Bin gerade so in Fahrt....also gibt es nochmal acht. Mal so ganz off topic: Bei dieser Szene musste ich ständig an einen Loriot-Sketch denken. Vielleicht kennt ihr den ja auch. Aber ich verrate lieber noch nicht, worum es in dem Sketch ging...lest lieber erst mal.
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Verwundert öffnete Marietta die Tür und staunte nicht schlecht. Draußen standen zwei Männer in Arbeitskleidung, die an Tragegurten ein Klavier zwischen sich trugen.
"Sind wir hier richtig bei Burwood?" fragte der ältere atemlos und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
Marietta nickte stumm und schaute verdattert auf das schöne Instrument.
"Wo sollen wir das Klavier denn hinstellen, junge Frau?" fragte der Mann und schielte mit besorgtem Blick auf die Treppe über Mariettas Schulter.
"Ähm...ja...am besten gleich hier in den Flur, neben dem Telefon, da ist noch Platz", sagte Marietta und sah große Erleichterung in den Gesichtern der Männer.
"So ein schönes Instrument!" staunte Marietta. "Und passt genau in die Ecke hier."
"Hier", sagte der Mann und reichte ihr einen Umschlag. "Der Umschlag war dabei."
Die Männer verabschiedeten sich und gingen und Marietta riss neugierig den Umschlag auf. Darin befanden sich einige zusammengefaltete Blätter und eine Karte. Marietta zog zunächst die Karte aus dem Umschlag und las vor:
"Liebe Marietta! Ich habe lange gesucht, bis ich das richtige Instrument gefunden habe. Es müsste exakt in eure Wohnung passen. Anbei auch noch ein paar Noten. Das ist ein Song, den ich früher einmal geschrieben habe. Vielleicht gefällt er dir. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass du ihn wesentlich besser singen kannst als ich. Damit kannst du dir vielleicht ein wenig die Wartezeit vertreiben, bis ich am Samstag wiederkomme. Alles Liebe zum Geburtstag, ich vermisse dich. Christopher xxx"
Marietta strahlte. Das war die schönste Geburtstagsüberraschung, die man ihr hätte bereiten können. Ein eigenes Klavier! Sie hatte unten im Keller nur ein kleines E-Piano, auf dem sie spielte, wenn sie ihre Songs schrieb. Aber das hier war natürlich etwas völlig Anderes.
Auch Anne und Elaine staunten nicht schlecht.
"Das gibt es doch gar nicht!" rief Anne immer wieder. "Er muss dich aber sehr mögen, Kleines. Schließlich ist so ein Instrument nicht gerade billig."
Marietta machte sich sofort daran, Christophers Song zu üben und an dem Lächeln in ihrem Gesicht erkannte Elaine deutlich, dass es nicht nur das teure Instrument war, was Marietta zum Strahlen brachte, sondern vielmehr der Gedanke dahinter.
Elaine musste schmunzeln. Vielleicht hatte Christophers ruhige, bescheidene Liebe in ihrer Hartnäckigkeit letzten Endes ja doch noch über die ungestüme Romantik gesiegt.
Am Samstag saß Anne in der Küche und las Zeitung, während Marietta auf dem neuen Klavier Christophers Song probte. Er hatte aus London angerufen und gesagt, dass er im Laufe des Tages zurück käme und dann sofort Marietta den überfälligen Geburtstagsbesuch abstatten werde.
Elaine schenkte sich derweil eine Tasse Kaffee ein und setzte sich zu ihrer Mutter an den Küchentisch.
Marietta übte fleißig weiter. Sie wollte den Song perfekt spielen und singen können, wenn Christopher später kam. Christopher zuliebe übten Elaine und Anne Nachsicht, auch wenn ihnen die Melodie, so schön sie auch war, langsam über war.
Als es an der Tür klingelte, rief Anne: "Das wird Christopher sein, Liebes. Spiel du ruhig weiter. Dann freut er sich. Ich mache schon auf."
Anne öffnete, doch es war nicht Christopher, der in der Tür stand. Es war Raj.
"Guten Tag Raj", sagte Anne unsicher. Sie war inzwischen ebenfalls in die Situation eingeweiht und wusste nicht recht, wie sie reagieren sollte. Elaine zu verleugnen wäre ihr albern vorgekommen, also sagte sie: "Kommen Sie doch herein. Elaine ist in der Küche."
Als die vier sich in der Küche um den großen Esstisch setzten, lag eine unangenehme Spannung in der Luft, die man fast hätte greifen können.
"Mum, Marietta, setzt euch doch", sagte Elaine mit fahrigen Gesten, nachdem sie Raj, der ebenfalls höchst unsicher und bedrückt wirkte, einen Kaffee serviert hatte.
Während sie Kaffee tranken und Marietta aus purer Verlegenheit an einem Keks knabberte, breitete sich ein Schweigen im Raum aus, das das vorsichtige Mahlen von Mariettas Zähnen wie ohrenbetäubenden Lärm erscheinen ließ. Niemand wusste so recht, wie man diese Konversation beginnen sollte.