Beiträge von amber1980


    Hui! Jetzt knutschen sie auch noch eng umschlungen rum – und das in aller Öffentlichkeit! Nicht, dass ich meine Eltern noch nie beim Zärtlichkeitenaustausch ertappt hätte, aber so vor den Augen aller Leute…?
    Na, es sei ihnen vergönnt! Wenn ein Ehepaar einen 18-jährigen Sohn hat, der soeben selbst geheiratet hat, dazu noch eine 16-jährige Tochter und dann noch immer so verliebt ist, dann ist das doch eigentlich was Wunderschönes und ein Grund, dieses Paar zu beneiden.


    Matti und Iris scheinen sich indessen auch immer näher zu kommen. Nun, auch ihnen alles Gute und herzliche Glückwünsche meinerseits! Meine Cousine ist ein nettes Mädchen, wenn auch um ein paar Jährchen zu alt und ein paar Zentimeter zu groß für den lieben Matti. Aber bitte: Heute scheint ja der Tag der großen Gefühle zu sein!


    Sollen sie doch ihren Spaß haben! Ich jedenfalls habe es satt, allein hier am Tisch herumzugammeln und da Großonkel Walter für ein weiteres Tänzchen anscheinend bereits zu angedüdelt ist, werde ich mal um mein eigenes Liebesleben kümmern.

    Es ist gerade erst 21:30 Uhr und Constantin hängt bestimmt zuhause rum und zieht sich irgendeinen bescheuerten Action-Streifen rein.
    Wenn er sich gleich ins Auto setzen würde, wäre er in einer guten halben Stunde da und die Tratschtanten hier hätten endlich mal wirklich einen Grund, angesichts einer erotischen Inszenierung das Maul aufzureißen!

    Ha! Ich kann mir das Grinsen kaum verkneifen, wenn ich mir die Gesichter der lieben Verwandtschaft und Bekanntschaft vorstelle!


    Was ich auf keinen Fall will, ist: Hier länger allein herumzusitzen wie bestellt und nicht abgeholt! Und außerdem ist es eh schon mehr als 32 Stunden her, dass ich meinen Schatz das letzte Mal gesehen habe...

    Mir ist völlig klar, dass ich nicht gerade uneigennützig handle, aber wenn man sich bei Constantin auf etwas verlassen kann, dann ist es seine Bereitschaft, immer und überall eine gute Show abzuziehen – und genau das ist es, was ich jetzt brauche.
    Ein bisschen Herumalbern, ein kleines Techtelmechtel vor den neidvollen Augen der anderen, einfach das Gefühl zu haben, begehrt und umschwärmt zu sein von dem tollsten Jungen der Welt, der nur Augen für mich hat.

    „Tut… tut… tut…“ – nach dem 10. „Tut“ hänge ich den Hörer wieder ein.


    In der Münchner Wohnung der Saritz’ scheint gähnende Leere zu herrschen und auf Constantins Handy säuselt mir die unpersönliche Mailbox-Stimme ein wenig aufmunterndes „der gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit leider nicht erreichbar“ entgegen.

    Soll ich’s noch auf Claudines Mobiltelefon probieren? Bestimmt sind Mutter und Sohn wieder mal gemeinsam unterwegs…


    „War wohl nix, hm?“ Die ersten Worte, die Matti an diesem Tag mit mir spricht und sie klingen ein bisschen mitleidig in meinen Ohren, was mich ziemlich fuchsig macht und gleichzeitig traurig.

    „Wenn du dich über mich lustig machen willst, lass es bitte. Ich bin nicht in der Stimmung für einen verbalen Schlagabtausch“, murmle ich gedrückt.



    noch immer nicht...


    Wortlos lasse ich mich auf dem Sessel Matti gegenüber nieder und warte darauf, dass die Kellnerin den Teller mit den Gusto-Stückerln bringt, die ich mir gerade am Buffet zusammengestellt habe.


    Schweigend schauen wir aneinander vorbei – beide stocksteif und übellaunig dasitzend.

    Verstohlen wage ich einen flüchtigen Blick in Mattis Richtung…


    …und merke, dass er mich ebenfalls gerade anschaut.


    Das eine dieser unglaublich grünen Augen ist von einem roten Haarbüschel verdeckt, doch das andere sieht mich direkt an.

    Verwundernswert ist nur, dass dieser Blick gar nicht ablehnend oder feindselig wirkt, sondern eher… - wie soll ich’s bloß ausdrücken? – wehmütig…

    „Los, sag etwas!“ beschwört mich meine innere Stimme, die sich nach einer längeren Pause plötzlich wieder meldet, „sag’ was! Sag’ irgendwas! Tu den ersten Schritt!“

    Ich öffne den Mund...



    ...und schließe ihn wieder, weil mir absolut nichts einfällt, was ich sagen könnte.




    Erwartungsvoll hat Matti meinen Versuch beobachtet, doch als das Schweigen kein Ende findet, erhebt er sich auf einmal und dreht mir den Rücken zu, um in Richtung Toilette zu verschwinden.


    So ein Kindskopf aber auch!

    „Hättest du’s besser gemacht!“ zetert die innere Stimme aufgeregt, „du tust ja in letzter Zeit so auf ‚erwachsen’, hängst dauernd mit allerhand ‚wichtigen’ Leuten rum und dann verschlägst dir gegenüber dem Jungen, mit dem du dich im Kindergarten schon mit Bauklötzen beworfen hast, die Sprache?!“

    „Ach, halt die Klappe!“ Upps, das hab’ ich jetzt wohl laut gesagt, denn vom Nebentisch mustern mich ein paar Leute erstaunt – die müssen mich jetzt wohl für etwas durchgeknallt halten.
    Auch egal! Sollen sie doch!
    Wahrscheinlich denken die ohnehin, dass alle Models ein bisschen doof sind. Zumindest hab’ ich mir im Laufe dieses Tages einige Bemerkungen über meinen Job anhören müssen und die variierten von „Jö, das ist ja wundervoll!“ bis hin zu „wie kannst du so was nur machen!“.

    Nur Matti hat nichts gesagt…
    Dabei wäre ich sogar froh, wenn er wenigstens einen seiner üblichen neunmalklugen Monologe vom Stapel lassen würde! Immerhin würde das wenigstens ein Zeichen von Interesse an meiner Person sein! Aber… nichts…!

    Und jetzt turtelt er sogar unbekümmert mit meiner 22-jährigen Cousine Iris auf der Tanzfläche herum – ohne mich überhaupt eines Blickes zu würdigen!


    Überhaupt scheint an diesem Abend jeder herumzuturteln… - bis auf mich natürlich.


    Meine Eltern legen zusammen eine flotte Sohle aufs Parkett und grinsen sich dabei mit funkelnden Augen an wie zwei frischverliebte Teenager.

    nein, ich hör noch immer nicht auf...


    Schließlich ist die Reihe an mir, die Gratulationstour anzutreten. Als ich meinen Bruder umarme, krampft sich mein Herz ganz komisch zusammen.
    „Ich wünsch’ dir ALLES Gute dieser Welt, Kev’! Lass dich nicht unterkriegen!“ flüstere ich, den Kloß in meiner Kehle unterdrückend.


    Kevin entwindet sich meiner Umarmung und grinst mir zuversichtlich zu.
    „Kein Sorge, Schwesterchen! Wir werden das Kind schon schaukeln“, zwinkert er im doppeldeutigen Sinn. Außer der Familie weiß noch keiner, dass die Braut schwanger ist.


    Draußen vor der Kirche werden Fotos geknipst und das Brautpaar wirkt nun wesentlich gelöster als zuvor. Immer wieder umarmen und küssen sich die beiden und die Gäste sind entzückt über so viel jugendliche Verliebtheit.
    Das kann ich von mir zwar nicht behaupten, aber immerhin wird mir etwas leichter ums Herz, weil es zumindest so aussieht, als wäre die Zuneigung zwischen Babsi und Kevin echt.

    Fröhlich zieht die Menge weiter zum Gasthof meiner Eltern, wo schon alles für die Feier vorbereitet ist.
    Mami und Papi brauchen sich heute um nichts zu kümmern. In der Küche, im Service – in jedem Bereich sind für das Fest gut geschulte Aushilfskräfte engagiert worden, so dass meine Eltern die Party einfach genießen können.

    Viel Musik, viel Tanz, viel gutes Essen und Trinken, viele launige Reden von allen möglichen Leuten und vor allem „lustige“ Spiele sollen den nun folgenden Spätnachmittag und Abend auf der Terrasse unseres Gasthofs zu einer gelungenen Feier machen.

    Ich versuche, meinen Beitrag dazu zu leisten, die Stimmung zu steigern.
    Plaudere mit allen möglichen Leutchen, tanze einen gewagten Twist mit meinem Großonkel Walter, der zwar ziemlich schnell aus der Puste gerät, aber sichtlich seinen Spaß dran hat…


    …versuche lauthals über die nicht jugendfreien Witzchen von Papas Jugendfreund Bernhard zu lachen…


    …und das alles nur, um Matti aus dem Weg zu gehen!

    Mit Entsetzen habe ich nämlich schon bei der Ankunft im Gasthof festgestellt, dass die Tische, die auf der großen Terrasse gedeckt sind, mit Namenskärtchen versehen wurden und dass irgendein schlauer Kopf anscheinend gemeint hat, dass die Brautjungfern mit ihren Begleitern ungestört jeweils an einem Zweier-Tisch sitzen sollten.


    Mit Matti allein an einem Tisch zu sitzen und uns gegenseitig anzuschweigen, ist für mich nicht unbedingt die Vorstellung eines gelungenen Abends! So zögere ich die Nahrungsaufnahme absichtlich lange hinaus. So lange, bis mein Magen vehement sein Recht einfordert und ich, bevor ich vom Hunger geschwächt, umkippe, den Gang zum Buffet antreten muss.


    Suchend blicke ich mich nach einem freien Plätzchen um, an dem ich mich niederlassen könnte. Nur, um Mattis missbilligende Miene nicht ertragen zu müssen, würde ich es sogar in Kauf nehmen, mein Mahl an der Seite von Babsi’s und Ulli’s Tante Frieda einzunehmen: Sie braucht zwar STUNDEN im Bad, aber nur knappe zehn Minuten, um einem, ohne auch nur ein Mal Atem zu holen, ihre gesamte Krankengeschichte zu erzählen.
    Aber sogar alle Stühle am Tisch dieser Dame sind besetzt!


    Es bleibt mir wieder einmal nichts erspart! Wenn ich nicht im Stehen essen will, was mein erster Einfall ist, aber sich zugegebenermaßen recht seltsam ausnehmen würde, muss ich wohl oder übel an dem Tisch, auf dem das Kärtchen mit meinem Namen steht, Platz nehmen.


    ich bin heute unermüdlich...

    Weitere Aktionen meinerseits werden jedoch durch das Erscheinen des holden Brautpaares unterbrochen.


    Kevin und Babsi treten Seite an Seite aus der Tür heraus und präsentieren sich ernst und würdevoll wirkend wie König und Königin dem anwesenden Volk.

    Beide sehen sehr gut aus und Babsis Hochzeitskleid ist ein Traum aus Weiß, der sie sehr hübsch und anmutig kleidet (wenn man den zu viel aufgetragenen blauen Lidschatten und die zu grell-rosa geschminkten Lippen übersieht, schaut Babsi ja direkt elegant aus).
    Besonders verliebt wirken die beiden allerdings nicht. Kevin kneift verbissen seine Lippen zusammen und Babsi ist sichtlich bemüht, Haltung zu bewahren.


    Der Gang zur dorfeigenen Kirche erweist sich – zumindest in meinen Augen – eher als Trauermarsch. Rings um mich herum plaudern, lachen und tratschen die Leute, doch Matti und ich gehen stocksteif die paar Meter, darauf bedacht, das höchstmögliche Ausmaß an Distanz, das gerade noch im Rahmen der gesellschaftlichen Tradition zwischen Brautjungfer und Brautführer ist, zu bewahren.


    In der Kirche angelangt, treten Kevin und Babsi steif und hölzern vor den Traualtar. Unser werter Herr Pfarrer scheint diesen Anlass als willkommene Gelegenheit zu sehen, eine seiner berühmt-berüchtigten endlos langen (und unvorstellbar langweiligen) Ansprachen zu halten.

    Endlich kommt ein wenig Geschehen in die Zeremonie. Kevin und Babsi fassen einander bei den Händen und geben sich das Ja-Wort.


    Tja! Nun ist mein Bruder also verheiratet. Ganz richtig und ganz offiziell verheiratet. Ob sie glücklich miteinander werden? Man wird sehen.


    Der Hochzeitskuss lässt sich schon mal gut an. Zum ersten Mal an diesem Tag zeigen die beiden etwas Leidenschaft und können kaum voneinander lassen. Zumindest in einer Hinsicht scheinen sie sich ausgezeichnet zu verstehen!

    Es folgt der übliche Gratulations-Cercle.


    Jeder will dem Brautpaar als erster seine guten Wünsche überbringen.


    Ich habe keine gesteigerte Lust, mich gleich dem allgemeinen Freudentaumel anzuschließen und beschließe, erst mal im Hintergrund abzuwarten, bis das größte Gedränge vorbei ist.

    Auch Matti der, wie es sich gehört, die ganze Zeit während neben mir gesessen hat, scheint die selbe Entscheidung getroffen zu haben und bleibt hinter mir stehen.


    Wir haben heute noch kein einziges Wort miteinander gewechselt und werden es wohl, schätze ich mal, auch den Rest des Tages dabei belassen.

    und noch weiter geht's

    Na die scheinen ja schon bester Laune zu sein!


    Matti amüsiert sich ja köstlich mit Ulli, die wirklich toll aussieht in ihrem rosafarbenen Kleid.


    Als ich mit finsterem Gesicht die Veranda betrete, tritt jedoch mit einem Schlag jähes Schweigen ein.


    Kann es sein, dass die beiden über mich geredet haben?

    Doch Wortlosigkeit herrscht bei Ulli nie lange vor – ich hätte es wissen müssen!


    „Warum bist du denn so stinkig, Jaqui? Setz mal ein Lächeln auf, immerhin heiratet dein Bruder heute!“

    „Das ist noch lange kein Grund zum Lachen“, gebe ich widerborstig zurück.

    Ulli seufzt und versucht Erklärungen zu finden.
    „Ich weiß ja, du magst meine Schwester nicht, aber du könntest dir wenigstens heute Mühe geben, dir das nicht so anmerken zu lassen.“

    In Mattis Richtung gewandt, heischt Ulli nach einer zustimmenden Meinung…


    … die auch prompt folgt – wenn auch in wesentlich abschätzigerer Weise, als Ulli es ausgedrückt hat.


    „Lass sie doch, Ulli! Wenn sie sie muffig sein will, soll sie es sein. Wir werden uns unsere gute Laune nicht von Miss ‚ICH HAB’ EINEN MODEL-VERTRAG UND BIN JETZT EINE SUPER-BLONDINE“ verderben lassen!“

    Ich schnappe nach Luft. Dieser eingebildete, blasierte Mensch – was glaubt der eigentlich, wer er ist?!


    Redet über meinen Kopf hinweg als wäre ich gar nicht anwesend!

    Und dass Ulli jetzt zu seinen verächtlichen Worten kichert, nehme ich als persönliche Beleidigung!

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    Apropos Styling! Was Babsi und Ulli am nächsten Morgen in unserem Badezimmer aufführen, fällt wahrscheinlich unter hochgradige Hysterie.


    So was von aufgekratzten Girlies! Die kichern und kreischen, als ob sie in einem „Tokio-Hotel“-Konzert (Anmerkung d. Verfass.: Sorry an alle „Tokio-Hotel“-Fans…) in der ersten Reihe stünden. Und so was (na, zumindest eine davon) will in wenigen Stunden Ehefrau und bald auch Mutter (obwohl man davon überhaupt noch nichts sieht) sein!?

    Und warum das Ganze überhaupt in UNSEREM Badezimmer? Hat Babsi keiner gesagt, dass es Brauch ist, dass die Braut ihrem Bräutigam am Hochzeitsmorgen nicht begegnen darf?

    Die Erklärung folgt auf dem Fuß. „Wir haben das Haus voller Übernachtungsgäste und Tante Frieda braucht STUNDEN im Badezimmer! Ulli und ich sind geflüchtet und deine Mama hat uns angeboten, dass wir uns hier bei euch herrichten können. Dann können wir drei uns auch gleich gegenseitig helfen. Kevin hat sich in seinem Zimmer verschanzt, den kriegt man eh den ganzen Vormittag nicht zu Gesicht.“


    Ein neuerlicher, unerklärlicher Kicheranfall folgt diesem aufschlussreichen Tatsachenbericht.

    Aha! Urg!
    Ich würde am liebsten auch flüchten – aber wohin?

    Es bleibt mir also nichts anderes übrig, als die nächsten Stunden in Gesellschaft der beiden ausgelassenen Schwestern zu verbringen, was sich als ziemliche Geduldsprobe erweist.

    Endlich! Nach STUNDEN (die zwei brauchen über ihre Tante Frieda überhaupt nicht herzuziehen!) bekomme ich auch mal die Gelegenheit, den Platz vor dem Badezimmerspiegel in Anspruch zu nehmen.


    Das Kleid sitzt zum Glück wie angegossen und die Frisur ist nicht gar zu aufwendig und erfordert nur ein paar einfache Handgriffe. Ein bisschen Schminke und fertig ist das Brautjüngferchen.

    Die große Überraschung erwartet mich jedoch erst!


    Als ich zur Eingangstür hinausschwebe, um Papa und Ulli beim Sektkorkenknallen behilflich zu sein, bewegt sich gerade eine Gestalt im schwarzen Anzug und mit roten Haaren die Stiegen zu unserer Veranda herauf.

    MATTI!


    „Was macht der denn hier!“ rufe ich nicht gerade freundlich aus, nur um Sekunden später zu erfahren, dass er zu meinem Brautführer auserkoren wurde.


    Augenblicklich drehe ich mich auf dem Absatz um und stürme zu Mami, die Einsatzleiterin dieses ganzen Hochzeits-Szenarios ist.

    „Wer, bitte, ist auf diese Schnapsidee gekommen?“ fordere ich eine Erklärung.

    Mami rettet sich in Ausflüchte – „Na ja, ich weiß, du bist auf Matti momentan nicht gut zu sprechen… aber er war so lange dein bester Freund und ein Freund der Familie, fast wie ein zweiter Sohn…“ und so weiter und so fort.

    Ich werde von Sekunde zu Sekunde wütender. Langsam frage ich mich, wem die Loyalität meiner Familie gilt: Mir oder Matti?


    Noch stinksaurer macht mich die Tatsache, dass sie einfach so über meinen Kopf hinweg entschieden haben, denn eigentlich war mein Cousin Paul als mein Begleiter vorgesehen und nur weil der nun marode mit einer Erkältung das Bett hütet, ist meine Family auf die glorreiche Idee gekommen, Matti einzuspannen.
    Ich bin mir nicht sicher, aber ich denke doch, dass Mami dabei nicht ganz lupenreine Gedanken im Hinterkopf hatte. „Die zwei sollten sich wieder vertragen und die Hochzeit ist die beste Gelegenheit für eine Versöhnung“ – so ähnlich dürfte es in ihren Gehirnwindungen herumgespukt haben!

    Die ersten Gäste trudeln ein und irgendwie würde es einen bescheuerten Eindruck machen, wenn ich am Hochzeitstag meines Bruders einen filmreifen Rappel kriege – und das alles nur wegen diesem rothaarigen Typen da draußen!

    Nein! Das Beste ist, dem Grauen ins Auge zu blicken und sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen. Nach diesem denkwürdigen Tag kann ich mir meine Begleiter ja wieder selber aussuchen.
    Also: Augen zu und durch!


    Draußen auf der Veranda haben Papa, Matti und Ulli gerade die erste Sektflasche geköpft, wie ich durchs Fenster beobachten kann.


    geht weiter

    Hey! Ich muss sagen: erstaunt bin ich nicht gerade über eure Beurteilungen zu Jaquelines neuem Styling, mir selbst gefällt es nämlich auch nicht, aber Models verändern ihren Look ja ständig und da Jaqui jetzt immer mehr ins Business reinkommt, wird es auch nicht beim jetzigen Ist-Zustand bleiben.
    Vielleicht findet sich ja etwas, das Jaquelines Persönlichkeit mehr entspricht.
    Und Nora hat es eigentlich gut gemeint, wenn sie auch etwas danebengegriffen hat bei dieser Verwandlung. Aber auch eine Model-Trainerin kann sich mal irren.
    Auf jeden Fall dankeschön für eure Kommis!
    Tschüßi!

    „So! Und nun wollen wir endlich das machen, wofür wir hier eigentlich bezahlt werden!“ reißt mich Nora im Kommando-Ton aus meinen Gedanken.

    „Eins steht fest: Deine Haare können wir SO nicht lassen!“


    Ich versuche, zu protestieren, doch das nützt mir nichts gegen Noras Sturschädel.

    Energisch dirigiert sie mich ins Badezimmer, wo die folgenden zwei Stunden zu einer Prozedur für meine Kopfhaut werden.

    „Dieses verwaschene Honig-Blond ist einfach entsetzlich!“ stöhnt Nora.

    „Aber es ist meine Natur-Haarfarbe!“ kreische ich, als sie mit einem entsetzlich stinkenden Mittel aufkreuzt – „ich habe nie mit meiner Haarfarbe experimentiert. Ich bin so auf die Welt gekommen!“

    „Schlimm genug! Doch das lässt sich ändern!“ bestimmt Nora und verteilt die ekelhafte Sülze quer über meinen Kopf – ganz nonchalant hat sie mich kurz zuvor in ein paar Edel-Klamotten gesteckt und mein Gesicht mit den diversesten Puderquasten, Schwämmchen und Stiften bearbeitet.




    Eine gute ¾ Stunde stehe ich kurzzeitig unter Schock, als ich eine platinblonde Karikatur meiner selbst im Spiegel erblicke.

    „NOOORRRAAA!“

    „Nun komm endlich raus da, Jackson!“ befiehlt Nora von der Außenseite der verschlossenen Badezimmertür.


    Entschlossen reiße ich die Tür auf, mir meines grauenvollen Anblicks schmerzlich bewusst.

    „Warum hast du mir nicht gesagt, dass sie sooo hell werden?“ brülle ich voller Entsetzen.

    Nora sieht mich verständnislos an. „Was hast du geglaubt, was dabei herauskommt, wenn auf der Packung ‚Fairy Summer’ steht?“

    „NICHT SO WAS! Ich schau ja aus wie Pamela Andersons kleine Hillbilly-Cousine!“


    „Ach Quatsch! Du siehst süß aus! Auf jeden Fall ist dieser Look um Klassen besser als deine rausgewachsene Raubtiermähne von vorher. Für den Anfang ist das schon mal nicht schlecht - aber wir werden in nächster Zeit ohnehin ein paar andere Varianten für dich finden müssen. Das hier war nur ein Erstversuch.“ beschließt Nora energisch.

    Hm. Ob ich mich so unter die Leute mischen kann? Aber ich kann ja immer noch sagen, diese krasse Typ-Veränderung ist wegen der Hochzeit morgen…


    „Komm, setz dich! Erzähl mir ein bisschen was von dir!“ Nora lässt sich in einen der super-modernen blauen Sessel ihres Büros sinken und gibt mir mit einer ungeduldigen Handbewegung zu verstehen, dass ich ihr gegenüber Platz nehmen soll.


    Plötzlich bin ich wieder ganz schulmädchenhaft-verlegen und, wie immer wenn ich verlegen bin, gestikuliere ich wild mit meinen Händen.
    Wenn mir bloß etwas einfiele, was ich erzählen könnte, um diese Frau zu beeindrucken!

    „Was wollen Sie von mir wissen?“ rette ich mich in eine Gegenfrage, um Zeit zu gewinnen.
    Gleichzeitig denke ich, dass sie eigentlich nur dazu da ist, mir die Grundlagen eines perfekten Laufsteg-Auftritts beizubringen. Was berechtigt sie also dazu, mich über mein Leben auszuhorchen?

    Knappe 20 Minuten später habe ich ihr (ich weiß nicht genau warum, aber plötzlich sind die Worte einfach aus meinem Mund hervorgesprudelt) – angefangen bei Matti und unserem fehlgeschlagenen Kuss über meine Beweggründe zum Modeln bis hin zu meiner Beziehung zu Constantin alles erzählt, was in meinem Leben derzeit Bedeutung hat.
    Die ganze Zeit hat Nora nur gespannt zugehört – ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen, was ich von Erwachsenen eigentlich gar nicht so recht gewohnt bin.


    „Sieht aus, als hättest du es zur Zeit nicht leicht!“ bemerkt sie trocken, als ich meine Ausführungen beendet habe (wir sind inzwischen beiderseitig zum vertrauten „Du“ übergegangen“).
    „Dieser Matti scheint ja ein ziemlich harter Knochen zu sein – aber ich glaube, er ist es wert!“

    Häh? Was wert? Was meint Nora damit?

    Bevor ich mich weiter in das Thema vertiefen kann, erhebt sich Nora, zieht mich mit sich hoch und schubst mich auf einen hohen Hocker, der direkt vor einem wandhohen Spiegel platziert ist.


    „Sieh dich an, Jaqueline!“ fordert sie mich auf, um sich fast im selben Augenblick selbst zu unterbrechen „Sag mal, gefällt dir eigentlich der Name ‚Jaqueline’? Ich finde, er passt nicht zu dir! Unter einer ‚Jaqueline’ stelle ich mir immer ein zerbrechliches, schüchternes Wesen vor – ich weiß nicht warum, aber es ist so! Hast du einen Spitznamen, der nicht ganz so ‚zierlich’ wirkt?“

    Ich zögere. „Na ja, Matti hat mich immer ‚Jackson’ genannt.“

    Nora sieht mich prüfend an. „’Jackson’ find’ ich gut. Wie nennt dich Constantin?“

    Nur widerwillig antworte ich. „Constantin nennt mich entweder ‚Baby’ oder ‚Süße’ oder so ähnlich.“

    Nora zieht die rechte Augenbraue hoch. „Passt nicht zu dir! Ich werde dich ‚Jackson’ nennen.“


    „Und jetzt zur Sache, Jackson! Sag mir ganz ehrlich: Was denkst du, wenn du dich so im Spiegel betrachtest? Was glaubst du, wie du rüberkommst?“

    Ich muss lange überlegen und starre minutelang mein Spiegelbild an. Es kommt mir vor, als würde ich mich zum ersten Mal wirklich sehen.

    „WAS siehst du, Jackson, wenn du dich anschaust? WEN siehst du?“ fragt Nora nach einer langen Pause.

    Stockend kommt die Antwort über meine Lippen. „WAS ich sehe ist ein 16-jähriges Mädchen mit zotteligen langen Haaren und grünen Augen. WEN ich sehe? Ich sehe ein 16-jähriges Mädchen mit zotteligen langen Haaren und grünen Augen, das Träume hat, das Sehnsucht hat, das nicht genau weiß, welche Träume und welche Sehnsüchte es hat.“


    Noras Gesicht blickt mir ernst im Spiegel entgegen.

    „Soll ich dir sagen, was ICH sehe? ICH sehe ein 16-jähriges Mädchen mit zotteligen langen Haaren und grünen Augen, das tief in seinem Innersten genau weiß, was es will, das die Stärke hat, seine Träume zu verwirklichen, aber das derzeit noch an der Oberfläche schwimmt und sich noch nicht traut, hinabzutauchen in die Tiefe. Eines Tages wird sie den Mut haben.“


    Noras Worte wirken magisch auf mich, auch wenn ich nicht so ganz genau weiß, was ich damit anfangen soll.


    ... und es geht noch weiter...


    Diesmal hab’ ich mir fest vorgenommen, nicht ins Fettnäpfchen zu treten. Gleich nach dem Eintreten in das modern, aber recht nüchtern eingerichtete Büro stelle ich mich der jungen Frau, die da am PC sitzt, vor „Hallo! Ich bin Jaqueline Bichlmayr“ und wage keine weiteren Spekulationen darüber, ob sie jetzt Nora ist oder nicht.

    Sie ist es!


    „Hallo Jaqueline! Ich bin Nora. Schön, dass du rechtzeitig kommst – wir haben heute viel vor!“


    Nora scheint nett zu sein, doch ich merke recht schnell, dass sie jemand ist, der seine Meinung immer direkt heraussagt, ohne etwas zu beschönigen.

    „Ok, Jaqueline! Ich seh’ schon: An deinem Styling müssen wir arbeiten“, erklärt sie energisch, aber nicht unfreundlich.
    Trotzdem fühle ich mich unwohl unter ihren prüfenden Blicken.
    Diese Frau sieht so toll aus, als wäre sie selbst ein Topmodel. Irgendwie stimmt alles an ihr und alles was sie trägt, ist perfekt aufeinander abgestimmt – von der Mütze über den Lidschatten bis zur Schuhspitze. Ich wette, dass auch der Lack auf ihren Zehennägeln zu ihrem übrigen Outfit passt!


    „Ich sage immer das, was ich denke, Jaqueline! Manche mögen das, die meisten stört es. Aber es ist nun mal so! Und nun zur Sache: deine Klamotten sind eine glatte Katastrophe, mein Mädchen!“


    Verschämt blicke ich an mir herunter, doch im selben Augenblick regt sich in mir der Zorn.
    Wie kommt diese Frau dazu, mich so nieder zu machen? Na gut: Sie hat eine direkte Art. Na gut: Mein Outfit ist nicht der letzte Schrei. Aber gibt ihr das ein Recht dazu, mich so zu kritisieren?

    Auf einmal stört es mich nicht mehr, ob ich irgendwas Falsches sage und ungeniert, wie es eben so MEINE Art ist, teile ich ihr frei heraus mit, was ich von ihrer Aussage halte.


    „Veith hatte recht! Du bist wirklich anders“, entgegnet Nora nach meinem kleinen Ausbruch nur verblüfft.

    Was immer Veith damit gemeint haben mag – auf jeden Fall bin ich eine Type, die der guten Nora bestimmt nicht alle Tage über den Weg läuft – das verrät mir ihr erstaunter Blick!

    „Na, du bist mir ja eine!“
    Mit einem perplexen Gesichtsausdruck lässt Nora sich wieder in ihren Ledersessel hinter dem PC fallen und mustert mich wie ein Wesen vom anderen Stern.


    Grade, als ich mir überlege, wie ich meinen emotionalen Faux-Pas wieder ausbügeln kann, zieht Nora ein breites Grinsen auf.

    „Mir scheint, du bist mir nicht ganz unähnlich. Allerdings war ich mit 16 noch nicht ganz so direkt wie du…!“

    Oh Gott! Was genau hab’ ich grade vorhin dieser Frau alles an den Kopf geworfen?


    geht noch weiter...

    „Jaqueline! Bei Veith’s Shows tragen die Models nicht unbedingt Größe 38!“ bemerkt Claudine ätzend.

    „Na und? Soll ich deswegen vielleicht magersüchtig werden und über den ganzen Tag verteilt ein Salatblatt essen?“ gebe ich patzig zurück.


    Das Dessert schmeckt himmlisch und ich sehe gar nicht ein, warum ich nicht auch mal in lukullischen Genüssen schwelgen sollte.
    Immerhin hab’ ich mich in den letzten Wochen brav zurückgehalten beim Essen und sonntags sogar auf Mami’s Schweinsbraten verzichtet, was eine echte Einbuße an Lebensqualität bedeutet!

    Doch Claudine kann’s nicht lassen! „Wenn du das erste Mal in eins von Veith’s Entwürfen schlüpfst, wirst du merken, dass Massen an Himbeertorte nicht unbedingt der beste Einfall waren!“ erklärt sie und zuckt verächtlich mit den Schultern.


    Ich könnte ihr auf der Stelle die Augen auskratzen, ich möchte ihr am liebsten sagen, dass sie selber fett ist – doch das wäre lächerlich! Ich weiß zwar nicht genau, wie alt diese Frau tatsächlich ist, aber sie hat echt eine Bombenfigur, an der bestimmt JEDES Modellkleid perfekt sitzt.


    „Man wird sehen!“ gebe ich lakonisch zurück, doch angesichts ihres durchtrainierten Bodys, an dem kein Gramm Fett zu viel ist, ziehe ich, mit meinen kleinen, aber doch nicht unsichtbaren Speckröllchen, es vor, nicht zu großmäulig zu erscheinen.

    Indessen palavert Claudine unbeirrt weiter, natürlich wortreich unterstützt von ihrem exaltierten Busenfreund.


    „Ich möchte dich wirklich nicht verletzen, Jaquelinchen – aber ein paar Kilos weniger könnten es schon sein! Ehrlich, zumindest der kleine Ansatz am Bäuchlein muss weg! Das schaffen wir mit ein bisschen Training. Jeden Tag ein paar Minütchen aufs Fitnessgerät und: Schwupps! Weg ist der Speck!“

    Ich seufze ergeben. So lang sie mir wenigstens nicht das Essen verbietet…
    Und ein „paar Minütchen“ auf dem Hometrainer werd’ ich ja grade noch verkraften.


    So schweißtreibend hab’ ich mir die Sache allerdings nicht vorgestellt, aber die liebe Claudine kennt kein Erbarmen und treibt mich in den nächsten Tagen zu sportlichen Höchstleistungen an.

    Es ist Freitag, als ich nach längerer Zeit wieder mal auf die Waage steige. Tatsächlich! 4 Kilos satten, prallen Fetts sind gepurzelt seit Beginn meiner „Modelkarriere“!


    Neugierig blicke ich an mir herunter. Hm, einen Unterschied sehe ich eigentlich kaum, außer dass mein bisher weiches Bäuchlein auf einmal ganz flach ist.


    An diesem Freitag steht auch mein erster Termin mit Nora, Veiths Assistentin, an. Ich bin ganz schön neugierig auf die Dame, denn auch Claudine und Jonas schwärmen in höchsten Tönen von ihr. Wenn man ihnen so zuhört, könnte man meinen, die Lebensaufgabe dieser Frau bestünde darin, ungeschliffene, unvollkommene Geschöpfe zu perfekten, vollendeten Kunstobjekten zu trimmen.



    es geht noch weiter...


    He he, der Satz könnte von mir sein. Das gefällt mir so an Jaqueline, sie läßt sich nicht so leicht beeindrucken. Sie hat eine wunderbar respektlose Art zu denken und zu reden und das macht sie sympathisch. Außerdem hat sie hat die Gabe, die Dinge zu sehen, wie sie SIND und nicht, wie sie sie haben möchte.


    Ja, es gibt nicht viel, was Jaqueline umhauen kann - bis auf Constantin! In seiner Nähe scheint ihre lockere Art, den Lauf der Dinge zu sehen, immer Einbußen zu erleiden. Ist es Liebe, die sie blind für die ganze Wahrheit werden lässt? Ansonsten sollte sie es doch schön langsam mal kapieren...


    Hallöchen mal, dropdead!
    Ich muss sagen - das ist ja mal ein laaanger Kommi! Danke dir!
    Ich bewundere wieder einmal deine Art, die Ereignisse auseinanderzuklauben und - auf deine eigene Weise - zu analysieren!


    Lg, Amber

    Hallo!
    Melde mich nach einer anstrengenden Arbeitswoche (die gottseidank bald vorbei ist) wieder mal mit n'em Kommi und möchte euch gleich mal DANKE sagen für eure Antworten. Freu mich auch besonders über die zwei neuen Leser (bin erstaunt, dass es auch mal einen Consti-Fan gibt) und ich hoffe, dass ich euch bald einen neuen Teil liefern kann.
    Bis dahin, liebe Grüße!
    Amber


    Nach einem höflich-galanten Handkuss von Jonas und Bussi-Bussi von Claudine darf ich mein wertes Hinterteil endlich dekorativ auf einem höchst unbequemen Stuhl platzieren, als Jonas sich auch schon wieder erhebt, um eine Flasche des edelsten Champagners zu köpfen.


    „Wir haben heute etwas zu feiern!“ verkündet Claudine mit getragener Stimme.

    Hah! Das größte Fest wär’ für mich, wenn auf einmal dein Handy klingelt und du dich gemeinsam mit deinem schnieken Kompagnon auf einen gaaanz wichtigen Termin verziehen würdest, denke ich, nicht sehr charmant, aber leider erlöst mich kein Handyläuten aus dieser Situation.

    Sag mal, merken die zwei echt nicht, dass sie stören oder ist es ihnen einfach schlichtweg sch…egal?


    Aus purer Höflichkeit ergreife ich ein Glas des teuren Gesöffs und höre mir die gesetzte kleine Rede und Lobeshudelei, die Jonas vorbereitet hat, mit innerlicher Belustigung an.

    Hab’ ich’s mir doch gleich gedacht! Jetzt, wo ich es geschafft habe, die Zusammenarbeit mit Veith anzuknüpfen, bin ich der große Star für „Saritz & Co“ – auch wenn ich gestern noch als missratenes Kellerkind galt.

    Claudine und Jonas sind glänzendster Laune und geben sich größte Mühe, den Abend schwungvoll und animiert zu gestalten, wobei sie meine Wortkargheit anscheinend nicht im Geringsten stört.


    Ich bin ziemlich verärgert – mittlerweile weniger auf die beiden Störenfriede, als vielmehr auf Constantin.



    War ja ein schlechter Gag, mich zu einem tollen Dinner einzuladen, das sich dann als völliger Flop herausstellt, weil er ja unbedingt diese zwei Figuren mitanschleppen musste!

    Der Abend ist in meinen Augen ein ziemlicher Reinfall, auch wenn mir das Essen ausgezeichnet schmeckt.


    Dass ich mir vom Dessert noch einen Nachschlag bestelle, trägt mir einen entsetzten Blick von Claudine ein.

    Es ist 7. Draußen sehe ich die Scheinwerfer von Constantins Auto aufblenden.


    „Bin um halb zwölf spätestens zurück!“ rufe ich Mami, die in der Küche steht, zu und hüpfe, bevor sie irgendwelche Einwände erheben kann, gleich darauf zu Constantin auf den Beifahrersitz.

    Er begrüßt mich mit einem innigen Kuss und erst jetzt merke ich, wie sehr ich das in den letzten zwei Tagen vermisst habe.

    „Toll siehst du aus, Baby!“ mustert mich Constantin anerkennend.


    Sein Lob freut mich, obwohl ich mir in dem roten Seidenkleid (natürlich aus dem Fundus seiner Mutter, die mir die paar todchicen Klamotten, die jetzt in meinem Kleiderschrank vor sich hin hängen, aufgezwungen hat) reichlich aufgetakelt vorkomme.


    Aber was tut man nicht alles, um dem Mann seines Herzens zu gefallen?

    Unser kleiner Streit scheint vergessen und die Fahrt nach München verläuft sehr entspannt und vergnügt. Constantin stoppt den Wagen direkt vor dem „En Vogue“ – DEM Nobel-In-Restaurant Münchens. Er hilft mir galant aus dem Auto und wirft den Schlüssel einem diensteifrigen Parkplatzwächter zu.
    Als wir das Lokal betreten, streifen uns einige neugierige Blicke von anderen Gästen. Auch ich blicke mich interessiert in dem Laden um.


    Oh Mann – da ist ja einige Prominenz vorhanden! Viele Leute, die man sonst als normalsterblicher Mensch immer nur auf dem Fernsehbildschirm zu sehen kriegt.

    Als Constantin vorangeht und einen Tisch mitten im Restaurant direkt ansteuert, entdecke ich zu meiner Enttäuschung zwei bekannte Gesichter, die uns – grinsend wie Honigkuchenpferdchen – entgegenstrahlen.


    „Musste das wirklich sein?“ zische ich Constantin zu.


    Ich habe bei unserer Verabredung eher an einen romantischen Abend zu zweit gedacht, doch wie immer werden jetzt völlig überflüssigerweise auch Claudine und Jonas an unserem Dinner teilnehmen.

    Constantin ignoriert meine Bemerkung konsequent und schiebt mich in die Richtung dieser beiden Herrschaften, die ich momentan zum Teufel wünsche.


    ... geht noch weiter...

    Hey, ihr Lieben! Vielen Dank für eure Kommis zum letzten Teil.
    Und jetzt viel Spaß mit der Fortsetzung.


    Zuhause laufen die Hochzeitsvorbereitungen auf vollen Touren. Klar – sind ja auch nur mehr knapp 10 Tage bis zum großen Ereignis!

    Das Telefon klingelt, was in diesen Tagen im Hause Bichlmayr so circa alle 5 bis 8 Minuten passiert. Wahrscheinlich ist es wieder mal die Schneiderin, die Mama zur letzten Anprobe bestellt oder der Bäcker, der endlich wissen will, wie viele Stockwerke der Traum aus Mehl, Eiern und Zucker nun wirklich haben soll.

    „Jaqueliiine!!! Komm zum Telefon!!! Constantin ist dran!“ ruft Mutti aufgeregt durchs Haus, als sei Hollywood persönlich am Rohr.


    So, so! Constantin also! Ist ja mal was ganz Neues. Bisher haben wir unsere Verabredungen immer in der Schule getroffen, so dass er gar keinen Grund hatte, die Bichlmayr’sche Nummer zu wählen.
    Ob er sich mit mir versöhnen will?


    Gelassen, als hätte ich alle Zeit der Welt, schlendere ich zum Telefon.

    „Hallo?“ säusle ich in den Hörer, als hätte ich keine Ahnung wer dran ist, dabei hat Constantin den Widerhall von Mamis durchdringender Stimme wahrscheinlich auch ohne Telefon bis nach München hinein gehört.


    „Hey, Baby! Was hältst du davon, wenn ich dich gleich abhole und wir in München chic Essen gehen?“ Constantin zieht eine Stimme auf, als sei er Humphrey Bogart in „Casablanca“.

    Ich zögere. Männer soll man manchmal hinhalten. „Essen klingt gut, aber wie komme ich zu der Ehre? Bis heute nach Schulschluss warst du angepisst und hast seit zwei Tagen schon kaum ein Wort mit mir gewechselt. Woher der plötzliche Sinneswandel?“

    Constantin lacht. „Ach, Baby! Du bist doch’ne grandiose Nummer! Ich steh’ unheimlich auf dich, weißt du doch. Du bist so sexy und ich hab’ einfach Lust, mit meiner sexy Freundin essen zu gehen. Ist das so schlimm?“

    „Constantin, ist deine Mutter zuhaus’?“ frage ich ihn ganz harmlos.

    „Ja, ist sie! Aber.. warum fragst du…?“


    „Kann es sein, dass ein gewisser Veith Cronshagen-Harrach soeben bei euch angerufen hat?“

    Ich spüre förmlich Constantins verschmitztes Grinsen. „Ja, hat er! Und du hast ihn echt hammermäßig beeindruckt, Baby! Ich muss schon sagen… - der Deal ist dir perfekt gelungen!“

    „Wahrscheinlich perfekter, als wenn deine Mutter es veranlasst hätte!“ entgegne ich ungerührt.

    „Ach komm! Was hast du gegen meine Mutter? Sie will nur dein Bestes.“

    „Sie will nur das Beste für ihre Firma, das meintest du wohl?!“


    „Ja, natürlich! Auch das! Aber sag’ jetzt nicht, ich hätte dich nicht vorgewarnt! Ich hab’ dir doch gesagt, sie ist ein Profi!“

    „Das hast du, stimmt“, murmle ich nachdenklich. Bloß, da habe ich noch nicht gewusst, was du damit meinst, füge ich in Gedanken hinzu.

    „Also, was ist jetzt mit Essen?“ drängt Constantin.

    Irgendwie bin ich ja froh, dass zwischen uns jetzt alles wieder im Lot ist.

    „Hol mich um 7 ab“, beschließe ich spontan.

    „Super, Baby! Wir werden uns einen tollen Abend machen, hm?! Zieh was Schönes an und leg’ ein bisschen Make-Up auf – wir gehen ganz groß aus!“


    Er legt auf und ich stehe noch minutenlang beim Telefon, bevor ich mich ins Bad begebe.

    Soll ich mich wirklich aufputzen wie eine Disco-Maus? Um Constantin besser zu gefallen?

    „Wir gehen ganz groß aus!“ – na gut: Wenn er mich nobel ausführt, kann ich ja nicht aufkreuzen wie auf’nem Kindergeburtstag.

    Also: Rauf mit der Pampe und rein ins Hautenge!


    Nach einer Stunde bin ich mit dem Ergebnis zufrieden – na ja, nicht ganz: Jeans und Sweatshirt wären mir lieber gewesen – aber man tut was man kann und das Bild, das mir der Spiegel entgegen wirft, ist echt nicht übel.


    Fortsetzung folgt gleich...

    Veith nickt.


    „Keine schlechte Motivation. Aber wofür braucht ein 16-jähriges Mädchen so viel Geld? Und warum tut sie dafür etwas, das sie nicht besonders gerne macht?“

    Ich hole tief Luft, bevor ich ein endgültiges Geständnis ablege.

    „Es ist wegen meinem Bruder. Nicht nur aber vor allem. Seine Freundin erwartet ein Baby und deswegen heiraten sie jetzt. Mein Bruder wollte immer studieren, aber jetzt, wo er Ehemann und Vater wird, muss er sich einen Job suchen, weil meine Eltern und die Eltern seiner Freundin es sich nicht leisten können, ihn und seine Familie finanziell zu unterstützen.“

    Mit ernster Miene sieht Veith mich durchdringend an. „Das ist wirklich sehr verantwortungsbewusst von dir Jaqueline. Aber, denkst du nicht, dass es eine zu schwere Bürde für eine 16-jährige ist, die Familie ihres Bruders zu unterstützen?“


    „Ach, nö! Das geht schon. Ich werde es nicht allzu lange machen. Wenn ich das Abi in der Tasche hab’, hör ich auf damit. Dann hab’ ich genug Geld, um selber zu studieren. Ich hatte ohnehin nicht vor, das Modeln als Fulltime-Job zu betreiben“, erkläre ich entschlossen.


    „Na gut, Jaqueline! Ich gehe zwar nicht ganz d’accord mit deinen Beweggründen, aber trotzdem: Ich möchte dich für meine nächsten Shows buchen! Dazu brauchst du allerdings um Weihnachten herum mehr Ferien als die üblichen zwei Wochen Schulferien. Wenn du einverstanden bist, werden wir deine Eltern und deine Schule informieren, damit du 2 zusätzliche Wochen freigestellt wirst. Du hast hoffentlich keine Probleme in der Schule, oder?“

    Ich verneine, was auch der Wahrheit entspricht, denn meine Noten sind zwar nicht erstklassig, aber immerhin besserer Durchschnitt.

    „Sehr gut! Dann werden wir dies also veranlassen. Bevor du allerdings für mich über den Laufsteg laufen kannst, brauchst du noch einigen Schliff, was bedeutet: Du wirst bis Weihnachten jede Woche für zwei, drei Stunden mit meiner Assistentin Nora zusammenarbeiten. Sie kann dir wertvolle Tipps geben, wie du dich und meine Kreationen am besten präsentierst.“


    Veith’s Stimme klingt jetzt äußerst geschäftsmäßig, doch dennoch nicht so kommandierend wie die von Claudine oder Jonas.

    Ich spüre, dass ich zu ihm Vertrauen haben kann und als wir uns an diesem Abend voneinander verabschieden, nicht ohne unzählige weitere Details besprochen zu haben, kommt es mir beinahe so vor, als hätte ich einen neuen Freund gewonnen.

    „Kaffee?“ fragt er und als ich nicke, erwarte ich, dass er jetzt nach irgendeiner Sekretärin rufen wird, die für uns den Kaffee zubereitet.


    Stattdessen stellt er sich selbst an die Esspressomaschine in der kleinen Küche und lässt uns zwei Tassen herunter.

    Wir lassen uns an einem hübschen, kleinen Holztisch auf bequemen Sesseln nieder, schlürfen unseren Kaffee und unterhalten uns wie zwei alte Freunde.


    „Dir scheint viel an deiner Familie zu liegen, Jaqueline, oder? Ich meine, wenn du dafür Gefahr läufst, einen Termin mit einem berühmten Designer sausen zu lassen?!“ Er sagt das mit so viel Selbstironie, dass es mir gar nicht in den Sinn kommt, ihn deswegen für überheblich zu halten.

    „Natürlich bedeutet mir meine Familie sehr viel und die Hochzeit meines einzigen Bruders würde ich niemals verpassen. Aber das war nicht der einzige Grund, warum ich dich gestern angerufen habe“, entgegne ich.

    „So? Warum denn sonst noch? Es gehört viel Mut dazu. Mehr als ein 16-jähriges Mädchen, das Model sein will, normalerweise aufbringen würde“, hakt er neugierig nach und wartet nachdenklich auf meine Antwort.


    „Wahrscheinlich habe ich diesen Schritt nur deswegen gewagt, weil ich einfach keine Marionette sein will.“


    Veith zieht verwundert beide Augenbraue hoch. „Marionette? Für wen?“


    „Für Claudine. Für Jonas. Für Constantin. Für die ganze Modewelt. Ich weiß nicht! Ich weiß nur, dass ich mich nicht irgendeinem Diktat unterwerfen will! Keiner hat das Recht, nach Gutdünken über mich zu verfügen!“


    Veith sieht mich über seine Kaffeetasse hinweg aufmerksam an. „Als Model bist du mehr als in den meisten anderen Job die Marionette von irgend jemandem. Von einer Agentur, von einem Designer, von einem Modehaus… Jaqueline, du bist so anders als die meisten anderen Models, die ich kenne und mit denen ich zusammenarbeite. Die meisten machen es, um sich zu präsentieren, um ihr Selbstwertgefühl zu steigern, um sich einen reichen Typen zu angeln, um in die High-Society zu gelangen… Aber - warum machst du diesen Job?“


    Ich beschließe, ehrlich zu sein. „Um Geld zu verdienen!“


    ... eins geht noch...

    Auf einmal lacht der junge Mann aus vollem Hals und es ist genau dasselbe Lachen, das ich gestern am Telefon gehört habe.


    Ein schrecklicher Verdacht steigt in mir hoch!

    „Oh Gott! SIE sind Veith Cronshagen-Harrach!“ flüstere ich verlegen.


    „Der Kandidat hat 100 Punkte! Genau der bin ich!“


    „Und ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen, Fräulein Bichlmayr. Nach unserem gestrigen Telefonat war ich ja schon auf Einiges gefasst, aber ich muss sagen: Die Wirklichkeit übertrifft meine ganze Vorstellungskraft - in jeder Hinsicht!“

    Ich schäme mich so entsetzlich, dass ich am liebsten auf der Stelle im Erdboden versinken würde.


    Was muss sich dieser Mann jetzt nur von mir denken?


    Wahrscheinlich glaubt er, dass er eine Halb-Wahnsinnige vor sich hat oder ein Dummchen à la Babsi!

    „Na, na! Komm Mädchen! Warum duckst du dich jetzt so? Du bist nicht der Typ dafür und ich hab’s als ganz wohltuend empfunden, dass ich keine hechelnde Barbie-Puppe vor mir habe, die mich auf Anhieb umschmeichelt, nur weil ich der bin, der ich bin!“


    Sein Gesicht ist meinem so nah, dass ich die Sommersprossen um seine Augenpartie herum zählen könnte. Er sieht wirklich nett aus und seine Worte geben mir wieder ein bisschen Auftrieb.

    „Sorry wegen dem Ganzen, aber ich… ich hab’ Veith Cronshagen-Harrach für älter eingeschätzt… wegen der Stimme und so…“


    Ich versuche ein Lächeln, das allerdings etwas schief gerät.

    „Sehr schmeichelhaft für mich, dass du mich bei meinem Anblick anscheinend für einen Jüngling hältst!“ grinst er „in Wirklichkeit bin ich für Mädels deines Alters wahrscheinlich mit meinem fortgeschrittenen Alter von 41 schon Jenseits von Gut und Böse!“

    41? „So alt sehen Sie noch gar nicht aus!“ platzt es aus mir heraus.


    Shit! Schon wieder in die Nesseln gesetzt! Zuerst denken, DANN reden, Jaqui! Wie oft hat Mama mir das schon vorgepredigt?

    Wieder lacht Veith schallend. „Danke für das ‚Kompliment’! Aber zugegeben: Ich habe es provoziert.“

    Das stimmt – aber inzwischen halte ich lieber meinen Mund.

    „Und nun – nach unserem außergewöhnlichen Kennenlernen – was hältst du davon, wenn du mich ‚Veith’ nennst und mit ‚Du’ anredest? Danach können wir locker zum geschäftlichen Teil des Nachmittags übergehen!“ schlägt Veith vor und ich stimme zu.

    ...Fortsetzung folgt...

    Morgen also. Morgen um 16 Uhr lerne ich eine der gefeiertsten Persönlichkeiten der deutschen, ach was sage ich: der gesamten europäischen Modewelt persönlich kennen. Komisch, dass ich absolut keine Vorstellung davon habe, wie Veith Cronshagen-Harrach eigentlich aussieht!? Ich meine, er wird doch bestimmt laufend in irgendwelchen Zeitschriften abgebildet sein, so berühmt wie er ist. Seltsam, dass ich mit dem Namen absolut kein Gesicht verbinden kann! Seine Stimme hat jedenfalls warm und väterlich geklungen und vor meinem geistigen Auge taucht die Vision von einem gemütlichen, dicklicheren Mann mit grauem Haar auf, der mich ein wenig an den Weihnachtsmann erinnert, wenn auch ohne rote Mütze und Rauschebart.

    Wie sehr ich mich in meiner Einbildung getäuscht habe, kann ich tags darauf mit eigenen Augen feststellen.

    Nach einem nervenzermürbenden Schultag (Constantin scheint übrigens noch immer miesester Laune zu sein und hat wieder kaum ein Wort mit mir gewechselt), steige ich in den Bus nach München und fahre ab dem Busbahnhof weiter mit der U-Bahn An der Station „Harderner Stern“ steige ich aus. Das Büro von Herrn Cronshagen-Harrach muss hier irgendwo gleich in der Nähe liegen. Wenige Minuten später bin ich an der Adresse, die ich mir notiert habe, angelangt und stehe stutzend vor einem modernen, aber gemütlich wirkenden, kleinen Haus mit hohen freundlichen Fenstern.


    Obwohl es mitten an einer belebten Straße steht, wirkt es eigentümlich ruhig und traulich, fast abgeschieden. Ganz anders als das noble, kühle Gebäude, in dem die Büroräumlichkeiten der Agentur „Saritz & Co“ untergebracht sind. Seltsam, aber irgendwie überkommt mich beim Anblick dieses Häuschens so etwas wie ein Gefühl von innerem Frieden, als würde ich hier schon ewig ein und aus gehen. Ein eigenartiges Gefühl und die Selbstverständlichkeit, mit der ich geradewegs auf die Eingangstür zuschreite, irritiert mich selbst etwas.


    Auf mein Klopfen hin, ruft eine männliche Stimme von drinnen „Nur herein, es ist offen!“ und ich betrete einen Vorraum, in dem ein blonder Mann, von dem ich momentan nur den Rücken sehe, am Computer sitzt.


    Als er meine Schritte vernimmt, dreht er den Kopf in meine Richtung und blickt mir geradewegs ins Gesicht.


    „Oh, hallo! Sie sind ja überpünktlich!“ sagt er mit einer Stimme, die mich sehr an die von gestern am Telefon erinnert.
    Das kann doch nicht Veith Cronshagen-Harrach sein! Nein, der Typ hier ist doch viel zu jung, um schon eine so große Karriere gemacht zu haben! Bestimmt nicht älter als 30 oder so. Er ist eigentlich nicht hübsch zu nennen, vor allem wenn man ihn mit Jonas oder Constantin vergleicht, aber der freundliche, ruhige Ausdruck in seinen sanften braunen Augen nimmt mir auf Anhieb meine leichte Nervosität. Bestimmt ist er der Sohn des berühmten Designers!

    „Hallo!“ gebe ich zurück. „Ich wollte Herrn Cronshagen-Harrach nicht warten lassen, wo er schon so freundlich war, mir für heute einen Termin zu geben. Sie müssen wissen, dass er mich eigentlich erst nächsten Samstag treffen wollte, aber da heiratet mein Bruder. Und ich war so frech, und habe Herrn Cronshagen-Harrach das gestern telefonisch mitgeteilt und er hat mich gleich für heute zu sich gebeten …, also, echt, ich find’ das voll nett! Sie nicht auch?“

    Wieder einmal habe ich Frei-Schnauze geredet, so wie es nun mal meine Art ist, und bereue es schon, bevor ich noch fertig gesprochen habe. Was machst du da schon wieder, Jaqui? Erzählst dem Typ da Sachen, die ihn bestimmt nicht interessieren und eigentlich auch gar nichts angehen!


    Der Blonde ist inzwischen aufgestanden und steht mir nun direkt gegenüber.

    „Ja, ja, das ist wirklich nett! So ist er nun mal! Ein netter Mann!“


    Ein leicht ironisches Grinsen umspielt seine Lippen und sein offenes Gesicht verrät Belustigung.

    Ja, o.k.! Ich habe wieder mal zu viel geredet! Ich weiß! Aber das ist noch lange kein Grund dafür, mich auszulachen!


    Ich fühle mich etwas gekränkt und leicht verstimmt und will so schnell wie möglich die Sache hinter mich bringen.

    „Würden Sie jetzt bitte die Güte haben und Herrn Cronshagen-Harrach ausrichten, dass ich da bin?!“ entgegne ich und versuche, möglichst viel Würde in meine Stimme zu legen.

    „Sie haben Herrn Cronshagen-Harrach wirklich noch nie gesehen, Fräulein Bichlmayr, oder?“ fragt er vorsichtig.


    Was soll’n die Frage nun? „Nö, hab’ ich nicht, aber das werde ich ja bald! Das heißt, wenn Sie mir endlich sagen, wo ich ihn finden kann!“ erwidere ich, leicht gereizt, weil er mich noch immer so amüsiert mustert, als wäre ich eine besonders lustige Puppe.



    ...ups, geht noch weiter...