Lucas wusste nicht, was er erwarten sollte. Mara war ihm in den letzten Tagen aus dem Weg gegangen, hatte sie merkwürdig verhalten, was sie sonst nie tat. Natürlich hatte sie immer Geheimnisse gehabt, das war schon immer so gewesen, aber es war Jahre her, dass sie sich so geheimnisvoll verhielt.
„Bist du wieder bei SHIELD? Haben deine alten Freunde aus deiner Heimat wieder Kontakt zu dir aufgenommen?“, fragte er und sah sie unsicher an.
Sie schüttelte den Kopf, lehnte ihn dann gegen seinen, ihre grünen Augen leuchteten auf, als sie die Sorge in seinen sah.
„Egal was es ist, Mara, alles wird gut werden, ich verspreche es dir. Wir werden eine Lösung finden.“
„Ich weiß nicht, was für eine Nachricht du erwartest, Luke, aber das, was ich dir zu sagen habe, ist nicht einmal halb so tragisch wie du es dir ausmalst.“ Sie atmete tief durch. „Ich bin schwanger.“
Lucas strahlte, Mara glaubte nicht, ihn in letzter Zeit je so glücklich gesehen zu haben. „Was?! Wie?! Ich dachte, wir hätten das Kinderkriegen aufgegeben.“
„Nicht alles läuft so, wie man es plant“, meinte Mara. „Ich bin in der vierzehnten Woche.“
Lucas zog seine Frau noch näher zu sich und küsste sie, er hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Er hatte sich in den letzten paar Monaten damit abgefunden, dass Mara keine Kinder bekommen konnte, er also nie Kinder haben würde, außer denen seiner Schwester, die für ihn wie seine eigenen waren. Aber jetzt war alles anders, er würde Vater werden, er hatte keinerlei Zweifel daran, dass es diesmal klappen würde.
Nachdem Lucas eingeschlafen war, stand Mara noch einmal auf, vorsichtig, um ihren Mann ja nicht aufzuwecken, und ging ins Bad.
Aus einem der Schränke holte sie eine Medikamentendose mit der Aufschrift Paracetamol, wobei es sich beim Inhalt natürlich nicht um das handelte, was draufstand -- was sollte sie mit Tabletten gegen alle Möglichen Beschwerden wie Fieber oder Schmerzen? -- und entnahm drei Tabletten, stellte die Dose dann wieder dort hin, wo sie sie gefunden hatte.
„Du bist wirklich verzweifelt“, hörte sie eine leise Stimme, die sie sofort wiedererkannte. „Es gibt wenige Frauen, denen es so wichtig ist, Kinder zu bekommen, dass sie so etwas nehmen.“
„Halt die Klappe“, murmelte Mara, als sie sich am Waschbecken ein Glas mit Wasser füllte.
„Sogar dein Freund, der Krüppel, der dir dieses Zeug besorgt hat, hat gesagt, es sei gefährlich, ich bin nicht die einzige, die das so sieht.“
„Hier geht es nicht um dich, Mutter, sondern um mich.“
„Das weiß ich sehr wohl und das erschwert es mir noch mehr, zu verstehen, warum du das tust. Du bist eine Überlebenskünstlerin, dir wurde von frühester Kindheit an beigebracht, dass das Überleben das Wichtigste ist, dass alles andere zweitrangig ist, doch jetzt bist du bereit, Medikamente zu nehmen, die dein Immunsystem beträchtlich schwächen, nur damit dein Körper dein Baby nicht als Fremdkörper wahrnimmt und es zerstört. Warum, Mariya? Warum bekämpfst du deine Natur? Erklär mir, warum du bereit bist zu sterben, damit dieses Kind lebt.“
„Wie kommt es, dass du dich seit deinem Tod für mich interessierst? Als du noch am Leben warst, war dir doch auch egal, was ich mit einem Leben tue“, zischte Mara giftig, bevor sie die Tabletten in den Mund nahm und sie mit einem großen Schluck Wasser hinunterspülte.
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Schluss für heute.