Kapitel 5- Les copains
Branda bog in die Sislackstraße ein und sah auf die Uhr: 12.56 Uhr- Perfekt.
Zügig lief sie auf den dürren, krank wirkenden Mann zu und schüttelte ihm die Hand.
"Branda Watson- ich komme um das Haus zu besichtigen." Der Mann musterte sie. Dann trat ein Lälcheln in sein Gesicht und er sagte: "Ja, ich bin Scott McDottern. Lassen Sie uns eintreten."
Langsam schlurfte er zur Haustür und sperrte sie auf. Er gab die Tür in einen geräumigen, schönen Raum frei.
Brandas Mund stand offen- das Haus war sogar eingerichtet! Und was für ein erlesener Geschmack hier gewaltet hatte. "Mister McDottern, dieses Haus ist wundervoll, das sehe ich schon jetzt! Beinhaltet die Miete auch die Möbel?"
McDottern sah sich um und er sah aus, als würde ihn frösteln. "Ja, sie gehört dazu. Ich kann damit nichts anfangen, außerdem erinnert die Einrichtung, dieser ganze Stil mich an meine verstorbene Gattin. Eleanor hieß sie und sie hatte seidiges Haar... " Beschämt blickte er zu Boden, als er merkte, wem er gerade von seiner toten Liebsten erzählte.
"Mein Beileid, Mister McDottern...", begann Branda, "Sie haben ihre Frau wohl sehr geliebt..." Dieser Satz erinnerte sie an Dave- sicher würde er genauso traurig und alleine sein, wenn sie einmal starb. Er würde auch jeder möglichen Person von ihr, seiner Liebsten, erzählen. Er würde sie in den blühensten Worten beschreiben. Er würde sie so beschreiben, als wäre sie eine Mischung aus Aphrodite, Athena, Persephone, Demeter und Artemis. Oh, sie konnte sich vorstellen, wie er dabei melancholisch in die Ferne blickten würde, in die Vergangenheit- die Gegenwart im Moment.
Scott McDottern riss sie aus ihren Gedanken indem er räusperte und dann meinte: "Miss Watson, würden Sie mir bitte in den nächsten Raum folgen?" Nickend ging sie in den angrenzenden Saal, welcher das Wohnzimmer war. Auch dieses Zimmer war äußerst stilvoll eingerichtet. Auf dem Kaminsims befand sich noch ein altes Foto, auf dem Scott mit einer bildschönen Frau abgebildet war. Das musste Eleanor sein. Bestimmt war das Bild schon mehr als zehn Jahre alt, denn McDottern sah um einiges jünger aus als heute.
Dreißig Minuten später hatte Branda das ganze Haus gesehen und war mehr als begeistert. Am liebsten wäre sie sofort eingezogen, besonders wenn sie Tessas Bruchbude im Gegensatz zu diesem Traumhaus sah. Und dazu solch ein Spottpreis! Scott McDottern wollte es wahrscheinlich einfach nur vermietet sehen, vielleicht schmerzte es ihn, das schöne, erinnerungsreiche Haus leer stehen zu sehen.
"Es tut mir leid, wenn das jetzt sehr eilig aussieht, aber ich möchte dieses Haus auf jeden Fall.", erklärte Branda als sie und Mister McDottern wieder vor der Haustüre standen. McDottern lächelte und meinte glücklich: "Ich bin ehrlich gesagt froh, dass sich jemand wie Sie gemeldet hat. Ich würde Ihnen das Haus sehr gerne vermieten. Wenn Sie möchten, können Sie nächste Woche schon einziehen. Ich muss nur noch ein paar persönliche Dinge entfernen, wenn Sie verstehen..." Branda nickte und ihr zersprang beinahe das Herz vor Freude- nächste Woche würde sie in dieses umwerfende Haus ziehen. Und es war nicht wie Daves Haus perfekt, sondern ein Familienhaus. Daves Haus war beinahe kühl und steril. Dort fand man keinen Fussel, niemals. Dieses Haus hingegen war gemütlich und so voller Geheimnisse, Erinnerungen und Leben. Ja, das war das perfekte Haus.
Branda gab Mister McDottern ihre Nummer und verabschiedete sich dankend. Der Alte sah glücklicher aus als zuvor.
Branda fuhr zurück zu Tessa, die sie fragend ansah: "Wo warst du?" "Du wirst es nicht glauben...", sprudelte Branda hervor, "Ich habe ein wundervolles Haus gefunden und schon nächste Woche kann ich dort einziehen! Wieviel ich bis dahin doch noch tun muss! Ich muss meinen ganzen Kram einpacken, ich brauche eine Arbeit, ich muss mit Mister McDottern einen Mietvertrag ansetzen..." Tessa besah sich ihre Freundin mit offenem Mund: War das die selbe Frau, die vor drei Tagen noch mit verquollenen, tränengefüllten Augen vor ihrer Tür stand und um Einlass bat? "Halt, langsam, Schätzchen! Du ziehst aus? So schnell?"
Branda merkte, was sie gerade gesagt hatte und dass es sich für Tessa sicher anhören musste, als würde sie sich hier nicht wohlfühlen. "Ähm... Naja, du willst doch auch mal alleine sein. Außerdem wäre ich früher oder später doch eh ausgezogen. Nur so kommt es eben früher als später..." Tessa blickte traurig drein, doch dann kam sie ihrer Freundin entgegen und nahm sie in den Arm.
Branda drückte sich an Tessa und beide schwiegen einige Sekunden. Dann ging Tessa in die Küche und kochte frischen Milchkaffee.
Acht Tage später wohnte Branda bereits in der Sislackstraße. Sie hatte sich beeilt, sie wollte endlich wieder selbstständig werden und außerdem hatte sie, als sie noch bei Tessa wohnte, Tag für Tag befürchtet, Dave könnte irgendwann vor der Haustüre stehen. Doch er war nicht gekommen, vielleicht hatte er geschluckt, dass es aus war.
"Vielleicht war er aber auch zu meiner Mutter gefahren", dachte Branda schmunzelnd, während sie das Kaminfeuer entzündete. Mutter... Vielleicht sollte sie sie endlich mal wieder anrufen, das letzte Mal hatten die beiden vor drei Monaten miteinander gesprochen. Ach, manchmal vermisste sie ihre Mutter, ihre Tante, ihre Sandkastenfreunde. Doch sie hatte all diejenigen, die ihr jemals am meisten bedeutet hatten einfach verlassen. "Für einen Mann.", Branda spie die Wörter förmlich aus. Ja, sie könnte einfach mal eine Auszeit vertragen, vielleicht bei ihrer Mutter in Montana.
Doch bevor sie ihre Ideen weiter ausführen konnte, klingelte es an der Tür. Branda strich sich ihr Haar aus dem Gesicht und lief zur Tür. Branda trat ins Freie und blickte in die lächelnden Gesichter ihrer beiden besten Freundinnen: Tessa Houston und Franziska Eder.
Franziska Eder, eine wundervolle Freundin war Branda geblieben. Auch sie war von Moose Jaw, Montana nach Peoria,Illinois gezogen, mit ihrem Mann Todd. Fünf Kinder hatten die beiden... Bis Francis, der Älteste an einem besonders schlimmen Asthmaanfall starb. Franziska trauerte, doch sie tat es für sich. Nach außen hin war sie wie immer, sie haf den anderen und war selbstlos. Branda bewunderte diese Frau- so viel hatte sie durchgestanden, so viel hatte sie überstanden.
"Hi, Darling! Und, wie ist dein neues Haus so? Hat es auch ein geräumiges Schlafzimmer?", lachte Tessa und stieß Branda zwinkern ihren Ellenbogen in die Hüfte. Branda gab ihr einen Kuss und wandte sich Franziska zu.
"Hallo, Franzi. Wie geht es dir?" Franziska litt seit nunmehr drei Jahren an Diabetes, doch sie hatte nie geklagt, nich gejammert, niemals auch nur einen wehmütigen Satz von sich gegeben.
"Ach, mir geht es gut.", schnell wechselte Franziska das Thema, "Aber ist bei dir alles in Ordnung? Wegen Dave meine ich..."
Branda ließ ihr dezentes Lächeln nicht von ihrem Gesicht verschwinden, sie wollte nicht verletzt wirken. "Natürlich ist mit mir alles in Ordnung- ich meine: Sieh dir doch mal dieses magische Haus an!"
Lachend und kichernd traten sie in das Wohnzimmer. Sie saßen sich auf die Couch und redeten über Todds nervige Angewohnheit zu schnarchen, über Tessas neue Eroberung und darüber, dass Branda nun solo war.
"Ach Gottchen, du bist jetzt wieder single, Branda! Wir müssen demnächst wieder die Clubs unsicher machen, Mädels- wie früher!" Franzi nickte und fragte dann: "Wie ist das jetzt eigentlich mit deinem Namen? Wirst du deinen Mädchennamen wieder annehmen?"
Branda war überrascht: Darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht, aber ihr war sofort klar, was sie tun würde. Sie würde wieder voll und ganz die Alte werden. Eine unbefangene, freie Frau. "Ich werde wieder Branda Lavette. Ja, ich will wieder frei sein."
Branda Lavette... Wie ungewohnt sich das anhörte- das letzte Mal hatte man sie bei ihrer Hochzeit so genannt, als man sie fragte, ob sie Daves Frau werden wolle.
Bis das der Tod euch scheide...
Und noch ein einfaches Gedicht von Branda über ihre Freundin Franzi:
Kraft... So viel in dir, doch woher?
Liebe... So viel gibst du, doch woher?
Leben... So viel hast du, doch woher?
Woher?
Vielleicht von den Engeln, deren Blut du in dir trägst.
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Ich hoffe, euch hat der Teil gefallen- er liegt mir sehr am Herzen.
Kommentare einschließlich Kritik sind sehr erwünscht.
Lg,
Alienor