Minuten später stecke ich in einem Kleid, das grüner ist als der grünste Laubfrosch und habe jede Menge Tünche im Gesicht.
Wir alle werden hinaus in den Garten zitiert und sollen in Abendkleidern vor einer Fotowand posieren.
Na gut – es ist mittlerweile Spätherbst, es scheint zwar die Sonne von einem trügerisch blauen Himmel, aber bei Temperaturen von ca. 8 Grad plus ist es nicht gerade angenehm im Freien zu posieren, vor allem in einem Kleid, das weder Ärmel, geschweige denn Träger hat.
Die anderen Mädels – das muss ich ihnen mit größter Bewunderung zugestehen – sind tatsächlich Profis bis aufs Blut!
Keine von ihnen lässt auch nur einen Anschein von Frösteln erkennen, während die Gänsehaut auf meinen Armen und Beinen sich zu Daisy-Duck-Ausmaßen entwickelt (o.k. die ist zwar eine Ente und keine Gans, aber solche kleinen Unterschiede können vernachlässigt werden – wahrscheinlich gefriert mir ganz nebenbei auch noch das Hirn ein!)
Als erste ist – wie könnte es auch anders sein – Viola dran, die unbekümmert und strahlend vor der Kamera posiert.
Eines muss man ihr ja lassen – sie ist wirklich eine typische blonde, blauäugige Schönheit und beherrscht sämtliche Posen – vor allem den erotischen Schmollmund. Trotzdem habe ich das Gefühl, als stecke da nicht viel dahinter!
Ines dagegen ist ein ganz anderes Kaliber.
Ihr rotes Haar, das in solch einem faszinierenden Gegensatz zu ihren schräggestellten, strahlend grünen Katzenaugen steht, ist etwas ganz Besonderes und sie wirkt so unnahbar und aufregend zugleich, dass man gar nicht anders kann, als sie ständig anzustarren.
Die dunkelhäutige, schwarzhaarige Dame, die vorhin so lässig auf dem Fußboden ausgebreitet lag, nennt sich Anna und sieht auf einmal auf wie die perfekte Glamour-Lady.
Leora mit ihrem blassen Teint und dem tiefschwarzen, glatten Haar sieht für mich aus wie die Reinkarnation von „Schneewittchen“.
Und Kristina mit den braunen Haaren, die mir von allen Mädels auf Anhieb die sympathischste war, wirkt in ihrem schmalen, spitzenbesetzten Kleid wie eine zarte Prinzessin.
Und alle – ALLE – haben’s einfach voll drauf!
Ein Haufen perfekter Mädels, die genau wissen, wie sie stehen, gehen, schauen, etc. sollen – jede Körperhaltung vollendet bis in die Fingerspitzen.
Als letzte bin dann ich an der Reihe – und ich merke selber, dass ich schlecht, abgrundtief grottenschlecht bin! Noch bevor der Fotograf es mir gesagt hat, weiß ich, dass mein Lächeln zu zaghaft und meine Haltung zu gekünstelt ist.
„Jaqueline, meine Liebe, du heißt doch Jaqueline, oder? – Ich weiß, du bist Anfängerin, aber du willst für Veith laufen! Wenn du so läufst, wie du jetzt hier posierst, wird die Show ein glatter Reinfall für dich! Und glaube mir – Veith kann ziemlich unangenehm werden, wenn er sauer ist.“
Roger wird immer ungeduldiger und ich immer nervöser, weil alle um mich
herumstehen und mich kritisch beäugen.
Es will und will einfach nicht klappen und nach unzähligen Aufnahmen, gibt Roger entnervt auf.
„Hoffen wir für dich, dass du besser laufen, als posen kannst, sonst geht die Sache voll nach hinten los!“ Bevor er einen Abgang macht, murmelt er noch ein verächtliches „Gratuliere zu deiner Wahl, Veith!“.
Ob er das dem großartigen Meister wohl auch persönlich ins Gesicht sagen würde? Na, der wahrscheinlich schon! Der Mann kennt nichts! Eiskalt und beinhart. Kein Wunder, dass es mit meinen Fotos nix geworden ist! So unwohl habe ich mich noch nie in der Gegenwart eines Menschen gefühlt, wie vor der Kameralinse dieses scharfzüngigen Zynikers.