Hui! Jetzt knutschen sie auch noch eng umschlungen rum – und das in aller Öffentlichkeit! Nicht, dass ich meine Eltern noch nie beim Zärtlichkeitenaustausch ertappt hätte, aber so vor den Augen aller Leute…?
Na, es sei ihnen vergönnt! Wenn ein Ehepaar einen 18-jährigen Sohn hat, der soeben selbst geheiratet hat, dazu noch eine 16-jährige Tochter und dann noch immer so verliebt ist, dann ist das doch eigentlich was Wunderschönes und ein Grund, dieses Paar zu beneiden.
Matti und Iris scheinen sich indessen auch immer näher zu kommen. Nun, auch ihnen alles Gute und herzliche Glückwünsche meinerseits! Meine Cousine ist ein nettes Mädchen, wenn auch um ein paar Jährchen zu alt und ein paar Zentimeter zu groß für den lieben Matti. Aber bitte: Heute scheint ja der Tag der großen Gefühle zu sein!
Sollen sie doch ihren Spaß haben! Ich jedenfalls habe es satt, allein hier am Tisch herumzugammeln und da Großonkel Walter für ein weiteres Tänzchen anscheinend bereits zu angedüdelt ist, werde ich mal um mein eigenes Liebesleben kümmern.
Es ist gerade erst 21:30 Uhr und Constantin hängt bestimmt zuhause rum und zieht sich irgendeinen bescheuerten Action-Streifen rein.
Wenn er sich gleich ins Auto setzen würde, wäre er in einer guten halben Stunde da und die Tratschtanten hier hätten endlich mal wirklich einen Grund, angesichts einer erotischen Inszenierung das Maul aufzureißen!
Ha! Ich kann mir das Grinsen kaum verkneifen, wenn ich mir die Gesichter der lieben Verwandtschaft und Bekanntschaft vorstelle!
Was ich auf keinen Fall will, ist: Hier länger allein herumzusitzen wie bestellt und nicht abgeholt! Und außerdem ist es eh schon mehr als 32 Stunden her, dass ich meinen Schatz das letzte Mal gesehen habe...
Mir ist völlig klar, dass ich nicht gerade uneigennützig handle, aber wenn man sich bei Constantin auf etwas verlassen kann, dann ist es seine Bereitschaft, immer und überall eine gute Show abzuziehen – und genau das ist es, was ich jetzt brauche.
Ein bisschen Herumalbern, ein kleines Techtelmechtel vor den neidvollen Augen der anderen, einfach das Gefühl zu haben, begehrt und umschwärmt zu sein von dem tollsten Jungen der Welt, der nur Augen für mich hat.
„Tut… tut… tut…“ – nach dem 10. „Tut“ hänge ich den Hörer wieder ein.
In der Münchner Wohnung der Saritz’ scheint gähnende Leere zu herrschen und auf Constantins Handy säuselt mir die unpersönliche Mailbox-Stimme ein wenig aufmunterndes „der gewünschte Teilnehmer ist zur Zeit leider nicht erreichbar“ entgegen.
Soll ich’s noch auf Claudines Mobiltelefon probieren? Bestimmt sind Mutter und Sohn wieder mal gemeinsam unterwegs…
„War wohl nix, hm?“ Die ersten Worte, die Matti an diesem Tag mit mir spricht und sie klingen ein bisschen mitleidig in meinen Ohren, was mich ziemlich fuchsig macht und gleichzeitig traurig.
„Wenn du dich über mich lustig machen willst, lass es bitte. Ich bin nicht in der Stimmung für einen verbalen Schlagabtausch“, murmle ich gedrückt.
noch immer nicht...