es geht weiter:
Zwar sah es in den nächsten Tagen ganz so aus, als wenn alles wieder in Ordnung gekommen wäre. Isabella und Bernhard richteten es so ein, dass wenigstens Isa jeden Abend früh nach Hause kam, damit sie sich im ihre Tochter kümmern konnte.
Miriam schien ganz verwandelt. Mit überraschendem Fleiß stürzte sie sich in ihre Schulaufgaben. Das Benehmen gegenüber ihren Eltern war höflich, wenn auch etwas kühl. Sie schien Gregor vollständig vergessen zu haben. Wenn Isabella versuchte, dieses Thema anzuschneiden, wich sie sofort aus:"Das ist doch jetzt ganz uninterressant, Mutter."
Sie kam jeden Tag von der Schule ohne Umweg nach Hause und wenn sie angerufen wurde, waren es Mädchen aus ihrer Klasse, die ihre Aufgaben mit Miriam besprechen wollten.
Ihr Vater strahlte. Für ihn war die Schlacht bereits gewonnen, seine Erziehungsmaßnahmen hatten die besten Erfolge gezeichnet. Nur Isabella betrachtete das Verhalten ihrer Tochter mit Sorge. Sie konnte ein Gefühl des Unbehagens nicht loswerden. Miriams Verschlossenheit erschreckte sie. Ihre Freudlosigkeit tat ihr weh. Schließlich war sie es, die Miriam zuredete, mit ihren beiden Schulfreundinnen Stefanie und Heike ins Kino zu gehen:
Als die drei Mädchen nach der Vorstellung ins Freie treten, gehen gerade die Straßenlaternen an. Sie haben keine rechte Lust, nach Hause zu gehen.
Die dunkle Stefanie sieht zuerst das Auto, das wenige Meter vor ihnen hält. "Schaut mal", ruft sie, "tolle Karre, was?" Miriam dreht sich um. Am Steuer des Sportwagens sitzt Till Torsten. Er steigt aus und winkt ihr zu.
"Ein guter Bekannter", sagt Miriam zu ihren Freundinnen und verabschiedet sich hastig. "Ich muss los. Bis morgen, ihr beiden."
Ohne sich noch einmal umzusehen, läuft sie auf den Wagen zu.
"Schöner Bekannter", sagt Heike neidisch. "Der könnte ja zweimal ihr Vater sein."
"Aber sein Schlitten ist cool.", erwidert Steffi. Die beiden Mädchen sehen neugierig zu, wie Miriam ins Auto steigt.
"Onkel Till - du?" fragt Miriam ihn und macht die Autotür zu.
Till lächelt:"Wenn du mir einen Gefallen machen willst, sagst du nie wieder Onkel zu mir."
"Warum nicht?"fragt Miriam verständnislos. "Du bist doch mein Onkel." Und mit plötzlichem Misstrauen fügt sie hinzu:"Oder etwa nicht?"
"Natürlich - trotzdem mag ich es nicht von dir hören. Onkel steht mir nicht. Es macht alt."
"Ach deshalb", sagt Miriam erleichtert. "Ich dachte schon..."
Sie schweigt und beißt sich auf die Lippen. Fast hätte sie von ihrem Verdacht erzählt, dass sie nicht das wirkliche Kind ihrer Eltern wäre. Aber ein dunkler Instinkt hielt sie davon zurück.
Till ahnt nicht, was in Miriam vorgeht:"Weil deine Eltern mich nicht gerne sehen, meinst du. So was kommt in den besten Familien vor. Immerhin können sie die Tatsache nicht aus der Welt schaffen, dass ich der Bruder deiner Mutter bin."
Miriam:"Warum kommst du uns dann nicht mehr besuchen?"
"Haben sie dir das nicht gesagt?", fragt Till und blickt sie forschend von der Seite an.
Miriam:"Nein - sag mal, wohin fahren wir eigentlich?"
Till:"Ich habe mir gedacht, wir gehen irgendwo eine Tasse Kaffee trinken."
"Nein, das geht auf keinen Fall", erwidert Miriam sofort."
Till zeigt ihr nicht, dass er beleidigt ist:"Also auch du willst nichts von mir wissen", sagt er spöttisch. "Ich hätte es mir denken können."
Miriam:"Doch nicht deswegen, mir ist es doch ganz egal, weswegen du dich mit Paps zerstritten hast, bloß, er passt in letzter Zeit höllisch scharf auf mich auf. Ich darf nirgends mehr hin. Nichts darf ich mehr."
Er begreift sofort:"Was ausgefressen?"
Miriam:"Ach wo. Ich bin nur einmal ein bisschen spät nach Hause gekommen. Du kannst dir das Theater nicht vorstellen."
Till:"Oh doch, das kann ich."
Miriam:"Meine Eltern tun so, als wenn ich wer weiß was angestellt hätte. Nur weil ich tanzen war."
Till:"Mach dir nichts draus, Kleines. Alles geht vorüber. Aber das ist ein schlechter Trost."
Miriam berührt seinen Arm:"Sag nicht Kleines zu mir, du willst ja auch nicht, dass ich..."
Till:"Schon gut. Wie soll ich dich dann nennen?"
Miriam:"Minky. So wie meine Freunde."
Till:"Gut, Minky, abgemacht."
Till fährt ruhig und sicher durch die Stadt.
Miriam:"Bitte, setz mich nicht gerade vor unserem Haus ab. Ein paar Straßen früher, damit meine Eltern es nicht merken."
Till:"Geht es wirklich nicht, dass du dich noch einmal von zu Hause wegschleichen kannst?" Als er merkt, dass sie zögert, setzt er rasch hinzu:"Warum sollten wir beide nicht einmal zusammen bummeln gehn? Ich kenne die schicksten Lokale und Bars..."
Miriam:"Du weißt genau, wie gern ich ja sagen möchte."
Till:"Dann tu's doch - oder geht es wirklich nicht?"
Miriam denkt nach:"Höchstens Freitag", sagt sie zögernd."Da sind meine Eltern zu Geschäftsfreunden eingeladen. Eine wichtige Sache, die sie nicht absagen können."
Till zufrieden:"Also Freitag abend - um wieviel Uhr?"
Miriam:"Aber da ist noch Frau Beermann - unsere Haushälterin?"
Till lacht:"Mit der wirst du doch spielend fertig."
Er bremst hart:"Freitag abend acht Uhr erwarte ich dich hier. Hier, an dieser Stelle."
Miriam:"Und wo kann ich dich erreichen, wenn es nicht klappt?"
Till:"Es muss klappen ... Ich bin sicher, dass du mich nicht enttäuschen wirst."
Miriam nickt und steigt aus.
Nein, sie hat bestimmt nicht vor, ihren charmanten Onkel zu enttäuschen...
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