"Typisch Mann", dachte Ada auf dem Weg nach draußen. "Stärke zeigen um jeden Preis." Sie konnte nicht verstehen, warum sie zu Eve gehen sollte, wo es Cedric doch gerade bei weitem schlechter gehen musste.
Draußen saß Eve allein auf der Terasse. Ada verweilte einen Moment und betrachtete sie, bevor sie sich leise zu ihr setzte.
Sie hatte geweint. Ihre tränenfeuchten Wangen verrieten sie.
Wie blass sie aussah in diesem fahlen Mondlicht. Sie wirkte so furchtbar zerbrechlich. Viel zerbrechlicher als früher. Ada erinnerte sich, was für ein Energiebündel Eve noch vor ein paar Jahren war. Sie hatte sich wirklich sehr verändert.
Eine Weile sagten beide kein Wort, bis Ada das Schweigen brach.
Ihr war an diesem Abend nicht entgangen, dass Cedrics Gefühle Eve nicht unberührt ließen.
"Eve, was ist los mit dir?"
Eve versuchte sich zu verstellen:
"Ich weiss nicht, was du meinst."
"Warum gibst du Cedric nicht eine Chance? Ich merke doch, wie ihr euch anseht. Du kannst mir nicht weismachen, dass du nichts für ihn empfindest. Dafür kenne ich dich zu lange."
Eve schüttelte zögernd den Kopf. "Ich mag ihn sehr."
"Aber?"
Eve starrte vor sich auf den Boden.
"Ich mag ihn als Freund, Ada. Nicht mehr und nicht weniger."
Aber damit gab Ada sich nicht zufrieden. Sie machte sich Sorgen, wollte endlich wissen, was passiert war und sie war wütend, weil sie spürte, dass Eve etwas vor ihr verbarg.
"Du lügst doch, Eve. Du belügst mich und du belügst dich selbst. Du kannst mir dabei nicht einmal in die Augen sehen. Ich verstehe dich einfach nicht.
Wovor hast du Angst? Warum lässt du nicht zu, was du für ihn fühlst?"
Eve druckste einen Moment herum.
"Wir passen nicht zusammen." Wieder wich sie Adas Blick aus.
"Ihr passt nicht zusammen?! Ist das dein Ernst? In welcher Hinsicht? Ihr ergänzt euch doch perfekt und..."
Ada unterbrach sich selbst. Ihr Blick fiel auf die wertvolle Kette in Eves Hand, die sie von ihrer Schwester Morgan bekommen hatte.
Nach dem frühen Tod ihrer Eltern hatten Eve und ihre Schwester nur noch sich selbst. Das große Vermögen, das sie hinterlassen hatten, tröstete nicht über ihren Tod hinweg, aber es half zu vergessen. Oder vielmehr: Zu verdrängen.
Die Menschen sahen in Eve immer nur eine reiche Göre, die sich für etwas Besseres hielt und das Geld zum Fenster heraus warf. Dass Eve niemanden an sich heran ließ, weil sie Angst hatte, wieder einen geliebten Menschen zu verlieren und dass das einzig Beständige in ihrem Leben von materieller Natur war, das wussten sie nicht.
Ada wusste um Eves Vergangenheit, doch in diesem Moment war Ada genau einer dieser Menschen, zu denen sie vorher nie gehörte und ihr wurde klar, worin Eves Problem bestand:
"Aaah, jetzt verstehe ich...du bist zu stolz. Du bist zu stolz zu akzeptieren, dass du einen Mann liebst, der nicht auf deinem Niveau ist, oder?"
Geschockt blickte ihr Eve ins Gesicht.
"Das ist nicht wahr!"
"Ist es denn so wichtig, wieviel Geld er hat, Eve?" Wut und Eifersucht kochten in Ada hoch. Sie selbst hatte nie genug Geld sich schöne Dinge leisten zu können und auch wenn sie nur das Beste für Cedric wollte und bereit war dafür einzustehen, dachte sie insgeheim doch manchmal, dass Eve ihn nicht verdiente, weil sie seine Zuneigung nicht zu schätzen wusste.
"Klar, du kommst aus einer reichen Familie, du bist das so gewohnt. Aber glaubst du nicht, dass es letztlich auf etwas anderes ankommt?"
Da erschien Cedric auf der Terasse. Ada erblickte ihn und ging sofort energisch auf ihn zu.
"Wir sollten gehen, Ced, die Umgebung hier tut uns nicht gut.", erklärte sie knapp, packte ihn am Arm und zerrte ihn zum Auto.
Eve blieb allein zurück. Sie starrte noch lange in die Richtung, wo ihre Freunde in der Dunkelheit verschwunden waren und langsam merkte sie, wie sich ihre Kehle immer weiter zuschnürte und die Tränen sich unaufhaltsam ihren weg bahnten.
"Lasst mich nicht allein, nicht jetzt.", flehte sie noch leise wie zu sich selbst, bevor ihre Gefühle sie überwältigten.