den sie glücklicherweise auch fand. Für einen Augenblick hatte sie befürchtet, irgendjemand in der Ruine habe sie vielleicht ausgeraubt, als sie ohnmächtig am Boden lag.
    Kurz darauf hatte Jess sie sachte auf den Beifahrersitz gesetzt und war neben sie ins Auto gesprungen. Nun hatte er die Hände aufs Lenkrad gelegt und versuchte, keuchend wieder zu Atem zu kommen.



    Als ihm dies einigermaßen gelungen zu sein schien, sagte er fest. „Ich fahre dich jetzt sofort ins Krankenhaus, Tessa!“
    Tessa fuhr so schnell herum, dass sie schmerzerfüllt das Gesicht verzog, doch sie ignorierte dies und erwiderte hastig: „Nein, Jess!“
    Jess sah sie erstaunt an und sagte dann ernst: „Tessa… du bist verletzt, ich bin mir nicht sicher, ob er dir nicht etwas gebrochen hat. Du brauchst einen Arzt!“
    Er sah sie ernst und besorgt an.


    Doch Tessa schüttelte erneut den Kopf und richtete sich unter einem leisen Stöhnen etwas im Sitz auf. In ihrem Kopf überschlugen sich erneut die Gedanken. Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass Jess vermutlich nicht unrecht hatte. Immerhin tat ihr jede Faser ihres Körpers weh, was kein Wunder darstellte, nachdem er so brutal behandelt worden war. Und doch wehrte sich alles in ihr vehement gegen den Gedanken, in eine Klinik zu fahren.

    Kiara: Hihi, meine Kiara denkt natürlich schon ein paar Schritte weiter. Die Fragen, die Du gestellt hast, bzgl dessen, was in der Zwischenzeit geschehen ist und noch geschehen wird, sind natürlich auch nicht unwichtig. Aber das werdet ihr alles nach und nach erfahren.
    Freut mich, dass Dir das Kapitel so gut gefallen hat! :)


    Übrigens nicht wundern, dass ich deine FS noch nicht kommentiert hab. Bin gerade erst wieder heimgekommen und morgen schon wieder weg... aber ich hols nach!




    @ineshnsch: Sozusagen hat Jess sie gerettet, das ist richtig. Die Frage ist nun natürlich, was für Konsequenzen daraus entstehen, also aus allem, was geschehen ist. Freut mich, dass Dir das Kapitel so gut gefallen hat!! DAnke für Deinen Kommi!




    @DAni04: Keine Bange, Du kannst bestimmt weiterlesen... ! Hab Dir ja per ICQ schon einiges dazu gesagt vor mehreren Wochen!!! Also trau dich! :)




    @ALL: So heut geht es weiter! Viel Spaß!

    Ui, das ist aber fein, dass Du eine Fortsetzung reinstellst, bevor ich abdüse :)


    Wie immer sehr spannend! Nun verstehe ich, was Teros mit dem ganzen zu tun hat bzw. haben wird!


    Die Bilder sind klasse, besonders das, wo Teros im gebüsch kauert...!


    Ich finde es toll, wie Du etwas märchenhaft-mystisches so gut rüberbringst. Es wirkt natürlich und gar nicht surreal, sondern sehr ver/bezaubernd! :applaus

    „Tessa? Tessa, mach die Augen auf! Tessa, bitte… mach die Augen auf! Hörst du mich?!“
    Es war nicht lange still gewesen. Alles schien zu schmerzen. Sie fühlte sich wie losgelöst von jeder Wirklichkeit. Alles wie im Nebel. Dumpf. Unwirklich. Völlig abstrakt.
    „Tessa! Bitte!!! Tessa!!“

    Diese Stimme, die da so hartnäckig in ihr Bewusstsein zu dringen versuchte, schien vertraut, doch die Panik, die in ihr schwang, ließ sie seltsam fremd wirken. So fremd wie alles, das hier geschah. Ebenso fremd wie der schale, metallische Geschmack warmen Blutes auf ihrer Zunge. Ebenso fremd wie sich ihr schmerzender Körper fühlte.
    Langsam öffnete sie die Augen.



    „Tessa! Kannst du mich hören? Ich bin`s – Jess…“

    Jess….? Langsam schien der Nebel zu weichen, die Gedanken sich zu ordnen.
    „Jess….“; wiederholte sie mit dünner Stimme den Namen, den man ihr genannt hatte. „Jess…?“
    Das verschwommene Bild vor ihren Augen gewann an Kontrast und sie erkannte das besorgte Gesicht ihres Freundes, der sich über sie gebeugt hatte. Seine rauen Finger strichen sacht über ihre Wange.
    „Du musst sie wegbringen, Mann… so schnell es geht“, zischte irgendeine fremde Stimme. „Ich werde versuchen, dir den Rücken freizuhalten…“
    „Okay, Ben, danke… ich weiß nur nicht, ob sie sich etwas gebrochen hat… ich könnte sie noch mehr verletzen“, erwiderte Jess. Seine Stimme war dünn und schien zu zittern.
    „Du musst… hier könnt ihr nicht bleiben“, sagte die andere Stimme.
    „Tessa… ich werde dich jetzt hochheben. Wir müssen hier weg…“, richtete Jess die Stimme an sie. „Meinst du, du schaffst das?“
    Sie nickte, obwohl sie nicht recht verstand, was er gesagt hatte.




    Sie fühlte, wie seine Arme sich um sie schlangen. Ein Schmerz durchfuhr sie, als er sie nach oben hob und ihr Gewicht voll in seinen Armen hang.

    Langsam schlang sie die Arme näher um ihn und sein Duft, dieser vertraute, so lange vermisste Duft, stieg ihr in die Nase.



    Er begann zu laufen. Jede Erschütterung seiner Schritt schien eine kleine Explosion in ihrem Kopf auszulösen. Sie wimmerte, ohne es zu merken. Sein Atmen ging schnell.
    „Hast du Schmerzen?“
    Sie nickte wimmernd.
    „Es wird alles wieder gut, mein Kleines…“, seine Stimme klang unendlich sanft. „Halt noch ein wenig durch… wir sind gleich draußen.“

    Seine Hände umschlossen ihren Körper fester.



    Durch halbgeöffnete Augen konnte Tessa erkennen, dass sie sich immer noch in der Ruine befinden mussten.




    Doch nun war Jess an der Tür angekommen und stieß diese mit einem Ruck auf. Schwer atmend blieb er draußen stehen. Die kühle Nachtluft umschloss Tessa, doch sie wirkte auf sie wie eine Befreiung.




    „Wo steht dein Auto?“ keuchte Jess.

    „Bahnhof… Parkplatz… Park….“, stieß sie mühsam hervor. Er setzte sich wieder in Bewegung. Jeder Schritt stach wie tausend Messerstiche.
    „Jess?“
    Er blieb einen Moment stehen. „Tessa…“
    „Jess… ich… bin so froh… dass du da bist…“
    Jess erschauderte. „Tessa…“, seine Stimme klang dünn.

    Tessa lächelte schwach. Jess war da. Alles war gut.



    „Ich liebe dich, Jess…“, stieß sie mit letzter Kraft hervor.
    Dann wurde es dunkel um sie. Und das letzte, was sie spürte, war das warme Blut, das über ihre Lippen lief.



    Fortsetzung folgt.

    Erneut schreiend wich sie zurück.



    „Du fasst mich nicht an!!!!“ Ihr Schrei hallte durch das Gebäude, es erhob sich ein Gemurmel, doch niemand schien ihr zu helfen, niemand schien es zu kümmern. Warum auch? Sie war hier alleine, ausgeliefert. Doch so schnell wollte Tessa sich nicht aufgeben!
    Mit letzter Kraft stieß sie ihrem Peiniger ihr Knie in die Eingeweiden. Dieser keuchte auf, doch bevor sie davonlaufen konnte, hatte er sie am Arm gepackt und zurückgeschleudert.
    „Was denkst du, wer du bist, du kleine Schlampe! Nun wirst du bezahlen!!!“
    Ein Schlag, ein Schmerz, der sie durchfuhr. Sie keuchte.




    Doch es war nicht vorbei. Es begann erst. Immer und immer wieder traf sie seine Faust, seine Hand. Immer und immer wieder schien er auf sie einzuschlagen. Ihr Körper glühte, ihr Kopf brannte. Sie war nicht mehr fähig sich zu wehren. Zu denken.
    Wieder traf seine Hand ihren Körper. Sie hatte nicht einmal mehr die Kraft, zu schreien.



    Dann endlich war es vorbei. Ihr Körper erwies ihr Gnade. Ihr Beinen sanken ein und mit einem dumpfen Schlag fiel sie auf den harten Boden. Es wurde dunkel.

    Es wurde still.

    Kapitel 31
    Ich liebe Dich




    Tessa wich ein Stück zurück. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich. Was sollte sie tun? Ein spontaner Instinkt sagte ihr, dass sie sich umdrehen und laufen sollte – laufen, so schnell ihre Beine sie trugen! Rennen! Sich retten!
    Doch die Angst schien ihre Beine zu lähmen, mehr als einen wackligen Schritt nach hinten schaffte sie nicht. Und schon war der unheimliche Fremde bei ihr angekommen und blieb einen knappen Meter vor ihr stehen.
    Seine Augen musterten sie kalt. Sein Gesicht wirkte hart, fast unmenschlich.



    „Du gehörst nicht hierher!“ zischte er. Tessa schluckte.
    Irgendetwas in ihr sagte ihr, dass er zwar genau dieselben Worte sagte wie der Mann von der Couch im Untergeschoss, aber dass er sie ganz anders meinte als dieser.
    „Ich…“, setzte sie an, schwieg dann aber wieder. Was sollte sie schon sagen?
    „Wie hast du uns gefunden? Wer hat dir von uns erzählt?“ erhob sich die harte Stimme des Mannes erneut.

    Tessa sah ihn ängstlich an, schwieg aber, woraufhin ihr Gegenüber einen verächtlichen Laut von sich gab.
    „Bist du etwa ein Bulle?“

    Tessa schüttelte heftig den Kopf. „Nein… nein! Ich suche nur jemanden… das ist alles. Ich hab das Gebäude hier gesehen und dachte, er wäre hier. Mehr nicht. Ich weiß gar nichts… ich weiß nicht einmal, wo ich hier bin…“
    Sie verengte ihre Augen, um besser erkennen zu können, wie der Mann auf ihre Worte reagierte. „Ich will nichts von euch… ich… ich kann wieder gehen…“, sagte sie langsam.



    Der Mann sah sie einen Moment schweigend an und fing dann leise und auf schauderliche Weise zu lachen an.
    „Nein, Püppchen, das glaube ich nicht“, sagte er dann mit einer derartigen eisigen Ruhe, dass es Tessa kalt den Rücken hinunterlief.
    „Hier kommt niemand einfach so hereinspaziert, ohne zu wissen, was er hier sucht… und vor allem kommt niemand einfach wieder heraus, ohne eine Lektion erteilt zu bekommen. Du bist bei den Dark Hellows, und wir mögen keine Eindringlinge. Ich am wenigsten von allen. Und damit du das auch begreifst, werde ich dir deutlich machen, was ich meine…“

    Tessa wich erschrocken einen weiteren Schritt zurück.



    „Was…. was willst du von mir?“ fragte sie panisch. „Geld? Ich hab kaum was bei mir… ich…“

    „Ich will kein Geld von dir“, erwiderte der Mann harsch. „Ich will etwas anderes… wo du schon mal da bist, Püppchen, und da du ganz nett aussiehst…“
    Er kam einen weiteren, bedrohlichen Schritt auf sie zu. „Du bietest mir viel mehr als Geld…“
    Entsetzen trat auf ihr Gesicht, als sie begriff, worauf er hinauswollte.



    „Nein…“, flüsterte sie fast flehend. „Bitte… du kannst alles haben, was ich bei mir habe… nur lass mich wieder gehen… ich werde niemanden etwas sagen…“

    „Das wirst du in der Tat nicht“, lachte der Mann. „Aber bevor ich das sicherstelle, werde ich mir noch den Lohn nehmen, den ich verdiene. Verstehst du, Püppchen, sozusagen das Eintrittsgeld zu unseren Heiligen Hallen…“
    Tessas Augen weiteten sich. In ihrem Kopf überschlugen sich Gedanken und Bilder… sie wollte schreien, sie wollte laufen… doch es ging nicht. Sie war wie gelähmt…



    Schon fühlte sie den Körper des Mannes näherkommen, der unschöne Geruch seines Atems stieg ihr in die Nase, seine Hände streckten sich nach ihr aus.



    Er packte sie hart und drückte sie mit seinem Gewicht gegen die nächste Wand. Sofort fingen seine Finger an, sich an ihrem Reißverschluss zu schaffen zu machen. Sein stinkender Atem fuhr über ihre Wange, über ihren Hals. Seine Lippen berührten ihr Ohr, ihre Halsgrube, ihr Haar. Übelkeit stieg in ihr auf, doch noch immer schien sie wie gelähmt.
    „Das geschieht nicht wirklich…“, schrie irgendetwas in ihr. „Es ist ein Traum, ein furchtbarer Traum! Ich muss aufwachen! Wach auf! Wach auf! Wach auuuuuuuf!“

    Wie ein schriller Schrei hallte es in ihrem Kopf, drang in ihr Bewusstsein und kam als eben dieser über ihre Lippen.
    „Neiiiin!“ Sie stieß den Mann mit ungeahnter Kraft von sich und taumelte einige Schritt vorwärts, bis er sie wieder eingeholt hatte und erneut nach ihr fassen wollte.
    Angewidert wich sie zurück. „Lass deine dreckigen Finger von mir!!!“



    Die Miene des Mannes verzog sich vor Wut. „Hat man dir zu Hause nicht beigebracht, dass man solche Wörter nicht in den Mund nimmt? Denkst du, du kannst entkommen? Ich bekomme immer, was ich will – und du wirst keine Ausnahme sein! Also zier dich nicht so, umso schneller wird es vorbei sein!“



    Und wieder kam er auf sie, streckte seine Arme nach ihr aus, sein übler Geruch begann sie erneut einzuhüllen.

    @dragoon: Danke für Deinen Kommi! :) Freut mich, dass es so spannend geworden ist! :)




    Kiara:
    Du hast recht, dass Tessa sich das gewagt hat, ist ein ziemlich heftiger Liebesbeweis... nur ob sie sich nicht selbst damit ein Bein gestellt hat, fragt sich. Danke für Deinen Kommi!




    @ineshnsch:
    Danke für diesen tollen, langen Kommi! Du hast das alles so toll beschrieben, genauso hab ich es empfunden! :)




    Louise:
    danke für Deinen Kommi! Was meinst Du mit der Frage, ob Niklas etwas damit zu tun hat? Mit der Gang? Mit Sicherheit nicht. Er ist zurzeit einfach von der Bildfläche verschwunden, weil er sich derartig mit Tessa zerstritten hat. Ansonsten kennt natürlich niemand Jess. Tessa muss ihn ja mehr oder minder geheimhalten. Ich denke, wenn sie zu ihren Kollegen oder gar Eltern ginge und ihnen ihren "Drogenjunkie-Freund" vorstellen würde, wären die Reaktionen recht bescheiden...
    Die Gang lernt man im nächsten Kapitel einen Tick besser kennen, aber allzu sehr wird darauf nicht eingegangen. Sicher ist einfach nur, dass sie nicht gerade die freundlichten Menschen sind...



    Mary: Über neue "Gesichter" freu ich mich immer ganz besonders! Danke für Deinen Kommi und Dein Lob! :) Und ja, es ist schon Arbeit, aber es macht ja Spaß und ist sozusagen mein Hobby :)




    Luxa.
    Hihi, nein bitte nicht beleidigt sein! Ist doch ok! :)




    @Llyna: Ich denke, viele von den Leuts da in dem Haus sind einfach zu "stoned", um zu schnallen, dass da jemand durchs Haus geht, der nicht hingehört. Vor allem weils ja auch sehr düster ist.
    Der Mann oben ist tatsächlich ein anderes Kaliber und das werdet ihr nun auch bald sehen. Danke für Deinen Kommi!




    @Dani04
    : Danke für Deinen tollen Kommi! Ja, Du hast recht - es ist dumm und naiv, aber irgendwie auch mutig und nachvollziehbar, dass Tessa sich da reinwagt. Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich dächte, da ist der Mensch drin, der mir am wichtigsten auf der Welt ist... ob ich meine Angst dann nicht besiegen könnte? Auch wenn es nicht gerade vernünfig ist.
    Dass dir das Gebäude so gut gefällt - also im Sinne von der Atmosphäre - freut mich, weil ich mir da echt unsicher war!




    @zaje:
    Danke für Deinen Kommi! Benachrichtigen tu ich eigentlich nicht hier, aber Du kannst das Thema ja abonnieren, dann kriegst Du immer eine PN, wenn es weitergeht! :)




    @All:
    Irgendwie ging das Forum gestern und heut Morgen nicht, aber die FS ist schon fertig! Aber mit der nächsten dauert es was, weil ich erstmal 2 Wochen weg sein werde zu 90%! Also müsst ihr euch was gedulden! :)

    In diesem Moment klingelte Maries Handy.
    Marie starrte auf ihre vibrierende Handtasche und rührte sich nicht vom Fleck.
    „Willst du nicht rangehen?“ fragte Anna.
    Marie sah verwirrt auf. „Ja… doch…“
    Sie nahm das Handy aus der Tasche, stand auf und hielt es ans Ohr. „Ja, wer ist da?“
    „Marie?“
    Marie merkte, wie ihre Knie weich wurden. „Ja?“
    „Marie, hier ist Cedrik.“

    „Ja, ich weiß.“
    „Ist alles in Ordnung bei dir? Ich habe vorhin noch mal bei deinen Eltern angerufen, sie sagten, du wärst nicht mehr bei ihnen…“




    „Nein, bin ich nicht. Ich bin heute Morgen nach Hause gegangen. Es ist alles ok, keine Sorge. Aber ich hab nun wirklich leider gar keine Zeit…“, sie warf einen raschen Blick auf Anna und Franzi, die ihr interessiert zuhörten. „Ich bin nicht zu Hause“, fügte sie hinzu.
    „In Ordnung, Marie“, sagte Cedrik. „Ich wollte nur wissen, ob du in Ordnung bist. Es gibt da noch etwas, was ich dir wegen Susan sagen will…“
    Marie atmete tief ein. Sie wollte jetzt nichts von Susan hören! Nicht einmal von Cedrik!
    „Ich muss Schluss machen!“ rief sie darum in den Hörer und legte auf.

    Als sie wieder aufsah, blickten sie Franzi und Anna verwirrt an.
    „Wer war das?“ fragte Anna.
    „Ein… ein Kollege“, log Marie. „Von der Arbeit.“
    Sie richtete ihren Blick wieder auf Franzi und ihr fiel ein, was sie gerade gefragt hatte.
    „Also Franzi… wie heißt der junge Mann?“ fragte sie noch einmal.
    „Er heißt Benjamin. Benjamin Schultheis. Aber ich glaube nicht, dass du ihn kennst…“



    Marie atmete auf. Wie blöd musste sie sein! Nicht jeder Mann mit braunem Haar und blauen Augen war ihr Cedrik!
    IHR Cedrik! Marie ballte die Faust. Sie musste sich solche blöden Gedanken ein- für allemal aus dem Kopf schlagen.
    Die folgenden zwei Stunden gelang ihr das sogar recht gut. Sie plauderte und lachte mit Franzi und Anna über dies und das – und alle drei vermieden es, das Thema wieder auf Susan zu bringen.
    Als Marie endlich aufstand und beide umarmte, war sie froh, den Nachmittag mit ihnen verbracht zu haben. Es schien ihr fast, als habe sie wieder einen Schwung Lebensenergie getankt. Ein Stück Normalität zurückgeholt.
    Die drei jungen Frauen blieben vor dem Café stehen, um sich zu verabschieden.



    Franzi verschwand direkt, Anna jedoch schlenderte noch ein Stück mit Marie durch die Straßen, bis beide vor Maries Haus standen.
    „Weißt du, Marie“, sagte sie, als Marie sich umdrehen und ins Haus gehen wollte . „Ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass da noch mehr als Susans Unfall ist. Aber ich akzeptiere, dass du es mir noch nicht sagen kannst. Nur eines, Marie: Wenn du mich brauchst, bin ich für dich da. Ich hoffe, das weißt du. Du kannst mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen.“
    Marie schluckte und sah Anna an. Ihre dunklen Augen blickten sanftmütig und aufmunternd.
    „Keine Bange, Marie. Das wird schon wieder. Egal, was es ist.“




    Marie merkte, wie sich ihre Augen vor Rührung mit Tränen füllten.
    „Danke, Anna“, sagte sie leise und schloss die Freundin in die Arme. „Ich danke dir. Und ich verspreche dir, dass ich es dir irgendwann sagen werde… aber zurzeit…“
    Anna schüttelte den Kopf. „Sprich nicht weiter, du brauchst dich vor mir nicht zu rechtfertigen. Es gibt Zeiten, in denen kann nur man selbst sich helfen. Ich kenne das.“
    Anna strich sich eine Strähne ihres schulterlangen, schwarzen Haares aus dem Gesicht.
    „Ich muss jetzt los. Aber denk dran, Marie – ruf einfach an!“



    Marie nickte. Anna hob die Hand zum Gruß und ging weiter.
    Marie jedoch stand noch eine Weile vorm Haus und atmete tief ein und aus.
    Sie hatte nie gewusst, welch eine gute Freundin sie in Anna hatte. Es tat gut zu wissen, dass da jemand war, mit dem sie würde reden können, wenn die Last einfach zu groß werden würde.
    Mit einem warmen Gefühl in der Brust ging Marie ins Haus, wo sie sich nur schnell in ihren Pyjama warf und sofort ins Bett krabbelte.



    Wie froh sie bald wirklich sein würde, Anna als Freundin zu haben, ahnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht….



    Fortsetzung folgt!




    Text & Fotos by Innad

    Kapitel 22

    Freundinnen



    Ein Seufzer der Erleichterung trat über Maries Lippen, als sie sich in die weichen Kissen ihres Sofas kuschelte. Sie schloss für einen Moment die Augen und genoss die Stille in ihrem Haus.


    Auch wenn ihre Eltern sich zuerst gewehrt hatten, so hatte Marie nach dem Frühstück doch darauf bestanden, dass ihr Vater sie nach Hause fuhr. Sie brauchte Ruhe und wollte alleine sein, bevor sie sich am Nachmittag mit Franzi und Anna treffen würde – sofern diese überhaupt Zeit hatten. Noch stand der Anruf aus, den sie tätigen wollte.
    Marie seufzte auf. Eigentlich hatte sie keine Lust. Sie fühlte sich immer noch müde und leicht unwohl, auch wenn sie das ihren Eltern natürlich tunlichst verschwiegen hatte.

    Seit dem Frühstück war ihr leicht übel, vielleicht hätte sie doch auf den Kakao in ihren leeren Magen verzichten sollen. Manche Dinge änderten sich eben. Sie war nun einmal kein Kind mehr – auch wenn sie sich in diesem Augenblick wünschte, sie wäre es – und alle ihre Sorgen beständen aus Kleinigkeiten wie Puppenkleidern oder kleinen Hänseleien zwischen Freunden.
    Marie massierte sich mit den Fingern ihre Schläfen, die leicht zu pochen begannen.
    Sie wollte nicht schon wieder an Susan denken, an Casimir, an Cedrik – an all die Verwirrung in ihrem Leben, das innerhalb kürzester Zeit so furchterregend aus den Fugen geraten zu sein schien.
    Es änderte in diesem Moment sowieso nichts.
    Vermutlich würde ihr Ablenkung gut tun. Also nahm sie ihr Telefon zur Hand, um Franziskas Nummer zu wählen.


    „Marie, du Süße! Schön, dass du an uns gedacht hast. Wir beiden wussten ohnehin nichts mit diesem Nachmittag anzufangen, nicht wahr, Anna?“ Franzi umarmte Marie und stieß Anna kichernd in die Rippen.



    Anna erwiderte nichts und musterte Marie prüfend. „Du siehst miserabel aus, du ärmste“, stellte sie dann fest. „Wieso hast du dich nicht früher gemeldet? Wir wären doch für dich da gewesen.“
    Marie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß nicht- es ist einfach soviel passiert. Ich wusste gar nicht, wo mir der Kopf steht.“
    Franzi hakte sich bei Marie unter. „Schon in Ordnung, Marie, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Nun lass uns erstmal schön einen Kaffee trinken und ein Stück Kuchen essen. Ich verhungere fast.“


    Gemeinsam steuerten die drei auf ein kleines, verschwiegenes Café in der Nähe des Wassers zu und setzten sich an einen kleinen Tisch in dem gemütlichen Speisesaal.
    „Nun erzähl mal genauer, was passiert ist“, sagte Anna und blickte Marie mit ihren großen, dunkelbraunen Augen ernsthaft an. „Dass Susan verunglückt ist, weiß ich ja. Aber wie geht es dir damit? Sie ist deine beste Freundin. Du musst dich unendlich sorgen.“
    Marie schluckte. Sie hatte so gehofft, für diesen Nachmittag einmal alles ausblenden zu können. Aber es war ja nur natürlich, dass Anna und Franzi wissen wollten, was mit Susan war und wie es sowohl ihr als auch Marie selbst ging.




    „Ja, das tu ich natürlich“, sagte sie langsam. „Es hat eine Weile auch sehr schlecht ausgesehen mit ihr… keiner wusste, ob sie durchkommt…“

    Franzi schluckte. „Das ist ja furchtbar. Ich wusste gar nicht, dass es so schlimm um sie steht.“
    Marie sah Franzi an. „Sie ist gestern aus dem Koma aufgewacht, darüber sind wir alle schon sehr erleichtert. Aber mehr weiß ich nicht – ich… konnte gestern nicht mehr mit ihr oder ihren Eltern sprechen.“
    Marie sah den Freundinnen nicht in die Augen, aus Angst, sie würden bemerken, dass sie ihren Satz eigentlich unvollständig gelassen hatte. Aber Anna und Franzi waren zu schockiert über das, was sie erzählt hatte.
    „Im Koma lag sie! Mein Gott, das ist ja furchtbar!“ sagte Anna. „Wenn du sie besuchen gehst, richte ihr unsere besten Grüße aus. Und wenn du was weißt, dann schreib uns eine SMS oder ruf an, hörst du?“
    Anna blickte sich etwas betreten um. „Du weißt, dass Susan und ich uns nicht so super verstanden haben, aber ich bin wirklich sehr erschüttert über das, was da geschehen ist.“



    Marie lächelte. „Aber das weiß ich doch, Anna.“

    Franzi versenkte ihre Nase in ihrem Espressobecher.
    „Was genau hatte sie denn?“ fragte sie, als sie wieder daraus aufgetaucht war.
    Marie wand sich auf ihrem Stuhl. Sie wollte dieses Thema nicht – nicht jetzt, nicht hier! Jedesmal, wenn sie an Susan dachte, schnürte sich ihr Magen zu und sie hatte das Gefühl, schlechter atmen zu können.
    Anna sah Marie aufmerksam an und schien ihren Konflikt zu bemerken. „Das ist ja nicht so wichtig, Franzi – vielleicht sollten wir das Thema jetzt mal lassen. Marie ist bestimmt froh, etwas anderes zu hören, nicht wahr?“
    Marie sah sie dankbar an. Auch Franzi begriff sofort und lenkte das Gespräch sofort um : „Sag mal, Marie, hast du eigentlich nicht gemerkt, dass ich mir die Haare hab färben lassen?“



    Marie grinste sie an. Franzis sonst so blonde Mähne strahlte heute in einem knalligen Rot, das sie noch blasser, aber nicht unbedingt unattraktiver wirken ließ und einen krassen Kontrast zu ihren blauen Augen bildete.
    „Ich bin ja nicht farbenblind“, sagte sie dann. „Hattest du es satt, als Blondchen zu gelten?“
    Franzi plusterte sich wie erwartet auf. „Das hat damit gar nichts zu tun. Ich wollte einfach mal… eine Veränderung…“
    Anna lachte schallend auf. „Du wolltest diese Veränderung? DU? Vielleicht eher Herr Supersexyichwerfmichaufdenbodenfürdich?“
    Franzis Gesichtsfarbe passte sich mit einem Schlag ihrer Haarfarbe an. „Ach was, ich färbe mir doch nicht für einen MANN die Haare um!“
    Marie grinste. „Kann mir mal jemand sagen, worum es hier geht?“
    Anna zwinkerte Marie zu. „Ach, unser liebes Franzilein hat nur mal wieder den Mann ihrer Träume gefunden. Und der steht zufällig auf rothaarige Damen.“



    Marie zog die Brauen hoch. „Ist das wahr, Franzi?“
    „Das mag sein – dass er auf rothaarige steht. Aber deswegen hab ich`s nicht gemacht, nur zu eurer Information. Ich werde mich für einen Mann doch nicht verbiegen. Und abgesehen davon kann es ja nicht schaden, ein bisschen nachzuhelfen, oder etwa nicht? Oh Marie, du kannst dir nicht vorstellen, was für ein Sahneschnittchen dieser Mann ist. Groß, braungebrannt, veilchenblaue Augen…“
    Marie merkte, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte, als Franzi weiter plapperte: „Braune Haare – und ich schätze, er ist in unserem Alter.“
    Diese Beschreibung passte genau auf Cedrik… sollte das Schicksal ihr nun noch einen Streich spielen und eine weitere ihrer Freundinnen mit in die Verwebung zwischen Cedrik, Susan und ihr hineinziehen?
    Ohne sich dagegen wehren zu können, fühlte Marie Bilder von Franzi und Cedrik, Arm in Arm, in sich aufsteigen.



    Sie hatte ihm gesagt, aus ihnen beiden werde nichts… wieso sollte nicht auch er sich anderweitige Ablenkung gesucht haben… wie sie selbst mit Casimir?
    „Wo…“, krächzte sie und versuchte, ruhig zu klingen. „Wo hast du ihn kennengelernt?“
    „Neulich in der Stadt, er ist mir praktisch in die Arme gelaufen!“ lachte Franzi. „Er ist wirklich sympathisch und wir haben unsere Telefonnummern ausgetauscht.“

    „Und wie kommst du auf die Idee, er stehe auf rothaarige?“ fragte Anna verwirrt.
    „Wir haben über Haarfarben gesprochen, weil ich gerade eine Tönung gekauft hab. Da hat er das gesagt“, meinte Franzi. „Ja, ich weiß, das klingt völlig beknackt, stimmt aber!“
    „Wie ist sein Name?“
    Franzi sah Marie verdutzt über die Schärfe in ihrer Stimme an.
    „Sein Name? Er heißt…“

    Hallo Kiara


    irgendwie hab ich das letzte Kapitel verpasst gehabt.


    Nun mal zu beiden. Dass die Königin so einen treuen Diener hat, finde ich gut. In solchen Berufen ist es bestimmt wichtig, loyal zu sein.


    Die Androhung des bösen Onkels klingt dramatisch. Was ist es wohl, wonach er so dürstet?


    Bei der Beschreibung der Fee fühle ich mich sofort an PeterPan erinnert :)


    Das letzte Kapitel war auch sehr schön. Ich bin gespannt, inwieweit die Familie von Teros mit allem zu tun haben wird!


    Wie immer sehr schön gemacht alles, besonders Deine Locations bringen mich immer wieder zum Staunen!

    Aus der Gruppe der Menschen löste sich eine Gestalt und kam auf sie zu. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. War es Jess?
    Doch als der Mann näher kam, erkannte sie, dass es sich nicht um Jess handelte.




    „Was willst du hier?“ fragte er mit harter Stimme. „Wer bist du?“
    Tessa schluckte. „Ich… ich suche einen Mann namens Jess. Weißt du, wo er ist?“

    Der Mann blieb stehen und starrte sie an.
    „Nein, ich kenne keinen namens Jess“, sagte er dann kalt. „Ich weiß nicht, wer das ist und wo er ist.“



    Tessa nickte langsam und wusste nicht recht, wie sie sich verhalten sollte. Sie wollte sich schon umdrehen und weitergehen, als der Mann schneidend rief: „Bleib stehen!“

    Tessas Magen zog sich zusammen. Langsam drehte sie sich wieder um und starrte den Mann ängstlich an. Eine dunkle Vorahnung befiel sie.
    „Ich weiß nicht, wer dieser Jess sein soll“, sagte der Mann langsam. „Aber ich weiß eines sehr genau – wir mögen keine Schnüffler und keine Fremden. Du scheinst beides davon zu sein…“
    Und während er sprach, kam er langsam Schritt um Schritt weiter auf sie zu.



    Ängstlich verzog Tessa das Gesicht. Sie wollte sich umdrehen und weglaufen, doch es war zu spät dafür. Sie hatte sich verraten. Und als sie das verzerrte Gesicht des Mannes erkannte, wurde ihr klar, dass sie in der Falle saß.
    Und verloren war.


    Fortsetzung folgt!