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„Von wem sprecht ihr, Gebieterin?“
„Es geht um Celia!“ Wahrlich, nichts hätte Marhala in größeres Erstaunen versetzen können.
„Celia ist bei den Menschen? Wieso das denn? Wie konnte Zaide das zulassen?“ Sie sah sich einen Moment suchend um. „Ist sie etwa auch dort?“
Reshanne schüttelte den Kopf und erzählte der Wächterin auf die Schnelle, was sie ihrer Meinung nach wissen musste. Wie nicht anders zu erwarten war, zeigte sich auch Marhala entsetzt von Zaides Handeln.
„Was genau erwartet Ihr jetzt von mir, Herrin?“
Reshanne erhob sich und trat nah an sie heran.
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[/B]„Ich möchte, dass du auf sie aufpasst. Nur du kannst sie aufhalten, sollten Ihre Kräfte plötzlich hervorbrechen. Aber du sollst noch mehr tun. Ich möchte, dass du dafür sorgst, dass sie sich sowenig wie möglich an unsere Welt erinnert. Sie soll Gefallen am Leben der Menschen finden. Ich möchte, dass sie sich ein solches Leben wünscht. Nur dann wird sie sich aus freien Stücken dafür entscheiden.“
„Das verstehe ich nicht. Wäre es nicht besser, ihr Gedächtnis wiederherzustellen, damit sie mit mir zurückkehren kann?“
„Nein!“ wehrte Reshanne entschieden ab. „Das darf nicht geschehen! Unter keinen Umständen darf sie unsere Welt wieder betreten. Sie muss sich für die Menschen entscheiden!“
„Verzeiht meine Frage, Gebieterin, aber wieso?“
„Weil sie nur dann ihre Kräfte verliert. Sie MUSS darauf verzichten. Sie MUSS! Hast du verstanden?“
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[/B][/B]Marhala nickte. Noch nie hatte sie Reshanne derart besorgt erlebt, ja sie schien regelrecht Angst zu haben, Angst vor einem kleinen Mädchen, das mit seinen zweihundertsechsunddreißig Jahren gerade erst der Kinderstube entwachsen war!
„So kannst du nicht gehen.“ konstatierte Reshanne nach einem kritischen Blick. “Auch wenn es dir nicht behagt, aber du wirst wenigstens nach außen hin eine etwas menschlichere Gestalt annehmen müssen.“
Sie wartete Marhalas Zustimmung gar nicht erst ab, sondern hüllte sie in einen leuchtenden Nebel ein, der sie bald gänzlich umschloß, für einen Moment in die Luft emportrug und verwandelt wieder absetzte.
„Und nun mach dich auf den Weg und enttäusche mich nicht!“ [B]
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[/B][/B]„Wer ist das?“
Reshanne, die sich gerade von Marhala verabschiedet hatte, schrak zusammen. „Was machst du hier?“ fragte sie ungnädig. „Ich hatte dir doch wohl deutlich zu verstehen gegeben, dass du hier nichts zu suchen hast im Augenblick?“
„Das ist immer noch mein Tempel, ... Schwester!“ Gerade das letzte Wort hatte Zaide besonders betont, als sie aus dem Schatten ins Licht trat.
„Du hast mich nicht als Schwester gerufen, Zaide!“ erwiderte Reshanne äußerst reserviert. „Und ich bin nicht als Schwester gekommen, sondern als deine Gebieterin. Es wäre sicher angebracht, wenn du dich daran erinnern würdest!“[B]
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[/B][/B][/B]Zaide ließ sich nicht beirren.
„Ich habe dich gefragt, wer da eben weggegangen ist, Reshanne. Und lüge mich nicht an. Ich bitte dich!“
„Ich denke nicht daran, dir irgendetwas zu sagen!“
„Warum nicht? Wen, wenn nicht mich, ginge es etwas an, was du vorhast?“
„Dich am allerwenigsten! Du hast mit deiner Unvernunft ausreichend bewiesen, wie wenig du in der Lage bist, Situationen wie diese zu meistern!“
„Warum willst du es denn nicht verstehen, dass ich nicht anders konnte? Was hättest du denn an meiner Stelle getan?“
„Das Richtige! Ich hätte das Richtige getan und sie dort gelassen, wo sie hingehörte.Aber du, DU hast dich von deinen Gefühlen leiten lassen!“
„Was ist so falsch daran? Wir erlauben uns viel zu selten, unseren Gefühlen nachzugeben. Und was haben wir davon? Wir erstarren langsam, unsere Herzen gefrieren, wir sehen weder Freud noch Leid der anderen, es interessiert uns nicht mehr! Wie können wir dann noch für die Welten sorgen?“[B][B]
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[/B][/B][/B][/B]„Zaide, hör auf!“ verlangte Reshanne. „Ich werde jetzt auf gar keinen Fall eine Diskussion über unsere Existenz mit dir führen, vor allem nicht nach dem, was du getan hast. Im übrigen wäre ich dir dankbar, wenn ich jetzt ein wenig allein sein könnte! Bitte geh!“ Obwohl ihre Stimme sich etwas müde anhörte, glich diese Bitte eher einem Befehl. Und mit Befehlen hatte Zaide seit jeher große Probleme.
„Ich werde nicht gehen, Reshanne.“ sagte sie entschlossen. „Ich lasse nicht zu, dass du mich einfach ausschließt.“
„Wieso sollte ich das nicht tun?“ fragte ihre Schwester gereizt. „Immerhin bist du schuld an dieser....“ sie suchte nach dem richtigen Wort, „... dieser dermaßen verfahrenen Geschichte, dass nicht einmal ich sie allein aus der Welt schaffen kann!“
Zaide zuckte zusammen. „Was soll denn das heißen?“ Doch Reshanne antwortete nicht, sondern hüllte sich stattdessen selbst in den gleichen leuchtenden Nebel ein, wie zuvor Marhala und ihre Flügel verschwanden. Dann wandte sie sich einfach um.
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[/B][/B][/B][/B][/B]„Zum letzten Mal, Zaide.“ sagte sie, während sie davonging. „Du wirst dich von jetzt ab aus der Sache heraushalten!“
Für einen Moment blieb Zaide wie betäubt stehen. Reshannes Worte konnten im Grunde nur eines bedeuten, sie hatte noch jemanden in ihr Geheimnis eingeweiht, jemand, dem sie absolut vertraute, der ihr helfen sollte. Und da kam eigentlich nur eine in Frage. Doch diese Vorstellung erfüllte sie regelrecht mit Entsetzen.
„Das hast du nicht getan!“ rief sie der Schwester nach und eilte ihr durch die Halle hinterher. „Reshanne! Du hast doch nicht Marhala gerufen, doch nicht sie! Was hast du vor? Was hast du ihr aufgetragen? Reshanne!“[B][B][B][B]
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