soo, ich komme mal wieder dazu, weiterzumachen.
raya: Die Sache mit der Gedankenkommunikation wird im jetzt folgenden Kapitel näher erläutert, deswegen geh ich da jetzt mal nicht weiter drauf ein.
Zu Mios "Gefolge" sage ich nur so viel, dass ja nirgends gesagt ist, dass sie wirklich auch verwandelt sind. In einem späteren Kapitel wird ein kleiner Hinweis auf den Grund ihrer "ewigen Jugend" gegeben. Ehrlichgesagt habe ich aber noch keine Stelle gefunden, an der das mal wirklich richtig genau ausdiskutiert werden könnte. Muss ich mich nochmal drum kümmern. *g*
Ja, Mios Vorstellungen über Recht und Unrecht. Sind die nicht insgesamt etwas fragwürdig? Und sie werden wohl sogar noch viel fragwürdiger werden. Aber, wenn er halt so denkt, kann ich da leider auch nichts gegen tun. :fiu
Dem Mann soll mal erstmal einer bekehren. *gg*
Und wäre seine "Blutspenderin" nicht etwas offensichtlich als Verräterin ? :rolleyes
Freu mich auf jedenfall wieder riesig über dein Kommi, also herzlichen Dank.
Wünsche also dann viel Spaß bei der Fortsetzung!
Im Kreuzverhör
Christina betrachtete die Landschaft, die zügig am Beifahrerfenster des Aston Martin vorbeizog. Sie war erstaunlich fit, nach allem was passiert war. Vergangene Nacht hatte sie ruhig und fest geschlafen, seit Monaten das erste Mal. Und soweit sie wusste, war Mio die ganze Nacht hindurch mit irgendetwas in seinem Büro beschäftigt gewesen. Dass er seine Arbeit immer wieder unterbrochen hatte, um an Christinas Tür zu horchen, ob sie schlecht Träumte, konnte sie nicht ahnen. Denn er wusste von ihren Träumen und er wusste, dass diese Träume keine einfachen Albträume waren. Sie hatten eine gewisse Bedeutung. Doch er hatte außer ihrem ruhigen Herzschlag und ihrem leisen Atem nichts aus dem Zimmer hören können.
Christina war sich sicher, dass Crawley südlich von London lag, warum fuhren sie dann schon eine ganze Weile nach Westen? Sie drehte sich zu Mio. Seine Augen waren hinter einer breiten schwarzen Sonnenbrille verborgen, die sich leicht um seinen Kopf bog, sodass seine Augen auch seitlich vor Licht geschützt waren. Seine rechte Hand lag locker auf der unteren Biegung des Lenkrads und seine Linke ruhte auf dem Schaltknauf zwischen ihnen. Er trug einen beigefarbenen Rollkragenpullover, der seine dunklen Haare betonte, seine Blässe jedoch nicht noch blasser wirken ließ. Sein Mantel lag hinter ihren Sitzen.
Christina hätte sich am liebsten zusätzlich zu ihrer Jeans, dem dunkelroten Pullover und ihrer Jacke noch eine Mütze und einen Schal angezogen, denn sie empfand die Temperatur im Inneren des Wagens als kurz vor dem Gefrierpunkt. Doch Mio schien es immer wärmer zu werden, je höher die Sonne stieg, denn immer wieder wanderte seine Hand zum Regler der Klimaanlage.
„Wohin fahren wir?“ fragte sie und konnte nicht vermeiden, dass ihre Zähne leicht klapperten, als sie den Mund öffnete.
„Ich gehe nur auf Nummer sicher und fahre nicht den direkten Weg. De’Fellinis Leute werden uns schon noch früh genug wieder auf den Fersen sein, da müssen wir es ihnen nicht auch noch leicht machen.“ Sein Kopf drehte sich leicht zu ihr, doch sie konnte nicht erkennen, ob er sie ansah, oder eine der Anzeigen auf der Mittelkonsole.
Er schien kurz zu zögern, aber dann fand seine Hand erneut den Regler der Klimaanlage und diesmal drehte er ihn ein Stück in die entgegengesetzte Richtung. Als nächstes fasste er zwischen den Sitzen nach hinten und griff nach seinem Mantel, den er Christina anschließend hinhielt.
Christina nahm ihm das lederne Kleidungsstück aus der Hand und betrachtete es einen Augenblick unschlüssig, dann breitete sie es über ihren Beinen aus. „Danke.“ Murmelte Sie und zog den Mantel dann hoch, bis zu ihren Schultern.
Ihr stieg neben dem Ledergeruch auch ein würzig süßer Duft in die Nase und sie wusste nicht, ob ihr das gefiel, oder nicht. Es war ein angenehmer Duft, jedoch vielleicht fast ein bisschen zu angenehm. Schon vorher war ihr der Geruch an Mio aufgefallen, doch bisher hatte sie nicht bewusst darauf geachtet.
Sie kam einfach nicht dahinter, wer er eigentlich war. Natürlich wusste sie seinen Namen und sogar, was er war. Doch sie konnte nicht durchschauen, was für eine Person sich hinter der kühlen, respekteinflößenden Fassade verbarg. Diese kleinen netten Gesten wollten nicht ganz zu seinem schroffen Auftreten passen. Schon gar nicht dieser fast liebevolle Blick, mit dem er Anais am Abend zuvor angesehen hatte. Okay, sie kannte ihn kaum und für gewöhnlich war sie Niemand, der sich schnell ein Urteil über andere Menschen bildete, doch er war kein Mensch und sie hatte jetzt schon zweimal mitbekommen, dass er skrupellos andere….Wesen erschoss, die ebenfalls keine Menschen waren. Aber sie waren einmal Menschen gewesen, wenn es stimmte, was man über Vampire hörte und in Filmen sah. Sie hatten einmal Familie und Freunde gehabt, Menschen, die sie liebten und vermissten.
Ihr Blick wanderte wieder zu Mio. Hatte er Familie? Hatte er jemanden, außer denen, die sie bereits kannte und die ihn wie einen Vorgesetzten behandelten? Wartete irgendwo jemand auf ihn? Vielleicht sogar in Crawley?
Christina wurde bewusst, dass sie sehr viel wichtigere Dinge hatte, über die sie sich Gedanken machen sollte, statt Mio anzustarren und sich den Kopf zu zerbrechen, ob er Familie hatte.
„Ich dachte am Tag könnten sie uns nicht verfolgen. War das nicht der Grund, weshalb wir mit unserem Aufbruch bis zum Sonnenaufgang gewartet haben?“ Fragte sie.
„De’Fellinis Vampire können uns am Tag nicht folgen, doch er hat auch Beziehungen zu Geschöpfen, die das Tageslicht durchaus vertragen.“
„Was für Geschöpfe sind das?“ Wollte Christina wissen.
„Es wandeln nicht nur in der Nacht Dämonen unter den Menschen, Christina.“ Lautete die Antwort, in einer Tonlage, als würde er diese Tatsache für völlig offensichtlich halten.
Christina blickte wieder aus dem Fenster, beobachtete die anderen Autos, die Straßenränder, die vereinzelten Büsche, an denen sie vorbeifuhren. „Sind welche in der Nähe?“ fragte sie verunsichert.
„Nein.“ Antwortete er. „Ich würde es wissen. Und selbst wenn, könnten sie uns zumindest nicht sehen.“
Christina blickte den Dunkelhaarigen verständnislos an.
„Niemand kann uns sehen, nicht die Menschen um uns herum und auch sonst niemand. Ich habe eine Art Schutz über uns und das Auto gelegt. Die meisten Leute sehen gar nichts, besonders Aufmerksame sehen nicht viel mehr als einen leichten Schimmer, den sie für Einbildung halten.“
Christina blinzelte und versuchte zu begreifen, was Mio gerade gesagt hatte. Dann kam ihr ein wirklich beunruhigender Gedanke. „Uns kann niemand sehen?!“ fragte sie aufgebracht. „Die anderen Autofahrer haben keine Ahnung, dass wir hier sind?“ Sie griff nach dem Gurt, der über ihrer Schulter lag und ihre andere Hand fasste nach dem Griff der Tür. Sie beobachtete die entgegenkommenden Autos und im Rückspiegel die Autos hinter ihnen. Ihr Hintermann fuhr tatsächlich etwas zu dicht auf, doch das konnte er ja nicht ahnen.
„Es wird nichts passieren, Christina“ versuchte Mio sie zu beruhigen.
Christina blickte ihn nun mehr als skeptisch an. Doch, als sie darüber nachdachte, musste sie zugeben, dass sie schon eine Weile unterwegs waren und sogar im engsten Stadtverkehr war nichts geschehen, sie hatte ja nicht einmal wahrgenommen, dass die Anderen sie nicht sahen. Sie versuchte, sich etwas zu entspannen.
„Warum sind diese Typen eigentlich so interessiert an mir?“ fragte sie.
Mio zögerte kurz, bevor er antwortete. „Erstmal hast du einen ihrer Leute auf dem Gewissen.“ Er sah sie prüfend von der Seite an und sprach dann weiter. „Außerdem scheint De’Fellini dich tatsächlich als Gefahr anzusehen. Er weiß seit langer Zeit von der Prophezeiung, doch hat er sie nie ernst genommen. Er glaubte, sie sei ein Märchen. Er hielt sich für unbesiegbar. Du hast direkt vor seinen Augen demonstriert, was geschehen kann, wenn man die Gefahr unterschätzt. Und selbst danach hat er offenbar gezögert, zu glauben, was wahr ist, sonst hätte er dich direkt ausgeschaltet. Inzwischen scheint er aber erkannt zu haben, wer du bist, also versucht er seinen Fehler, dich am Leben zu lassen, zu korrigieren, solang du noch relativ unschädlich bist.“
Christina dachte einen Augenblick über seine Antwort nach. „Was meinst du mit, solange ich noch unschädlich bin?“
„Du wirst nicht du selbst bleiben.“ Lautete seine Antwort und Christina schluckte. „Ich werde dafür sorgen, dass du deine Aufgabe erfüllen kannst und dafür sind einige Maßnahmen notwendig.“
„Was soll denn das nun wieder heißen?“ Konnte er sich denn nicht einfach verständlich ausdrücken?
„Es liegt ein spezielles Training vor dir. Du wirst in Allem, was du benötigst, unterrichtet. Du wirst zu einem Krieger ausgebildet.“
Vor Christinas Augen tauchte das Bild einer muskelbepackten Person auf, in einer schillernden Ausrüstung gekleidet, mit riesigen Waffen in den Händen und überall am Körper. Sie sollte eine Kriegerin werden? Hätte sie die letzten Tage nicht erlebt, hätte sie Mio vermutlich lauthals ausgelacht, doch jetzt schwieg sie.
Hätte sie gewusst, dass Mio ihr die eigentliche, alles entscheidende Information auch weiterhin verschwieg, obwohl er es ihr längst hätte sagen sollen, hätte sie vermutlich nicht einmal mehr geatmet.
Doch Christina atmete weiter und ihr kam eine weitere Frage in den Sinn, an die sie bereits vorher gedacht hatte. „Was ist da letzte Nacht in der Garage passiert?“ Sprach sie jetzt schnell, bevor sie wieder der Mut verließ.
Auch, wenn ihre Frage nicht besonders präzise war, wusste er was sie meinte. „Eine kleine Befähigung meiner Art. Ich bin in der Lage, Gedanken Anderer zu empfangen und ich kann sie auch meine Gedanken empfangen lassen.“
Christinas Augen wurden kugelrund. Konnte er jederzeit alles, was sie dachte, hören? Was zur Hölle hatte er dann schon alles in ihren Gedanken lesen können? Sie durchforstete ihre Erinnerung nach Dingen, die sie Gedacht haben könnte und von denen er eigentlich nichts wissen sollte.
„Bei dir funktioniert es bis jetzt nur, solange ich deine Haut berühre.“ Sprach Mio.
„Und woher weißt du dann, was ich gerade gedacht habe?“ Er berührte sie doch gerade nicht.
„Dazu musste ich deine Gedanken nicht empfangen, es war offensichtlicht.“ Wieder zuckten seine Mundwinkel.
Es war ihr unangenehm, dass sie offenbar so einfach zu durchschauen war und darum stellte sie schnell eine weitere Frage, um von sich abzulenken. „Wie alt bist du?“
„Ich wurde 1275 geboren.“ Antwortete er und es war offensichtlich, dass ihm Fragen zu seiner Person nicht besonders gefielen.
Doch er konnte ihr ja nicht entkommen, dachte Christina, das hier war ihre Chance, endlich mehr über ihn herauszufinden. Für sein Alter von 734 Jahren hatte er sich aber sehr gut gehalten. Sie würde ihn auf Ende zwanzig, vielleicht Anfang dreißig schätzen. „Wie alt warst du bei deiner Verwandlung?“
Jetzt warf er ihr einen ernsthaft finsteren Blick zu. „Ich damals gerade dreißig Jahre alt, wie es üblich ist.“
Christinas Kehle entsprang ein fragender, nicht besonders intelligent klingender Laut. „Wie es üblich ist?“
„Ja, wie ich gerade sagte.“ Antwortete Mio. „Meinesgleichen erleben ihre Verwandlung üblicherweise kurz vor oder kurz nach ihrem dreißigsten Geburtstag.“
„Aber, ich habe immer gedacht, man würde in einen Vampir verwandelt werden, wenn man von einem gebissen wird.“ Christina war verwirrt.
Mio nickte. „Ungefähr so läuft es bei Vampiren ab. Bei mir jedoch nicht.“
„Aber du bist doch ein Vampir. Warum war es bei dir anders?“
„Ich hatte dir gesagt, dass die Bezeichnung als Vampir am ehesten meiner Art entspricht. Genau genommen bin ich keiner. Ich kam zur Welt, als das, was ich bin. Zu menschlich, um Vampir zu sein und zu sehr Vampir, um Mensch zu sein. Meine Art wird als Schattenwanderer bezeichnet.“
In Christinas Kopf öffnete sich ein ganz neuer, unendlich langer Fragenkatalog. „Was unterscheidet dich von einem Vampir.“ War die erste von vielen weiteren Fragen.
Mios Hand schloss sich unweigerlich fester um das Lenkrad und sein Blick verließ kurz die Straße und wanderte über die ländliche Gegend, durch die sie fuhren. Er hasste es, über sich selbst zu sprechen. Man hatte ihm gelehrt, so wenig, wie nur möglich, von sich selbst preiszugeben, denn je mehr ein Anderer über Ihn wusste, umso angreifbarer wurde er. Doch wusste er, dass Christina möglichst viel erfahren musste. Er biss die Zähne aufeinander und drehte leicht den Kopf von einer Seite zur anderen, um seine Nackenmuskulatur zu lockern, die gerade begann, sich zu verkrampfen.
„Es gibt nur wenige feine Unterschiede.“ Sprach er. „Wie gesagt, wird man als Schattenwanderer geboren. Bereits, wenn wir zur Welt kommen, sind wir weniger menschlich und bis zum dreißigsten Lebensjahr findet langsam eine Entwicklung statt, während der immer mehr menschliches verschwindet. Durch die vollendende Verwandlung werden wir zu dem, was wir sind. Es ist ein Gen, welches vererbt wird.
Schattenwanderer vertragen die Sonne in einem gewissen Rahmen, während Vampire sofort verpuffen, wenn sie mit dem kleinsten Sonnenstrahl in Berührung kommen. Sie nähren sich nicht täglich, wie andere Vampire. Es genügt, wenn ich einmal in sechs bis acht Wochen trinke. Üblicherweise haben wir einige Fähigkeiten, die Vampire nicht haben. Eine davon ist das Gedankenlesen und Gedankenprojizieren. Vampire können durch einige Tricks den Willen der Menschen manipulieren und sie so ihrem eigenen Willen unterwerfen. Bei uns funktioniert das anders. Wir beeinflussen das Denken, jedoch unterdrücken wir nicht den Willen. Ich habe allerdings außerdem einen gewissen Einfluss auf die Gefühle anderer Leute.“
Christina gab einen Laut von sich, als wolle sie etwas sagen, doch er ignorierte sie und sprach weiter. „Schattenwanderer sind nicht auf die gleiche Weise, wie Vampire, nämlich durch einen Stich ins Herz oder durch Köpfen, zu vernichten. Außerdem altern Schattenwanderer, jedoch sehr viel langsamer als Menschen.“ Er verstummte, doch Christina hatte das Gefühl, als wäre das noch nicht alles. Und sie hatte Recht, denn Mio sprach nach einer Weile weiter. „Einige Leute behaupten, Schattenwanderer würden noch einen Teil ihrer Seele besitzen. Völliger Unsinn, meiner Meinung nach.“ Seine Stimme verriet tiefe Missbilligung.
„Einen Teil ihrer Seele?“ Kam es stotternd über Christinas Lippen.
„Vampiren wird durch den brutalen Akt der Verwandlung ihre Seele genommen. Sie stirbt. Alles was weiterlebt sind der Instinkt und der Körper. Weil Schattenwanderern ihre Verwandlung bereits von Beginn an vorbestimmt ist und der Körper Zeit hat, sich entsprechend vorzubereiten, ist die Verwandlung kein brutaler Akt der Gewalt. Darum glauben einige Leute, dass ein Teil der Seele bereits bei der Geburt oder während der Entwicklung verloren geht, ein gewisser Teil aber vorhanden bleibt.“
„Wie viele Schattenwanderer gibt es?“ Fragte Christina, nachdem sie ihn einigen Augenblick lang stumm angesehen hatte, was der Verspannung in seinem Nacken nicht gerade gut bekam.
„Es gab einmal sehr viele von uns, auf der ganzen Welt, in jeder Stadt, an jedem Ort. Jetzt gibt es nur noch genau zwei.“ Wut kochte in seinen Adern, brachte ihn dazu, die Zähne fest aufeinander zubeißen und so seinen gesamten Kiefer anzuspannen. Da er ihre nächste Frage bereits erahnen konnte, beantwortete er sie direkt, ohne darauf zu warten, dass sie sie stellte. „De’Fellini hat dieses Werk vollbracht. Er weiß, dass Schattenwanderer stärker sind, als Vampire jemals sein werden, also hat er sie Stück für Stück ausrotten lassen. Ich schätze, ein weiterer Grund ist, dass er nie über seine verlorene Zukunft hinweggekommen ist und aus irgendeinem Grund uns dafür verantwortlich macht.“
Aus den Augenwinkeln konnte er sehen, dass auch Christinas Blick sich verfinsterte und sie angespannt aus der Windschutzscheibe starrte. Dann sah sie ihn wieder an. Sie drehte ihren Rücken sogar zur Beifahrertür und zog ein Bein seitlich auf den Sitz, sodass sie jetzt in seine Richtung gewandt dasaß. Mio trat auf das Gaspedal, ignorierte, dass sie sich gerade in einer geschlossenen Ortschaft befanden und sorgte dafür, dass diese Fahrt und damit auch dieses Verhör nicht mehr allzu lange dauerten.
„Kennst du den anderen?“ Fragte sie und damit hatte er nicht gerechnet.
„Ja.“ Sagte er und das war alles, was er momentan auf diese Frage antworten wollte.
Sie schien das zu begreifen, denn sie hakte nicht weiter nach.
Sie hatte noch so unglaublich viele Fragen an ihn. Wann hatte er das letzte Mal getrunken? Wie genau funktionierte das? Was genau bedeutete die Sache mit dem Einfluss auf die Gefühle Anderer? Warum war er sich so sicher, dass die Geschichte mit der Seele Quatsch war? Doch sie wusste, dass diese Fragen warten mussten. Er wirkte bei jeder weiteren Frage zu seiner Person schlechter gelaunt. „Seit wann kennst du Cosmin?“
Wie kam sie denn jetzt auf Cosmin? Musste jemand die Gedankensprünge von Frauen verstehen? Er versuchte es gar nicht erst. „Seit ein paar Jahren.“ Antwortete er, bemerkte aber an ihrem Blick, dass ihr diese Antwort nicht reichte. „Wir haben uns vor ungefähr 190 Jahren kennen gelernt.“
„Wie?“
Mio wusste, dass er ihr diese Geschichte früher oder später würde erzählen müssen. Vielleicht würde sie auch Cosmin fragen und der würde ihr eine ausführliche und ausgeschmückte Geschichte auftischen, weil er es liebte alte Geschichten zu erzählen. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Es war eine schwierige und lange Geschichte, es würde Nerven kosten, sie zu erzählen. Und gerade jetzt hatte er diese Nerven nicht. „Eine lange Geschichte.“
Christina war mehr als unzufrieden, doch sie bewies ein weiteres Mal, dass sie klug genug war, nicht zum falschen Zeitpunkt nach den falschen Dingen zu bohren. „Und Marali?“
„Marali ist da, weil Cosmin da ist.“ Noch zwanzig Minuten, dann wären sie endlich in Crawley. Es wurde auch langsam Zeit, nicht nur, weil dieses Verhör wirklich lästig war, sondern auch, weil es fast Mittag war und darum für ihn unglaublich heiß und kräftezehrend.
„Cosmin und Marali sind also ein Paar? Sind sie verheiratet?“
„Ja.“ Er schaltete einen Gang tiefer, trat das Gaspedal jetzt noch weiter durch und rauschte an einer ganzen Autokolonne vorbei.
„Wie alt sind Anais, Marali und Cosmin?“
„Älter, als es scheint. Und nein, ich kann dir nicht sagen, wie das möglich ist.“ Wenn er dieses Tempo beibehielt, wären es nur noch zehn Minuten.
Christina bemerkte durchaus, dass Mio nur noch sehr einsilbig auf ihre Fragen antwortete und von Minute zu Minute gereizter schien. Dass er es offenbar eilig hatte, ans Ziel zu kommen, verriet ihr ein Blick auf die Tachoanzeige. Da sie für den Zustand der schmalen Straße mindestens 100 Km/h zu schnell waren und andere Verkehrsteilnehmer ihnen im Notfall auch nicht ausweichen würden, hielt sie es für angebracht, lieber den Mund zu halten und Mio nicht vom Fahren abzulenken. Sie hatte wirklich keine Lust, nachdem die Stiche und Schnitte an ihrem Körper gerade abheilten, sich neue Verletzungen bei einem Unfall einzuhandeln.
Schon kurze Zeit später entdeckte sie das Ortsschild von Crawley, doch sie fuhren nicht in die Stadt herein. Mio folgte einer Straße, auf der sie die kleine Stadt umrundeten.
Die vorher eher flache Landschaft, die hauptsächlich aus Feldern und einigen wenigen Hügeln bestanden hatte, wurde jetzt immer mehr von einer dichten Waldlandschaft ersetzt.
Plötzlich trat Mio auf die Bremse und bog rutschend in einen unbefestigten Waldweg ein, sodass Christina in den Gurt gedrückt wurde und ihr der Ledermantel von den Schultern rutschte.
Der enge Pfad schlängelte sich durch die Bäume, deren Blattwerk beinahe das Auto berührte.
Christina wurde es etwas mulmig und sie fragte sich, wo Mio eigentlich mit ihr hinwollte. Doch sie war sich auch nicht sicher, ob sie das wirklich wissen wollte. Mit einem fast fremden Mann, der ein offenkundig finsteres Auftreten zur Schau trug, in ein abgelegenes Waldgebiet zu fahren - der Albtraum einer jeden Frau.
Christinas Hände rutschten unter dem Mantel an dem Innenfutter des Leders entlang. Hatte er nicht am Abend zuvor einige Waffen hier drinnen versteckt gehabt? Und schon stießen ihre Finger auf etwas Hartes, Schweres. Sie tastete den Gegenstand ab. Es fühlte sich ähnlich an, wie ein Messer. Ob sie im Falle eines Falles damit überhaupt etwas gegen Ihn ausrichten könnte?
Doch genau in diesem Moment griff Mio nach dem Mantel und zog ihn ihr weg. „Den brauche ich gleich.“ Sagte er.
Oh ja, klasse. Er brauchte gleich also den Mantel, in dem sich neben dem Messer bestimmt noch einige andere gefährliche Dinge befanden.
„Wir sind da.“ Verkündete Mio plötzlich und Christina fragte sich im Stillen unweigerlich „Wo?“, denn sie konnte nichts sehen, außer alten Bäumen und Sträuchern.
Geht gleich noch weiter.