Heute Abend hab ich mal wieder 'n bißchen weitergeschrieben, und wir näher uns unaufhaltsam dem Ende... 
Semesterferien und andere Katastrophen - XX.
Die Show beginnt
Pünktlich um viertel vor acht betrat ich das „Hooters“, ein Club, in dem für gewöhnlich „Künstler“ jeglicher Art verkehrten; nun, oder zumindest das, was sich dafür hielt.
Von der Aufmachung her modern, kam das Publikum eher den Dandys des 19. Jahrhunderts gleich, und das war unter anderem ein Grund, weshalb ich mich die paar Male, die ich dort gewesen war, nie besonders wohl gefühlt hatte.
Das ganze Gebäude war schon in seiner Bauart seltsam, wirklich grotesk wurde es jedoch, wenn man es betrat.
Hier ein riesiger Fernseher, welchen man in einer Football-Kneipe so oft sah, dort die Bedienungen in knappen Röcken, und das Ganze untermalt mit Musik von Erik Satie.
So setzte ich mich, von den Klängen des Pianisten begleitet an einen Tisch für zwei, mit Blick auf die Eingangstür, und wartete.
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In zehn Minuten würde es soweit sein, und je näher der Zeitpunkt rückte, desto weniger wohl fühlte ich mich in meiner Haut.
Indes bestellte ich ein Glas Rotwein, und sah mir das illustre Publikum an, das inzwischen in Scharen herbeizuströmen schien.
Die Bedienung kam meinem Wunsch schnell nach, und als ich gerade das Glas an die Lippen heben wollte, vielleicht auch, um mir Mut anzutrinken, öffnete sich die Tür erneut, und Travis kam herein.
Gentleman like ließ er sich den Mantel abnehmen, und sah sich kurz um; bis er mich am Tisch entdeckte.
Er setzte sein Colgate Lächeln auf, und strebte mir entgegen.
Ich erhob mich, um ihn zu begrüßen.
Überschwänglich drückte er mir Küsse auf meine glühenden Wangen, und ich hoffte, er würde mir meine Aufregung nicht anmerken.
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„Ah…wie ich sehe, hast du dich bereits ohne mich vergnügt.
Hast du lange warten müssen?“
Wir setzten uns.
„Nein, ich bin erst seit zehn Minuten hier.“
Während er bestellte, nahm ich eilig einen Schluck Wein, um den Kloß in meinem Hals herunterzuspülen.
„Hannah…“, er setzte sich gerade hin, und sah mich an.
„Ich kann mir vorstellen, weshalb du dich mit mir treffen wolltest.
Es geht um Daniel, nicht wahr?
Nun, ich muss sagen…“, er seufzte theatralisch, bevor er weiter sprach, „wie ich ihn abserviert habe, war nicht gerade die feine englische Art, und das tut mir leid.
Ich weiß um euer Verhältnis, und wie sehr ich ihn verletzt haben muss, und dass du nur auf ihn aufpassen möchtest, sein Bestes willst.
Ich werde versuchen, wieder gut zu machen, was da „passiert“ ist, das musst du mir glauben.
Wir Schauspieler müssen manchmal einen ungewöhnlichen Weg gehen, um uns auf unsere Rollen vorzubereiten, und das Publikum zu unterhalten, das verstehst du doch sicher?
Ach, was sage ich, natürlich verstehst du es.
Dein Köpfchen ist schließlich nicht nur überaus hübsch, sondern auch sehr klug, das habe ich sofort bemerkt, als ich zum ersten Mal bei euch war.“
Diese gekünstelte Art, dieses gezierte Getue und die hochgestochene Art zu reden….am liebsten hätte ich ihm gleich eine rein gehauen.
Aber ich musste mich bändigen, und statt ihm auf der Stelle eine zu brezeln, beherrschte ich mich, und lächelte lediglich, während ich seinen Ausführungen lauschte.
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Als er bemerkte, dass ich noch immer nichts sagte, fuhr er fort.
„Ach…sieh mich nicht so vorwurfsvoll an.
Ich habe noch keine Idee, wie ich es anstellen soll, aber ich werde mich bei Daniel entschuldigen, sofort Morgen.“
„Travis…“, ich schlug das linke Bein über das rechte, und beugte mich vor zu ihm, „ist es dir mal in den Sinn gekommen, das es überhaupt nicht um Daniel geht…?“
Sein Martini wurde serviert, und in seinem Gesicht konnte ich sehen, das er damit nun wirklich nicht gerechnet hatte.
„Nicht…aber weshalb sind wir dann hier?“
Ich lächelte süffisant, und hob das Glas an die Lippen.
Über den Rand hinweg sah ich ihn an: „Nun…wenn sich ein Mann und eine Frau treffen, wie wir beide jetzt gerade, an einem lauen Sommerabend, in einem solchen Etablissement…“; ich ließ eine Pause entstehen, in welcher ich am Glas nippte – und nicht zum letzten Mal an diesem Abend sollte ich froh sein, auf der High School in der Theater AG mitgewirkt zu haben.
„Ich glaube nicht, dass du so einfallslos bist…“; mit den Worten setzte ich das Glas wieder auf den Tisch, und sah ihn offenherzig an, während ich meine Zeigefinger über den Rand des Glases gleiten ließ.
Er schwieg, und ich dachte schon, zu dick aufgetragen zu haben, doch scheinbar war er von sich selbst so eingenommen, dass er mein Schauspiel gar nicht bemerkte.
Er hob eine Braue: „Ich dachte…du und dein Freund…wie war doch gleich sein Name?“
„Sidney“, warf ich ein.
„Sidney…richtig…nun, ich dachte, ihr beide wäret quasi frisch wiedervereint…?“
Ich ließ ein abschätziges Lachen über meine Lippen rollen.
„Nun, das denkt er vielleicht…Männer sind oft viel zu einfältig, vor allem, wenn sie so einfach gestrickt sind, wie Sidney.
Sie bemerken zumeist nicht, wenn man sie noch ein letztes Mal…nun, wie soll ich es ausdrücken…wenn man sie zum Abschied noch einmal in sein Bett holt.
Es wäre doch zu schade, eine Beziehung zu beenden, ohne dieses letzte Mal, denkst du nicht?“
Mit einem anzüglichen Blick nahm er einen Schluck vom Martini, und zog die Olive, welche auf einem Zahnstocher aufgespießt bisher im Glas gethront hatte aus der klaren Flüssigkeit.
Er nahm sie genüsslich zwischen die Zähne, um sie dann zu verschlingen.
„Du überraschst mich, Hannah Lucas…“, er grinste selbstgefällig, und lehnte sich über den Tisch.
„Ich hätte nicht erwartet, dass du ein solches Miststück sein kannst…“
Ich lehnte mich zurück, um der Situation die Schärfe zu nehmen, und um ihm nicht näher als nötig sein zu müssen.
Die Luft knisterte nicht mehr, sie brannte.
„Manchmal muss man in dieser Welt ein Miststück sein, um nicht unterzugehen…“
„Stephen King, Dolores, nicht wahr?“
„So ist es…“, ich lächelte, und verstand zum ersten Mal wirklich, was King seinen Figuren da in den Mund gelegt hatte.
Nichts hätte wahrer sein können an diesem Abend, als eben dieser Satz.
In einem Zug leerte er seinen Martini, und winkte die Bedienung herbei, um noch einen zu bestellen.
Indes leerte auch ich meinen Wein, und so ließen wir uns beide neue Getränke kommen.
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„Ich bemerke, du bist nicht nur ein Miststück, sondern auch sehr belesen, wie es scheint.“
„Stephen King zähle ich nicht eben zu den Schriftstellern, nach wessen Lektüre man sich als belesen bezeichnen kann.“
Er war trivial, keine Frage, ein Poseur durch und durch; warum war mir das nicht eher aufgefallen verdammt; ich hätte Daniel und uns allen so viel ersparen können.
Mit einer wegwischenden Handbewegung wechselte er das Thema.
„Bücher…ein ohnehin aussterbendes Medium, und veraltet zudem noch.
Viel mehr würde mich die eben an dir entdeckte Seite interessieren…“; er ließ seinen Blick über meinen Ausschnitt gleiten, und schon allein aufgrund dieses Blickes fühlte ich mich fast vergewaltigt.
Ich schielte immer wieder zur Tür herüber, ob Sidney nicht doch auftauchen würde, aber er kam nicht.
Hatte ich ihn übersehen?
Oder war er uns doch nicht gefolgt, weil er sich dieses Theater nicht antun wollte?
Travis lehnte sich erneut über den Tisch zu mir herüber, und ich spürte seinen schuhlosen Fuß sacht über meine Wade streichen, was einen Brechreiz in mir auslöste.
Ich war geneigt, auf der Stelle aufzuspringen und einfach wegzulaufen, jedoch beherrschte ich mich ein weiteres Mal.
Langsam entzog ich ihm meine Beine, und lehnte mich ihm wieder entgegen, wobei ich ihn einen erneuten Blick in mein Dekollete werfen ließ, diesmal jedoch mit voller Absicht.
„Wir haben die ganze Nacht Zeit, mein Adonis, wieso also etwas überstürzen…?“, hauchte ich ihm entgegen, während sich unsere Gesichter so nah waren, dass ich schon seinen Atem spüren konnte.
Er strich mir mit dem Zeigefinger seiner Hand über die Wange.
Innerlich zuckte ich zusammen, und ich konnte eine Gänsehaut nicht unterdrücken, was er wohl als gutes Omen aufnahm.
Gut, dass er nicht wusste, wie sehr er mich abstieß.
„Hannah, Hannah…du wirst immer interessanter, muss ich sagen.“
„Und das bemerkst du erst jetzt?“, meine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln.
„Oh, das warst du vom ersten Moment an…hätte ich gewusst, was du wirklich willst…ich hätte nie so lange gewartet…“
Ich warf einen flüchtigen Blick zu Tür herüber, und konnte währenddessen sehen, dass sie erneut aufschwang.
Sein Zeigefinger fuhr über mein Kinn, und dann erneut über meine Wange.
„Weshalb uns dann noch länger gedulden…?“, sagte ich leise, fast geflüstert, und meine Lippen schnappten spielerisch nach seinen.
Er schloss die Augen, was es mir für den Moment erleichterte, zumindest aus den Augenwinkeln die Szenerie um mich herum zu betrachten.
Voller Inbrunst küsste er mich, und ich hatte Mühe, meinem Kuss eine solche Leidenschaft einzugeben, wie er es tat, bevor ich die Augen schloss.
Die Tür war aufgegangen, und das Lokal nahm eine weitere Person auf; zwar nicht diejenige, auf die ich schon sehnsüchtig wartete.
Aber immerhin gehörte sie auch zu dieser Farce.
Lucille hatte das Hooters betreten…
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To be continued...