und weiter gehts:
Ich hörte nicht auf ihr Gelaber und griff nach meinem Handy, das zum Glück in greifbarer Nähe lag.
Dann rief ich die Polizei an. Die Frau am Telefon sagte, sie würde sofort vorbei kommen.
Das Mädel fing plötzlich an zu heulen und lief ins Wohnzimmer.
Ich rannte ihr hinterher.
Sie schien sehr wütend und traurig zu sein, ihr Gesicht war jetzt ganz naß von Tränen und sie war kreidebleich.
"Verdammt was ist denn?", schrie ich sie an. "Nicht die Polizei, bitte nicht die Polizei. Ich tu alles, was Sie wollen, aber bitte, nicht die Polizei!", bettelte sie mich an.
Ich ließ mich auf uner Sofa plumsen. Ich musste jetzt einfach sitzen. Ich hatte jetzt irgendwie nicht mehr so einen großen Bammel davor, dass die Frau abhaute, und wenn, dann war ich sicher wieder vor ihr an der Tür, besonders schnell war sie ja nicht.
Irgendwie kam es, dass sie sich zu mir aufs Sofa setzte.
"Verdammt, ich dachte so einen Scheiß gibts nur im Film!", fluchte ich.
"Was hast du dir dabei gedacht, hier einfach reinzukommen und zu klauen?"
"Ich... ich brauche Essen, ich habe kein Geld", sagte die Frau wieder.
"ICH habe auch kein Geld", meinte ich. "ICH geh aber arbeiten wie ein vernünftiger Mensch und lebe nicht auf Kosten anderer. Verstehst du?"
"Ich habe keine Arbeit. Ich kann nicht arbeiten, ich habe ein Baby. Ich kann doch nicht..."
Jetzt tat mir die Frau schon wieder Leid, aber ich zwang mich, bloß kein Mitleid zu zeigen. Wo kämen wir denn da hin?
"Ach aber klauen gehen kannst du? Denkst du, dein Baby würde das gut finden? Hast du schonmal was von Sozialhilfe gehört??? SOZIALHILFE. In unserem Land muss niemand klauen gehen oder verhungern. Niemand!!" Ich würde schon wieder lauter, aber diese Frau machte mich einfach zu wütend.
"Arme Menschen gibt es nicht nur in Ländern ganz weit weg, oder in Filmen. Ich bekomme keine Sozialhilfe. Mein Mann arbeitet. Sie sagen, er verdient genug."
"Na ist doch wunderbar!" Jetzt wusste ich echt nicht mehr was ich von dieser Frau zu halten hatte.
"Wissen Sie, er trinkt. Er ist Alkoholiker. Er schlägt manchmal das Baby und mich. Und er gibt uns kein Geld. Nur manchmal. Und er sagt wir sind nutzlose Drecksviecher. Und ich brauche doch Geld. Ich brauche doch Essen."
Diese Frau war echt kurz davor, mich mit ihrer Masche rumzukriegen. Ich dachte mir, dass sie wahrscheinlich drogenabhängig oder sonst was war und diese Märchen jedem auftischte, bei dem sie einbrach und erwischt wurde. Bei gewissen Leuten kam sie damit vielleicht durch.
Plötzlich klingelte es an der Tür. Die Polizei! Endlich!
Ich ging zur Tür und öffnete diese. Ich ließ die Polizisten ins Haus. Doch dann, auf einmal lief in meinem Kopf etwas schief. Ich dachte an ein kleines Baby, dass im Kinderwagen lag, ähnlich wie Steffie damals, und das von seinem Vater grün und blau geschlagen wurde. Ich dachte an die Frau in der lumpigen Kleidung, die halb verhungert unter einer Brücke in der Stadt kauerte und am nächstem Tag erfroren gefunden wurde. Und ich dachte an mich, der an allem Schuld war, weil ich diese Frau angezeigt hatte.
Die Gedanken in meinem Kopf hatten größtenteils gar keinen Zusammenhang.
"Was ist denn nun?", riss mich die Polizistin aus meinen Gedanken.
"Ähm was?"
"Na die Einbrecherin, wo ist sie?"
"Sie ist ähm, abgehauen. Ich konnte sie nicht aufhalten."
Die Polizistin stellte mir noch ungefähr 1000 Fragen, die ich alle mit Lügen beantwortete. Ich war mir fast sicher, dass ich genau das Falsche tat, aber mein schlechtes Gewissen war einfach zu groß.
Nach einiger Zeit machte die Polizistin sich Gott sei Dank wieder vom Acker.
Ich ging wieder ins Wohnzimmer, um der Diebin zu sagen, dass ich grade ihr Leben und ihr Baby gerettet hatte.
Es waren allerdings keine Worte nötig. Ohne dass ich etwas sagen musste, fiel die Frau vor mir auf die Knie.
"Danke, danke. Vielen Dank."
Ich habe nicht gezählt, wie oft sie sich bedankt hat, aber irgendwann stand sie auf und fiel mir in die Arme.