Sie lässt sich in einen hochlehnigen Sessel fallen. Sie spürt zu ihrem eigenen Entsetzen, dass sie ihren eigenen Bruder, Till Torsten hasst. Sie hasst ihn, wie sie nie einen anderen Menschen gehasst hatte. Sie verabscheut ihn. Sie kann sich nicht einmal mehr vorstellen, wie es geschehen konnte, dass sie lange Jahre hindurch immer wieder seinem Charme erlegen war.
In der Diele stehen sich Till und Bernhard gegenüber.
"Ich verstehe natürlich, dass du überrascht bist, mich zu sehen", sagt Till und zeigt mit einem kleinen Lächeln seine kräftigen weißen Zähne.
Bernhard:"Durchaus nicht."
Till:"Es ist eben so, Menschen wie ich, die kein Zuhause haben - das soll natürlich kein Vorwurf sein, lieber Bernhard, versteh mich bitte nicht falsch - aber man möchte eben doch ein paar -"
"Wieviel brauchst du?", fragt Bernhard scharf.
"Ich verstehe dich nicht." Till hebt mit gespieltem Erstaunen die Augenbrauen.
Bernhard:"Wieviel?"
Till:"Ja, kannst du dir denn wirklich nicht vorstellen, dass ich einfach aus Sehnsucht nach euch..."
Bernhard:"Nein, das kann ich mir nicht vorstellen, Till. Bitte, hör auf damit. Du solltest schon wissen, dass diese Masche bei mir nicht zieht."
Till:"Habt ihr euch gar keine Gedanken darüber gemacht, wo ich die letzten Jahre gesteckt habe?"
Bernhard:"Wo denn schon. Wahrscheinlich hinter Gittern."
Till:"Du bist sehr grausam" Sein Gesicht verdüstert sich.
Bernhard:"Was willst du hier?"
Till:"Ich habe dir doch schon gesagt, ich möchte ... Ich möchte Isabella wieder sehen, schließlich ist sie ja meine Schwester. Man hat doch auch so etwas wie Familiensinn, nicht wahr?"
Bernhard:"Du nicht, Till, gib dir keine Mühe, du wirst Isabella nicht sehen."
Till:"Willst du mir das verbieten?"
Bernhard:"Ja. Wenn du nicht in einer halben Minute aus dem Haus bist werde ich -"
Till:"Was denn? Was wirst du?"
Bernhard:"Die Polizei verständigen."
Till wechselt den Ton:"Natürlich, das kannst du, das steht dir zu. Aber was versprichst du dir davon? Willst du Isabella von nun an an die Kette legen? Meinst du nicht auch, dass ich vielleicht eine Gelegenheit - nein, es braucht gar nicht hier im Hause zu sein - finden kann, um micht mit ihr in Verbindung zu setzen?"
Bernhard:"Ich habe dich schon einmal gefragt, Till, wieviel brauchst du?"
Till:"Fünfhundert."
Bernhard:"Du bist verrückt."
"Bitte, wie du willst!" Till gibt sich den Anschein, als ob er sich zum Gehen wenden will. "Grüße meine Schwester von mir - oder auch nicht. Ganz wie du willst, Adieu."
Bernhard:"Till - wofür brauchst du das Geld?"
Till sieht seinem Schwager mit einem unverschämten Lächeln in die Augen. "Willst du das wirklich wissen?"
Bernhard:"Ja. Du weißt, ich habe schon einmal Schwierigkeiten gehabt, als ich dir damals Geld geliehen habe, mit dem du einen sogenannten großen Coup starten wolltest. Du bist damit reingefallen, und ich habe eine Menge Unannehmlichkeiten deinetwegen gehabt. Erinnerst du dich noch?"
Till:"Na schön. Wenn es dich beruhigt ... Ich möchte gern zum Wintersport nach Simalpy fahren. Findest du nicht auch, dass ich ein bisschen blass und angegriffen aussehe? Na also. Die Gesundheit deines Schwagers sollte dir doch 500 $ wert sein, oder?"
Bernhard:"Gut. Ich werde dir einen Scheck geben."
Till:"Scheck kann ich nicht brauchen, Schwager."
Bernhard:"Na bitte. Dann bekommst du die 500 $ bar - aber nur gegen Quittung. Als kurzfristiges Darlehen."
Till:"Und du glaubst, dass ich so etwas unterschreibe?"
Bernhard:"Ganz bestimmt. Sonst bekommst du das Geld nämlich nicht. Auf keinen Fall."
Till:"Bildest du dir im Ernst ein, du würdest es von mir zurückkriegen?"
Bernhard:"Nein."
Till:"Wozu willst du dann die Quittung?"
Bernhard:"Nur so. Also entweder du schreibst mir so einen Wisch aus, oder..."
Till:"Na schön. Wenn es dir Spaß macht. Ich sehe den Sinn zwar nicht ein, aber immerhin..." Till krizelt auf einen leeren Zettel ein paar Zeilen darauf.
"Genügt es so?", fragt er und hält Bernhard die Quittung hin.
"Danke." Bernhard nimmt die Quittung und nimmt aus seiner Brieftasche fünf Scheine heraus. "Du hast Glück, dass ich das Geld überhaupt bei mir habe..."
Till:"Ich habe immer Glück, mein Lieber, das solltest du wissen."
Bernhard:"Um so besser für dich - wenn es dir so vorkommt."
Till:"Also schönen Dank, Schwager - und von mir aus keinen Gruß an Isabella."
Bernhard:"Pass auf, Till - ich will kein Versprechen von dir, ich weiß, dass dein Wort nichts gilt, aber ich warne dich. Wenn du noch einmal unser Haus betrittst oder wenn du ein einziges Mal versuchen solltest, dich hinter meinem Rücken mit Isabella in Verbindung zu setzen, dann -"
Till:"Was dann?"
Bernhard:"Dann wirst du von mir nie wieder, unter gar keinen Umständen, auch nur einen einzigen Simydollar herausholen. Hast du mich verstanden?"
Till:"Du hast dich ungewöhnlich deutlich ausgedrückt, Schwager!" Er geht aufreizend langsam zum Ausgang.
Bernhard folgt ihm bis zur Haustür und als sie hinter dem unangenehmen Gast ins Schloß fällt, dreht er den Schlüssel zweimal rum. Dann erst wagt er aufzuatmen.
[GLOWWHITE]Was hat es mit Till auf sich?[/glowwhite]