Beiträge von amber1980

    CokiePlay: Wow, dankeschön! Freu mich, wenn's dir gefällt!


    dropdead: Na ja, ich kenn mich in der Mode-Welt ja überhaupt nicht aus und weiß deshalb nicht so Bescheid wegen Vertragsbrüchen und so..., aber Claudine und Jonas denken halt: Jaqui ist jung und beeinflussbar, mit der kann man eh alles machen und so haben sie's mal versucht.
    Aber Jaqui hat sie ja eines Besseren belehrt und die zwei werden noch schön blöd schauen.


    Wahrscheinlich ist meine Story nicht immer besonders realistisch (siehe "berühmter Designer, der sich auf Anhieb an unscheinbares Mädel, ein unbeschriebenes Blatt in der Modewelt erinnern kann" - Den Vergleich mit dem Dinosaurier fand ich wieder genial von dir!), aber es ist halt nur eine Geschichte und da kann ALLES passieren.


    Lg, Amber

    „Cronshagen-Harrach“, meldet sich unvermutet eine sonore, männliche Stimme. Ich schlucke. Damit hätte ich nicht gerechnet.


    „G…guten Tag…!“ Fang jetzt bloß nicht an zu stottern, Jaqui, du Depp!
    Ich nehme all meinen Mut zusammen und gebe mir die größte Mühe, ein paar zusammenhängende, klare Sätze hervorzubringen. Ich brauche mich ja von Claudines und Jonas’ Schwärmerei nicht anstecken zu lassen! Dieser Veith Cronshagen-Harrach ist ja schließlich auch nur ein Mensch!


    „Guten Tag“, wiederhole ich mit fester Stimme. „Mein Name ist Jaqueline Bichlmayr. Das wird Ihnen jetzt nicht viel sagen, aber ich habe ein wirklich wichtiges Anliegen.“

    „Doch, doch, junge Dame! Ich weiß schon, wer Sie sind“, tönt mir die tiefe Stimme, mit einem leicht amüsierten Unterton entgegen, „Sie sind der neueste Fang von ‚Saritz & Co’ und kein schlechter, wenn ich das so sagen darf.“

    Hoppla! Dieser berühmte Mensch scheint ja außer einer ausgeprägten Kreativität auch noch ein enorm leistungsfähiges Gedächtnis zu haben! Oder sind ihm Claudine und Jonas so sehr auf die Pelle gerückt, dass er sich meinen Namen einfach merken MUSSTE?
    Ich halt’s für sehr wahrscheinlich!
    Jedenfalls bin ich schwerst ergriffen – und bringe deshalb nicht mal mehr ein simples „Ah“ oder „Oh“ heraus.


    Mann o Mann! Was bist du bloß für ´ne taube Nuss, Jaqui? DU hast den Typen schließlich angerufen! Jetzt kannst du doch nicht auf einmal am Telefon die große Schweigerin spielen!

    „Sind Sie noch dran, Fräulein Bichlmayr? Wenn ja, dann verraten Sie mir doch Ihr wichtiges Anliegen!“ Bei jedem anderen hätte ich diese Worte als ironisch empfunden, doch die sympathische Stimme lässt mich aufatmen und wieder lockerer werden.
    Sie klingt irgendwie – väterlich, vertrauenseinflössend und lässt mich meine Scheu überwinden.

    Auf einmal sprudeln die Worte aus mir heraus wie aus einem zungenfertigen Prediger.


    „Gestern Abend hat Claudine Saritz mir erzählt, Sie würden mich gerne kennenlernen. Ich finde das echt toll! Ne, wirklich, das ist voll geil! Ich meine, ich möchte Sie ja auch gerne kennenlernen. Die Klamotten, die Sie entwerfen, sind der Wahnsinn! Und Ihre Shows sind sicher spitzenmäßig und ich würd’ ja auch sehr gern hinkommen, nur bloß…: Nächsten Samstag geht es nicht…!“

    So! Und jetzt steh’ ich wahrscheinlich als der Voll-Depp der Nation da! Veith Cronshagen-Harrach wird sich über mich zerkugeln. Claudine und Jonas werden stinke-sauer auf mich sein und Constantin wird mich nie wieder eines Blickes würdigen – weil ich mich gerade völlig lächerlich gemacht habe.

    „Und warum geht es nicht, Fräulein Bichlmayr? Haben Sie den Disco-Abend mit Ihren Freunden schon im Voraus geplant?“

    Ich wusste es! Jetzt verarscht er mich! Hab’ ich wahrscheinlich auch verdient. Ich hätte das Ganze diplomatischer angehen sollen – mehr so auf „süßlich-schleimend“, nicht so direkt! Oder ich hätte es besser gar nicht angehen sollen! Einem Veith Cronshagen-Harrach erteilt man keine Abfuhr!


    „Disco-Abend?“ seufze ich hoffnungslos, „ach, wenn’s bloß das wäre! Es ist nur so, dass mein Bruder am Samstag heiratet und ich wäre so gern dabei gewesen.“

    Aber jetzt werde ich ohnehin dabei sein. Ich werde ja auch nichts anderes zu tun haben. Mit meiner Model-Karriere ist jetzt wohl Schluss. Wenn Claudine und Jonas von diesem Telefonat erfahren, rasten sie aus.

    „Das verstehe ich sehr gut, Fräulein Bichlmayr. Familie ist wichtig. Aber sagen Sie, haben Sie morgen Nachmittag ein bisschen Zeit oder heiratet da gerade Ihre Cousine?“
    Der Mann hat’s echt drauf!

    „Meine Eltern sind beide Einzelkinder. Morgen Nachmittag hab’ ich also noch nix vor“, gebe ich flapsig zurück.

    Veith Cronshagen-Harrach lacht aus vollem Hals und ich schöpfe wieder neue Hoffnung.

    „Wie schön! Sie haben die Adresse meines Büros? Ja? Dann besuchen Sie mich doch morgen gegen 16 Uhr! Ich freue mich. Bis morgen dann!“

    Bevor ich noch irgendetwas darauf erwidern kann, hat er schon aufgelegt.


    Wie im Trance hänge ich den Telefonhörer ein. Was für ein außergewöhnlicher Mann! Und morgen lerne ich ihn persönlich kennen.


    Selbst wenn nichts aus meinem Engagement bei ihm wird: Auf jeden Fall wird es eine extravagante Erfahrung sein, seine Bekanntschaft zu machen!


    Sorry wegen der wenig abwechslungsreichen Bilder in diesem Kapitel, aber ich wusste nicht so recht, wie ich das Telefongespräch visuell spannender verpacken könnte. Wie Veith Cronshagen-Harrach aussieht, seht ihr erst im nächsten Teil, den ich hoffentlich noch heute fertigbringe.
    Lg, Amber

    Hallo wieder mal! Danke für eure lieben Kommis :herzlichs - ich lese jedes Mal mit Spannung, was ihr über die Story denkt.
    Und jetzt mal weiter...



    Am nächsten Tag in der Schule übersieht Constantin mich geflissentlich. Während wir sonst in den Pausen ständig rumgeschmust haben, gibt er sich heute hochgradig anderweitig beschäftigt.


    Na, auch gut! Ich brauch’ ihn ja auch nicht dazu, meinen Plan in die Tat umzusetzen – nur kränken tut mich das Ganze schon.


    Zuerst Matti – jetzt Constantin! Ich glaube, ich zieh’ echt immer die falschen Männer an!

    Als der Unterricht vorbei ist, bin ich noch erleichterter als sonst. Erstens, weil mir die Mädels wieder ordentlich auf den Wecker gefallen sind, so wie immer, seit die ersten Fotos von mir veröffentlicht wurden, und zweitens, weil es mich heute mit aller Gewalt nach Hause zieht. Denn zuhause habe ich Ruhe und… ein Telefon, das sehr wichtig für die Ausführung meines gestern geschmiedeten Plans ist.

    Niemand daheim – noch besser!
    Mein Vorhaben ist zwar etwas gewagt, doch unter übermäßiger Schüchternheit habe ich gottseidank noch nie gelitten – also nix wie ran an die Strippe.


    Eine Telefonnummer ist schnell bei der Hand, steht im Firmen-Telefonbuch unter „Modedesign“ ganz oben und ganz fett gedruckt und auch schnell gewählt.


    „Büro von Veith Cronshagen-Harrach. Mein Name ist Linda. Was kann ich für Sie tun?“ meldet sich eine säuselnde, künstlich hochgeschraubte Stimme am anderen Ende.

    Ich versuche, das gesamte energische Potential über das ich verfüge, in einen Satz zu packen, weil mir bewusst ist, das ich eine von den Kandidaten bin, die dienstbeflissene Sekretärinnen von vielbeschäftigten Oberbossen nur zu gerne am Telefon abwimmeln.

    „Guten Tag. Mein Name ist Jaqueline Bichlmayr. Würden Sie mich bitte mit Herrn Cronshagen-Harrach verbinden? Ich muss in einer dringenden Angelegenheit mit ihm sprechen.“


    Na, klang ja schon mal nicht schlecht! Trotzdem rechne ich damit, dass das Mädel mich abblitzen lassen wird. Auch wenn ich gestern vor Claudine und Jonas so getan habe, als wäre mir besagter Veith Cronshagen-Harrach ziemlich wurscht, so weiß ich doch, dass er echt einer der erfolgreichsten Designer des Landes ist. Ich schätze mal, seine Sekretärin ist andere Kaliber gewohnt als mich und darin geübt, irgendwelche lästigen Mädels, die gerne mal mit ihrem berühmten Chef sprechen möchten, schnell abzufertigen.
    Ich rechne mal mit einem „Es tut mir leid, aber er ist in nächster Zeit nicht verfügbar“, oder so ähnlich, aber ich werde auf jeden Fall hartnäckig bleiben!

    „Einen Augenblick bitte, Frau Bichlmayr. Ich will sehen, ob er gerade frei ist“.


    Ja klar! Auch eine Methode! So tun, als ob man „sooo gerne verbinden möchte“, aber „leider, leider ist er gerade in einer sehr wichtigen Konferenz“ – kennt man ja!
    „Vielen Dank“ gebe ich kühl zurück, fest entschlossen, nicht so schnell aufzugeben.

    Ein Knacksen in der Leitung, dann die Melodie aus irgendeiner bekannten Oper. Na bravo! Jetzt hänge ich wahrscheinlich für die nächste Viertelstunde in der Warteschleife… Ob ich mir inzwischen, mit dem Hörer am Ohr, was zu essen machen sollte…?


    es geht noch weiter...

    Danke für den Kommi! Vertrackte Situation, da hast du recht, aber unsere Jaqui wird das auf ihre Art schon lösen.


    Irre ich mich oder stört das den Sohnemann überhaupt nicht? Nebenbei bemerkt frage ich mich auch gerade, weshalb besagter Sohn nicht auch bei der Agentur unter Vertrag steht, ist er doch so gutaussehend.
    LG Rivendell


    Nö, nö, du irrst dich absolut nicht. Constantin scheint das wohl schon gewöhnt zu sein, denn Jaqui ist auch nicht seine erste Freundin, die als Model für seine Mutter arbeitet - siehe Natascha aus einem der früheren Kapitel. Oder aber, es steckt noch mehr dahinter... !? ;)
    Sohnemann steht nicht unter Vertrag wegen falschen Geschlecht. Ist eine Agentur für nur weibliche Models.


    Liebe Grüße und bis bald, Amber

    Enttäuscht drehe ich mich weg. Mir ist schrecklich zum Heulen, doch Heulen würde nichts bringen. Ich fühle mich wie der letzte Dreck. Als wäre ich keine Persönlichkeit, sondern nur eine Maschine, die für die Agentur „Saritz & Co“ perfekt zu funktionieren hat – egal in welcher Situation.

    Wieder oben angekommen, klage ich Constantin mein Leid. Bestimmt wird er mich verstehen und versuchen, bei seiner Mutter einzulenken.

    Die tröstenden Arme, mit denen er mich umfängt, geben mir jedenfalls schon mal Hoffnung.


    „Ach, Baby! Nun sei mal nicht so! Die Hochzeit deines komischen Brüderleins geht dir doch eh am ***** vorbei – das hast du mir selbst noch gestern erzählt! Also: Wozu dann der ganze Stress? Nur wegen ein paar Dorftrotteln, die vor der Kirche Holzstämme durchsägen und spätestens um 7 Uhr abends so besoffen sind, dass sie nicht einmal merken, was da überhaupt gefeiert wird? Deswegen willst du Deutschlands Star-Designer sausen lassen, Baby?“

    Hmm – das war eigentlich nicht der Trost, den ich mir erwartet hätte!


    Er versteht mich also auch nicht.

    Jetzt bloß nicht flennen, Jaqui! Sei stark!

    Ich bin stark und mustere Constantin mit kühler Miene.

    „Bring mich jetzt bitte einfach nur nach Hause, o.k.!“


    Er versucht, die Situation noch zu retten. „Jetzt sei doch nicht gleich eingeschnappt! Schließlich hast du selbst behauptet, dass du den Riesenzirkus, der aus der Hochzeit gemacht wird, total lächerlich findest.“


    „Trotzdem: Es ist die Hochzeit meines Bruders und ich werde nächsten Samstag DORT hingehen und nirgends anders hin! Das kannst du deiner Mutter gerne von mir ausrichten!“
    beharre ich trotzig auf meinem Standpunkt.


    Na, das soll mir mal einer verbieten! Schließlich heiratet mein Bruder nur ein Mal (hoffentlich) und auch wenn ich von der ganzen Sache nicht gerade begeistert bin – meine Familie wird trotz allem für mich immer an 1. Stelle stehen. Basta!

    Wortlos folgt Constantin mir, als ich mich, nachdem wir uns beide wieder in zivilisierte Kleidung geschmissen haben, zum Auto aufmache. Genauso wortlos verläuft die ganze Fahrt von München bis nach Niederfreisingen. Und am allerwortlosesten ist der Abschied vor meiner Haustüre.
    Zumindest von seiner Seite aus, denn ich bringe wenigstens ein „Tschüß dann“ heraus, bevor ich die Wagentür hinter mir zuknalle. Im selben Augenblick heult schon der Motor auf und Constantin rast mit einem Affenzahn über unsere Dorfstraße davon.

    Minutenlang bleibe ich noch vor dem finsteren Haus stehen – regungslos und auf einmal gar nicht mehr wütend, sondern nur noch unendlich traurig.


    War’s das? War das das Ende unserer Beziehung, die eigentlich gerade erst so richtig angefangen hat? War das das Ende meiner Modelkarriere? Und das alles nur deshalb, weil ich EIN MAL das tue, was ich für richtig halte und nicht, was Claudine, Jonas oder Constantin von mir wollen? Ich hab’ mich in den letzten Wochen so oft gefügt, diesmal werde ich sicher nicht nachgeben! Wenn ich mich jetzt wieder ihrer Meinung beuge, werden die nie wirklich Respekt vor mir haben – egal wie viel Geld ich der Agentur einbringe!


    In diesem Moment steigt eine Idee in mir hoch, die in den nächsten Minuten konkrete Formen annimmt. Ja, genau!


    Das ist DIE Lösung! So werd’ ich’s morgen machen! Diese verfahrene Situation MUSS doch einfach noch zu retten sein.

    „Klar, verstehe ich“, murmle ich unbeeindruckt und kann mir den Nachsatz „ich bin ja schließlich kein Depp" nicht verkneifen. Ist ja alles schön und gut – das mit diesem Veith soundso, diesem Übermenschen – aber… verdammt: Ich bin 16 Jahre alt und hab’ gerade mein 1. Mal hinter mich gebracht! Was interessieren mich JETZT die Veiths dieser Welt?






    „Veith möchte dich so schnell wie möglich kennen lernen, Jaqui! Stell dir das vor! Nächsten Samstag hat er eine seiner Shows. Jonas und ich sind eingeladen und Veith hat ausdrücklich darum gebeten, dass wir dich mitnehmen!“ jubiliert Claudine ungeachtet meiner offensichtlichen schlechten Laune.

    Meinen Gesichtsausdruck kann man in diesem Moment wohl nur als „verdutzt“ beschreiben. Wahrscheinlich starre ich die beiden vor mir gerade an wie ein neugeborenes Kalb.


    „Aber Claudine…! Nächsten Samstag…? Das geht doch nicht! Mein Bruder heiratet am nächsten Samstag!“
    Ich bin sicher, dass ich es ihr schon vor Wochen erzählt habe.
    Trotzdem scheint sie diese Mitteilung ziemlich kalt zu lassen.
    „Ja, und?“ zuckt sie verständnislos mit den Schultern.


    Oh Gott! Ich fahre gleich aus der Haut!

    „Ich bin Brautjungfer!“ erkläre ich mit dem letzten Rest an Ruhe, den ich gerade noch aufbringen kann.


    Hoffentlich sagt sie jetzt nicht wieder „Na, und?“

    Tut sie nicht, denn der liebe Jonas kommt ihr mit der Antwort zuvor.


    „Also, jetzt mal ernsthaft, Jaqueline! Du hast einen Vertrag mit unserer Agentur unterschrieben…!“

    Ich kann mir schon denken, was jetzt kommt, auch wenn ich es nicht für möglich gehalten hätte! Wütend wie ich bin, falle ich Jonas ins Wort „…das bedeutet aber nicht, dass ich eure Sklavin bin!“


    Jonas, inzwischen ebenso zornerfüllt wie ich selbst, setzt erneut an: „Es bedeutet aber, dass wir deine Arbeitgeber sind! Du hast eingewilligt, für uns als Model tätig zu sein! Glaubst du, wir haben dich aus lauter Nächstenliebe engagiert? Wir sind Geschäftsleute, Jaqueline, und als solche arbeiten wir für Profit. Für unseren Profit und für deinen Profit! Und wenn dir ein Veith Cronshagen-Harrach eine einzigartige Chance bietet, kannst du die nicht einfach wegen einer Familienfete abschlagen!“


    Ich fühle mich plötzlich wie der letzte Dreck und blicke hilfesuchend zu Claudine. Sie wird mich eher verstehen – oder?

    Doch der Ausdruck in Claudines Augen ist kalt und ohne Mitgefühl.





    ... und eins geht noch...

    Eine unausgesprochene Frage ist deutlich auf ihren Gesichtern abzulesen, als ich eine Begrüßung murmle und erstmal an ihnen vorbei in die Küche stakse, um mich mit einem Glas Wasser zu erfrischen.


    Innerlich muss ich grinsen. Die Situation ist ja wohl mehr als offensichtlich. Ob es wohl ein Schock für Claudine ist?

    Jedenfalls scheint sie sich schnell wieder gefangen zu haben, denn als ich einen halben Liter Wasser wie eine halb Verdurstete in mich hineingegurgelt habe und mich vor den beiden aufbaue, ist ihr kein Anzeichen von Überraschung mehr anzumerken.

    Sollte sie einen kleinen Schock erlitten haben, so ist ihr Sprachvermögen dadurch jedenfalls nicht beeinträchtigt!


    „Gut, dass du noch da bist, Jaqui! So brauche ich nicht auf morgen zu warten, um dir die sensationelle Neuigkeit überbringen zu können“, quasselt sie ohne Punkt und Komma drauflos.

    Ich beobachte Claudine und den dicht hinter ihr stehenden Jonas mit einem nüchternen Blick. Die beiden sehen einfach großartig aus! Claudine, völlig in schwarz gekleidet, mit ihrer feurig roten Lockenmähne und Jonas, weiß-schwarzer Anzug in perfekter Kombination mit seinen dekorativ ergrauten Haarsträhnen – sie würden ein außergewöhnlich schönes Paar abgeben.


    Herrje! Können sich die beiden nicht auch mal privat zusammentun und ein bisschen Spaß miteinander haben? Das würde die Sache um einiges erleichtern, denn zumindest würden sie abgelenkt sein und Constantin und mir nicht ständig dazwischen pfuschen!

    Die große, sensationelle Neuigkeit besteht darin, dass Claudine und Jonas auf der Modemesse, von der sie gerade kommen, einen unglaublich bekannten und umschwärmten Designer-Fritze getroffen und ihm gleich mal – „unaufdringlich“ wie sie ja sind, meine Bilder unter die Nase gehalten haben.

    „Er war hingerissen von dir, Jaqueline!“ betont Claudine mit verzücktem Augenaufschlag.


    „Wie schön!“ entgegne ich, um Höflichkeit bemüht.


    Da funkt auf einmal Jonas dazwischen, der bisher eher unbeteiligt Claudines Ausführungen verfolgt hat.

    „Wie schön? Das ist wohl nicht der richtige Ausdruck dafür, meine liebe Jaqueline!“ Ach ne – jetzt geht das wieder los! Wieder einmal, wie so oft, versuche ich, aufmerksames Interesse zu heucheln.
    Jonas ist plötzlich in voller Fahrt und redet sich direkt in Rage.


    „Veith Cronshagen-Harrach ist der wohl genialste und berühmteste Modeschöpfer im gesamten deutschsprachigen Raum! Er ist eine Ikone, ein Meister auf seinem Gebiet! Mit ihm zu arbeiten, ist für jedes Model ein Traum, der sich nicht für viele erfüllt! Veith ist sehr anspruchsvoll in der Auswahl seiner Mädchen. Wenn man nur EIN MAL für ihn bei einer seiner Shows gelaufen ist, bedeutet das einen enormen Aufstieg auf der Karriereleiter! Designer aus allen Modemetropolen reißen sich dann um einen! Verstehst du, Jaqueline?“




    ... geht noch mal weiter...

    (Tut sie's oder tut sie's nicht? Viel Spaß bei der Fortsetzung!)




    Wenig später liegen wir eng aneinander gekuschelt nebeneinander.


    „Und? Wie war’s?“ fragt Constantin mich mit einem schiefen Grinsen.


    Ich hab’ mir sagen lassen, dass Männer immer hören wollen, dass sie der Beste und der Größte sind und auch wenn ich diese erste Erfahrung jetzt nicht sooo gigantisch fand: Es war nicht schlecht, auch wenn mir das „Davor“ und jetzt das „Danach-Kuscheln“ wesentlich besser gefällt, als das „Dazwischen“.
    Das ist es also, wovon alle immer so geheimnisvoll und aufgeregt reden!?

    Ich erwidere Constantins Grinsen und sage automatisch das, was ich glaube, dass er hören will.


    „Es war schön, Schatz!“ und ich lüge dabei nicht mal. Es war wirklich schön, Constantins Haut auf meiner Haut zu spüren. Es war schön, ihn einmal ganz für mich zu haben. Es war schön, ihn ganz nah bei mir zu fühlen.
    So schön, dass das schale Gefühl, das der eigentlichen Akt in mir ausgelöst hat, fast völlig ausgeschaltet ist.

    „Es war wirklich schön“, wiederhole ich und bin selbst überzeugt davon. Constantin liegt jetzt mit selbstzufriedenem Gesichtsausdruck neben mir und kneift mich. „Wusst’ ich’s doch, dass es dir gefallen wird, Baby!“

    Es ist kurz vor Mitternacht – eigentlich sollte ich längst schon zu Hause sein, aber an einem Abend wie heute kümmert mich das nicht großartig. Ich lass’ es lieber auf ein bisschen Stress mit meinen Eltern ankommen, als mich jetzt von Constantin zu verabschieden.
    Nur noch’n halbes Stündchen oder so zum Knutschen und Kuscheln…

    Da geht unten die Haustür und gleich darauf ertönt schon Claudines liebliches Stimmchen (das in meinen Ohren auf einmal extrem nervig klingt).

    „Constantin?! Schätzchen? Wir sind zurück! Ist Jaqueline hier? Ihre Jacke hängt an der Garderobe.“


    Erschrocken fahre ich im Bett auf. Die Frau merkt doch echt alles! Und ich hab’ mich grad so darauf gefreut, noch ein paar gemütliche Minuten mit Constantin allein zu verbringen!
    Und jetzt muss Claudine wieder mitten in unser Schäferstündchen reinkrachen! Also echt… Von Privatsphäre hält sie ja nicht viel – vielleicht weil sie selber keine hat, weil es in ihrem Leben nur ihre Karriere gibt?...

    „Mir scheint, dein Typ wird verlangt, nicht meiner“, murmelt Constantin lapidar und macht keinerlei Anstalten sich zu erheben.

    Claudines stöckelnde Schritte scheinen den unteren Absatz der Treppe in Angriff zu nehmen, also schlüpfe ich in Windeseile in eins von Constantins T-Shirts, werfe dem Besitzer einen zornigen Blick zu, den er nur mit einem ironischen Lächeln erwidert und eile Claudine hastig entgegen, bevor sie noch hier herein platzt und die Situation mit eigenen Augen erfasst.


    „Wir sind hier oben, Claudine!“ rufe ich mit zuckersüßer Stimme, aus der allerdings bestimmt meine Verärgerung über die unerwartete Störung herauszuhören ist.


    Claudine ist in der unvermeidlichen Gesellschaft des schönen Jonas und die beiden blicken mir verblüfft und neugierig entgegen, als ich auf bloßen Füßen die Stufen herunter tappse.




    ... geht noch weiter...

    UserGab637: Hey! Ja, ja, das Phänomen mit den missgünstigen Verwandten, das du in deinem Kommi erwähnt hast, kennen wir wohl alle...


    Besonders freut mich, dass ihr hofft, dass Jaqueline mit Constantin doch nicht ganz zur Sache geht (Eigentlich ist es ja eine ziemlich großer Schritt für ein junges Mädel). Aber ich denke mal, Jaqui will's jetzt wissen und riesig verliebt ist sie ja auch noch...


    Hach, was schreib ich da? Ich weiß ja schon wie's weitergeht, und ihr könnt euch's jetzt wohl auch denken...
    Bleibt nur zu hoffen, dass sie es nicht bereut, ihre Jungfräulichkeit an diesen "Traummann?" hergegeben zu haben.


    Danke euch für die Kommis!


    Bis bald! Lg, Amber


    Erst als die Soße überzugehen droht, lässt Constantin wieder von mir ab und wendet sich seinen Töpfen zu.


    Ich bin im 7. Himmel und alle Ärgernisse der vergangenen Tage sind vergessen.

    Wenn ein Mann für dich kocht, dann MUSS er einfach total in dich verliebt sein!


    Später, beim Essen, sitzen wir, bei romantischem Kerzenlicht, einander gegenüber.

    Constantin hat „Spaghetti a l’ Arrabiata“ fabriziert und – obwohl mir nicht entgangen ist, dass die Soße aus der Tüte stammt – finde ich die Idee total süß!
    Ein intimes Dinner – nur für uns zwei allein!
    Und noch dazu nicht im kühlen Esszimmer, sondern ganz privat in Constantins eigenen Gemächern!
    Er hat sogar extra einen großen Esstisch und zwei weich gepolsterte Stühle hierher geschafft! Das nenne ich Einsatz!
    Das Essen schmeckt ziemlich gut und das gedämpfte Licht, das die zwei Kerzenhalter über unseren Köpfen verbreiten, gibt dem ganzen Ambiente eine besondere, eine geradezu erotische Note.

    Wir trinken süßen, italienischen Weißwein zum Dinner und von Glas zu Glas lockert sich die, anfangs etwas steife, gekünstelte Atmosphäre immer mehr.


    Constantins Augen glühen mir wie zwei Bergfeuer entgegen, als wir unser opulentes Mahl beendet haben.


    Ich spüre es genau: Heute Abend…

    Heute Abend ist auf einmal alles anders als zuvor.
    Mein Magen fühlt sich ganz flau an und meine Sinne sind völlig außer Rand und Band.

    Ja! Diese Nacht ist die Nacht der Nächte.

    Ich will, dass ER es ist. Ich will, dass es HEUTE passiert.


    Plötzlich ist es wie in einem kitschigen Liebesroman…

    …ihre Lippen fanden wie selbstverständlich zueinander und in diesem Moment setzte ihr Herzschlag aus. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und bot ihren honigsüßen Mund mit einer hingebungsvollen Leidenschaft dar, die sie selbst erstaunte. In seinen Augen loderte die Hitze der Tropensonne. Es war wie ein Rausch, der Kuss war nicht genug…“

    Ehe ich auch nur einen klaren Gedanken fassen kann, hat Constantin mir schon das Kleid aufgeknöpft (und ich denke, ich war es, die ihm das Sakko und das Hemd vom Leib gerissen hat). Irgendeiner von uns beiden hat die Kerzen in den Wandhaltern ausgeblasen und so stehen wir – beide mit nackten Oberkörper – einander im diffusen Licht des Mondes, der durch das Fenster scheint, gegenüber.


    Unsere Blicke treffen einander im stummen Einverständnis und jetzt gibt es keine Fragen, kein Zögern mehr.


    Constantins Körper über mir – seine Lippen überall auf meiner Haut.

    Mein 1. Mal!

    Der einzige, der mich während dieser traumatischen Tage wirklich zu verstehen scheint, ist Constantin.
    Vielleicht schnallt er es auch nur deshalb so gut, weil ich ihn schon ein paar Mal ziemlich ruppig angefahren bin, was er vom weiblichen Teil der Bevölkerung wahrscheinlich nicht gewohnt ist.


    Jedenfalls zieht meine mürrische Laune einen Super-Überraschungs-Effekt mit sich: Constantin gibt sich auf einmal Mühe!

    „Baby! Bevor du endgültig zu ’ner Zicke mutierst, hör’ dir mal meinen Vorschlag an!“


    Justament an diesem Tag bin ich besonders übel drauf, weil abends noch eine weitere Sitzung der Schneiderin, die das Brautkleid von Babsi und die Brautjungfernkleider von Ulli und mir entworfen hat, ansteht (… Oh Gott, ich kann das nicht mehr ab…! Noch einen Abend lang das Gekicher dieser beiden hysterischen Gänse ertragen…)
    Na, bin ja mal gespannt, was Constantins großartiger Vorschlag sein soll! Hoffentlich nicht wieder: „Meine Mum hat in Mailand ein paar tod-chice Kleider bestellt! Die MUSST du unbedingt anprobieren…!“
    Von Kleiderproben hab’ ich erst mal genug!

    „Jetzt zieh doch nicht gleich die Beleidigte-Leberwurst-Schnute!“


    „Die kommt nur vor der Kamera gut! Pass lieber mal auf! Also, Mum und Jonas sind morgen Abend auf irgend so’ner Modemesse, was bedeutet: Ich hab’ das ganze Haus für mich allein!“

    Na, das ist ja mal eine interessante Neuigkeit!

    „Ich verrate nichts! Nur so viel zu unseren Plänen für den morgigen Abend: Schmeiß dich in ein sexy Cocktailkleid – kannst dir ja aus Mum’s Fundus was borgen! – steig’ in ein Taxi Richtung München und ich erwarte dich um 6!“





    Constantin zwinkert verschwörerisch bei diesen Worten.


    Am nächsten Abend – Punkt 18:00 Uhr bin ich gestellt und klingle leicht nervös an der Saritz’schen Haustür.








    Constantin begrüßt mich mit einer stürmischen Umarmung.

    „Du kommst gerade richtig, Baby! Das Essen blubbert schön vor sich hin und bis es fertig ist, wollen wir uns die Zeit mal angenehm vertreiben!“


    Spricht’s und bevor ich meiner Überraschung Ausdruck verleihen kann, verschließt er meinen Mund mit einem leidenschaftlichen Kuss.


    ...geht weiter...


    Zwei Tage später sind die Bilder im Kasten und in der darauffolgenden Woche kann man schon meinen schwitzenden Body in trendigen Sportklamotten schon im Modeteil der „Velvet“ bewundern.

    Jonas hatte Recht! Die Macher von dieser Zeitschrift zahlen echt gut! 1.800 Euro kassier’ nur allein ICH für die Doppelseite, vollgepackt mit Fotos von mir im Sportoutfit, ab – und dabei hat das Shooting diesmal sogar ziemlich Spaß gemacht! Claudine und Jonas reiben sich zufrieden die Hände – also dürfte es auch für sie ein lukrativer, gewinnbringender Auftrag gewesen sein.


    Die beiden haben andauernd neue Pläne für mich, für meinen Werdegang, doch je mehr die beiden aushecken, desto frustrierter werde ich.


    Kann das alles – der Beginn einer tollen Karriere, endlich einmal ausreichend Geld und so… - ein Mädchen völlig zufrieden stellen?
    Wahrscheinlich kann es das – doch für mich ist das nicht genug. Ich will Liebe. Lieben und geliebt zu werden, ist für mich persönlich das Wichtigste im Leben.

    Und wozu habe ich eigentlich einen super aussehenden Freund, wenn ich ohnehin nur „so zwischendurch mal“ mit ihm zusammen sein kann?
    Diese „Schulhofknutschereien“ sind ja ganz o.k., aber auf Dauer…? Ich meine, aus der frühpubertären Phase sind wir beide schon raus. Ich werde im nächsten April 17 und Constantin hat seinen 18. Geburtstag bereits vor Monaten erfolgreich hinter sich gebracht.
    Wir sind also zwei fast erwachsene Menschen und wir lieben uns. Was hält uns eigentlich dabei auf, in unserer Beziehung mal einen Schritt weiter zu gehen?

    Die Antwort auf diese Frage heißt CLAUDINE… und JONAS!
    Wann immer Constantin und ich mal für ein paar Minütchen allein sein möchten, platzen die beiden ins Geschehen wie zwei verheerende Taifune.


    „Jaqui hier und Jaqui da!“ „Jaqui, du musst unbedingt noch mit uns in die Agentur!“ „Jaqui, könntest du dieses Kleid mal anprobieren?“ „Jaqui, was hältst du eigentlich davon…?“ und so weiter und so fort.

    Langsam geht mir das Ganze echt auf den Wecker: Ich meine, dass ich nie mit Constantin allein sein kann!

    Bei mir daheim ist auch nix mit Ruhe und Gemütlichkeit! In 10 Tagen findet Kevins und Babsis Hochzeit statt und den Vorbereitungen nach zu urteilen, scheint das ja ein regelrechter Auftrieb zu werden. Ich tippe mal auf 180 bis 220 geladene Gäste (darunter die Nichte der Cousine von Onkel soundso…), dazu noch die gesamte Dorfjugend, trinkfest unterstützt von der Freiwilligen Feuerwehr von Niederfreisingen – mit einem Wort: Ein Albtraum der Sonderklasse!
    Und was das Schlimmste daran ist: Ich bin von Mami dazu verdonnert worden, Brautjungfer zu spielen! Nur um des Familienfriedens wegen habe ich zugesagt. Man will ja niemandem vor den Kopf stoßen – obwohl mir dieses Riesenspektakel, das sie aus der Hochzeit meines Bruders inszenieren, mächtig gegen den Strich geht, wohlgemerkt!

    Seit 14 Tagen also werde ich nicht nur von Claudine und Jonas in Klamotten aller Art gesteckt – NEIN, auch zuhause muss ich Kleiderproben und Änderungssitzungen über mich ergehen lassen!


    Und das in Gesellschaft von Babsi und Ulli!


    Ständig stecken die beiden Schwestern kichernd ihre Köpfe zusammen. Ich muss mich echt stark zusammenreißen… Langsam scheine ich zu einem Vorbild an Selbstbeherrschung zu werden…


    … oder auch nicht! Irgendwann ist auch mein Maß zu voll!

    Ich will nichts als ein bisschen Privatleben und romantische Kuscheleinheiten mit Constantin! Ist denn das zu viel verlangt?

    Ab diesem Tag herrscht zwischen Matti und mir absolutes Stillschweigen.
    Wir haben zwar auch in den letzten Wochen nur mehr das Allernotwendigste miteinander gesprochen, aber gegen dieses eisige Schweigen, das unseren Umgang jetzt prägt, war das ja noch geradezu Talkshow-fähig!

    Irgendwie finde ich mich damit ab. Was bleibt mir auch anderes übrig?
    Und außerdem hab’ ich eh so viel um die Ohren, dass ich die meiste Zeit gar nicht zum Nachdenken komme. Ist wahrscheinlich besser so!

    Dass ich wegen dem Modelvertrag im Nachhinein doch noch Stress mit meinen werten Erzeugern bekomme, war sowieso vorprogrammiert und der erwartete Streit ist auch nicht ausgeblieben.


    Aber inzwischen hat sich der Sturm auch wieder gelegt. Spätestens als ich Papi meine ersten selbstverdienten 1.500 Euronen in die Hand gedrückt und ganz lässig gesagt habe „Wir wollten doch schon lange mal die Küche ausmalen lassen und eine neue Couch fürs Wohnzimmer haben“, kehrte wieder Ruhe im Hause Bichlmayr ein.

    Na ja, nicht ganz! Die Vorbereitungen für die Hochzeit meines Herrn Bruder sind im vollen Gange und da vor der Trauung in der Kirche jede Menge bekannter und unbekannter Leute bei uns zuhause aufkreuzen werden, sind Mami und Papi, denke ich mal, recht dankbar für das Geld. Man will sich ja schließlich nicht genieren, weil die Küchentapeten abgenutzt und verblichen und das Sofa verschlissen ist!
    So erstrahlt die Bichlmayr’sche Küche jetzt in frischem Glanz und auf der neuen Wohnzimmergarnitur können dann in zwei Wochen die Hochzeitsgäste ihren Sekt stilvoll und gemütlich schlürfen.


    Zum Glück sind meine Eltern also derzeit ziemlich beschäftigt und kriegen deshalb gar nicht mit, wie viel Zeit ich eigentlich in München verbringe.


    Besprechungen, immer wieder Besprechungen mit Claudine und Jonas…


    … - ja inzwischen hab’ ich mich sogar mit „Mr. Perfect“ ausgesöhnt! So schlimm ist er gar nicht, wenn man ihn richtig zu nehmen weiß!
    Man muss halt immer so tun, als wäre jedes Wort aus seinem Mund Gold wert und als würde man all seinen Erklärungen andächtig und voller Begeisterung lauschen – dann ist er echt streichelweich!

    Die Fotos im „Ahead“ sind total gut angekommen und deshalb planen „Saritz & Co“ auch gleich mal das nächste Shooting mit meiner Wenigkeit.


    „Die Leute von ‚Velvet’ sind aufmerksam geworden und haben Interesse an Jaqueline bekundet. Sie wollen, dass wir ihnen Aufnahmen im Freizeit-Look liefern“, teilt Claudine ihrem Partner während einer dieser Besprechungen mit.

    „Na, dann tun wir das doch!“ beschließt Jonas spontan und tritt an mich heran.


    „Jaqueline, hast du das gehört? ‚Velvet’ – kennst du doch?! Klar kennst du! DAS bekannte Frauenmagazin! Die wollen eine ganze Bilderserie mit dir! Was sagst du dazu? Das ist echt eine grandiose Chance für dich! Und noch dazu zahlen sie ziemlich gut!“

    Ich nicke begeistert. Nicht schlecht! Natürlich kenne ich „Velvet“! So ziemlich jede Frau, mit der ich verwandt oder bekannt bin, liest wöchentlich die „Velvet“!
    Neben hochgestochenen Kochrezepten mit Zutaten gespickt, die keine normale, bayrische Hausfrau so auf die Schnelle irgendwo auftreiben kann, finden sich satirische Kolumnen, die die gesamte Männerwelt durchhecheln, durchmischt mit Tipps und Tricks, wie man mit entweder mit schlichten, fast kostenlosen Mitteln wie naturbelassenem Joghurt seinen Teint erstrahlen lassen kann, was natürlich „mit der neuen revolutionären Revival-Creme von xy wesentlich einfacher und effektiver geht“, dazwischen die aktuellsten Modetrends – und fertig ist das „trendgerechte, informative Magazin für die Frau von heute“!


    ... geht noch weiter...

    Was Matthias betrifft: Ich liebe seine spitze Zunge. Das Ding ist eine Waffe, geeicht für maximalen Schaden.


    Ja, ich auch (na ja, deswegen schreib' ich's wohl auch so...).


    Liebe dropdead: Wieder mal 'ne haarscharfe Analyse der Situation - ich LIEBE deine Kommentare!!! :applaus
    An deinen Zynismus/Sarkasmus (kann mir mal einer den Unterschied WIRKLICH erklären?) kommt keiner ran!...J

    So, und jetzt geht's noch 'n bissi weiter...


    Meine Rettung ist das Schulklo, wo ich die erste Stunde als heulendes Elend überdauere.






    Das Abbild, das mir der nüchterne Spiegel auf der Toilette entgegenwirft, ist echt grausam.


    In der Pause sucht Ulli mich in meiner selbst erwählten Einsamkeit auf und versucht, mich zu trösten.


    Zum ersten Mal seit längerer Zeit bin ich echt dankbar für ihre bloße Anwesenheit und noch dankbarer dafür, dass sie nicht redet, sondern mich einfach nur in den Arm nimmt.

    Als ich nach 6 qualvollen Schulstunden heimkomme, in mein Zimmer flüchte und die Vorhänge hinter mir zuziehe, muss ich mich endlich nicht mehr zurückhalten und kann meinen Tränen endlich freien Lauf lassen.


    Und sie fließen unaufhörlich – den ganzen Nachmittag hindurch, bis in die Nacht hinein…



    … bis ich vor lauter Weinen schließlich so erschöpft bin, dass ich irgendwann schließlich doch in einen tiefen, traumlosen Schlaf falle.


    So – und jetzt kommt der Oberhammer! Ulli drückt mich völlig verzückt an ihren Busen und flüstert ständig – so euphorisch, als ob sie grade auf n’em Trip wäre - vor sich hin „Meine beste Freundin ist ein Model! Meine beste Freundin ist ein Model! Meine beste Freundin ist …!“

    Jeder Befreiungsversuch meinerseits schlägt fehl, denn die Girls, die um mich herumstehen, bilden eine feste Mauer und ich bin ihrer Neugier hilflos ausgeliefert.

    „War das ein einmaliges Shooting oder machst du das jetzt öfter?“
    „Wie bist du eigentlich dazu gekommen? Kannst du mich da auch irgendwie reinbringen?“
    „Was zahlen die dir für so’n paar Bilder?“
    „Was sagt dein Constantin überhaupt dazu?“

    Da ich ohnehin keine andere Chance habe, ist es wohl besser, gleich mal mit der vollen Wahrheit rauszurücken, was wiederum allgemeines Staunen und versteckten Neid bei meinen lieben Mitschülerinnen auslöst.

    Mit Ullis Frage hätte ich allerdings nicht gerechnet.









    „Sag mal, Jaqui-Maus! Wie hat es Matti eigentlich aufgenommen?“

    Matti? Ja, Matti! Nun ja… Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, mit dem er grade an uns aufgeregtem Hühnervolk vorbeischlendert, scheint ihm das in etwa genau so schnurz-piep-egal zu sein, als wenn in China ein Fahrrad umfällt.


    Dabei weiß ich doch, dass mein ehemaliger bester Freund so ziemlich der einzige Junge ist (jedenfalls von denen, die ich kenne), der begeisterter „Ahead“-Leser ist und auch offen dazu steht (wahrscheinlich haben es eh 90 % vom männlichen Teil meiner Klasse auch abonniert, aber die lesen es im stillen Kämmerlein und trauen sich halt nicht, es zuzugeben).

    He! Hoppla! Was is’n jetzt los? Seit Wochen redet der Typ kein Wort mit mir, schaut mich nicht mal mit dem Ar… an und jetzt steuert er mit einem fetten Grinsen im Gesicht frontal auf mich zu?
    Ah ja! Klar! Wieder einer, für den ich auf einmal (wieder) interessant bin, weil ein paar Fotos von mir in einer Zeitschrift aufgetaucht sind!
    Obwohl – so hätte ich grade Matti nicht eingeschätzt!


    „Oh, guten Tag, Verehrteste! Ich hoffe, ich darf Sie noch ansprechen, jetzt wo Sie die Sprossen der Karriereleiter erklimmen!“ säuselt Matti in seinem zynischsten Tonfall.

    Was soll das denn jetzt? Kann es sein, dass der mich verarschen will?

    Lass dich bloß nicht provozieren, Jaqui!


    „Alten Sandkastenfreunden ist das immer gestattet!“ gebe ich genauso bissig zurück, jedoch gepaart mit einem lässig-freundlichen Lächeln, das den Ernst der Situation abschwächen soll.

    Matti lästert trotzdem ungeniert weiter.
    „Na ja, man weiß ja nicht, ob sich Topmodels wie du überhaupt mit dem gemeinen Fußvolk abgeben. Obwohl: Man hört ja des Öfteren munkeln, dass solche Mädels meist wesentlich weniger in der Birne haben als die sogenannten ‚gewöhnlichen’ Leute. Na klar! Sonst würden sie ja ihr unterentwickeltes Selbstwertgefühl auch nicht dadurch zu kompensieren versuchen, indem sie sich in hübschen, aufreizenden Fetzchen von einem Lüstling hinter einer Kamera ablichten lassen, nur um sich anschließend von tausenden von Leuten als optischer Aufputz eines mittelmäßigen Magazins begaffen zu lassen.“

    Also… pfhh… da bleibt einem ja glatt die Luft weg! Ich glaube, ich war noch nie zuvor in meinem Leben so wütend wie jetzt!


    „Ach halt doch die Fresse, Matti! Wenn du glaubst, mich mit deinem pseudo-sozialkritischen Geplapper irgendwie beeindrucken zu können, hast du dich aber tief geschnitten! In Wirklichkeit bist du eh nur ein eifersüchtiger, hinterfotziger, kleiner Wurm! Pah! Und ich hab’ mal geglaubt, einen wahren Freund in dir zu haben… Da sieht man’s wieder, dass man keinem wirklich vertrauen kann! Wenn ich mal was tue, was dein mickriger Verstand nicht verkraften kann, führst du dich auf wie der ‚Terminator’ höchstpersönlich!“ brülle ich Matti entgegen, ohne auf die erstaunten Blicke der anderen zu achten.


    „Du hast geglaubt, in mir einen Freund zu haben? Was denkst du, was ich von dir alles gehofft habe?... Ach was! Sch..ßegal!!! Werd’ doch glücklich mit deinem geistig minderbemittelten Macker und deinem ätzenden Model-Getue! Ich hab’ dich zwar für klüger gehalten, aber so kann man sich täuschen…“

    Mein Zorn ist verflogen und auf einmal ist da nur noch tiefe Traurigkeit in mir.

    „Ja, kaum zu glauben WIE sehr man sich bloß in einem Menschen täuschen kann!“ höre ich mich flüstern und ich schaffe es gerade noch, mich wegzudrehen und einen würdigen Abgang hinzulegen, bevor meine Augen sich mit Tränen füllen.

    Hallo! Endlich ist Wochenende - puh! :supi
    Ich freu mich, dass ich endlich wieder ein Kapitel fertiggestellt habe und ich hoffe, ihr freut euch auch ;)!





    Ich weiß nicht recht, ob mein Lächeln nicht etwas zu zaghaft wirkt, mein „Ja!“ klingt jedenfalls mit fester, überzeugter Stimme hervorgebracht.


    „Ja! Klar will ich!“ Und damit habe ich mein weiteres Schicksal besiegelt.

    Mami unterschreibt mit undurchdringlichem Gesichtsausdruck den Vertrag, der bestätigt, dass ich ab jetzt von der Agentur „Saritz & Co“ fest unter deren Fittiche genommen werde, dass diese Firma von diesem Tag an das Recht hat, mein Gesicht und meinen Körper an Magazine, Kataloge, Tageszeitungen, Fernsehsendungen, etc. zu verkaufen – im übertragenen Sinn natürlich.


    (Sorry, wegen der unprofessionellen Gestaltung – bin leider im Photoshop noch eine ziemliche Niete)

    Zwei Tage später erscheinen meine ersten Bilder auf einer kreischend-bunten Doppelseite im DEM Teenie-Magazin „Ahead!“ – und was das bedeutet, wird mir erst so richtig bewusst, als Ulli am Morgen, nachdem das Heftchen in den Verkauf gelangt ist, im Schulhof kreischend auf mich zustürmt.


    „Jackie! Wie geil ist das denn? Ich fass’ es nicht – echt nicht! Warum hast du mir nix erzählt?“

    Tja! Warum wohl? Weil du dich jetzt im Augenblick genauso aufführst, wie ich befürchtet habe etwa?


    Nur einen Wimpernschlag später sehe ich mich plötzlich umringt von fast der gesammelten weiblichen Brigade meiner Klasse.


    „Jaqui! Wahnsinn!“

    „Oh Gott, oh Gott! Die Fotos von dir sind ja irre stark!“

    „Voll abgefahren – der Hammer, Mädel!“

    „Boah, ey! Echt mega-crazy! Unsere Jaqui grinst aus der Zeitung entgegen! Und das im Edel-Look!“



    ...geht noch weiter...

    Ich frage mich nur, ob die Karriere-Schnepfe sie auch 100%ig über die Schattenseiten des Business´ aufgeklärt hat. Das ist verdammt harte Arbeit und tierisch anstrengend. Man muß immer aufpassen, was man ißt, damit man nicht zunimmt und weiß der Geier, was sonst noch.
    dropdead


    wie wahr, wie wahr. Für jemanden, der für sein Leben gern isst :essen und trinkt :totrink(*so wie ich*) und für den es das Höchste ist, am Wochenende mal ungeschminkt, mit ungewaschenen Haaren und den ältesten Klamotten, die er überhaupt in seinem Kleiderschrank hängen hat herumzuhängen (*noch mal: so wie ich * :D!), ist dieser Job sicher nix.
    Immer super-gestylt aussehen, immer Disziplin beim Essen, auch wenn der köstlichst riechendste Schweinsbraten mit Knödeln und n'em halben Kilo Krautsalat (hmmm :lecka - ich träum' grad vor mich hin...) vor einem steht - ne! - also, meine Welt wär' das nicht!


    Mal sehen, wie unsere liebe Jaqui damit zurechtkommt...


    Danke für eure Kommis und ja: Der sprichwörtliche Wurm ringelt sich... weiter ... und weiter...

    „Ich danke Ihnen für diese herrliche Mahlzeit, doch kommen wir nun zum eigentlichen Thema dieses Nachmittags. Ich habe gestern bereits angekündigt, dass ich etwas Wichtiges mit Ihnen besprechen möchte“, geht Claudine nahtlos zum geschäftlichen Teil über.


    Mamis ernster Blick verrät nicht, was sie über diese rasche Wendung des Gesprächs denkt.


    Vati, der während des Essens seinem selbstfabrizierten Gericht mit zwei Maß Bier die Schärfe genommen hat, mustert Claudine mit einem neugierigen, leicht schwummrigen Blick.


    Claudine zündet sich eine Zigarette an und beginnt mit ihren Ausführungen, wobei keiner sie unterbricht.
    Auch ich sitze nur daneben und höre mir ihre Worte an, als müsste ich mich selbst erst überzeugen lassen.

    „Jaqueline würde als Model viele wichtige Leute kennen lernen, die ihr eventuell bei ihrem weiteren Zukunftsplänen behilflich sein können und – was natürlich das Entscheidenste an der ganzen Sache ist: Die Honorare, die man als Model der gehobeneren Klasse verdient, sind ziemlich gepfeffert. Wenn Jaqueline diesen Job nur - sagen wir mal ein, zwei Jahre – macht, ist sie nach ihrem Abitur eine gut situierte, junge Frau und kann ohne irgendwelche Geldsorgen in München studieren, sich eine Wohnung nehmen und DIE Ausbildung machen, die ihr vorschwebt.“

    An dieser Stelle bricht Claudine ihre Argumentation ab. Ich sehe ihr an, dass sie der festen Überzeugung ist, meinen Eltern genügend Gründe dafür geliefert zu haben, um meiner Modelkarriere keinerlei Einwände entgegenzubringen.

    Papi ist auch sofort damit einverstanden, nur Mami schaut noch etwas skeptisch drein.


    „Das klingt ja alles sehr gut und verlockend, was Sie uns da erzählen, Frau Saritz. Doch ich kenne meine Tochter besser. Ich weiß, dass Sie kein Modepüppchen ist und nie eines sein wollte und ich möchte auch nicht, dass sie sich des Geldes wegen zu irgendwas verpflichtet fühlt. So viel können mein Mann und ich gerade noch aufbringen, um unserer Jaqueline das Studium zu bezahlen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch! Ich bin zwar nicht begeistert von diesen Plänen, doch wenn Jaquelines Herz daran hängt, werde ich die Letzte sein, die ‚Nein’ dazu sagt. Dennoch sage ich Ihnen jetzt: Ich werde diesen Vertrag nur dann unterschreiben, wenn meine Tochter eindeutig dazu sagt: ‚Ja, ich will das machen!’.“

    Nun schauen mich die beiden Frauen gleichzeitig fragend an.


    „Ja oder nein! Du musst dich JETZT entscheiden, Jaqueline!“ drängt mich die innere Stimme.



    So! Jetzt ist aber Schluss für heute.


    Wenige Minuten später sitzen wir alle im hinteren Gastgarten auf dem großen Stammtisch und lassen uns Papis selbst gegrillte Cevapcici mit der herzhaften Gewürzmischung, die wohl auf immer und ewig sein wohlgehütetstes Geheimnis bleiben wird, schmecken.
    Auch Claudine greift tüchtig zu und lobt das Essen in höchsten Tönen, was ihr wiederum viele Sympathie-Punkte verschafft.

    Also wirklich! Die Frau weiß, wie sie sich auf dem schnellsten Wege einschleimen kann!


    Das Tischgespräch verläuft ziemlich ausgelassen. Claudine zeigt sich von ihrer ungezwungensten, sonnigsten Seite und lacht so über Papis deftige Witze, dass sie sich fast an ihrem Brötchen verschluckt.

    Ich bin die Einzige, die bisher kaum ein Wort gesagt hat und ungewöhnlich still ist. Ich lasse Claudine mal machen!
    Während des Essens werfe ich ihr immer öfter einen erstaunten Blick zu.


    Habe ich diese Frau bisher etwa völlig falsch eingeschätzt? Sie scheint sich in der Gesellschaft meiner Eltern tatsächlich sauwohl zu fühlen! Seltsam! Wenn ich da an die Leute denke, mit denen sie sich sonst so umgibt… Jonas zum Beispiel, dieser aufgeblasene Kerl!
    Aber na ja… wer weiß schon, wie Claudine aufgewachsen ist… Vielleicht hat sie ihre Jugend auch in ähnlichen Verhältnissen verbracht wie ich und fühlt sich nun in die Vergangenheit zurückversetzt? ...


    Doch was hat Constantin damals gesagt, als ich zum ersten Mal bei ihm zuhause war? „Meine Mum ist ein Profi“!

    Und tatsächlich – kaum ist das gemütliche, lockere Essgelage vorbei, verstummt auch Claudines Gelächter und an ihrer Mimik erkenne ich, dass sie sich vom „netten Mädchen von nebenan“ wieder in „den Profi“ zurückverwandelt.



    ... geht noch immer weiter....