Die Prüfung verläuft auch relativ gut und nach der letzten Stunde warte ich gemeinsam mit Constantin vor dem Schuleingang auf seine Mum.
Dass wir die Zeit dazu nutzen, um ein wenig herumzuknutschen, versteht sich von selbst.
Irgendwie kommt es mir vor, als wäre dies sozusagen meine „Henkersmahlzeit“ – noch’n bisschen Spaß bevor ich von meinen Eltern wahrscheinlich bis zu meinem 35. Geburtstag in meinem Zimmer eingesperrt werde.
Ob ich Constantin nach dem bevorstehenden Nachmittag überhaupt noch mal wieder sehen darf – außerschulisch natürlich – hängt derzeit meines Erachtens nach ziemlich in der Schwebe.
Kommt drauf an, wie überzeugend seine Mutter bei dem Gespräch, das über meine Zukunft entscheidet, auftritt!
Da ist sie ja auch schon! Mit quietschenden Reifen parkt sie Constantins Auto vor der Schule und winkt uns strahlend, als könnte kein Wässerchen sie trüben, zu. Die Frau hat Nerven!
Wenigstens lässt mich ihr Outfit aufatmen!
Man sieht ihr an, dass sie sich – auf ihre Art – Mühe gegeben hat, mit ihrem Styling einen gesetzten, seriösen Eindruck zu machen. OK, der Rock ist vielleicht ein Stücken zu kurz, um ihn „konservativ“ zu nennen, aber so wie ich meinen Papi kenne, wird ihn das eher FÜR Claudine einnehmen.
Gemeinsam mit Constantin steuere ich auf den Wagen zu. Es gibt mir ein beruhigendes Gefühl, ihn an diesem albtraumhaften Nachmittag an meiner Seite zu wissen.
Dieser Erleichterung macht Claudine jedoch einen Strich durch die Rechnung!
„Du nimmst heute mal den Bus, Consti-Schätzchen! Jonas hat sich mein Cabrio ausgeborgt, um zu einem Kunden zu fahren, deshalb brauche ich dein Auto“, erklärt sie, meinen unzufriedenen Gesichtsausdruck völlig ignorierend.
Consti-Schätzchen nickt nur, verabschiedet sich mit einem Kuss von mir und steigt folgsam in den Schulbus.
Ich dagegen sitze gleich darauf mit zitternden Händen auf dem Beifahrersitz neben Claudine.
Sie fährt wie eine Irre, jedes Geschwindigkeitsgebot außer Acht lassend und so dauert es nur knapp 15 Minuten, bis wir in meinem Heimatort Niederfreisingen angekommen sind.
Meine Eltern stehen schon erwartungsbereit auf der Treppe vor dem schmucken Gasthof parat. Papa in seinen unvermeidlichen zünftigen Lederhosen und Mami gekleidet in ein apfelgrünes, dirndlähnliches Hausfrauen-Outfit – DER Inbegriff ländlicher Gastronomen-Idylle.
Scheu blicke ich Claudine von der Seite an. Was mag sie sich wohl in diesem Augenblick denken? Doch die hochmodern gestylte Karrierefrau neben mir zuckt nicht einmal mit der Wimper.
Mit einem erfreut wirkenden Lächeln auf ihren Lippen steigt sie aus, geht unbekümmert auf meine Eltern zu und begrüßt sie so herzlich, als seien sie liebe, alte Bekannte.
„Guten Tag, Frau und Herr Bichlmayr! Ich bin Claudine Saritz – wir haben gestern telefoniert. Wie nett, Sie nun auch persönlich kennenzulernen!“ höre ich Claudine in ihrer jovialsten Stimmlage sprechen.
... geht noch weiter...