http://www.youtube.com/watch?v=KtQgfeBqcdM
Lena rannte, so schnell ihre Beine sie trugen. Panik machte sich in ihr breit, ungeheuerliche, grausame Panik, die gegen ihre Lungenflügel drückte und kurz davor war, ihr den Luftkorb zu sprengen. Sie war kaum noch fähig zu atmen, alles, was jetzt zählte, war: rennen. Sie nahm kaum den modrigen Geruch der schon leicht angefaulten Leichen wahr und noch weniger sah sie die toten Körper auf den riesigen Metallablagen liegen. Für sie zählte nur die Tür, immer auf die Tür zu, egal, was dahinter war. Lara schritt gemächlich hinter ihr her. Für sie gab es keinen Grund zur Eile. Sie wusste, wie unaufhaltsam sie war. Niemand konnte etwas gegen sie tun, niemand. Und schon gar nicht diese junge Göre.
http://www.youtube.com/watch?v=l4Tj6ycfomg
Im nächsten Raum lief sie weiter, immer weiter über den kalten Betonboden, versuchte das Hallen von Laras Schritten in ihrem Nacken zu überhören, bis sie schließlich abrupt vor einem Käfig stehen blieb. Sie rang nach Luft, wagte kaum, auf zu blicken. David! Natürlich, sie hatte damit gerechnet, dass ihm und Penelopé etwas zu gestoßen war, aber erst jetzt wurde es ihr wirklich bewusst, drang wirklich zu ihr vor. Er sah sie mit diesem Blick an, so hilflos, so um Rettung flehend. „Nein! Bitte lass das alles nicht wahr sein! Bitte, lass mich aufwachen und in meinem Bett liegen!“, betete Lena zu Gott.
http://www.youtube.com/watch?v=FjMWe06izZo
„Gott wird dir jetzt auch nicht mehr helfen!“, hörte sie eine spöttische und doch so gewohnte Stimme neben sich. Sie fuhr herum. „Penelopé!“, kreischte sie, außer sich vor Panik. Nicht nur, dass sie blaue Haare hatte, offensichtlich schien sie sich über ihr Leid zu amüsieren, denn schon kurz darauf brach sie in einen Lachkrampf aus. „Oh und Lena, du bist ja auch gekommen! Was willst du tun? Unseren Helden retten?“, höhnte sie. Lena erkannte sie nicht mehr wieder, das konnte doch nicht ihre Freundin sein! Natürlich, sie lästerte recht gerne, war ab und zu vielleicht ein klein wenig hinterlistig, aber so etwas lag ganz bestimmt nicht in ihrer Art.
http://www.youtube.com/watch?v=d6meLL5tc-U
Plötzlich hörte sie eine Stimme hinter sich. „Damit wirst du nicht durchkommen!“ Dann ging alles ganz schnell. Die türkise Frau lief zum Käfig, als plötzlich ein regenbogenfarbenes Licht den kompletten Raum erhellte. Lena war wie versteinert, konnte ihren Augen kaum trauen. Während die Türe des Käfigs sich öffnete, fiel die Frau nach vorne, bis sie regungslos am Boden liegen blieb. War sie – Lena wagte es gar nicht zu denken. Was jetzt? Was sollte sie tun? Orientierungslos stand sie da, unfähig, sich zu bewegen, bis sie schließlich von Davids Stimme zurück in die Gegenwart gerissen wurde. „Lena, lauf! Los, weg hier!“
http://www.youtube.com/watch?v=85Ms2bi-kpc
„Jetzt du!“, befahl Lara mit einem aufforderndem Nicken in Penelopés Richtung. Penelopé zögerte einen Augenblick, richtete einen letzten Blick auf David. Dann erklang ihre Stimme laut und drohend weit über die Mauern ihres Verstecks hinaus. „Умирай!“ Daraufhin begann der Raum wieder in allen Farben zu leuchten, nur diesmal dramatischer. David blieb abrupt stehen, um in der nächsten Sekunde hart auf den Betonboden auf. Er zuckte noch einmal kurz auf. Dann bewegte er sich nicht mehr.
http://www.youtube.com/watch?v=_E34DzEzZb0
Penelopé ließ sich auf den Boden fallen, wo sie zusammengekauert sitzen blieb. Sie spürte die vom harten Aufprall verursachten Schmerzen nicht, nur noch die Schmerzen in ihrem Inneren, wie ein Stechen in der Brust, das unerträglich wurde. Sie hasste sich selbst. Das hier war ihr Verdienst. Was hatte sie nur getan? Was war aus ihr geworden? „Ich will das alles nicht mehr!“, schrie sie. „Ich will nur, dass David wieder lebt! Sche*ß auf deine Magie! Hast du gehört Lara?“ Doch diese war längst verschwunden.
http://www.youtube.com/watch?v=J4VAm4K0sto
„Felix!“ Felix, der immer noch im feuchten Gras kauerte, drehte seinen Kopf zu Lena. „Was ist da unten passiert?“, fragte er, ehe er sich im Klaren war, was er gerade getan hatte. „Ich wusste, dass du es bist.“, grinste Lena bestätigt und fuhr dann so schnell fort, dass er ihre Worte kaum verstehen konnte. „Aber hör zu, wir haben keine Zeit. Du musst sie aufhalten!“ „Sie? Wen denn?“, rief er, doch Lena war bereits weiter gerannt.
http://www.youtube.com/watch?v=dT19yr4ecQ4
Wenige Sekunden später trat Lara durch den Vorhang, diesmal deutlich in Eile und Felix stürzte sich auf sie. „Hey, Sie sind doch die Eigentümerin des Schlosses, nicht wahr?“, fragte er, darauf bedacht, den naiven Jungen zu spielen. „Also ich wollte sie einmal fragen, was hier los ist. Vorher ist ein junges Mädchen vorbei gerannt, das…“ „Wo ist sie hin?“, fragte Lara in harschem Ton. Sie bemühte sich nicht einmal mehr, freundlich zu wirken. „Sie dürfen aber keinem verraten, dass ich das gesagt habe…“, zögerte Felix, betont langsam. „Nein, nein, jetzt sag schon!“, drängte Lara ihn. „Sie ist da lang gelaufen.“, erklärte er und deutete in die falsche Richtung „Aber psst. Das wissen Sie nicht von mir!“ „Natürlich nicht.“, grinste Lara.
http://www.youtube.com/watch?v=pJ7eqghuylk
Dann geschah etwas, das Felix endgültig an seinem Geisteszustand zweifeln ließ. Um in herum begann die Welt in allen nur erdenklichen Farben zu leuchten. Währenddessen verschwand Lara einfach so im Boden, ja, sie sprang geradezu hinein, als hätte sich ein Loch unter ihr auf getan. Doch als Felix den Boden dort, wo sie gestanden war, abtastete, spürte er nicht die geringste Unebenheit. Wie war das möglich?
http://www.youtube.com/watch?v=uWJ97zknqDo
Lena war in der Zwischenzeit auf dem Balkon des Hauses angekommen. Sie hatte das gesamte Schloss durchsucht, doch nirgends, nirgends war auch nur die geringste Spur von dem zu finden, das sie suchte. Verdammt! Sie musste es an einem anderen Ort versteckt haben! Wenn doch nur die türkise Frau noch leben würde! Sie musste weg von hier! Sie hatte nicht mehr viel Zeit! Wenn das Baby erst geboren war…Ohne zu überlegen, schwang sie sich über das Geländer und sprang 2 Stockwerke nach unten, wo sie eine für ihre Unsportlichkeit geradezu graziöse Landung hinlegte und dann schnell weiter rannte.
http://www.youtube.com/watch?v=1kdHtrAWBB0
Der Erste-Hilfe-Kasten wies einige Spuren von Tara´s Hilflosigkeit auf. Nachdem sie nirgends einen Schlüssel gefunden hatte, hatte sie in blinder Panik einfach mehrmals gegen die Scheibe geschlagen, bis sie das bekommen hatte, was sie wollte. Sie fragte sich, wozu es hier einen Erste-Hilfe-Kasten gab, wenn doch sonst alles darauf hindeutete, dass man sie hier elendig verrecken lassen wollte.
http://www.youtube.com/watch?v=9SbN79qbOyo
Sie setzte sich wieder an Doria´s Bett und versuchte, diese zu beruhigen. Sanft streichelte sie über ihre Stirn. „Du schaffst das!“, flüsterte sie ihr zu. Eine Zeit lang wollte sie dem Impuls folgen und, wie sie es in irgendwelchen billigen Ärzteserien gesehen hatte, auf Doria´s Bauch drücken, um ihr zu helfen. Doch dann kam sie zur Einsicht, dass sie damit vermutlich mehr kaputt machen würde, als ihr zu helfen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob diese Technik heutzutage überhaupt noch praktiziert wurde. Dann, eine halbe Ewigkeit später, hörte sie endlich den erlösenden Schrei.
http://www.youtube.com/watch?v=_zk1ZFriA4k
Doria nahm das Kind in den Arm, das ihr außergewöhnlich ähnlich sah. Das Gefühl, ihre Tochter im Arm zu halten, erinnerte sie an den Hormonrausch kurz nach einer Achterbahnfahrt, nur etwa 10-mal so hoch. Auch Tara schien sich über das Kind zu freuen, als wäre es ihr eigenes. Irgendwie war es das ja auch, denn sie hatte sich während es in ihrem Bauch gewesen war, mehr darum gekümmert, als die meisten Väter es tun. Sie umwickelte es mit einem Stück des Leintuches, nicht ohne vorher mit einem Zwinkern zu verkünden: „Es ist ein Junge!“, dann legte sie es wieder in Doria´s Arme und begann, mit dem Baby zu sprechen. „Na, mein Kleiner! Wie heißt du denn?“, fragte sie übermütig. Anstelle des Kindes antwortete Doria ihr. „Lorenz.“
http://www.youtube.com/watch?v=4gZ6B6Baki0
Lena sah das kleine Mädchen auf dem einem Stuhl aus Blumen sitzen. Es sah so unschuldig und klein aus, hatte niemals auch nur irgendjemanden ein Leid getan und trotzdem musste sie für die Sünden ihrer Mutter büßen. Lena zögerte. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie wollte das nicht tun, aber sie musste. In dieser Hinsicht waren die Hinweise der blauen Frau geradezu eindeutig gewesen. Sie hob das Kind auf, vorsichtig, als ob es noch irgendeinen Unterschied machen würde, wie sie es behandelte. Dann legte sie es auf den Boden und kramte aus ihrer Tasche den Dolch heraus, auf den sie beim Durchsuchen des Schlosses gestoßen war. Sie schloss die Augen und murmelte leise „Es tut mir leid“, bevor sie ausholte und mehrmals auf das Kind einstach.
http://www.youtube.com/watch?v=Bg4tOWlxkX0
Renate spürte einen unsäglichen Schmerz in ihrem Unterleib. Sie hielt sich die Hände auf ihren Bauch und wand sich in alle Richtungen. Es schien, als hätten die Wehen eingesetzt, aber plötzlich, ohne Vorwarnung und in viel zu schnell aufeinander folgenden Abständen, als wäre sie bereits mitten in der Geburt. Wenig später floss Blut zwischen ihren Beinen hervor und gab Renate die Erklärung für ihre Schmerzen.
http://www.youtube.com/watch?v=n8nfs18NLxo
Lara versuchte ein letztes Mal, sich zu wehren, doch es war zu spät. Es gab keinen Ausweg für sie. Diesmal nicht. Schwarze Staubpartikel umkreisten sie und so sehr sie sie auch versuchte, zu verscheuchen, wohl wissend, dass sie ihr Ende waren, sie wurden immer mehr, immer schneller. Panik war in ihrem Gesicht sichtbar, ein letzter Aufschrei, bevor sie endgültig vernichtet war und nur noch ein Häufchen Asche von ihr übrig blieb.
http://www.youtube.com/watch?v=zqkyhka0gRY
„Die Türe ist offen!“ Tara war sich nicht sicher, ob sie es jetzt erst bemerkt hatte, oder ob die Türe sich wirklich gerade erst geöffnet hatte. „Wir sind frei!“, rief sie und konnte ihr Glück kaum fassen. Sie rannte hinaus, erst in das schmierige Arbeitszimmer, dann durch die nächste Tür, die nun ebenfalls geöffnet war, hinaus in die Freiheit. Wenige Sekunden später folgte Doria ihr, mit dem Baby auf dem Arm. Endlich Freiheit!
http://www.youtube.com/watch?v=vGAKCWtzBJ4
Penelopé, die nun wie durch ein Wunder wieder ihre natürliche Haarfarbe hatte, stand zögernd auf. Dann rappelte sich auch David auf, als wäre nichts geschehen. Als wäre er stets lebendig gewesen. Er konnte nicht verstehen, woran das lag, denn die türkise Frau lag nach wie vor tot am Boden. Vielleicht hatte Penelopés Umkehr in der letzten Minute doch noch etwas bewirkt…