Es geht weiter - diesmal "leider" wieder mit etwas mehr Text - irgendwie find ich nie 'n Ende beim Schreiben *g*
Semesterferien und andere Katastrophen - V.
Der nächste Morgen verlief ruhig, unsere Eltern waren arbeiten, wie immer, und Daniel war schon früh ausgegangen, zum Tennis spielen.
Ich legte mir die Worte, die ich meinem Dad sagen wollte zurecht; so konnte er nicht mit Daniel umspringen, auch nicht als Vater, und sei der Skandal noch so groß.
Ich hatte beim Gespräch mit meinem Bruder am Vorabend eine Kleinigkeit übersehen, doch auch jetzt stieß ich noch nicht darauf; das sollte mir erst viel später bewusst werden.
Es war fast zu ruhig heute Morgen, und ich begann grade, mich zu fragen, was noch auf mich zukommen würde, als es an der Tür läutete.
Vor mir stand der Typ, den ich vor zwei Tagen noch im Netherworld gesehen hatte.
Bei Tageslicht sah er noch besser aus, als im wilden Stroboskoplicht des Clubs.
Er strahlte mich mit seinem Colgate-Lächeln an, während er mir eine Schachtel Pralinen überreichte.
„Hi, ich bin Travis Woods“, er neigte den Kopf leicht nach links, „ich wohn am Ende der Straße.“
Mit dem Blick folgte ich seiner Geste.
„Ach, ja, Sie sind neu zugezogen, oder?
Ich bin Hannah Lucas.“
Ich nahm die Pralinen entgegen, „statt Brot und Salz für die neuen Nachbarn?“.
„Ja, so ähnlich…aber nennen Sie mich Travis…ich mag diese Förmlichkeiten nicht“; wieder dieses gewinnende Lächeln.
„Okay…ich bin Hannah, nicht mehr und nicht weniger“, ich lächelte, und fragte mich, weshalb ich mir das Haar heute Morgen nicht hochgesteckt hatte.
Ich war nicht für diese nachbarschaftlichen Pläusche an der Haustür zu haben, und deshalb bat ich ihn herein.
Nach der üblichen Schlossführung, die man so begeht, bot ich ihm etwas zu trinken an, und wir kamen ins Gespräch.
Er schien etwas schüchtern zu sein, denn er sah immer wieder zur Seite, während wir uns unterhielten, und schaute mir selten direkt in die Augen.
Seine Augen funkelten wie der Ozean in der Mittagssonne…
Ich schalt mich selbst im selben Moment, da mit der Gedanke durch den Kopf geisterte.
Eben hatte ich noch Sid hinterher geweint, und jetzt saß ich hier einem völlig fremden gegenüber, und malte mir romantisch-duselige Sätze aus.
„Du studierst Modedesign, richtig?“
Seine Stimme riss mich zurück in die Gegenwart.
„Ja…äh…woher weißt Du das?“
Er grinste: „Ich bin zwar neu hier, aber ich bin nicht gefeit gegen das Getratsche.
Meine andere Nachbarin, Mrs. Nelson hat es mir erzählt.
Und dass deine Eltern so stolz auf dich wären.“
Ich verdrehte die Augen, wenn ich mich auch im selben Moment eines Schmunzelns nicht erwehren konnte.
„Das sind sie – und Mrs. Nelson redet zu viel.
Was machst du, wenn du dich nicht grade neuen Nachbarn vorstellst?“
„Och, so dies und das…surfen, rumhängen, zeichnen.“
Ich musste lachen: „Also die beiden ersten Sachen hätte ich dir ohne Umschweife zugetraut, aber nicht die Kunst.
"Malst du nur für dich?“
„Hm…wie man’s nimmt.
Manchmal nur für mich, manchmal auf Bestellung von jemandem.“
„Oh…du lebst von der Malerei?“
„Ja, könnte man so sagen, manchmal mehr schlecht als recht, aber bisher hat es noch immer funktioniert.“
Seine makellosen Zähne funkelten mich erneut an.
Aber bevor ich noch etwas sagen konnte, wurde unser Gespräch durch meinen Vater unterbrochen.
Und nachdem Travis sich auch ihm höflichst als der neue Nachbar vorgestellt hatte, verabschiedete er sich auch schon wieder.
„Ich wohn nur ein paar Häuser weiter…komm mich besuchen, wenn du möchtest“, sagte er mir zum Abschied.
Am liebsten wäre ich ihm auf der Stelle gefolgt; wenn ich an das Gespräch mit meinem Vater dachte, wurde mir schlecht.
Der fing denn auch sofort an, mir vorzuwerfen, wie ich Daniel noch verteidigen könnte, nach dem, was vorgefallen wäre.
„Ganz einfach Dad: Daniel ist mein Bruder, und ich liebe ihn.
Und er hat es nicht verdient, dass du so mit ihm umgehst.“
Ich zögerte einen Moment, so hatte ich noch nie mit meinem Vater geredet.
„Er ist dein Sohn verdammt noch mal!“
Mein Dad schnappte nach Luft, so einen Ausbruch hatte wohl auch er nicht von mir erwartet.
„Und wenn er hundert Mal mein Sohn ist, das gibt ihm nicht das Recht, mich so zu blamieren!
Vor sämtlichen Freunden und Bekannten, und dann auch noch Marco…!“
„Ist dir mal in den Sinn gekommen, dass Daniel überhaupt keine Schuld trifft, sondern Marco? Dass Marco auf Männer steht, und nicht Daniel?
Nein, natürlich nicht, er ist ja immer der schuldige, Daniel ist der komische, „aus der Art geschlagen“, er teilt nicht deine Träume und deinen Ehrgeiz, deswegen ist er immer der Schuldige.“
Ich drehte mich auf dem Absatz um und ließ ihn stehen – hätte ich jetzt weitergeredet, wären wir uns gegenseitig nur an die Gurgel gegangen, ich wollte lieber warten, bis meine Mom von der Arbeit kam, mit ihr konnte man reden.
So war es denn auch, als sie endlich nach Hause kam – ich hatte ihr nicht mal Zeit gelassen, sich in ein normales Outfit zu schmeißen.
Mein Dad hatte ihr die Sache natürlich erzählt, auch von dem Streit, nur die Ohrfeige, die hat er außen vor gelassen.
Meine Mutter seufzte.
„Hannah…du musst deinen Vater verstehen, so was kann einfach nicht sein.“
„Mom…ich versteh, was so was für Dad bedeutet, aber er kann Daniel nicht so runtermachen.“
„Er hat ein wenig überreagiert…“
Ich fiel ihr ins Wort: „Überreagiert? Hat er dir von der Ohrfeige erzählt?“
Mein Dad brauste auf: „Das war im Eifer des Gefechts, und außerdem hat so was noch niemandem geschadet!“
Meine Mom und ich sahen uns an, dann wandte sie sich an meinen Dad: „Todd…wenn du jetzt anfängst von deinem Vater zu erzählen, und wie oft der dir eine runtergehauen hat, dann gehe ich mich auf der Stelle übergeben.
So etwas dulde ich nicht in meinem Haus, und du gehst dich, sobald Daniel zu Hause ist, auf der Stelle bei ihm entschuldigen!“
Meine Mutter sprach nicht oft so, aber wenn, dann konnte man beobachten, wie mein Dad auf der Stelle ganz klein wurde.
Er zog die Luft scharf durch die Nase ein.
„So weit kommt’s noch, dass ich mich bei…“
„Todd!“
Das Gesicht meines Dad’s rötete sich, ich konnte sehen, dass er sich nur mit Mühe beherrschte.
Schließlich sprang er auf.
„Also gut…wenn’s unbedingt sein muss…wenn er wieder kommt, dann werde ich mit ihm reden.“
„Nicht reden Todd…du wirst dich entschuldigen.“
„Jaja, schon gut…“, murmelte er, und ließ uns dann einfach stehen.
„Danke, Mom…“
Sie seufzte: „Daniel, unser ewiges Sorgenkind.“
„Er ist ein guter Mensch Mom, er ist nur etwas tollpatschig.“
„Ich weiß Hannah…“, sie lächelte, „er wird seinen Weg schon noch finden, irgendwann.“
Als Daniel schließlich nach Hause kam, war es fast schon Mitternacht.
Dad war längst zu Bett gegangen, und ich erzählte Daniel von dem Gespräch, aber er schien mit gar nicht richtig zuzuhören.
„Daniel…was ist denn los mit Dir?“
Er sah mich mit einem verklärten Blick an.
„Was? Hä…?“
Ich musste grinsen.
„Stehst du unter Drogen, oder was ist passiert?“
„Ach Hannah…“, er lehnte seinen Kopf an meine Schulter.
„Ich hatte den schönsten Tag meines Lebens…“, er seufzte tief.
„Hmhm…“, es fiel mir wie Schuppen von den Augen.
„Was du mir gestern gesagt hast, wolltest du mir gar nicht sagen, oder?
Du wolltest mir was anderes erzählen…“
Er sah mich an: „Ja…und davon sollen Mom und Dad nichts wissen.“
Er musste gar nichts mehr sagen, man konnte ihm ansehen, was in seinem Kopf vorging.
„Du bist…verliebt, hab ich Recht?“, ich konnte mich eines Grinsens nicht erwehren.
Er nickte mit diesem seligen Lächeln, wie es nur verliebte tun.
„Aber warum soll das niemand wissen?
Das ist doch toll Daniel!“
Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf.
„Oh nein…sie ist doch nicht etwas verheiratet, oder…?“
Er grinste: „Nein, das nicht, weder verheiratet, noch an jemanden vergeben.“
Innerlich atmete ich auf.
“Okay, wann stellst du sie mir vor?“
„Bald Hannah…bald…“
To be continued...