Beiträge von amber1980

    Die Prüfung verläuft auch relativ gut und nach der letzten Stunde warte ich gemeinsam mit Constantin vor dem Schuleingang auf seine Mum.
    Dass wir die Zeit dazu nutzen, um ein wenig herumzuknutschen, versteht sich von selbst.


    Irgendwie kommt es mir vor, als wäre dies sozusagen meine „Henkersmahlzeit“ – noch’n bisschen Spaß bevor ich von meinen Eltern wahrscheinlich bis zu meinem 35. Geburtstag in meinem Zimmer eingesperrt werde.
    Ob ich Constantin nach dem bevorstehenden Nachmittag überhaupt noch mal wieder sehen darf – außerschulisch natürlich – hängt derzeit meines Erachtens nach ziemlich in der Schwebe.
    Kommt drauf an, wie überzeugend seine Mutter bei dem Gespräch, das über meine Zukunft entscheidet, auftritt!

    Da ist sie ja auch schon! Mit quietschenden Reifen parkt sie Constantins Auto vor der Schule und winkt uns strahlend, als könnte kein Wässerchen sie trüben, zu. Die Frau hat Nerven!


    Wenigstens lässt mich ihr Outfit aufatmen!
    Man sieht ihr an, dass sie sich – auf ihre Art – Mühe gegeben hat, mit ihrem Styling einen gesetzten, seriösen Eindruck zu machen. OK, der Rock ist vielleicht ein Stücken zu kurz, um ihn „konservativ“ zu nennen, aber so wie ich meinen Papi kenne, wird ihn das eher FÜR Claudine einnehmen.

    Gemeinsam mit Constantin steuere ich auf den Wagen zu. Es gibt mir ein beruhigendes Gefühl, ihn an diesem albtraumhaften Nachmittag an meiner Seite zu wissen.


    Dieser Erleichterung macht Claudine jedoch einen Strich durch die Rechnung!

    „Du nimmst heute mal den Bus, Consti-Schätzchen! Jonas hat sich mein Cabrio ausgeborgt, um zu einem Kunden zu fahren, deshalb brauche ich dein Auto“, erklärt sie, meinen unzufriedenen Gesichtsausdruck völlig ignorierend.

    Consti-Schätzchen nickt nur, verabschiedet sich mit einem Kuss von mir und steigt folgsam in den Schulbus.


    Ich dagegen sitze gleich darauf mit zitternden Händen auf dem Beifahrersitz neben Claudine.

    Sie fährt wie eine Irre, jedes Geschwindigkeitsgebot außer Acht lassend und so dauert es nur knapp 15 Minuten, bis wir in meinem Heimatort Niederfreisingen angekommen sind.


    Meine Eltern stehen schon erwartungsbereit auf der Treppe vor dem schmucken Gasthof parat. Papa in seinen unvermeidlichen zünftigen Lederhosen und Mami gekleidet in ein apfelgrünes, dirndlähnliches Hausfrauen-Outfit – DER Inbegriff ländlicher Gastronomen-Idylle.

    Scheu blicke ich Claudine von der Seite an. Was mag sie sich wohl in diesem Augenblick denken? Doch die hochmodern gestylte Karrierefrau neben mir zuckt nicht einmal mit der Wimper.

    Mit einem erfreut wirkenden Lächeln auf ihren Lippen steigt sie aus, geht unbekümmert auf meine Eltern zu und begrüßt sie so herzlich, als seien sie liebe, alte Bekannte.


    „Guten Tag, Frau und Herr Bichlmayr! Ich bin Claudine Saritz – wir haben gestern telefoniert. Wie nett, Sie nun auch persönlich kennenzulernen!“ höre ich Claudine in ihrer jovialsten Stimmlage sprechen.



    ... geht noch weiter...

    Das Glück bleibt mir für den restlichen Abend hold, denn als mich Claudine und Constantin nach Hause gebracht haben, stelle ich erleichtert fest, dass meine Eltern und Kevin gar nicht anwesend sind.

    Ein Notizzettel auf dem Küchentisch verrät mir ihren Aufenthaltsort.


    „Sind bei den Schönthalers – Hochzeit besprechen. Kann spät werden. Geh’ schon mal schlafen! Wir sprechen morgen“, steht da in Mamis zierlich-schöner Schrift.

    „Wir sprechen morgen“ – na, sehr verheißungsvoll klingt das ja nicht gerade für mich!
    Wenn ich bloß wüsste, was genau Claudine mit meiner Mutter geredet hat!
    Na ja, ist ja auch schon egal heute. Ich geh’ lieber mal schnell ins Bett, bevor die doch noch frühzeitig wieder auftauchen.

    Am nächsten Morgen lasse ich mir im Bad viel Zeit, so dass Mami und Papi schon weg sind, als ich am Frühstückstisch erscheine.

    Nur Kevin sitzt noch da bei einem gehäuften Teller mit Rühreiern und schaut mich prüfend an, als ich mich ihm gegenüber setze.


    „Was hast du da angerichtet, Jaqui? Unsere Regierung war gestern völlig aus dem Häuschen, als diese Frau da plötzlich angerufen hat“, teilt er mir kopfschüttelnd mit.

    Ich sehe ihm an, dass er zumindest nicht ganz im Unklaren darüber ist, was Claudine Saritz unseren Eltern mitzuteilen hat.


    „Willst du dir das echt antun, Schwesterchen? Man liest doch immer wieder, dass dieses Modelbusiness kein Honigschlecken ist!“

    „Blöder Hund! Was glaubst du eigentlich, für wen ich das mache?“ denke ich empört.


    „Lass mal, Kev’! Ich mische mich nicht in deine Sachen ein, also halt du dich bitte auch aus meinen Angelegenheiten raus. Verstanden?“ zische ich ihm zu, worauf er in Schweigen versinkt und weiter lustlos sein Frühstück vertilgt.


    Ich für meinen Teil hab’ genug und verzieh’ mich noch mal kurz auf mein Zimmer, um die Englisch-Vokabeln für den Test heute im Schnellverfahren durchzugehen.
    Gestern bin ich nicht dazugekommen, aber wenn ich meine Eltern von meinem „Nebenjob“ überzeugen will, sollten meine schulischen Leistungen zumindest nicht in den Keller absacken.

    ... geht weiter...


    Das erleichterte Lächeln auf meinen Lippen gefriert in Sekundenschnelle bis ganz tief unter den Nullpunkt.

    „Dann wissen sie also noch gar nichts von dem Vertrag?“ stammle ich entsetzt.


    Na toll! Da bin ich heute Abend ja mächtig im Erklärungsnotstand, warum eine wildfremde Frau in meinem Namen bei ihnen anruft und sich ein Treffen ausmachen will! Und das ausgerechnet in unserem „supercoolen, mega-stylishen“ Dorfgasthof! Kann es überhaupt noch schlimmer werden?!

    Claudine schaut mich so mitleidig an, als wäre ich ein geistig zurückgebliebenes Vorschulkind.


    „Aber Schätzchen! Wie stellst du dir das vor? Ich konnte deiner Mama doch nicht so rucki-zucki am Telefon mit der Tür ins Haus fallen! Sie ist eine sehr nette Frau, wenn auch ein wenig konservativ. Solche Leute halten das Model-Business für ein Vorstadium der Hölle – man muss deine Mutter und deinen Vater schonungsvoll darauf vorbereiten, dass du ab nun dazugehörst und das bespricht sich in diesem Fall am besten unter vier – nein sechs - Augen“, verteidigt Claudine mit energischer Wortgewandtheit ihr Versäumnis.

    Claudine hat das alles sehr verständnisvoll und freundlich ausgesprochen, doch aus irgendeinem Grund spüre ich, wie in mir ein trotziges Gefühl aufsteigt und mein Instinkt sich dagegen auflehnt, was Claudine über die so genannten „solchen Leute“ gesagt hat.


    Das rebellische Aufflackern in meinen Augen mitsamt dazugehöriger leicht hervortretender Zornesader auf meiner Stirn scheint ihr nicht entgangen zu sein.

    Ob sie es richtig gedeutet und kapiert hat, dass sie mich mit ihrer Aussage ziemlich verletzt hat?
    Ich weiß es nicht.

    Jedenfalls finde ich mich gleich darauf in einer beruhigend-versöhnlichen Umarmung wieder. „Sei doch nicht gleich eingeschnappt, Mädchen! Morgen treffen wir uns mit deinen Eltern und du wirst sehen: Es wird alles gut werden! Bald wirst du ein gefragtes Model sein und wir werden gemeinsam über diese kleinen Stolpersteine lachen!“


    Als noch dazu Constantin mich daraufhin wieder stürmisch auf die Couch zurück zieht und mich mit unzähligen, süßen Küssen überschwemmt, habe ich die kleine Missstimmung sehr schnell wieder vergessen.


    „So, jetzt müssen wir nur noch deine Eltern davon überzeugen, dass es gut für sie und für ihr kleines Mädchen ist, wenn sie den Vertrag unterzeichnen und damit ist die Sache dann geritzt!“

    Bevor ich überhaupt noch „Piep“ gesagt habe, arbeitet Claudine schon an der Ausführung ihres Plans und schnappt sich das Telefon.


    „Halt! Claudine!“ rufe ich dazwischen, weil ich denke, dass es sicher besser wäre, wenn ich selber meinen Vater und meine Mutter schonend über meine neuen Zukunftspläne aufkläre, doch Claudine gibt mir mit einer energischen Handbewegung zu verstehen, dass meine Anwesenheit während dieses Telefonats unerwünscht ist.


    Etwa 20 Minuten später – Constantin und ich sitzen unten gerade gemütlich zusammen auf dem Sofa (na ja, ich weniger gemütlich, sondern in stetig wachsender Nervosität, wie meine Eltern Claudines Anruf wohl aufnehmen)


    – als seine Mutter die Stiegen von ihrem Arbeitszimmer herunterstöckelt und sich mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck direkt vor uns aufbaut.


    Beide starren wir sie erwartungsvoll an und als sich ihr Mund zu einem breiten Lächeln ausweitet, wissen wir, dass es geklappt hat und ich nicht gleich geteert und gefedert werde, wenn ich heute Abend heimkomme.


    „Deine Mutter scheint eine wirklich patente, vernünftige Frau zu sein, Jaqueline. Natürlich war sie etwas durch den Wind, als ich mich vorstellte und ihr sagte, du bist gerade bei uns, aber wir haben gleich für morgen Nachmittag eine Verabredung getroffen – bei euch im Gasthof. Dein Vater wird auch anwesend sein. Sicherlich ist auch er neugierig darauf, was ich ihnen zu erzählen habe“, vermutet Claudine.


    ... geht noch weiter...

    UserGab637: Vielen, lieben Dank für den Mega-Kommi!
    Ja, mit den Kindern ist das so eine Sache (ich hab' zwar noch keine, aber ich bereite mich schon - in der Planungsphase in der ich momentan noch bin - auf einige "Kämpfe" vor. Weiß ja noch, wie ich selber früher war - gottseidank scheinen meine Mami und mein Papi meine "wilden Jahre" selektiv ausgeblendet zu haben *PUHH"!)


    So, und bevor ich irgendwie auf den weiteren Verlauf der Geschichte eingehe, schicke ich lieber gleich noch mal wieder 'ne weitere Fortsetzung hinterher...




    „Na gut, ich mach’s!“

    Ist das jetzt einer von jenen berühmt-berüchtigten Augenblicken, die ein Leben völlig verändern können?

    „Blödsinn! Was du schon wieder denkst! Du machst das eine Zeitlang mit und wenn du keine Lust mehr dazu hast, hörst du einfach wieder auf! Und bis dahin hast du genug Geld gescheffelt, damit sich deine Leute keine Sorgen machen müssen, wie sie dein Studium bezahlen werden!“ Die innere Stimme meldet sich manchmal eben doch in den richtigen Situationen.

    Claudine ist begeistert und drückt mich stürmisch an sich.


    „Toll, Schätzchen! Ich wusste doch gleich, dass du die Richtige für diesen Job bist!“

    „Jonas scheint da aber anderer Meinung zu sein“, teile ich meiner neuen Chefin vorsichtig tastend meine Bedenken mit.


    Claudine tut meine Bemerkung mit einem lapidaren Schulterzucken ab.


    „Mach dir um Jonas keine Gedanken! Er ist eine Diva und bildet sich ein, dass alle nach seiner Pfeife tanzen sollen. Haupteigentümer der Agentur bin aber immer noch ich – und ich habe vor, es auch zu bleiben!“


    „Trotzdem habe ich ein Anliegen an dich, Jaqueline! Deine Fotos sind wirklich super geworden, aber könntest du dir Mühe geben, in Zukunft ein bisschen enthusiastischer zu wirken? Vergiss nicht, dass du verdammt viel Geld mit diesem Job verdienen kannst und das sollte doch wirklich ein Anreiz für dich sein, nicht einen so gelangweilten Eindruck zu machen, oder? Und außerdem würdest du die Zusammenarbeit mit Jonas damit wesentlich erleichtern. Er findet dich wahnsinnig toll, gestört hat ihn nur, dass du dir bei den Aufnahmen eigentlich kaum Mühe gegeben hast“.

    Mit fast flehendem Gesichtsausdruck wartet Claudine auf meine Antwort.

    Meine erste Eingebung wäre, dass dieser Jonas sich dorthin verziehen soll, wo der Pfeffer wächst, wenn er meint, ich hätte mir keine Mühe gegeben.


    Gerade noch rechtzeitig, bevor mein Temperament mit mir durchgeht, schießt mir der Gedanke durch den Kopf, dass Jonas eigentlich nicht ganz unrecht hat: Ich habe bei den Probeaufnahmen bestimmt nicht mein Bestes gegeben – und genau das sollte bei einem Job, der einem bereits in der Anfangsphase 1.500 Euro nur dafür einbringt, dass man 3 Stunden lang in traumhaft schönen Kleidern posiert, eigentlich schon im Rahmen des Möglichen liegen.

    „Ich werde mir in Zukunft die größte Mühe geben, Claudine! Wenn ich das nächste Mal vor eurer Kameralinse stehe, wird’s Jonas gewaltig vom Hocker reißen!“


    Claudine lacht herzlich über meine komische Pose.


    „Davon bin ich überzeugt, meine Süße!“

    Dessen ungeachtet plappert sie unentwegt weiter.
    „Du müsstest nur ein bisschen vor ein paar Kameras herumhampeln und dich von allen möglichen Leuten begaffen lassen. Was bedeutet das schon? Für ein paar Mal Hüften schwingen und vor dich hin grinsen kassierst du ´ne Menge Kohle und kannst damit deinem Bruder aus der Patsche helfen!“

    „Die er sich selber eingebrockt hat!“ schreit meine äußere die innere Stimme boshaft an.


    Zum Glück ist Mami schon längst aus dem Zimmer, sonst müsste sie an meinem Geisteszustand ernsthaft zweifeln.

    Die innere Stimme ist wohl nie um eine Antwort verlegen!
    „Ja, natürlich ist Kevin selbst schuld, aber ist es nicht der Sinn von ‚Familie’, dass einer dem anderen hilft und unterstützt? Denk’ mal dran, was deine Eltern schon alles für dich getan haben! Immer haben sie zurückgesteckt, damit ihr Kinder auf nichts verzichten müsst! Und jetzt hast du ein Mal die Chance, ein bisschen was davon zurückzugeben! Wie kannst du in dieser Situation nur zögern?“

    Drei Tage später hält Claudine mir einen fertig aufgesetzten Vertrag unter die Nase, auf den nur noch einer meiner Erziehungsberechtigten seine Unterschrift setzen muss.


    Und dazu drückt sie mir ein paar Geldscheine in die Hand.
    „Dein Anteil, Jaqueline! Ich hab’ deine Probeaufnahmen einem Teenager-Magazin gezeigt und die waren so begeistert davon, dass sie gleich ein paar Fotos in ihren Modeteil aufgenommen haben.“


    SCHLUCK!
    In der Ausgabe, die kommende Woche erscheint, werde ich auf einer Doppelseite abgelichtet zu sehen sein!


    Für alle Welt! Oder zumindest für den Teil der Welt, der sich dieses Heftchen kauft.

    Wie konnte Claudine das nur veranlassen, ohne mich zu fragen?


    Gerade will ich erbost Einwand erheben, als mein Blick verstohlen auf die glatten, neuen Scheinchen in meiner Hand fällt.


    1.500 EURO!
    Das ist bestimmt mehr, als mein Bruderherz in einem ganzen Monat bei einer 40-Stunden-Woche verdienen würde – vorausgesetzt, er fände nach dem Abi überhaupt einen Job, was in unseren heutigen Zeiten ja nicht gerade eine sichere Sache ist!

    Hey... weiter geht's. Ist diesmal wahrscheinlich nicht so spannend - eher nur innerer Monolog bzw. Gewissenskonflikte seitens Jaqui, aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem.



    Eine Frage habe ich aber noch, bevor Mami meine Räumlichkeiten wieder verlässt. „Denkst du echt, dass das mit Kevin und Babsi hinhauen wird?“

    Dafür, dass sie gestern bei der Verlobungsfeier so hingerissen glücklich ausgesehen hat, zögert Mami heute morgen ganz schön lange mit ihrer Antwort.

    „Ich weiß, dass dir das stinkt, Jaqui, aber ich glaube doch, dass die beiden sich ganz gut verstehen werden. Wenn Babsi erst mal Mutter ist, wird sie auch ein bisschen reifer werden. Und Kevin? Er ist jetzt schon ein so verantwortungsbewusster Mann, er wird gut für seine kleine Familie sorgen. Leid tut mir nur, dass er jetzt nicht studieren kann, so wie er das eigentlich wollte. Aber Vati und ich können uns das nicht leisten: Den verheirateten Sohn auf die Uni schicken und seine Frau und sein Kind miternähren. Der Gasthof wirft grade genug ab, damit wir vier halbwegs angenehm leben können, zwei zusätzliche Personen in der Familie würden ein ganz schönes Loch in unsere Finanzen reißen. Und Babsis Eltern sind ja auch nicht gerade begütert – da ist auch nicht mit viel Unterstützung zu rechnen.“

    Mami streichelt mir zärtlich über die Wange.


    „Und du wirst ja schließlich nach dem Abi auch zur Uni gehen. Es ist schon gut so, wie wir es gestern besprochen haben: Nach der Hochzeit werden Kevin und Babsi in das kleine Häuschen ziehen, das Opa uns hinterlassen hat und ihr eigenes Leben führen. Kevin sucht sich gleich nach dem Abi einen Job und wenn das Kind erst mal größer ist, kann Babsi auch arbeiten gehen.“


    Richtig flau wird mir aber erst im Magen, als ich erfahre, dass Babsi nicht zum Abi antreten wird, sondern die Schule noch vor den Weihnachtsferien schmeißt, um sich auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter vorzubereiten.

    Wie kann man mit 18 Jahren bloß so sein Leben wegwerfen?


    Sie könnte ja noch ein paar Monate länger zur Schule gehen und die Prüfungen nach der Geburt des Babys nachmachen! Aber was ich von Ulli so weiß, ist deren große Schwester ohnehin keine Leuchte gewesen und hat sich beim Lernen immer schon schwer getan: Der Welt geht also keine Wissenschafterin verloren, weil Babsi die Schule abbricht.

    Bei Kevin ist das was anderes!
    Na ja, ein Genie ist er auch nicht gerade, aber bei allem was mit Computern zu tun hat, ist mein Bruder ein wahres Ass!
    Ein Informatik-Studium wäre also genau das Richtige für ihn. Wenn er damit fertig ist, würde er bestimmt einen hochbezahlten Job in der EDV-Welt finden und könnte seiner Familie ein viel besseres Leben bieten als wenn er gleich nach dem Abi irgendeinen minderen Job in irgendeinem mickrigen Büro oder so annimmt.

    Claudines Worte fallen mir plötzlich wieder ein.


    „Ich denke, ihr seid ohnehin nicht sehr begütert, was glaubst du, wie dankbar dir deine Eltern sind, dass du ihnen nicht weiter auf der Tasche liegst, sondern sie im Gegenteil sogar finanziell unterstützen kannst?!“

    Zugegeben: Ich habe mir nie großartig Gedanken darüber gemacht, wie hart meine Eltern dafür schuften müssen, um uns ein angenehmes Dasein bieten zu können, doch jetzt, wo sozusagen das Lebensglück meines Bruders vom Familieneinkommen abhängt, werde ich ziemlich nachdenklich.

    „DU, Jaqueline, DU könntest viel dazu beitragen, damit es deinen Eltern und deinem Bruder besser geht, damit Kevin seinen Lebenstraum nicht aufgeben muss!“


    Da! Schon wieder diese verdammte innere Stimme!

    Langsam beginne ich, sie zu hassen.


    ... geht gleich noch weiter...

    Wunderschön... deine Story!
    Angefangen von Aussehen der Charaktere, über die Thematik, die wirklich mal was ganz anderes ist und sich schon mal sehr interessant anliest, bis zu deinem Schreibstil, der mir sehr gut gefällt.
    Mit einem Wort: Du hast mich mit dem Anfang deiner FS ziemlich beeindruckt und ich werde sicher dranbleiben und weiter mitlesen.


    LG, Amber

    Erstmal danke für die Kommis, die ihr liebenswerterweise immer so schnell für meine Fortsetzungen parat habt! :applaus


    Dann nochmals danke, dass ihr immer so ausführlich schreibt und die Teile immer so interessant kommentiert - ist echt eine Freude für mich, die Kommis zu lesen.


    Zum weiteren Verlauf der Geschichte möchte ich noch nicht viel sagen, außer dass Jaquelines Eltern noch viel Stress mit ihren Nachkömmlingen bevorsteht.
    ;) Wie ihr vielleicht schon gemerkt hat, ist Jaqui insgeheim der Modelsache doch nicht ganz so abgeneigt, wie sie vielleicht den Anschein erwecken möchte...


    Und damit: AUS!!!

    Liebe Grüße und noch'n schönen Abend!


    Später, als wir nebeneinander auf der bequemen Couch in meinen Gemächern sitzen, mustert mich Mami neugierig, sagt aber kein Wort.

    Es kostet mich ganz schön Überwindung, die Mappe, die Constantin mir gestern übergeben hat, herzunehmen und zu einer wohl gefeilten Rede anzusetzen.

    „Wo fange ich jetzt am besten an?“ Erst als Mami lächelnd erwidert „Am besten am Anfang, Schneckchen“, begreife ich, dass ich das laut ausgesprochen habe.


    Und auf einmal sprudeln die Worte aus meinem Mund hervor wie ein Wasserfall. Ich rede, fast eine halbe Stunde lang, ohne Punkt und Komma.

    Als ich fertig bin mit meinem Bericht, muss ich erstmal Atem schöpfen. So! Jetzt weiß Mami alles!
    In meiner Erzählung habe ich kein, noch so klitzekleines Vorkommnis der letzten Wochen ausgelassen.

    Jetzt weiß meine Mutter sowohl über den verwirrenden Kuss von Matti auf der Grillparty, als auch über meine zaghaften Schritte ins Modelbusiness und sogar über meine Gefühle zu Constantin Bescheid!
    Auf einer Seite bin ich unendlich erleichtert, dass nun alles raus ist und ich keine Geheimnisse mehr mit mir herumtragen muss, auf der anderen Seite erwarte ich voller Bange Mamis Reaktion.



    Gottseidank! Mami wirkt zwar etwas verwirrt, aber zumindest scheint sie nicht böse auf mich zu sein.

    „Mein Gott, Spätzchen! Warum erzählst du mir das alles erst jetzt? Habt ihr Kinder denn gar kein Vertrauen zu mir und Papa?“

    Ich druckse ein bisschen herum.
    Mami sieht mich nur aufmunternd an.


    „Na ja, jetzt weiß ich ja Bescheid. Und ich muss dir bei all den Sachen nur eins sagen: Obwohl ich finde, du hättest wirklich das Aussehen dafür und das Zeug dazu: Ich bin mächtig froh, dass du dich dagegen entschieden hast, Model zu werden!“

    Vertrauensvoll drückt Mami mich an sich.




    Mhm, das tut gut, doch ganz wohl ist mir nicht bei der Sache. Natürlich habe ich meiner Mutter gesagt, dass das mit dem Modeln nix für mich ist, aber… - diese Hirngespinste, die mich schon seit zwei Wochen verfolgen, lassen sich nicht so einfach abschalten…


    Mami ahnt nichts davon. Wie sollte sie auch? Ich habe ihr ja schließlich gesagt, dass das Thema „modeln“ für mich abgeschlossen wäre!

    „Schön, dass du einen Freund hast, Spätzchen!“ lächelt Mami. „Solange du nicht so unüberlegt handelst wie dein Bruder und Babsi, habe ich keinerlei Einwände Übrigens: Hast du ein Foto von deinem Constantin?.“

    Ja, klar hab’ ich! Mehrere sogar! Aufgenommen in allen erdenklichen Situationen!

    Mami bekommt von mir allerdings nur das seriöseste der gesamten Bilderreihe zu sehen.


    „Uihh! Der ist ja wirklich ein Süßer! Da kann ich dich gut verstehen, Spätzchen! Lad’ ihn doch bald mal zu uns ein, hm? Was hältst du davon?“

    Constantin! Bei mir zu Hause!? Geht nicht! Geht ÜBERHAUPT nicht!

    „Mach’ ich, Mami“, flüstere ich und nicke, obwohl ich genau weiß, dass dieser Besuch nie stattfinden wird.

    Wieder eine Nacht, in der ich kaum ein Auge zutun kann!
    Sag ich es Mama? Warte ich lieber noch damit? Wie sage ich es ihr? Wann sage ich es ihr?

    Das Schicksal scheint mir hold zu sein, denn just, als ich am nächsten Morgen, nach nur 2 Stunden Schlaf ziemlich zerstört in die Küche wanke, um meinen knurrenden Magen zu besänftigen (man erinnere sich: Wegen dem misslungenen Versuch, Kevin aufzubauen, bin ich auch gestern Abend nicht mehr zum Essen gekommen!), sitzt da schon Mami im Nachthemd bei einem Toast.



    Allein!





    „Morgen Mami!“ murmle ich bedrückt.


    Soll ich was sagen oder lieber nicht? Der Zeitpunkt wäre günstig!









    „Ist was, Schneckchen? Du wirkst so traurig!“ fragt Mami ganz lieb.


    Los, Jaqueline! Sei kein Feigling! Jetzt oder nie!


    Ich hebe den Blick und schaue meiner Mutter fest in die Augen.
    „Kommst du nachher mit in mein Zimmer, Mami? Ich möchte dir was zeigen!“

    So, der Anfang ist mal getan und jetzt kann ich keinen Rückzieher mehr machen!


    „Is’ nu’ mal was Dummes passiert, aber musst du sie wirklich gleich heiraten?“ frage ich verständnislos.

    Kevin seufzt auf und versucht, mir in der nächsten halben Stunde seine Ansicht von Verantwortung und männlicher Standhaftigkeit zu erklären.

    Nach seinem Monolog – übrigens die längste zusammenhängende Rede, die ich je aus dem Munde meines Bruders gehört habe – kapier’ ich immer noch nichts, außer dass es den Anschein macht, als würde diese Ehe nicht unbedingt die glücklichste werden.

    Doch Kevin weiß es ja wieder einmal besser.
    „Ich werde mich jedenfalls anstrengen, um meiner Frau und meinem Kind ein schönes Heim bieten zu können! Und deshalb werd’ ich nach dem Abi auch nicht studieren, sondern mir gleich einen Job suchen, damit ich meine Familie ernähren kann!“

    „Aber Kev’! Du wolltest doch immer Informatik studieren! Seit Jahren schon ist das dein größter Traum!“ rufe ich entsetzt dazwischen.

    Wieder lässt Kevin einen Seufzer los, als wäre er 80 und nicht 18 Jahre alt und würde die gesamte Weisheit und Verantwortung der ganzen Welt auf seinen Schultern tragen.

    „Ach Jaqui! Ich weiß, du meinst es gut, aber manchmal muss man seine Träume eben zurückschrauben und hintenanstellen. Das hast du noch nicht kapiert – wirst du aber! Jetzt denkst du noch, das Leben wäre ein Spiel. Ist es aber nicht! Das Leben ist bitterer Ernst und man muss lernen, für das einzustehen, was man getan hat.“

    Kevin scheint die Weisheit in letzter Zeit mit Löffeln gefressen zu haben und ich will schon auflachen, als er mich so ernst und eindringlich ansieht, dass mir jegliches Grinsen vergeht.


    Weiß er irgendwas? Will er mir irgendwas sagen mit seinen salbungsvollen Worten?


    Klar, er hat bestimmt meine Knutschereien mit Constantin im Schulhof auch nicht übersehen, aber wir sind schon als kleine Kinder stillschweigend übereingekommen, einander niemals vor den Eltern zu verpetzen.

    „Na komm schon her, du hehrer Familienvater!“ fordere ich ihn auf und breite meine Arme in seine Richtung aus.


    Eine ganze Zeit lang stehen wir so aneinandergedrückt da und ich spüre zum ersten Mal eine tiefe Bewunderung, die ich früher nie empfunden habe, für meinen Bruder.

    Bevor sich unsere Wege für diesen Abend trennen und sich jeder wieder auf sein Zimmer und in seine eigene Gedankenwelt zurückzieht, lässt Kevin noch eine Bemerkung fallen, die mich nicht wenig erstaunt.

    „Ich würd’ es Mama langsam sagen, Jaqui!“


    Nur dieser eine, kurze Satz, dann dreht er sich um und verschwindet in seiner Klause.


    Mama sagen? Was weiß Kevin wirklich?
    „Wahrscheinlich mehr als du glaubst!“ stört mich meine innere Stimme wieder mal in meinen Überlegungen und wieder einmal muss ich ihr recht geben.


    Ja! Ich sollte Mama in die Ereignisse, die in den vergangenen Wochen in meinem Leben vorgefallen sind, einweihen! Aber… - würde sie mich auch nur ansatzweise verstehen wollen?

    Ich hoffe, jetzt wird's nicht zuuu moralisch...




    Am Abend, Babsi hat sich – ganz brave, anständige Braut, die sie nun ist – nach Hause verzogen, Mami und Papi sind in den Gasthof abgedampft, wage ich mich wieder aus meiner selbsterwählten Abgeschiedenheit hervor.

    Na ja, eigentlich plagt mich der Hunger. Nach dieser Hiobsbotschaft könnte ich was Kräftiges vertragen.

    Kevin habe ich eigentlich in seinem Zimmer vermutet, vorm Computer, wo er eigentlich immer steckt, wenn Mami und Papi nicht zuhause sind.
    Deswegen bin ich einigermaßen verblüfft, als ich ihn, in Gedanken versunken, auf der Couch im Vorzimmer sitzen sehe, gehüllt in den obligaten Trainingsanzug.


    Nanu! Sieht so etwa ein glücklicher Bräutigam aus?

    Ein wenig verlegen und ziemlich hilflos betrachte ich meinen Bruder eine Weile, ohne dass er mich überhaupt zu bemerken scheint.


    Irgendwie ist er ja ganz niedlich und er wirkt in diesem Augenblick so verletzlich. Ich denke mal, er könnte jetzt ganz gut jemanden zum Reden gebrauchen, also rücke ich – liebevolle Schwester die ich bin – mitfühlend an seine Seite.


    „Was machst’n für’n Scheiß, Brüderchen?“



    Na ok! Vielleicht lässt sich ein anständiges, zartfühlendes Trost-Gespräch anders an, aber die Frage kann ich mir einfach nicht verkneifen.


    Ich merke ihm an, dass er schon aus der Haut fahren will, doch dann sinkt er plötzlich wieder in sich zusammen wie ein alter, schrumpliger Luftballon.


    Hmm! Also doch alles nur Show, das Getue vom verliebten zukünftigen Ehemann und Vater!

    „Los, Jaqueline! Sag was Nettes!“ zwingt mich meine innere Stimme zur Beherrschung, als Babsi, überwältigt von der allgemeinen Rührung, mit offenen Armen auf mich zudackelt.


    Irgendwie bringe ich es fertig, meiner baldigen, neuen Anverwandten ein Lächeln zu schenken und etwas in der Art von „Herzlichen Glückwunsch“ hervorzustoßen. Ob es überzeugend gewirkt hat? – Keine Ahnung!



    Jedenfalls gibt Babsi sich damit zufrieden und auch der Rest der Familie schwelgt so in Hochzeits- und Baby-Vorfreude, dass es eh keinem auffällt, dass mir das Ganze mächtig gegen den Strich geht.


    Als mein Bruder und seine Braut sich dann unter dem Vorwand eines Verlobungskusses abknutschen wie die Wilden – übrigens ist da ganz viel Spucke im Spiel, wie ich entsetzt feststellen muss – und Mami zu diesem Spektakel noch einen romantisch-sehnsüchtig-verzückten Seufzer drauflegt, weiß ich, dass mein Zeitpunkt gekommen ist, einen Abgang zu machen, bevor mir das große Kotzen kommt.


    Ich schließe mich in meinem Zimmer ein und bin wütend, einfach nur rasend wütend, stinksauer, total angepisst.




    Vor ein paar Wochen noch, an dem verhängnisvollen Grillabend, hält Mami mir noch einen moralischen Vortrag, nur weil sie irgendwo aufgeschnappt hat, dass ein gewisser Constantin Saritz mir nicht ganz gleichgültig ist und wenn mein Bruder, der nur zwei Jährchen älter ist als ich, die Nachbarstochter schwängert und sich von ihr im zarten Alter von 18 vor den Traualtar schleppen lässt, ist alles Friede, Freude, Eierkuchen!

    Und ich, ich hab’ es bisher noch nicht einmal gewagt, zuhause überhaupt anzumerken, dass ich jetzt einen Freund habe! Und zwischen uns ist nicht mal ein Bruchteil dessen passiert, was Kevin und Babsi miteinander offensichtlicher weise angestellt haben!

    Doch da wartet eine Überraschung auf mich, von der ich, hätte man mir dies gesagt, nicht geglaubt hätte, dass es wahr sein könnte.
    Aber nun sehe ich es mit meinen eigenen Augen – und glaube es immer noch nicht!


    Die Eltern und Kevin essen zu Abend, das ist ja an und für sich eine Angelegenheit, die in unserem Hause nicht unüblich ist. Ganz im Gegenteil: Im Hause Bichlmayr wird oft, gut und gerne gegessen!

    Was dagegen neu ist: Mit am Tisch sitzt Babsi! Jawohl! Babsi Schönthaler! Ullis ältere, ziemlich intelligenzlose Schwester!


    „Tag allerseits!“

    Man scheint mich, durch das allgemeine Gelächter hindurch, erst jetzt zu bemerken, dabei habe ich schon Minuten fassungslos an der Küchentür gestanden und mich gefragt, was diese kleine Party eigentlich bedeuten soll.

    Irgendeine Festlichkeit findet hier jedenfalls statt, das ist nicht zu übersehen.
    Sonst hätte Mami sich nicht in ihr kleines Schwarz-Weißes gezwängt, Papa und Kevin würden, wie sonst auch, im Trainingsanzug und nicht in ihrem feinsten Zwirn herumhängen und Barbie würde statt einem niedlichen Hängekleidchen eines ihrer gewohnten freizügigen Fetzchen tragen.


    „Oh, hallo Jaqueline! Komm, setz dich zu uns!“, begrüßt mich Mami und in den folgenden Minuten werde ich ausführlichst darüber aufgeklärt, was der Anlass für dieses Hauskränzchen ist.


    Mein Bruderherz ist stolzer, jubelnder Bräutigam! Er, der bis vor kurzer Zeit noch überhaupt kein Mädchen angeschaut hat! Und das mit 18 Jahren!


    Babsi spielt das verlegene, zart errötende Bräutlein und teilt mir freudestrahlend mit, dass die Hochzeit bereits in 5 Wochen stattfinden werde.

    „Bevor man es halt sieht“, kichert meine zukünftige Schwägerin kindisch vor sich hin und schenkt ihrem jugendlichen Gatten in spe einen schwärmerischen Blick aus großen, unschuldigen Blau-Augen.


    Danke, das reicht!
    Ich weiß Bescheid. So schamhaft, wie Babsi sich grade benimmt, scheint sie in der letzten Zeit allerdings nicht gewesen zu sein!


    Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben!

    Hey, ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr hineingerutscht und heute nicht allzu sehr verkatert!
    Viel Spaß mit meiner neuen Fortsetzung, auch wenn sie diesmal eher von nebensächlichen Ereignissen handelt.




    Also, wenn ich ganz ehrlich bin… - ich find’ mich auf den Fotos ziemlich heiß! Ob Constantin doch nicht ganz unrecht damit hat, dass ich ab und zu mal ´n bisschen was aus meinem Look machen sollte?

    Aber wozu eigentlich? Ich mein’, die Foto-Mappe ist zwar toll geworden, aber ich denke mal, der Model-Traum ist für mich ausgeträumt, denn das was der schöne Jonas da nach den Probeaufnahmen von sich gegeben hat, klang nicht danach, als ob man einen Vertrag mit mir abschließen wolle.


    HALT! Was spinne ich mir da schon wieder zusammen? Ausgeträumt? Was heißt ausgeträumt? Ich hatte ja gar nicht den Wunsch, Model zu werden! Nie und nimmer!


    Oder doch? Ach wo! Nur weil Claudine mir den Floh ins Ohr gesetzt hat und Constantin dauernd davon faselt…!?

    Schließlich bin ich ein ganz stinknormales 16-jähriges Mädchen vom Dorf und kein Jet-Set-Girl, das dauernd sexy-gestylt und mit 5 Kilo Make-Up im Gesicht herumläuft. Nö, das ist nicht meine Welt! Der Mode-Welt sage ich „Adieu“, noch bevor ich überhaupt darin eingetaucht bin.

    Und vielleicht schminke ich mich in Zukunft ab und zu mal und ziehe was „Weiblicheres“ an – aber nur wegen Constantin und nicht wegen „Saritz & Co“ oder sonst wem!


    So! Der Entschluss ist gefasst!
    Und jetzt werd’ ich nach Hause fahren und mir mal wieder ein bisschen Bichlmayr’sches Familienleben zu Gemüte führen.



    In den vergangen Wochen war ich eh dauernd nur mit Constantin unterwegs, meist bis spät am Abend. Ein wenig Abstand kann manchmal wieder bereinigend auf eine Beziehung wirken und schließlich soll sich mein Schatz ja nicht gleich zu sehr an mich gewöhnen. Kann mit der Zeit schnell langweilig werden, hab’ ich mir sagen lassen.

    Also, ab nach Hause an diesem Freitag Nachmittag!

    Die Betonung liegt auf WAR.


    :applaus


    Trotzdem, mal ehrlich: Welches männliche Wesen würde sich nicht in seinem Selbstwertgefühl unendlich gesteigert fühlen, wenn er sagen könnte: Meine Freundin ist ein Model!?


    Und eigentlich ist es ja ganz süß, wenn der Mann an deiner Seite stolz drauf ist, wenn du gut aussiehst, dich chic herrichtest und so - aber man kann's auch übertreiben!
    Und welche Frau möchte schon nur ein Vorzeigepüppchen sein?
    Ich zieh mich ja auch ganz gern schön an und lege einen gewissen Wert auf Styling - ist ja nicht unwichtig heutzutage - doch trotzdem ist mir das Kompliment "du hast ganz schön was im Kopf" wesentlich lieber als "du hast ganz schön Holz vor der Hütte".


    Naja, ich komme schon wieder vom eigentlichen Thema ab!
    Constantin scheint ja momentan auch ziemlich verliebt in Jaqueline zu sein und Matti ist noch stinkiger als je zuvor :angry (ob sich das je wieder ändert?)


    LG, Amber!

    In den nächsten zwei Wochen höre und sehe ich nichts von Constantins Mum oder von ihrer Agentur.
    Na gut, ist mir nur recht so.
    Auch Constantin erwähnt Claudine mit keinem Wort und er lädt mich auch nicht mehr zu sich nach Hause ein.

    Übrigens gelten wir jetzt in der Schule als fixes Pärchen! Manche freuen sich für mich, die meisten – zumindest der weibliche Teil meiner Klassengemeinschaft – erblasst jeden Tag, wenn Constantin und ich am Schulhof herumknutschen, aufs Neue vor Neid.


    Und dann gibt es da noch jemanden, der wortlos, mit starrem Blick an uns vorbei sieht, als wären wir aus Glas.


    Seit jenem verhängnisvollen Abend des Bichlmayr’schen Grillfestes hat Matti kaum ein Wort mit mir gesprochen und Constantin konnte er sowieso nie leiden, also bin ich für Matti inzwischen Luft. Nein, noch weniger als Luft! Genau genommen bin ich für meinen ehemals besten Freund nicht einmal mehr existent.

    Ich kann nicht behaupten, dass ich jetzt den ganzen Tag nur heulen könnte wegen dieser Sache, aber insgeheim trifft es mich schon ziemlich arg, dass die Freundschaft zwischen Matti und mir so plötzlich zerplatzt ist.
    Und das nur, weil wir jetzt 16 sind und mit 16 Freundschaft allein eben nicht genug sein kann!
    Was hat Matti sich eigentlich erwartet? Dass ich niemals eine Beziehung haben werde, nur damit unsere Freundschaft nicht gestört wird? Können wir nicht andere Menschen lieben und trotzdem Freunde sein?

    Das Blödeste an der ganzen Sache ist: Ich kann mit niemandem darüber reden! Ulli würde sich einen Ast ablachen, wenn sie erfährt, dass Matti mich mal geküsst hat und Constantin tut das Ganze sowieso nur als „Kleinkinderkram“ ab.

    Mit Constantin und mir läuft es ganz gut – eigentlich immer besser.

    Er ist aufmerksam, liebevoll, wir unternehmen fast jeden Tag nach der Schule was miteinander, er hat auch keine Scheu, seine Gefühle in der Öffentlichkeit zu zeigen – eigentlich ist alles perfekt zwischen uns.

    Es gibt da nur eine klitzekleine Kleinigkeit, die ich manchmal ziemlich merkwürdig finde: Constantin will mir dauernd Tipps für mein Aussehen geben!
    So à la: „Weißt du, Süße, trag doch mal grünen Lidschatten auf, das fände ich echt heiß. Du hast so tolle Augen, die solltest du mal richtig zur Geltung bringen!“ – so was in der Art halt. Irgendwie find’ ich’s ja auch süß! Ich meine, ganz normal ist das ja nicht, aber Constantin ist schließlich mit dem ganzen Mode-Krims-Krams aufgewachsen, da ist es ja nachvollziehbar, dass er ein besseres Auge dafür hat als andere Jungs.


    Aber heute hat er echt den Vogel abgeschossen!
    Also so was! Unglaublich!
    Wir warteten nach der Schule darauf, dass mein Bus endlich daher kommt und ich freute mich darauf, noch’n bisschen herumzuknutschen, da schaut er mich auf einmal so von oben bis unten an – ganz skeptisch irgendwie – und sagt dann lapidar: „Hast du eigentlich keine Klamotten im Schrank, die etwas besser zeigen, dass du eigentlich ein weibliches Wesen bist?“


    Ähm – wie bitte? Ich glaub’, ich hab’ mich verhört!
    Was ist falsch an meinem Outfit?


    Na ja, ich weiß, dass mein Look mit einem Hauch von Punk-Style nicht mehr der letzte Schrei ist, aber ich fühl’ mich halt wohl in meinen Sachen und es muss ja nicht jeder wie eine Barbiepuppe herumrennen. Tussis gibt’s ohnehin wie Sand am Meer!

    „Jetzt sei nicht gleich eingeschnappt! Ich dachte mir nur, als Model musst du halt einen gewissen Stil haben“, kontert Constantin.

    Ich verdrehe genervt die Augen. Jetzt fängt DAS wieder an!
    „Wie oft muss ich eigentlich noch sagen, dass ich kein Model bin und nie eines sein werde!?“

    Constantin grinst von einem Ohr zum anderen. „Denkste? Dann schau dir mal das an!“

    Er hält mir eine kreischend bunte Mappe unter die Nase. Was soll’n das nun wieder sein? Na, bin ich ja mal gespannt.

    „Jaqueline“ steht mit goldgeprägten Lettern auf dem Samtumschlag des Ordners.


    Echt niedlich!
    Schenkt Constantin mir jetzt mein persönliches Poesiealbum, oder was?

    Ich schlage die erste Seite auf und entgegen blickt mir: MEIN EIGENES GESICHT – in zig-facher Ausfertigung und immer in verschiedenen Varianten.


    „Voila! Deine Booking-Mappe!“ verkündet Constantin stolz.

    Ich bin völlig baff vor Staunen. Die Bilder sind echt geil geworden!
    Bin das etwa wirklich ICH?

    Hallo! Hoffe ihr habt Weihnachten schön verbracht und genießt die Feiertage - so wie ich.
    Viel Spaß mit der nächsten Fortsetzung.


    Jonas will mich also nicht, nicht wirklich zumindest. Schön und gut! Schließlich war es ja schließlich nicht ICH, die ganz versessen auf dieses blöde Shooting war.
    Die wussten ja schließlich ganz genau, dass ich Anfängerin bin und DIE haben mich erst dazu überredet, bei diesem Zirkus mitzumachen – nur damit das mal ganz klar gestellt ist!

    Draußen auf dem Parkplatz blenden die Scheinwerfer eines Wagens auf und eine Autotür fällt knallend ins Schloss.
    Constantin!
    Hastig springe ich auf, eile grußlos an Claudine und Jonas vorbei, die mir völlig verwundert nachgaffen und werfe mich vor der Eingangstür direkt in Constantins Arme.


    Nicht grade als ein Häufchen Elend, doch immerhin doch ganz schön mitgenommen.


    „Na, Süße! Du siehst ja ganz schön erledigt aus. Ich sehe schon, meine Mum hat ganze Arbeit geleistet.“

    Er grinst! Wie kann er jetzt bloß grinsen, wenn ich mich fühle, als in eine Wäscheschleuder gesteckt und etwa 150-mal durchgemergelt?

    „Jetzt lach du doch nicht auch noch über mich, Constantin“, entgegne ich völlig schlapp.

    „Ich lach’ doch nicht über dich, Baby!“ Constantin schließt mich ganz zärtlich in den Arm und mit einem Schlag erwachen meine Lebensgeister wieder. Das ist genau das, was ich jetzt gebraucht habe. Ein bisschen Trost und menschliche Wärme – und das noch dazu von Constantin! Also, so was tut ein Junge ja nur, wenn er wirklich verliebt ist, oder?


    „Weißt du, dass ich mächtig stolz bin? Meine Freundin ist ein Model“, flüstert er mir andächtig ins Ohr.

    „Meine Freundin“ – wie schön das klingt!

    Trotzdem kann ich mir einen leisen Seufzer nicht verkneifen.
    „Du bist lieb! Aber ich werd’ bestimmt kein Model sein.“


    „Doch, das wirst du!“ entgegnet Constantin bestimmt und bei dem leidenschaftlichen Kuss, den er seinen Worten folgen lässt, vergesse ich glatt die Frage, die mir eigentlich schon auf der Zunge lag: Die Frage danach, was ihn da so sicher macht und warum dies so wichtig für ihn ist.