Oh Gott, dachte Chris. Wie lange gärte diese Idee schon in ihm?
„Es muss auch nicht unbedingt die Barbie-Puppe sein, wenn dir das unangenehm ist. Wir könnten jemand anderen finden.“
„Wirklich, Tony. Ich will niemanden anderen. Du bist alles, was ich brauche.“
„Wirklich?“
Sie nickte eifrig. „Lass es mich dir beweisen. Bitte, Tony, lass es mich dir beweisen.“
„Zieh dich um.“
Chris rannte ins Bad und schloss die Tür hinter sich. Tränen kullerten über ihre Wangen, während sie hektisch an den obersten Knöpfen ihres Kittels fingerte. „Bitte, Gott, hilf mir.“ Was sollte sie machen? Sie kannte Tony gut genug, um zu wissen, dass ihm diese neueste Idee nicht gerade erst gekommen war, sondern dass er bereits eine Weile darauf herumgedacht und den richtigen Augenblick abgepasst haben musste, sie ihr zu eröffnen. Und sie würde auch nicht wieder verschwinden. Dass er den Gedanken für den Augenblick beiseite geschoben hatte, bedeutete längst nicht, dass er ihn vergessen würde.
Nein, dachte Chris, zog ihren Kittel über den Kopf, stieg in das durchsichtige lavendelfarbene Höschen mit dem albernen Kunstfellbesatz und zog es linkisch über ihre Hüfte. Tony würde erst von seiner neuesten, obszönen Phantasie lassen, wenn er bekommen hatte, was er wollte. „Ich kann das nicht“, flüsterte sie und hakte den schlecht sitzenden BH zu. „Ich werde es nicht tun.“
Nur dass er sie dazu zwingen würde. Das wusste sie. Er würde sie beschimpfen und schlagen, bis sie nicht nur nachgab, sondern freiwillig darum bettelte. Hatte sie ihn nicht eben angefleht? „Du bist alles, was ich brauche“, hatte sie mehr als einmal wiederholt. „Bitte, Tony, lass es mich dir beweisen.“
„Du widerst mich an.“ Sie spuckte ihr Spiegelbild an und beobachtete, wie ihre Spucke an dem Glas hinunterlief. „Supergirl“, höhnte sie. Was würden ihre drei Kinder am Ende des Flures wohl sagen, wenn sie ihre Mutter wie eine obszöne Comicfigur verkleidet sehen würden.
Was soll’s, dachte sie, als sie die Badezimmertür öffnete und ins Schlafzimmer hüpfte, als würde sie von einer steilen Klippe springen. „Ich bin’s, Supermom!“, verkündete sie – sie musste von Sinnen sein. Tony würde ihre spontane Showeinlage bestimmt nicht komisch finden. Sie flirtete mit der Katastrophe, besiegelte ihr Schicksal, unterschrieb ihr eigenes Todesurteil. Hatte sie das etwa mit Absicht getan?
Sie wappnete sich gegen Tonys Wut und seine Fäuste. Lass es uns einfach hinter uns bringen, dachte sie. Erledige mich. Du kannst es. Ein satter Tritt gegen den Kopf, und alles wäre gnädig vorüber. Die lavendelfarbene Lady beißt ins Gras!
Doch er holte weder mit Armen noch Beinen aus, sondern starrte sie ganz ruhig mit zusammengepressten Lippen aus hohlen schwarzen Augen an. Chris blickte ihn an und begriff, dass sie sich ihrem schlimmsten Albtraum gegenübersah, dass alles, was vor diesem Augenblick geschehen war, nichts gewesen war verglichen mit dem, was nun folgen würde. „Du hältst das Ganze also für einen Witz?“, fragte er leise, gefasst und beherrscht.
„Ich wollte bloß…“
„Ich bin für dich bloß ein großer Witz. Ist es das?“
„Nein. Natürlich bist du das nicht.“
„Ruf die Barbie-Puppe an.“
„Was?“
es geht sofort weiter..