Lux: Die kommt jetzt
Und so langsam nähern wir uns auch dem Ende.
Semesterferien und andere Katastrophen - XVI.
Das Tüpfelchen auf dem i
Ein Samstagabend mehr, seitdem ich hier war.
Den ganzen Tag über hatte ich an Daniel denken müssen; ich hoffte inständig für ihn, dass er Alan angetroffen hatte, und dieser auch bereit war, sich mit ihm auseinanderzusetzen.
Lucille hatte ich nicht gesehen seit gestern, sie entwickelte zusehends dieselben Angewohnheiten wie mein Dad.
Den allerdings hatte ich morgens gesehen, eine Seltenheit seit dem Streit mit Daniel, und er war ziemlich zerknirscht an diesem Morgen.
Er entschuldigte sich bei mir für das, was vorgefallen war, und sagte, er wollte auch Daniel noch anrufen, und ihn zurückholen.
Was er damit bezwecken wolle, fragte ich ihn, ob es denn nicht reiche, dass er ihn quasi vor die Tür gesetzt hätte, von allem anderen mal abgesehen.
„Nichts“, war seine lapidare Antwort, er sei ja schließlich auch kein Unmensch, und sähe ein, dass er Mist gebaut hätte.
Kurz darauf war er auch schon wieder verschwunden; das Label war ihm ja schon immer wichtiger gewesen, als seine Familie, und ehrlich gesagt war ich froh, als er endlich ging.
Sid hatte mich morgens zwar noch angerufen, und mit großem Pathos erklärt, er wolle den Abend mit mir verbringen und hat nochmals eine „Überraschung“ erwähnt, und das ich mich doch bitte schick anziehen solle.
Trotzdem fragte ich meine Mom, ob sie den Abend nicht mit Sidney und mir verbringen wollte.
Sie tat mir leid, und ich wollte nicht, dass sie alleine zu Hause herumhockt.
Nun, sie lehnte dankend ab; sie habe sich bereits mit einer Kollegin verabredet, zu einem Frauenabend quasi, und außerdem wolle sie „ungern stören“.
Mir schwante schlimmes; war schon wieder etwas im Busch, von dem alle, außer mir etwas wussten?
Wie dem auch sei, es wurde schließlich Abend, und ich war Sidney’s Bitte gefolgt, und hatte mich für den Abend herausgeputzt.
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Gegen neun holte er mich endlich ab, nachdem ich schon fast eine Dreiviertelstunde auf ihn gewartet hatte.
Wir fuhren in die Stadt, in das neue China-Restaurant, das erst vor 4 Wochen eröffnet hatte.
„Und das war jetzt deine große Überraschung…?“, fragte ich ihn leicht genervt, als wir ankamen.
„Ach Hannah…das du immer gleich so biestig sein musst.“, seufzte er.
Er nahm meine Hand und führte mich hinein.
„Wie in alten Zeiten“, schoss es mir durch den Kopf.
Er hatte einen Tisch reservieren lassen, durch eine Trennwand etwas abgeschirmt vom Rest des Restaurants.
Manchmal glaubte ich, aus Sid hätte ein Mädchen werden sollen; er war romantischer, als jeder andere, den ich kannte.
Unweigerlich musste ich schmunzeln, ich glaube, seine romantische Ader war einer der Gründe, weshalb ich mich überhaupt in ihn verliebt hatte.
Der Ober brachte uns die Karte, und was folgte war ein Mahl, dass Lukullus vor Neid hätte erblassen lassen.
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Wir redeten und lachten die ganze Zeit über, und tatsächlich vergaß ich während der nächsten Stunden das Chaos um mich herum.
Irgendwann jedoch kehrten meine Gedanken zum hier und jetzt zurück, und ich berichtete Sidney, was gestern zwischen Lucille und mir vorgefallen war.
„Das wundert mich nicht…“, murmelte er.
„Weshalb?
Du warst doch bei Lestat, was hat er gesagt?“
Sidney nahm meine Hand.
„Nicht jetzt Hannah…es war bis hierher so schön, warum sollen wir uns den Abend damit kaputt machen?
Lass es uns lieber machen, wie die nebenan…“, er neigte seinen Kopf in Richtung des Nachbartisches.
Der Tisch neben unserem, auf welchen man aufgrund der Wand keinen direkten Blick werfen konnte, war seit einiger Zeit ebenfalls besetzt, und das einzige, was man seither hörte waren getuschelte Worte, Gekicher und zuweilen Geräusche, die auf wildes Geknutsche schließen ließen.
Hin und wieder hatte ich versucht, einen Blick hinüberzuwerfen, man ist ja neugierig, aber die Trennwand hinderte mich daran.
Ich musste grinsen.
„Deshalb hast du mich hierher gebracht?“
„Auch…“, Sid zog mich an sich und bevor ich etwas erwidern konnte, spürte ich seine Lippen auf meinen.
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Ich schloss die Augen und gab mich dem Moment hin, bevor er sich zaghaft wieder von mir löste, meine Hände aber in seinen behielt.
„Hannah…wir kennen uns jetzt seit fünf Jahren, vier davon sind wir zusammen.“
Er holte tief Luft, und ich meinte, Aufregung in seinen Augen aufblitzen zu sehen.
„Diese vier Jahre, waren die glücklichsten meines Lebens…“
Mein Herz begann schneller zu schlagen, er würde doch nicht etwa…?
„Hannah, was ich dir angetan habe, tut mir unendlich leid, und ich würde alles dafür geben, um es ungeschehen machen zu können.
Du sollst wissen, dass ich dich mehr als alles auf der Welt liebe und verehre, ich lege dir mein Herz zu Füßen.
Ich bin der glücklichste Mensch der Welt, wenn ich nur in deiner Nähe sein darf.
Ich habe heute Abend ausgesucht, denn heute vor fünf Jahren, sind wir uns zum ersten Mal begegnet, und seitdem gab es nicht eine Minute, in der ich nicht an dich gedacht habe.“
Mein Mund wurde trocken; ich fürchtete, es war genau das, was ich vermutet hatte.
Erneut setzte er ab und atmete tief durch, bevor er fort fuhr.
„Hannah…alles was ich habe, alles was ich bin, verdanke ich dir, und deshalb will ich dich heute Abend fragen…“
Von drüben ertönte ein glockenhelles Lachen, ein Lachen, wie ich es so oft gehört hatte – es gehörte Lucille.
Sid wandte den Kopf kurz und verärgert in Richtung der Trennwand, und auch ich blickte in die Richtung, nachdem ich das Lachen gehört hatte.
Nur war ich dieses Mal so indiskret, mich weiter nach hinten zu lehnen, um durch den kleinen Spalt zwischen Wand und Schirm blicken zu können.
Ich riss die Augen auf; dort saß tatsächlich Lucille, aber sie war nicht alleine.
„Ich glaube, ich muss kotzen…“, stammelte ich, und sprang auf.
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Ich rannte quer durch das Restaurant, auf die Toiletten zu, wo ich denn auch das tat, was ich vorher angekündigt hatte.
Ich weiß nicht, wie lange das Ganze dauerte, aber es kam mir wie eine Ewigkeit vor.
Kreidebleich lehnte ich mich an die Wand im Vorraum, und eine ältere Dame fragte mich, ob mit mir alles in Ordnung sei, oder sie lieber einen Arzt rufen sollte.
„Nein, alles in Ordnung, vielen Dank; ich fürchte nur, ich habe zu viel gegessen“, antwortete ich, woraufhin sie mich wieder mir selbst überließ.
In diesem Moment fragte ich mich zum ersten Mal ernsthaft, wie viel Mist auf einen Haufen ein Mensch eigentlich ertragen kann, und befand im selben Augenblick, dass das, was ich eben gesehen hatte, meine Grenzen definitiv bei weitem überschritt.
Irgendwann ging die Tür zur Toilette auf, und Sid streckte den Kopf herein.
„Hannah…das hier ist die Damentoilette, und ich wäre dir dankbar, wenn du rauskommen würdest, und ich nicht rein müsste.“
„Ja…ja, ich komm gleich.“
Ich tastete mich an der Wand entlang, und schließlich nach draußen, wo Sidney mich schon in Empfang nahm.
„Baby…was ist passiert?“
Er hatte es anscheinend nicht gesehen, hatte Lucilles Lachen nicht als ihres erkannt; Gott sei Dank.
„Erzähl ich dir später…“, nuschelte ich, „Lass uns nur weg von hier…“
Auf dem Weg nach Hause überkam mich wieder das Bild aus dem Restaurant, und damit auch der Anflug von Übelkeit, den ich aber niederkämpfte.
Sidney blickte nur immer wieder besorgt zu mir herüber, fragte aber erstmal nicht weiter nach, wofür ich ihm, trotzdem er mehr als enttäuscht aussah, dankbar war.
Zu Hause angekommen stürmte ich zielstrebig der Bar entgegen, und schenkte mir einen Scotch ein; ich hatte das Glas schon an den Lippen, doch Sidney nahm es mir sanft wieder ab.
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„Hannah…trinken bringt doch nichts.
Komm schon, was ist passiert?
Liegt es an mir…?“, fügte er zweifelnd hinzu.
Ich sah ihn an.
„Nein…das ist es nicht.“, ich nahm seine Hand.
„Sid…was hat Lestat dir erzählt?“
To be continued...