Beiträge von Nikita


    Es wird Sonntag.
    Bernhard steht auf und zieht die Vorhänge auf. Das kalte Licht des frühen Tages fällt in das Zimmer.
    Isabella wird von einem Schauer geschüttelt. Ihre Augen glänzen unnatürlich. Ihr Mann beobachtet es mit Besorgnis. „Komm, gehen wir schlafen, Isa!“, sagt er.
    Sie sträubt sich:“Nein, nicht bevor Miriam...“
    Bernhard:“Aber Isa! Glaubst du, dass du Miriam nutzt, wenn du krank wirst?“
    „Ich – ich fühle mich ausgezeichnet“, lügt sie.



    Bernhard legt seine Hand auf ihre Stirn:“Du hast ja Fieber!“ sagt er erschrocken.
    Isabella:“Das ist gar nichts – nur die Aufregung!“
    Bernhard:“Unsinn! Du legst dich jetzt sofort ins Bett, hast du verstanden? Komm!“



    Isabella fühlt sich elend und schwindelig. Sie hat nicht mehr die Kraft, sich zu wehren. Sie ist dankbar, dass Bernhard seinen Arm unter ihren schiebt uns sie die Treppe hinaufführt. Sie ist so erschöpft, dass sie sich kaum auf den Beinen halten kann.



    Trotzdem findet sie keinen Schlaf. Stunde um Stunde wälzt sie sich unruhig im Bett von der einen auf die andere Seite, von schrecklichen Bildern geplagt, und immer wieder murmelt sie:“Miriam – Liebling! Miriam!“



    Gegen Mittag ruft Bernhard Dr. Krull, den Hausarzt, an. Er kommt eine halbe Stunde später und stellt ein schweres Nervenfieber fest. Er gibt Isabella eine Spritze, die ihr endlich Entspannung schenkt. (Sorry, ich weiß, der Arzt schaut aus wie ein Double von Elvis Presley :D)



    „Steht es schlimm?“, fragt Bernhard.
    „Ich fürchte, die Patientin hat einen schweren seelischen Schock erlitten“, sagt der Arzt „Der Verlauf der Krankheit ist nicht abzusehen. Möglicherweise kann sie sich rasch erholen – sie hat ja eine blendende Konstitution -, andererseits kann es...“ Er zuckt die Achseln.
    „Braucht sie eine Pflegerin?“, fragt Bernhard.
    „Das halte ich im Augenblick nicht für angebracht“, erklärt Dr. Krull, „ein fremdes Gesicht ... Sie wissen ja selbst, die Patientin ist sehr sensibel. Außerdem denke ich, dass Frau Beermann das schon alleine schaffen wird. Wo ist sie, damit ich ihr meine Anweisungen geben kann? Das Wichtigste ist jetzt Ruhe und noch einmal Ruhe. Jede Aufregung muss von der Patientin ferngehalten werden, jede! Verstehen Sie?“
    Bernhard nickt stumm. Er will mit Dr. Krull nicht darüber reden, aber er weiß genau, was Isabella braucht, um wieder gesund zu werden.



    Noch während der Arzt sich mit Frau Beermann unterhält, geht Bernhard zum Telefon und ruft die Polizei an.


    Der Kriminalbeamte prüft den Ausweis, macht sich eine Notiz und gibt ihn zurück:“Verschwinden Sie, aber rasch!“
    Mann:“Warum denn? Was fällt Ihnen ein?“
    Beamte:“Verschwinden Sie! Uns können Sie nicht für blöd verkaufen. Sie haben das Mädchen angesprochen!“



    Der Mann steht auf. „Ich werde mich über Sie beschweren. Methoden sind das! Und da heißt es immer, wir leben in einer Demokratie!“ Vor sich hin fluchend, verschwindet er eilig.



    „Und nun zu Ihnen“, sagt der Kriminalbeamte. „Wie alt sind Sie?“
    „18!“, sagt Miriam mit zitternder Stimme.
    Beamte:“Kein Quartier?“
    Miriam:“Nein. Ich – ich habe kein Hotelzimmer bekommen können.“
    Beamte:“Darf ich Ihren Ausweis sehen?“
    Miriam:“Den habe ich verloren.“
    Der Kriminalbeamte steckt sein Notizbuch ein.
    „Haben Sie Ihre Fahrkarte bei sich?“, fragt die Kriminalbeamtin ermunternd.
    Miriam schüttelt stumm den Kopf.
    „Das ist schlimm“, sagt die Beamtin „Dann müssen Sie uns Ihre Adresse geben. Vielleicht können wir Ihre Eltern erreichen.“
    Miriam:“Ich habe keine Eltern.“



    Die Kriminalbeamtin wechselt einen Blick mit ihrem Kollegen. „Wo leben Sie?“, fragt sie dann, und nach einer Pause:“Wie heißen Sie?“
    Miriam bleibt stumm.
    „Bitte, stehen Sie auf“, sagt die Beamtin. „Wir müssen Sie mitnehmen, bis Ihre Angelegenheit geklärt ist.“
    Miriam drückt sich in die Ecke:“Aber, warum denn?“ ruft sie verzweifelt. „Ich – ich habe doch nichts verbrochen.“
    Beamtin:“Das hat auch niemand gesagt. Regen Sie sich nicht auf, es passiert Ihnen ja nichts. Wir werden Ihnen ein Quartier für die Nacht besorgen, das ist alles. Bitte, kommen Sie jetzt, machen Sie uns keine Schwierigkeiten.“



    Miriam steht zögernd auf. Sie begreift, dass ihr nichts anderes übrig bleibt. Ihr rechtes Bein ist eingeschlafen, sie knickt ein, als sie den ersten Schritt macht. Die Kriminalbeamtin fasst sie unter dem Arm und stützt sie. Mit hängendem Kopf geht Miriam neben ihr her.
    „Danke“, sagt sie, als sie spürt, dass ihr Bein wieder in Ordnung ist, ich kann schon alleine...“
    Aber der Griff der Beamtin bleibt unerbittlich.



    „Hören Sie“, sagt die Kriminalbeamtin eindringlich „wenn ich Ihnen einen Rat geben darf – sagen Sie mir ganz ehrlich, was mit Ihnen los ist. Sie sind doch kein Straßenmädchen, das habe ich gleich gesehen. Erzählen Sie mir, wie Sie heißen ... Ich möchte Ihnen doch nur helfen!“
    Miriam schweigt.
    „Sagen Sie es mir im Vertrauen“, drängt die Beamtin. „Ich verspreche Ihnen, wenn Sie es nicht wollen, werde ich es nicht weitersagen. Wir können uns dann zusammen überlegen, was zu tun ist!“
    „Nein“, sagt Miriam fast unhörbar. „Sie können mir nicht helfen. Niemand kann mir helfen ... Ich – ich muss alleine fertig werden.“
    Die Kriminalbeamtin gibt es auf.
    Vor dem Park wartet ein großes Auto. Die Beamtin öffnet die Tür an der Rückwand des Autos, ein Polizist hilft Miriam hinein. Die Tür fällt hinter ihr zu. Miriam sieht dumpfe, übernächtigte, betrunkene Gesichter.
    „Platz für die Neue!“, ruft der Polizist.
    Die Festgenommen rücken zusammen und Miriam lässt sich auf die Holzbank nieder.
    Der Polizist sagt zum Fahrer:“Wir sind komplett, Gustav. Ab geht’s!“
    Der Wagen setzt sich in Bewegung. Sie wird hin und her geschüttelt. Sie ist wie gelähmt vor Müdigkeit und Entsetzen.

    Jupiter
    nö möchte ich nicht.


    The slayer und murderdoll
    lasst euch überraschen, ich verrate noch nix :-)


    gut, und jetzt mach ich weiter:



    Miriam könnte weinen vor Müdigkeit und Verzweiflung, aber sie tut es nicht. Es gibt für sie nur noch eine Möglichkeit, sie muss im Park übernachten. Sie sieht wartende Taxis. Sie bräuchte nur einsteigen und sich nach Hause bringen lassen. Bestimmt würden sich ihre Adoptiveltern freuen, wenn sie reumütig zurückkehren würde. Zum erstenmal in dieser Nacht denkt Miriam an Isabella. Sie fühlt, wie sie sich um sie sorgt, spürt den Schmerz und die Angst, die sie ihr bereitet hat, aber bei diesem Gedanken kann sie noch weniger zurück.
    Plötzlich wird ihr klar, dass Isabella sie immer geliebt hat, dass sie alles für ihr getan hat und dass sie es selbst ist, die Schuld an allem hat, dass sie ihr Elternhaus unüberlegt verscherzt hat. Isabella ist nicht ihre richtige Mutter, aber sie hat sie es nie fühlen lassen. Sie hat sie geliebt wie ein eigenes Kind, aber sie, Miriam, hat ihr die Liebe mit Undankbarkeit und Grausamkeit bezahlt.
    Miriam schämt sich so sehr, dass sie glaubt, ihren Adoptiveltern nie mehr unter die Augen treten zu können.



    Der Park ist fast ausgestorben. Nur noch wenige Leute sind hier.



    Sie setzt sich auf eine Bank und hat nur den Wunsch die Nacht ungestört verbringen zu können. Die Augen fallen ihr zu. Sie schlummert ein.



    Sie wacht auf, als sie jemand in die Seite stößt:“He, ist hier noch frei?“
    Es fällt ihr schwer, ihre Augen zu öffnen. Miriam sieht flüchtig einen Mann, nickt leicht und lehnt sich wieder zurück.



    Der Mann setzt sich. Sie achtet nicht mehr darauf. Ihr ist alles egal. „Möchten Sie sich nicht was verdienen?“, hört sie ihn sagen, als sie fast wieder eingeschlafen ist.
    Miriam:“Lassen Sie mich in Ruhe!“
    „Na so was!“, sagt der Mann „ich habe Ihnen doch nichts getan!“



    Miriam sieht, wie ein Mann und eine Frau sich nähern. Polizei! schießt es ihr durch den Kopf. Mit einem Schlag ist sie hellwach. Aber es ist zu spät. An Flucht nicht mehr zu denken.



    „Ausweiskontrolle“, sagt die Kriminalbeamtin in Zivil.
    „Da kann man nur sagen – die Polizei, dein Freund und Helfer“, sagt der Mann neben ihr „Die da, die können Sie gleich mitnehmen. Die hat versucht, mich zu belästigen!“
    „Das ist nicht wahr!“, ruft Miriam.
    Mann:“Ich habe da nichtsahnend gesessen, da hat sie sich an mich rangemacht und...“
    Miriam:“Sie lügen! Glauben Sie ihm kein Wort! Der Mann lügt!“
    „Ihren Ausweis, bitte!“, sagt der Kriminalbeamte ungerührt.
    Der Mann holt einen Ausweis aus seiner Brieftasche:“Hier, da haben Sie ihn! Ich habe nichts zu verbergen, mir können Sie schon glauben, was ich sage.“

    es geht weiter :-)



    Der Portier hat ein freundliches Gesicht. „Zimmernummer?“, fragt er, überzeugt, das Miriam zu den Gästen des Hotels gehört.
    „Ich habe noch kein Zimmer“, sagt Miriam „ich wollte fragen, ob bei Ihnen noch etwas frei ist?“



    Der Portier blättert im Zimmerplan. „Nur noch ein Doppelzimmer im zweiten Stock“, sagt er.
    „Ja, bitte!“, Neue Hoffnung macht sich in Miriam breit.



    Der Portier füllt ein Kärtchen aus, greift nach dem Zimmerschlüssel und will ihn Miriam geben.
    „Wie viel kostet es?“, fragt sie, plötzlich zaghaft geworden.
    Portier:“60 Sim-Dollar“
    Miriam erschrickt:“Ich – soviel Geld habe ich gar nicht.“
    Der Portier sieht Miriam über seine Brille hinweg an, aber in seinen Augen steht keine feindliche Abwehr, die sie erwartet hat, sondern nur Staunen und eine fast väterliche Besorgnis.
    „Ich – ich habe nämlich meine Tasche verloren“, sagt Miriam rasch. „Da war mein Geld drin und mein Ausweis.“
    „Hm“, sagt der Portier. „das ist schlimm.“
    Miriam:“Was soll ich jetzt tun?“
    Portier:“Haben Sie den Verlust gemeldet?“
    Miriam:“Nein.“



    „Vielleicht ist die Tasche schon gefunden worden! Ich werde gleich mal...“ Der Portier greift zum Telefonhörer aber bevor Miriam noch was sagen kann, lässt er die Hand sinken:“Das hat keinen Sinn. Das Fundbüro ist ja geschlossen. Aber möglicherweise hat die Polizei...“
    „Bitte nicht die Polizei!“, sagt Miriam entsetzt.
    Der Portier lächelt:“Regen Sie sich nicht auf, die Polizei wird sie ja nicht gleich fressen. Sie werden doch nichts verbrochen haben?“
    „Nein, natürlich nicht!“, sagt Miriam schwach.



    Der Portier überlegt. Irgend etwas stimmt mit diesem seltsamen Mädchen nicht, das ist ihm klar. Sie sieht aus, als wenn sie lange verzweifelt herumgelaufen wäre. Ihre Haare sind zerzaust, ihre Augen weit geöffnet vor Schrecken und sie ist so blass, als wenn sie gleich in Ohnmacht fallen würde. Sicher stimmt etwas nicht mit ihr, aber eine Verbrecherin ist sie auch nicht. Dazu ist ihr ganzes Benehmen viel zu unerfahren. Sie scheint Angst zu haben – aber wovor?
    „Wo leben Ihre Eltern?“, fragt er.
    Miriam:“Ich habe keine Eltern.“
    Portier:“Verwandte?“
    Miriam:“Auch nicht. Ich bin ganz allein auf der Welt, bitte, glauben Sie mir ... Und ich bin furchtbar müde.“
    „Ich möchte Ihnen ja gerne helfen“, sagt der Portier zögernd.
    Miriam:“Tun Sie es doch! Bitte, tun Sie es!“
    Portier:“Aber wie? Sie haben kein Geld, keinen Ausweis. Das ist wirklich ein schwieriger Fall.“
    Sie sieht wie der Portier angestrengt nachdenkt und starrt ihn voller Hoffnung an.
    „Passen Sie auf“, sagt er endlich, „hier hinten in der Loge steht eine Couch. Wenn Sie sich erst mal dort hinlegen wollen? Sie können ruhig schlafen. Ich werde inzwischen Ihre Angelegenheit irgendwie in Ordnung bringen.“
    „Nein!“, ruft Miriam.
    Portier:“Wieso nicht?“
    Miriam:“Nein, ich will nicht! Vielen Dank. Ich muss...“



    Sie dreht sich um, hastet durch die Halle und stößt die Tür auf, noch bevor der Portier sie zurückhalten kann.
    Er läuft ihr nach:“Bitte, bleiben Sie doch! Hören Sie mich doch an!“
    Miriam ist im Dunkel der nächtlichen Straße verschwunden.



    Kopfschüttelnd schließt der Portier die Tür ab. Ein seltsames Mädchen. Zu dumm, dass er sie nicht festhalten konnte. Sie hat so hilflos ausgesehen. Wenn ihr bloß nichts zustößt.
    Einen Augenblick überlegt er, ob er jetzt nicht doch die Polizei anrufen soll, aber dann verzichtet er doch darauf. Das hat ja keinen Sinn. Sie ist fort, und er würde sich nur Schwierigkeiten machen.


    Miriam atmet auf, als sie sich in Sicherheit fühlt. Ihr Herz klopft bis zum Zerspringen. Die Erleichterung, heil davongekommen zu sein, ist so groß, dass sie den Verlust ihrer Tasche kaum empfindet. Sie greift in ihre Hosentasche. Das Geld ist noch da.
    Die Tür einer Bar geht auf, ein paar betrunkene Männer kommen lärmend heraus. Miriam versteckt sich hinter einer Hauswand. Plötzlich fühlt sie sich von tausend Gefahren umgeben. Sie ist allein und schutzlos. Sehnsucht nach ihrem Zuhause überfällt sie, nach ihrem kleinen, gemütlichen Zimmer. Der Gedanke an Rückkehr ist stark. Mit verzweifelter Anstrengung schüttelt Miriam ihn ab. Sie darf nicht schwach werden. Ihre Eltern sind nicht ihre Eltern, sie verstehen sie nicht. Heimkehr würde eine Demütigung bedeuten, die sie im Leben nicht überwinden würde.



    Mit eiligen Schritten geht Miriam zur nächsten Bushaltestelle. Sie muss ein Hotelzimmer für die Nacht finden. Morgen früh, wenn sie ausgeschlafen hat, wird sie in Ruhe darüber nachdenken, was weiter geschehen soll. Morgen früh wird alles anders aussehen.
    Miriam ist oft mit Isabella und Bernhard fort gewesen. Es hatte niemals Schwierigkeiten gegeben, ein Hotelzimmer zu bekommen. Sie denkt überhaupt nicht daran, dass es jetzt, alleine und mitten in der Nacht anders sein könnte.
    Die Angestellten beim Hotelempfang mustern sie kurz und durchdringend, dann schütteln sie mit dem Kopf – nein, es ist kein Zimmer frei.
    Miriam hält es das erste Mal für Zufall. Beim zweiten und drittenmal spürt sie deutlich, dass die Ablehnung ihr gilt. Trotzdem versucht sie es noch einmal und schwört sich, dass es das letzte Mal ist, wenn es diesmal nicht klappt.



    Es ist Mitternacht vorbei. Sie öffnet die Tür zum Hotel „Drei Löwen“.


    Wird sie ein Zimmer bekommen? Wo wird Miriam die Nacht verbringen?


    Mit aller Kraft tritt sie ihm gegen das Bein. Er zuckt zusammen und lässt sie los.



    Sie hört ihn hinter sich fluchen und läuft wie besessen die Straße hinunter. Er ruft hinter ihr her:“He, Kleine, komm zurück! Deine Tasche! Du hast deine Tasche vergessen!“
    Ohne etwas zu sehen oder zu hören rennt Miriam weiter. Er lässt den Motor an und versucht sie einzuholen, aber sie ist in eine Seitenstraße gelaufen. Er findet sie nicht mehr.



    Bernhard ist nach Hause gekommen. Als seine Frau ihm das Verschwinden von Miriam erzählt, ergreift ihn Beunruhigung und Zorn, Isabella sieht, wie sein Kopf rot anläuft, aber der gefürchtete Ausbruch kommt nicht. Bernhard zwingt sich zur Ruhe, um Isabella nicht noch mehr zu erschrecken.
    „Reg dich nicht auf, Isa, Miriam wird schon wieder vernünftig werden“, sagt er nur, „ich wette, sie wird sich die Hörner schneller abstoßen, als du glaubst.“
    Dann beginnt er gleich darauf von seinem Geschäftsessen zu erzählen. Er fühlt, dass Isabella ihm nicht zuhört, und setzt alles daran, sie zu Fragen und Antworten zu zwingen. Er will sie mit allen Mitteln von ihrer verzweifelten Grübelei über Miriams Verschwinden ablenken. Es gelingt ihm nicht.



    Als das Telefon klingelt, nimmt Bernhard den Hörer ab. „Einen Augenblick“, sagt er, als er Gregors Stimme hört, „ich glaube, es ist für dich, wie ich höre.“ Er gibt den Hörer seiner Frau.



    Sie lauscht gespannt. „Ja?“, sagt sie hoffnungsvoll, dann verdüstert sich ihr Gesicht. „Ich verstehe – ja, natürlich – jedenfalls danke ich Ihnen, Gregor. Nein, das hat keinen Sinn, bitte, gehen Sie nach Hause. Ja, sofort – morgen werden wir weiterreden.“
    „Was ist passiert?“, fragt Bernhard, als sie einhängt.



    Isabella kämpft mit sich, ob sie Gregors Geschichte weitererzählen soll, sie weiß, dass sich Bernhards Zorn auf Miriam nur steigern wird. „Er hat eine Spur von Miriam gefunden...“, sagt sie zögernd.
    Bernhard:“Ja – und?“
    Isabella:“Sie war schon fort.“
    „Möchtest du so freundlich sein, mir zu erklären, wo sich diese ganze Sache abgespielt hat?“, fragt er gereizt.
    „Im „San Remo“. Gregor hat sich entschlossen, noch einmal ins “San Remo“ zu gehen. Miriam ist dort gewesen. Die Beschreibung stimmt genau. Sie hat...“ Isabella zögert. „...sie hat sich dort als Bardame vorgestellt.“
    „Ist sie denn verrückt geworden?“, donnert Bernhard.
    Isabella:“Wahrscheinlich sah sie keinen anderen Ausweg.“
    Er beißt sich auf die Lippen, zwingt sich zur Ruhe:“Und – weiter?“
    „Sie haben sie nicht genommen. Der Geschäftsführer hat gleich gemerkt, was mit ihr los war. Da ist sie gegangen.“ Nach einer kleinen Pause fügt Isabella hinzu:“Sie ist mit einem Mann fortgegangen.“
    Bernhard schnappt nach Luft:“Mit was für einem Mann, zum Donnerwetter?“
    Isabella:“Schrei mich nicht an, Bernhard! Ich bin ja genauso entsetzt wie du!“
    Bernhard:“Entschuldige, Isa – aber da kann man doch wirklich die Nerven verlieren.“
    Isabella:“Natürlich hat sich Gregor auch eine Beschreibung von diesem Mann geben lassen. Sie ist ziemlich nichtssagend. Die Bardame glaubt, dass er ein Vertreter ist und nur unregelmäßig hierher kommt. Seinen Namen und seine Adresse kennt sie nicht. Der arme Gregor – ich glaube, es hat ihn sehr getroffen.“
    Bernhard:“Mich interessieren die Gefühle dieses Kerles nicht im Geringsten!“



    Isabella:“Du kennst ihn nicht. Er hat auf mich einen – ausgezeichneten Eindruck gemacht. Bernhard – müssten wir jetzt nicht doch die Polizei anrufen?“
    „Nein“, sagt er hart.
    Isabella:“Aber – wir müssen doch verhindern...“
    Bernhard:“Möchtest du, dass sie mit dem Kerl in irgendeinem Absteigequartier erwischt wird? Na also. Solange sie meinen Namen trägt, kommt so etwas nicht in Frage.“
    Isabella:“Was willst du tun, Bernhard?“
    Bernhard:“Ich werde morgen früh Dr. Bremer anrufen. Er als Rechtsanwalt wird mir sagen können, welche Möglichkeiten bestehen, die Adoption rückgängig zu machen.“
    Isabella:“Bernhard!“
    „Ich muss es tun, Isabella“, sagt er „um meinet- und um deinetwillen. Dieses Kind wird uns sonst noch alle ins Unglück bringen.“
    Isabella:“Das ist nicht wahr, Bernhard! Du siehst die Dinge ganz falsch! Sie ist nicht schlecht – sie ist nur...“
    Bernhard:“Wie sie ist, interessiert mich nicht. Ich sehe nur, wie sie sich benimmt, und das ist entscheidend.“
    Isabella:“Bitte, Bernhard, mir zuliebe – warte noch, bis wir sie wieder bei uns haben! Gib ihr die Möglichkeit, alles zu erklären! Dann können wir entscheiden, was zu tun ist, ja?“
    „Für mich gibt es da nichts mehr zu überlegen“, sagt Bernhard „Wir müssen uns von Miriam trennen.“


    „Was tut er?“, fragt Miriam.
    „Wahrscheinlich ruft er die Polizei an!“, sagt die Bardame.
    Miriam:“Nein! Das darf er nicht. Ich habe doch nichts getan!“



    „Komm schnell, Kleine“, sagt der Mann neben ihr und schlingt wieder seinen Arm um Miriams Schultern „ich bringe dich fort. Ich glaube, es ist höchste Zeit für dich.“
    Willenlos lässt sich Miriam durch das Lokal schieben. Er packt sie beim Handgelenk und zerrt sie, an dem Türsteher vorbei, ein paar Schritte die Straße hinunter, bis zu dem Platz, wo er seinen Wagen geparkt hat.



    Er schließt auf und lässt Miriam einsteigen.
    „So“, sagt er dann, als er den Motor anlässt. „Das hätten wir geschafft.“



    „Wohin fahren Sie?“ fragt Miriam.
    „Wohin du willst, Kleine.“
    Miriam:“Wer sind Sie denn?“
    „Neugierig bist du auch?“ Er wirft ihr einen lächelnden Seitenblick zu.
    Miriam:“Ich muss doch wissen, wer Sie sind!“
    „Sag ruhig Dicky zu mir, so nennen mich alle meine Freunde.“
    Miriam:“Dicky – und weiter?“
    Dicky:“Weiter nichts. Ich frage dich ja auch nicht aus, Kleine. Obwohl ich dir an der Nasenspitze ansehe, dass du was auf dem Kerbholz hast.“
    Miriam:“Ich?! Aber wieso denn?“
    Dicky:“Sonst wärst du doch nicht von zu Hause ausgerissen.“
    Miriam:“Ich bin gar nicht...“
    Dicky:“Mach mir nichts vor. Wohin soll ich dich bringen?“
    Miriam:“Ich weiß nicht.“
    Dicky:“Wollen wir noch ein bisschen bummeln gehen, oder wäre es dir lieber, wenn wir uns gleich nach einem Quartier umschauen würden?“
    Miriam:“Nach einem Quartier?“
    Dicky:“Naja, wir müssen doch irgendwo hin – oder?“
    Miriam erschrickt:“Bitte lassen Sie mich aussteigen!“, sagt sie.
    Dicky:“Hab dich nicht so. Pass mal auf, ich mache dir einen Vorschlag ... Ich besorge dir ein Zimmer und bezahle es dir für ne – sagen wir, für einen ganzen Monat, ja? Damit wäre dir doch schon geholfen. Ich verlange von dir weiter nichts, als dass du ein bisschen nett zu mir bist – dich ein bisschen dankbar zeigst, verstehst du?“
    Miriam:“Nein. Ich will aussteigen.“
    Dicky:“Kommt gar nicht in Frage. Niemand hat dich gezwungen einzusteigen...“
    Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drückt Miriam die Autotür auf.
    „Bist du verrückt geworden?“, ruft er und bremst sofort.
    Quietschend kommt das Auto zu stehen. Miriam will hinausspringen, aber er packt sie beim Arm und zieht sie zurück. „Nun nimm doch Vernunft an, Kleine!“
    „Ich will nicht!“, schreit Miriam verzweifelt.
    Dicky:“Ich tu dir ja nichts! Sag mir, wo du wohnst, und ich bringe dich nach Hause zurück!“
    Miriam:“Lassen Sie mich in Ruhe!“



    Er packt sie bei den Armen, beugt sich über sie und versucht sie zu küssen.


    Kommt Miriam aus dieser Sache heil raus?

    an dieser stelle möchte ich mal ganz lieb miri, the slayer und träumerlein grüßen weil ihr aufmerksam meine story verfolgt und auch immer liebe comments gebt! danke :knuddel



    Ohne nach links oder nach rechts zu schauen, drängt sich Miriam durch und tritt an die Bar. Keine der Bardamen hält es für nötig, sich um Miriam zu kümmern.
    Miriam schrickt zusammen, als der Gast, neben den sie sich gedrängt hat, den Arm um ihre Schultern legt. „Bitte, Süße“, sagt er zu einer Bardame „drei Gin-Fizz – einen für mich, einen für Sie und einen für die Kleine hier.“
    Miriam versucht den Arm des fremden Mannes abzuschütteln. „Nein, danke“, sagt sie „ich – ich möchte nichts trinken.“



    „Was wollen Sie denn?“, fragt die Bardame.
    Miriam:“Ich – ich möchte den Geschäftsführer sprechen!“
    Bardame:“Den Geschäftsführer können Sie am Montag im Büro erreichen, am besten zwischen 15 und 17 Uhr.“
    „Ich muss ihn aber jetzt sprechen“, sagt Miriam und gibt sich Mühe, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
    „Weshalb so dringend, Kleine?“, fragt der Mann, der nicht daran denkt, seinen Griff zu lockern. „Erzählen Sie doch uns, was Sie auf dem Herzen haben.“
    Miriam nimmt allen Mut zusammen:“Wissen Sie, ob – ob hier ein Platz frei ist?“, fragt sie.
    Die Bardame hebt erstaunt die Augenbrauen:“Was für ein Platz?“
    Miriam:“Ich – ich möchte Bardame werden.“
    Bardame:“Nun hören Sie mal zu ... Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf...“
    „Ich pfeife auf Ihren Rat.“, sagt Miriam heftig. „Ich möchte den Geschäftsführer sprechen, das ist alles!“
    „Hoppla!“, sagt die Bardame und zeigt sich nicht eine Spur verärgert. „Die Kleine hat Temperament!“
    „Na, dann tun Sie ihr schon den Gefallen!“, sagt der Mann. „Rufen Sie Herrn Trojanski – so einem süßen Käfer muss man doch helfen.“



    „Von mir aus. Des Menschen Wille ist sein Himmelreich“ sagt die Bardame, zuckt die Schultern und wendet sich ab. „Einen Augenblick bitte, ich will mal sehen, was sich machen lässt!“



    Jetzt erst kommt Miriam dazu, den Mann, der seinen Arm um ihre Schultern gelegt hat, anzusehen. Er hat ein beruhigend nichtssagendes Gesicht.
    „Wollen Sie mich endlich loslassen?“, fragt Miriam.
    Der Mann lacht. „Nicht so bissig, Kleine ... Ich meine es ja nur gut mit Ihnen.“
    Miriam:“Dann lassen Sie mich los!“
    „Tu bloß nicht so, als wenn du von gestern wärst“, sagt er spöttisch. Aber er zieht seinen Arm zurück.
    „Es geht Sie nichts an, wie und was ich bin“, sagt Miriam wütend.
    „Glaubst du? Ich hatte gerade vor, dich Herrn Trojanski zu empfehlen. Er ist nämlich ein guter Freund von mir, musst du wissen. Aber vielleicht verfügst du selbst über so großartige Beziehungen...“ Er lässt den Rest des Satzes unausgesprochen.
    „Nein“, sagt sie, „aber – ich mag nicht belästigt werden.“
    „Wenn du Bardame werden willst, musst du dich schon ein bisschen zugänglicher zeigen!“



    Die Bardame kehrt mit einem Mann im schwarzen Anzug zurück. Er sieht Miriam mit klugen Augen prüfend an. „Trojanski“, sagt er, „sind Sie die junge Dame, die mich zu sprechen wünscht?“
    „Ja!“, stößt Miriam hervor.
    Herr Trojanski:“In welcher Angelegenheit, bitte?“
    Miriam:“Ich möchte Bardame werden. Ich kann ein bisschen Englisch und auch Französisch.“
    „Trinkfest ist sie bestimmt auch“, sagt der Mann neben Miriam schmunzelnd.
    „Wie alt sind Sie?“, fragt Herr Trojanski.
    „18 Jahre!“, behauptet Miriam.
    Herr Trojanski:“So? Darf ich Ihre Papiere sehen?“
    Miriam:“Meine – was?“
    Herr Trojanski:“Ihre Papiere.“
    Miriam:“Ich habe keine Zeugnisse, wenn Sie das meinen.“
    Herr Trojanski:“Ihr Ausweis genügt.“
    Miriam weiß genau, dass sie ihren Ausweis in ihrer Tasche hat. Trotzdem sagt sie:“Leider – meinen Ausweis habe ich zu Hause liegen lassen.“
    Herr Trojanski:“Das habe ich mir gedacht.“
    Miriam:“Wenn Sie es – bitte, mit mir versuchen wollen. Ich – ich kann das ganz bestimmt.“
    „Hören Sie mir gut zu!“, sagt Herr Trojanski. „Wir haben sehr achtenswerte Damen hier. Aber – Bardame ist ganz gewiss kein Beruf für ein junges, unerfahrenes Mädchen.“
    „Aber – ich bin doch gar nicht unerfahren!“, unterbricht ihn Miriam.
    Herr Trojanski lächelt:“Ich möchte hoffen, dass Sie es sind. Auf alle Fälle sind Sie noch keine 18 Jahre alt, erzählen Sie mir nichts, für so etwas habe ich ein Auge. Wenn ich Sie so ansehe...“
    Miriam wird rot unter seinem Blick und sie ärgert sich über sich selbst.
    „...dann möchte ich fast sagen, Sie sind zu Hause ausgerissen!“, sagt Herr Trojanski. „Stimmt’s oder habe ich recht?“
    „Ich habe keine Eltern“, sagt Miriam trotzig.
    Herr Trojanski:“Na, irgend jemanden werden Sie schon haben, der für Sie sorgt. Hören Sie auf meinen Rat – gehen Sie nach Hause zurück. Sofort! Ihre Familie wird sich schon Sorgen um Sie machen...“
    „Ich will nicht nach Hause!“, sagt Miriam verzweifelt.



    „Na, dann warten Sie mal einen Augenblick!“, sagt Herr Trojanski und verschwindet durch eine kleine Tür.


    Er zuckt nicht zusammen, sondern tut, als wenn ihn dieser Ruf nicht das Geringste angeht. In seinem Hirn arbeitet es fieberhaft. Ohne sich umzusehen, weiß er, dass nur Miriam gerufen haben konnte. Er darf jetzt nicht die Nerven verlieren.
    Da ist sie auch schon bei ihm. Sie packt ihn am Arm und ruft:“Till. Wie gut, dass ich dich treffe. Ich muss unbedingt mit dir reden.“
    Er dreht sich um und sieht sie wie ein wildfremdes Wesen an. „Was wollen Sie von mir?“, fragt er unangenehm berührt.
    Miriam:“Aber Till – ich muss...“
    Till:“Sie seinen mich zu verwechseln. Ich heiße Joachim Brauner.“
    Miriam:“Aber, Till, du bist doch...“



    Till:“Wenn Sie Anschluss suchen, müssen Sie sich etwas anderes ausdenken. Sie sehen, ich bin in Begleitung!“ Er schüttelt sie ab und steigt ein.
    Miriam steht fassungslos da.



    Stundenlang irrt sie nachher durch die Stadt. Sie hastet an den Häusern vorbei, nur vorwärts, vorwärts.
    Wohin?
    Sie weiß es nicht. Ohne Hoffnung, ohne Vertrauen, ohne einen klaren Gedanken auch nur an das, was sie vorhat, läuft sie ziellos durch die Straßen.
    Dass Greg, den sie so sehr liebt, sie nicht versteht und ihr nicht helfen will, hat sie tief getroffen.
    Und dass ihr Onkel sie verleugnet, so tut, als wenn er sie nie gesehen hätte, hat ihr noch den Rest gegeben.



    Sie öffnet eine Tür zu einem Café und setzt sich an einen der kleinen Tische. Plötzlich fühlt sie sich geborgen im Licht und in der Wärme. Sie beginnt nachzudenken. Nach Hause will sie nicht, das steht fest. Sie verwirft diesen Gedanken sofort. Sie muss ein Quartier für die Nacht finden und eine Möglichkeit, selbst Geld zu verdienen. Sie sieht älter aus, als sie ist – warum sollte sie es nicht als Bardame versuchen? Ja, das ist die Lösung!



    Sie steht auf, holt sich eine Abendzeitung und beginnt die Anzeigen der Bars zu studieren. Sie überlegt lange, wo sie sich zuerst vorstellen will, dann entscheidet sie sich für das „San Remo“. Sie weiß, dass dort ständig acht bis zwölf Bardamen beschäftigt sind – bestimmt würde auch sie dort unterschlüpfen können.
    Miriam zahlt und geht.



    Als sie durch den Eingang vom „San Remo“ schlüpfen will, vertritt ihr der Türsteher den Weg.
    „Allein?“, fragt er und sieht missbilligend auf Miriam hinunter. Sie erschrickt. Damit hat sie nicht gerechnet. Sie ist einmal mit Gregor hier gewesen, aber da hat sie der Türsteher anstandslos durchgelassen. „Ich – ich bin verabredet.“, sagt sie.
    Türsteher:“So? Wie heißt denn der junge Mann?“
    Miriam:“Warum wollen Sie das wissen?“
    Türsteher:“Es ist vielleicht besser, wenn ich ihn heraushole.“
    Miriam:“Nein ... Wieso denn?“
    Türsteher:“Weil das Betreten dieses Lokales Damen ohne Herrenbegleitung nicht gestattet ist. Haben Sie jetzt verstanden?“
    Miriam:“Ich wollte nur – ich möchte den Geschäftsführer sprechen. Er – er erwartet mich!“
    Türsteher:“Das kann jeder sagen.“



    Miriam will schon aufgeben, als ein Mann mit einer unaufhörlich kichernden Frau das Lokal verlässt. Die beiden sind offensichtlich schon recht angeheitert.
    „Taxi, bitte!“, sagt der Mann, und dieser Auftrag lenkt die Aufmerksamkeit des Türstehers für einen Augenblick von Miriam ab. Sie benutzt die Gelegenheit, ins Lokal hineinzuschlüpfen.


    "Ja - und? Was schadet denn das? Sie können das Geld haben, sofort!" Sie greift nach ihrer Tasche.
    "Suzanne, bitte nicht!" sagt er, anscheinend peinlich berührt.
    "Oh, Verzeihung!", Sie weiß nicht, womit sie ihn beleidigt hat, aber sie spürt seine Abwehr.
    Till:"Wollen wir nicht unseren letzten Abend genießen, Suzanne? Ohne Geschäfte? Ohne Spekulationen?"
    Ihr grellgeschminkter Mund verzieht sich. "Aber Sie hatten mir doch versprochen."
    Till:"Sehen Sie nicht selbst ein, dass es nicht geht, Suzanne? Ich weiß, Sie haben das Geld, wahrscheinlich ist es meine Schuld, dass Sie es flüssig gemacht haben. Aber ich kann es doch nicht so einfach von Ihnen annehmen. Wir müssten die Sache bei einem Notar abschließen, verstehen Sie, Sie sind doch eine Geschäftsfrau. Sie müssen doch wissen, dass man Sicherheiten braucht, wenn man das Geld aus der Hand gibt."
    Susanne:"Sie würden mich doch niemals betrügen!"
    Till:"Natürlich nicht. Trotzdem - ein Geschäft, mit dem man sein Geld verdoppeln will, bietet immer ein gewisses Risiko."
    Susanne:"Aber selbst, wenn irgend etwas schief gehen sollte, meinen Einsatz würde ich doch in jedem Fall herausbekommen, nicht wahr?"
    Till:"Sie sind unbelehrbar, Suzanne."
    Susanne:"Sie haben mir doch gesagt, dass Sie selbst..."
    Till:"Ja. Stimmt. Ich investiere 200 000. Sie haben recht, ich würde das nicht tun, wenn ich das Geschäft nicht für einwandfrei hielte. Aber es ist immer so eine Sache, mit anvertrauten Geldern zu arbeiten."
    "Sie wollen mich bloß nicht mitmachen lassen", schmollt sie.
    Till:"Suzanne! Wie können Sie das denken. Natürlich, es bedeutet für mich ein kleines Opfer, wenn ich das Geschäft nicht allein mache, aber für Sie, glauben Sie mir doch, Suzanne - für Sie würde ich noch ganz andere Opfer bringen!"
    Susanne:"Wenn das wahr ist, Jochen - dann müssen Sie das Geld einfach nehmen!"



    Als Till eine Viertelstunde später mit Susanne das Lokal verlässt, ist er bester Laune. Er muss sich geradezu Mühe geben, seinen Triumph zu verbergen. Er ist sich sicher, dass auch die Übergabe des Geldes ohne Schwierigkeiten erfolgen würde.



    Draußen wartet der Sportwagen, den er sich zur Untermauerung seiner Geschäfte ausgeliehen hat. Er öffnet die Beifahrertür, lässt Susanne einsteigen, geht um den Wagen herum und will sich gerade selbst setzen, als eine helle, junge Stimme ruft:"Till!" Es ist Miriam.


    Wie wird Till darauf reagieren? Werden seine krummen Geschäfte auffliegen?

    dankeschön für eure comments!
    und es geht weiter:



    Isabella macht sich tierische Sorgen um Miriam. Bernhard ist noch bei dem Geschäftsessen. Da klingelt es. Bevor Frau Beermann aufmachen kann, läuft sie schon durch die Diele und öffnet. Draußen steht Gregor. "Bitte, kann ich Sie einen Augenblick sprechen?", fragt er.
    Isabella denkt, dass er ihr etwas verkaufen will und sagt:"Danke, wir brauchen nichts".
    Gregor ist so verlegen, dass er Isabella trotz ihrer eigenen Sorgen leid tut. "Ich - komme wegen Miriam!", sagt er.
    Isabella:"Wegen....? Wer sind Sie denn?"
    Gregor:"Ich weiß, Sie kennen mich nicht, Frau Schneider, ich bin Gregor Hellmer."
    Isabella:"Sie sind der junge Mann, der...?"
    Gregor:"Ja, und es tut mir leid. Wirklich. Wir hatten uns damals nichts Böses dabei gedacht, wir wollten uns einfach ein bisschen amüsieren und haben dabei die Zeit vergessen."
    Isabella:"Und jetzt? Was wollen Sie jetzt?"
    Gregor:"Minky war bei mir."
    Isabella:"Bitte, kommen Sie herein!"



    Sie führt ihn in das Wohnzimmer und sie setzen sich.
    Noch bevor er zu erzählen beginnt, weiß Isabella, dass sie damals einen großen Fehler gemacht hatten. Warum hatten sie Miriam verboten, sich mit Gregor zu treffen, ohne sich ihn vorher einmal anzuschauen?
    "Verzeihen Sie", sagt Isabella aus ihren Gedanken heraus.
    Gregor schaut sie verständnislos an:"Ich - Ihnen?"
    Isabella:"Ja. Wir haben Ihnen unrecht getan, glaube ich."
    Gregor:"Ach, Sie konnten ja nicht wissen. Und dann, es war auch nicht richtig, dass wir so lange fort geblieben sind. Bloß - ich habe Minky furchtbar gern. Ich hätte schon auf sie aufgepasst, ganz bestimmt."
    Isabella:"Miriam ist weggelaufen!"
    Gregor:"Ja, ich weiß. Deshalb komme ich ja."
    Isabella:"Ist sie bei Ihnen?"
    Gregor:"Nein. Sie war bei mir, aber dann - glauben Sie mir bitte, Frau Schneider, ich konnte es nicht verhindern. Ich wollte sie nach Hause bringen, aber da hielt auf einmal ein Bus, sie ist aufgesprungen und ich konnte nichts machen. Der Bus ist dann schon angefahren und Geld für ein Taxi hatte ich nicht dabei. Deshalb bin ich zu Ihnen gekommen."



    Isabella:"Wissen Sie, wo Miriam hin ist?"
    "Keine Ahnung!" Gregor nagt an seiner Unterlippe.
    Isabella:"Ich mache mir entsetzliche Sorgen."
    Gregor:"Ich könnte mich ohrfeigen, dass das passiert ist".
    Isabella:"Sie konnten sicher nichts dafür."
    Gregor:"Ich hätte besser aufpassen sollen. Sie ist manchmal so unüberlegt, so - ich weiß nicht, wie ich sagen soll..."
    Isabella:"Ich kenne sie ja, ich weiß, wie sie ist."
    Gregor:"Es tut mir so leid."
    Isabella:"Ob ich die Polizei anrufen soll?"
    Gregor:"Ich glaube nicht, dass das viel bringt. Wenn ich sie bloß gefragt hätte, wieviel Geld sie mithat! Viel wird es ja nicht sein, oder? Ich meine, weit kann sie nicht kommen?"
    Isabella:"Halten Sie es für möglich, dass Miriam - dass sie sich etwas antut?"
    "Nein. Nein, ganz bestimmt nicht. So was tut Minky nicht. Eher..." Er schweigt und beißt sich auf die Lippen.
    Isabella:"Bitte, sagen Sie doch, was Sie denken!"
    Gregor:"Ach, nichts Besonderes. Nur, Miriam ist so unerfahren. Sie glaubt, sie kennt das Leben, aber ..... Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass man sie vor allem beschützen muss."
    Isabella:"Würden Sie mir verraten, was sie bei Ihnen wollte?"
    Gregor:"Sie war ganz verzweifelt, weil sie herausgebracht hat, dass - naja, dass sie nicht ihre leibliche Mutter sind. Sie bildet sich ein, dass Sie sie nicht lieben. Deshalb will sie nicht nach Hause zurück."



    Isabella:"Dann muss sie Ihnen doch gesagt haben, was sie vorhat?"
    Gregor:"Nein. Das heißt - sie wollte, dass ich sie heirate. Ich habe ihr versucht klarzumachen, dass wir viel zu jung sind, um ohne Einwilligung unserer Eltern heiraten zu können. Als ich sie gar nicht zur Vernunft bringen konnte, habe ich mit meiner Mutter gesprochen. Mutter hat auch versucht, ihr gut zuzureden, aber nichts hat genutzt. Dann hat Mutter gesagt, ich soll Minky nach Hause bringen. Sie selbst würde inzwischen die ganze Geschichte mit Vater besprechen - nur damit Minky beruhigt war. Aber anscheinend hat sie uns doch nicht geglaubt. Sie ist ausgerissen."
    Isabella:"Das arme Kind. Sie muss schrecklich verzweifelt sein."
    Gregor:"Das Beste wird sein, wenn ich sie suche."
    Isabella:"Aber wo? Wie wollen sie in einer solch großen Stadt ein junges Mädchen finden?"
    "Ich werde alle Lokale abklappern, in denen ich mit ihr gewesen bin oder in denen sie sein könnte." Gregor sieht auf seine Armbanduhr. "Es ist acht vorbei ... Ich werde Sie jede Stunde anrufen, ja?"
    Isabella:"Soll ich nicht mit Ihnen kommen?"
    Gregor denkt nach:"Das hat keinen Sinn. Aber vielleicht rufen Sie inzwischen alle Ihre Bekannten und die Mädchen aus ihrer Klasse an, ja? Irgendwo muss sie ja Unterschlupf gesucht haben."
    Isabella:"Ob ich nicht doch die Polizei verständige?"
    Gregor:"Nein. Ich glaube, es ist besser, wenn wir es auf eigene Faust versuchen."



    An diesem Abend isst Till, alias Joachim Brauner, in einem teuren Lokal. Nicht allein, sondern mit der Witwe Susanne Kowalski. Sie ist 50 Jahre alt und sieht keinen Tag jünger aus, aber sie liebt es, sich extravagant und jugendlich anzuziehen. Entweder sind ihre Augen schlecht geworden - Till nimmt das an -und sie konnte die Wirklichkeit ihres Spiegelbildes nicht mehr beurteilen, oder die Einbildung über ihre eigene Erscheinung ist so stark, dass sie die Wirklichkeit vollkommen überblendet.
    Till schämt sich ein wenig, weil der Kellner ihn für einen Mann mit schlechtem Geschmack halten muss. Es ist ihm nicht schwer gefallen, sie kennen zu lernen. Sie ist in dem selben Hotel wie er abgestiegen.
    "Noch einen Kognak, Suzanne?" fragt er und sieht ihr lächelnd in ihre wässrigen blauen Augen.
    Er spricht ihren Namen französisch aus, weil er spürt, dass ihr das schmeichelt.
    Susanne:"Ach, Jochen. Ich bin schon ganz schwindelig!"
    "Ich auch!" Er zieht ihre Hand an seine Lippen "Aber nicht vom Wein..."
    "Nicht?" Der Blick von ihr soll kokett sein.
    "Die Nähe einer schönen Frau wirkt auf mich nun einmal berauschend!", sagt er und zeigt seine Zähne.



    "Ich wüsste gar nicht, was ich allein hier angefangen hätte - ohne Sie, Jochen!", sagt Susanne schmachtend.
    "Sie verstehen es sehr gut, sich über mich lustig zu machen!", erwidert er ernsthaft. "Eine Frau wie Sie - die Männerwelt muss Ihnen zu Füßen liegen, Sie brauchen nur zu wählen!"
    Sie seufzt leicht und diesmal klingt das, was sie sagt, ehrlich:"Wenn mein Otto bloß ein bisschen von Ihrem Charme gehabt hätte. Stellen Sie sich vor, er hat immer gesagt..." Sie stockt
    Till:"Was?"
    Susanne:"Ach, lieber nicht. Ich - Sie hatten mir doch versprochen, mir einen Tip zu geben, Jochen! Haben Sie das vergessen?"
    Till:"Es ist eine Zumutung, mit einer schönen Frau von Geschäften zu sprechen!"
    Susanne:"Ich habe Ihren Rat befolgt und habe einen Teil meiner Aktien flüssig gemacht."
    "So?" Seine Stimme klingt uninteressiert.
    Susanne:"Ja. Heute morgen habe ich 50 000 von der Bank abgeholt. Ich hoffe, das genügt?"
    Till:"Seien Sie nicht böse, meine Liebe, aber war das nicht ein bisschen voreilig von Ihnen?"
    Susanne:"Aber - wieso denn? Sie haben doch selbst gesagt, Jochen..."



    Till:"Weil Sie mit der Verzinsung Ihres Geldes unzufrieden waren."
    Susanne:"Bin ich ja auch. Es ist doch lächerlich. 200 000 hat mir Otto hinterlassen, und was bekomme ich davon? 10 000 im Jahr. Davon kann man doch nicht leben..."
    "Eine Frau wie Sie - kaum", bestätigt er. "Dafür ist Ihr Geld aber auch 100%ig angelegt. Das darf man nicht unterschätzen."
    Susanne:"Was nutzt mir das? Wenn ich eine alte Frau wäre, schön und gut, aber ich möchte doch was von meinem Leben haben, verstehen Sie das denn nicht?"
    Till:"Oh doch."
    "Sie wollten mir einen Tip geben, wie ich mein Geld wirklich günstig anlegen kann", sagt sie hartnäckig.
    Till:"Das Gefährliche an Ihnen ist, Suzanne, Sie sind nicht nur schön, sondern auch klug. Das ist eine fatale Mischung. Pflegen Sie die Männer immer so beim Wort zu nehmen?"
    Susanne:"Bitte, weichen Sie mir jetzt nicht aus!"
    Till:"Ja, ehrlich, ich hatte vor, Sie an einem meiner Geschäfte zu beteiligen, aber leider..."
    Susanne:"Sie haben es sich anders überlegt?"
    Till:"Nein, Suzanne. Das Schicksal hat anders entschieden. Ich muss heute noch nach Sim-London, um die Sache perfekt zu machen."


    Fortsetzung folgt gleich...


    Miriam:"Das sagst du nur, weil du mir nicht helfen willst. Stell dir vor, du würdest in meiner Situation sein. Würdest du nicht auch alles dransetzen, um...?"
    Gregor:"Ich glaube nicht, Minky. Nein, ich glaube wirklich nicht. Wenn ich wüsste, dass ich geraubt worden wäre, dann wäre es ja was anderes. Aber so. Deine Eltern - ich meine, deine wirklichen Eltern haben dich ja weggegeben, nicht wahr? Wenn sie sich nicht für dich interessiert haben, würde ich mich an deiner Stelle auch nicht um sie kümmern."
    Miriam:"Woher weiß ich denn, dass es so war? Vielleicht war alles ganz anders. Vielleicht..."
    Gregor:"Du phantasiert, Minky. Überhaupt, ganz ehrlich, du hast doch mit deinen Adoptiveltern riesiges Glück gehabt. Die sind doch in Ordnung. Besser, als du es hast, kann man es doch gar nicht haben. Was willst du also?"
    Miriam:"Sie haben mich nie verstanden. Ich - ich habe das immer gespürt, aber - natürlich - damals wusste ich ja noch nicht, wie es wirklich war. Aber jetzt - wo ich es weiß, da kann ich nicht mehr zurück."
    Gregor:"Nicht mehr zurück? Was soll denn das nun wieder heißen?"
    Miriam:"Ich will nicht mehr nach Hause, Greg!"
    Gregor:"Minky! Nun mach aber mal nen Punkt ... Wie stellst du dir das vor?! Wo willst du wohnen? Wovon willst du leben?"
    "Irgendwie schlag ich mich schon durch", sagt Miriam trotzig. "Hauptsache, ich finde meine wirklichen Eltern."
    Gregor:"Die findest du nie, darauf kannst du Gift nehmen!"
    Miriam:"Aber - ich muss sie finden! Da hängt doch alles für mich davon ab."
    Gregor:"Minky! Wie willst du das denn herausbekommen? Die einzigen, die es wissen, sind deine Eltern - ich meine, deine Adoptiveltern - und wahrscheinlich deine richtige Mutter. Aber soviel ich weiß, sagt man den Müttern, die ihre Kinder zur Adoption freigeben, nicht mal, zu wem sie nachher kommen, damit es kein Kuddelmuddel gibt, wenn es ihnen danach leidtut. Du kannst es nicht erfahren, Minky, und wenn du dich auf den Kopf stellst. Es sei denn, deine Eltern sagen es dir. Aber die werden es nicht tun. Die wären auch schön blöd, wenn sie es täten."
    Miriam:"Irgend jemand muss es doch wissen, Greg ... Es muss doch eine Behörde dafür geben, ein Adoptionsamt oder ein Jugendamt oder was weiß ich, woher man so etwas erfahren kann."
    Gregor:"Sicher. Aber die werden es dir bestimmt nicht sagen, ganz bestimmt nicht. Oder verlangst du etwa von mir, dass ich beim Jugendamt einbreche und deine Karteikarte klaue?"



    Miriam beginnt zu weinen.
    "Was hast du denn? Weshalb heulst du jetzt?", fragt Gregor.
    Miriam:"Ich war so sicher, du könntest mir helfen."



    Gregor nimmt Miriam in den Arm. "Minky, Minky, Menschenskind. Nun weine doch nicht - es gibt doch gar keinen Grund zu weinen. Ich will dir was sagen: Pfeif auf deine Eltern. Du bist jetzt 16, die paar Jahre, die du noch zu Hause bist, wirst du auch noch durchstehen. Überhaupt, wollten dich deine Eltern nicht in ein Internat geben? Na also. Dann bist du ja sowieso von zu Hause weg. Was willst du mehr?"



    Miriam macht sich mit einer heftigen Bewegung aus Gregors Umarmung frei. "Sie sind nicht meine Eltern und ich will nichts von ihnen geschenkt haben."
    Gregor:"Nach dem Gesetz sind sie deine Eltern, Minky, und außerdem - sie sind ja auch ganz in Ordnung. Ich hatte einen Jungen in der Klasse, wo die Eltern wie Katze und Hund zusammen lebten, ich sage dir, das war viel schlimmer. Deine Eltern vertragen sich doch, oder?"
    Miriam:"Sie mögen mich nicht."



    Gregor:"Das bildest du dir nur ein."
    Miriam:"Bestimmt nicht. Sie glauben dass ich ein verdorbenes Ding wäre, bloß weil ich damals Till mit nach Hause genommen habe ... Oh, Greg, wäre mir das doch bloß nicht passiert! Ich kann nicht mehr nach Hause zurück! Ich kann nicht!"
    Gregor:"Na schön, was soll jetzt werden?"
    "Ich weiß es nicht!", sagt Miriam verzweifelt. "Ich dachte ... Greg, kannst du mich nicht heiraten?"
    Gregor:"Erstens einmal, Minky, wenn du's unbedingt hören willst, ich liebe dich. Jawohl, du brauchst mich gar nicht so anzuschauen, ich liebe dich. Wenn ich etwas älter wäre, würde ich dich auf der Stelle heiraten. Aber ich bin zu jung, Minky, es geht nicht. Ich kann nicht heiraten, bevor ich genug verdiene, um dich zu ernähren..."
    Miriam:"Ich würde arbeiten, Greg."
    Gregor:"Wo sollten wir leben? Hier? Bei meiner Familie? Minky, du hast Begriffe!"
    Miriam:"Bitte, Greg, bitte, tu's! Ich - ich werde dir mein ganzes Leben dankbar sein."
    Gregor:"Ich will nicht, dass du mir dankbar bist, ich will, dass du mich liebst."
    Miriam:"Aber - ich liebe dich doch, Greg! Ganz bestimmt!"
    Gregor:"Das glaube ich dir nicht. Du suchst bloß Zuflucht bei mir. Und die kann ich dir nicht geben, weil ich ... ich bin ja selbst noch nicht erwachsen, ich hänge doch von meinen Eltern ab, ich kann doch nicht einfach tun, was ich will. Außerdem, um zu heiraten, würdest du auch die Erlaubnis deiner Eltern, auch wenn sie nur deine Adoptiveltern sind, brauchen."
    "Ich kann nicht mehr zurück!", sagt sie hartnäckig.



    Gregor steht auf.
    "Wo willst du hin?", fragt sie erschrocken.
    Gregor:"Zu meiner Mutter. Ich werde ihr die ganze Geschichte erzählen."
    Miriam:"Nein!"
    Gregor:"Und warum nicht, wenn ich fragen darf?"
    Miriam schweigt hilflos.
    Gregor:"Wenn wir wirklich heiraten wollen, müssen es unsere Eltern wissen. Irgendwann müssen wir anfangen, sie einzuweihen. Ich tu's jetzt gleich."



    Er dreht sich um und geht aus dem Zimmer.


    Miriam sieht Frau Hellmer an. Ihr schießt es durch den Kopf, wie wenig Frau Hellmer ihrer eigenen Mutter gleicht, die, obwohl sie sicher nicht jünger als Frau Hellmer ist, eine sehr attraktive Frau geblieben ist. Miriam war immer stolz auf ihre elegante, selbstsichere Mutter gewesen. Der Gedanke, dass Isabella für sie im Grunde eine fremde Frau ist, schießt ihr wie ein schmerzhafter Stich durchs Herz. Ihr Gesicht verdüstert sich.
    "Sie sehen gar nicht altmodisch aus", sagt sie heftig.
    Frau Hellmer:"Ein bisschen schon, aber das macht nichts. Ich sollte weniger essen wegen der Linie, ich weiß, aber ich koche so furchtbar gern. Helfen Sie auch manchmal Ihrer Mutter in der Küche?"
    "Ich habe keine Mutter", sagt Miriam.
    "Oh, das tut mir leid, ich wusste nicht...", sagt Frau Hellmer erschrocken.
    In diesem Augenblick hören sie beide, dass die Wohnungstür aufgeschlossen wird. Frau Hellmer steht auf. "Warten Sie einen Augenblick - ich denke, das wird Gregor sein."



    Sie öffnet die Tür zum Flur. "Ah Gregor, da bist du ja. Du wirst erwartet!"
    Gregor:"Erwartet? Wieso?"
    Frau Hellmer:"Von einer reizenden, jungen Dame. Zieh deine Jacke aus und komm rein!"
    Miriam klopft das Herz bis zum Hals. Es kommt ihr so vor, als wenn von den nächsten Minuten ihr ganzes Schicksal abhängt.



    Sie sagt, bevor Gregor noch seinen Mund öffnen kann:"Bitte, Gregor, sei mir nicht böse, ich muss dich sprechen!"
    Sein Gesicht ist finster vor Verlegenheit. "Ich dachte, du wolltest anrufen", sagt er unbehaglich.
    Miriam:"Das habe ich ja auch getan, aber du warst ja nicht zu Hause, und dann dachte ich..."
    Frau Hellmer:"Hör mal, Gregor, das ist ja nicht gerade eine nette Begrüßung. Jetzt setz dich mal zu Miriam, es ist noch Tee in der Kanne ... Kuchen ist auch noch da ... Redet miteinander. Ich habe in der Küche zu tun!"



    Sie geht aus dem Zimmer und schließt die Tür. Draußen auf dem Flur bleibt sie nachdenklich stehen. Einen Augenblick will sie an der Tür lauschen, aber dann schüttelt sie den Kopf und wendet sich ab.



    Sie setzt sich auf einen der harten, unbequemen Küchenstühle und sieht nachdenklich vor sich hin.
    Diese Miriam ist ein ganz nettes Mädchen, denkt sie, aber irgend etwas stimmt da nicht. Ganz verstört ist sie. Irgendwas muss passiert sein. Warum hat Gregor sie nicht schon früher mitgebracht? Er weiß doch genau, wie gern ich seine Freunde kennen lerne. Aber sie ist natürlich ein Mädchen. Vielleicht war es ihm peinlich. Zu dumm. Ein reizendes Ding. Was mag da bloß los sein? Wenn ich den beiden doch helfen könnte. Das Beste ist, ich warte ab. Gregor ist immer mit seinen Problemen zu mir gekommen. Er ist schließlich kein Kind mehr. Seufzend steht Frau Hellmer auf beginnt das Abendbrot zu machen. Ihre Gedanken sind bei Gregor und Miriam. Eine unerklärliche Angst beschleicht sie.



    Gregor und Miriam stehen sich gegenüber und sehen sich an. Miriam spürt, dass etwas verkehrt gelaufen ist. Sie weiß nicht, wie sie anfangen soll.
    "Ich begreife immer noch nicht, was dir eingefallen ist, hier in die Wohnung zu kommen", sagt Gregor unfreundlich.
    Miriam:"Greg, es ist - etwas Furchtbares passiert!"
    Gregor:"Das ist bei dir immer so!" Er sieht, wie Miriam errötet und plötzlich hat er Mitleid mit ihr.
    "Komm, setz dich erst mal!", sagt er, bemüht, freundlich zu sein. "Ich - du musst das verstehen ... Mich hat es einfach umgehauen, als ich dich vorhin bei Mutter gesehen hab."
    "Ich hätte nicht kommen sollen", sagt Miriam.
    Gregor:"Nicht mehr zu ändern."
    Miriam:"Wenn du willst, kann ich auch gleich wieder gehen!"
    Gregor:"Du spinnst wohl. Setz dich und erzähl endlich, was los ist."



    Sie setzen sich und Gregor gießt sich eine Tasse Tee ein.
    Miriam:"Greg - willst du mir helfen?"
    Gregor:"Sicher. Hast du deinen Eltern alles erzählt?"
    Miriam:"Ich - ich bin gar nicht mehr richtig dazugekommen. Der von der Kripo hat schon alles erzählt."
    Gregor:"Sie wussten schon...?"
    Miriam:"So ziemlich. Das schlimmste ist, Greg, sie sind nicht meine Eltern. Jetzt weiß ich es ganz genau."
    Gregor:"Minky. Schlag dir doch endlich diesen Unsinn aus dem Kopf!"
    Miriam:"Es ist kein Unsinn, Greg - ich - sie haben es selbst zugegeben. Sie haben mich adoptiert, stell dir vor - ich bin überhaupt nicht mit ihnen verwandt!"
    Gregor ist beeindruckt. "Menschenskind, das wirklich der Hammer!"
    Miriam:"Hilf mir, Greg! Ich muss meine richtigen Eltern finden."
    Gregor:"Was versprichst du dir davon?"
    Miriam:"Greg! Verstehst du mich denn wirklich nicht? Begreifst du nicht, dass man einfach wissen muss, wer seine wirklichen Eltern sind?"
    Gregor:"Nicht unbedingt."


    Fortsetzung folgt gleich....


    Sie zählt langsam bis 60 und drückt dann entschlossen auf die Klingel. Frau Hellmer öffnet die Tür. Miriam hat sie noch nie gesehen, aber sie weiß sofort dass es Gregors Mutter sein muss.
    Frau Hellmer:"Sie wünschen?"
    Miriam:"Ich möchte Greg sprechen. Ist er zu Hause?"
    Frau Hellmer:"Gregor? Nein."
    Miriam:"Ich muss - es ist dringend..."
    Frau Hellmer:"Ich weiß nicht, wann er heimkommt."
    Miriam schießen sofort wieder die Tränen in die Augen:"Aber er hat mir doch versprochen..." Sie kann nicht weiterreden.
    Frau Hellmer:"Was?"
    Miriam:"Er wollte zu Hause auf meinen Anruf warten."
    Frau Hellmer merkt, dass Miriam Kummer hat. Sie hat Mitleid mit ihr und bittet sie herein:"Na, dann muss er ja jeden Moment kommen!", sagt sie freundlich. "Kommen Sie doch herein und warten Sie auf Gregor!"
    Miriam:"Aber - ich möchte nicht..."
    Frau Hellmer:"Kommen Sie!"



    Miriam tritt in den kleinen Flur.
    Frau Hellmer:"Bitte, kommen Sie mit mir ins Wohnzimmer. Ich werde uns eine Tasse Tee machen, das wird Ihnen guttun."



    Frau Hellmer öffnet eine Tür. Das Wohnzimmer ist ein bisschen altmodisch eingerichtet.
    "Machen Sie sich's bequem, bis ich wieder da bin", sagt sie. "Vielleicht schauen Sie sich ein paar Zeitschriften an!"



    Miriam nimmt gehorsam Platz. Sie blättert in der Zeitung herum, die Frau Hellmer ihr zugeschoben hat, aber sie kann sich weder für den Bericht aus Ghana noch für die Klatschspalte interessieren. Sie ist völlig mit sich und ihren eigenen Problemen interessieren. Wenn doch bloß Greg endlich käme, denkt sie, Greg ist der einzige Mensch, der mir helfen kann.



    Frau Hellmer erscheint mit einem Teller selbstgebackenen Apfelkuchen und einer Teekanne.



    Sie deckt schnell den Tisch und gießt Miriam eine Tasse Tee ein:"Bitte, greifen Sie zu. Sie werden Hunger haben", sagt sie freundlich.
    Miriam:"Nein, danke, ich möchte wirklich nicht..."
    Frau Hellmer:"Aber Sie müssen!"



    Miriam will nicht unfreundlich sein und greift zu. Und siehe da, es schmeckt ihr und sie isst gleich drei Stück Kuchen.
    "Es freut mich, dass es Ihnen schmeckt", sagt Frau Hellmer. "Jetzt sehen Sie auch schon wieder ganz anders aus. Sie haben wieder Farbe bekommen. Vorhin war ich ja ganz erschrocken, so blass waren Sie."
    "Sie sind - Sie sind so nett zu mir, Frau Hellmer", sagt Miriam hilflos.
    Frau Hellmer lächelt:"Das gehört sich doch wohl. Sicher sind Sie eine Freundin von Gregor, nicht wahr?"
    Miriam zögert:"Ja", sagt sie dann.
    Frau Hellmer:"Hat er Sie geärgert?"
    Miriam:"Nein - nein, ganz bestimmt nicht."
    Frau Hellmer:"Das freut mich. Ihr habt euch also nicht gestritten?"
    Miriam:"Nein, bloß..." Sie stockt.
    Frau Hellmer:"Sie wollen mir nicht erzählen, was Sie bedrückt?"
    Miriam:"Bitte, seien Sie mir nicht böse ... Es ist alles so kompliziert."
    Frau Hellmer:"Sie meinen, dass Gregor es besser verstehen wird?"
    Miriam nickt.
    Frau Hellmer:"Wollen Sie mir dann nicht wenigstens sagen, wie Sie heißen?"
    Miriam:"Miriam. Greg nennt mich Minky, wie alle meine Freunde."
    Frau Hellmer:"Ich denke, ich werde doch lieber Miriam zu Ihnen sagen. Ich bin nämlich ein bisschen altmodisch, das werden Sie schon gemerkt haben."


    Fortsetzung folgt gleich...


    Frau Beermann stürzt die Treppe hinauf, begreift, was geschehen ist, läuft ins Badezimmer und kommt mit hängenden Armen zurück. Isabella steht schwankend, die Hände aufs Herz gepresst "Sie ist fort", wiederholt sie immer wieder "Fort - ich habe es gewusst. Sie ist fort!"



    Frau Beermann zwingt sie, sich zu setzen. "Bitte, gnädige Frau", sagt sie hilflos. "bitte, beruhigen Sie sich doch! Es wird sich alles aufklären, ganz bestimmt. Miriam ist zu Hause gewesen, das weiß ich genau. Vor einer knappen Stunde ist sie gekommen..."
    Mit unendlicher Anstrengung zwingt Isabella sich zur Beherrschung. "War sie aufgeregt?"
    Frau Beermann:"Nicht, dass ich wüsste. Nein, ganz und gar nicht. Sie war wie immer. Vielleicht - etwas mürrisch. Aber das ist sie ja oft."
    Isabella:"Und sie hat nichts gesagt, dass sie noch einmal fortgehen will?"
    "Kein Wort. Deshalb war ich auch überzeugt - ich habe sie nicht gehen hören." Frau Beermann denkt nach. "Wahrscheinlich ist sie nur auf einen Sprung - zu einer Freundin oder..."



    Sie sieht den Zettel auf dem Schreibtisch und stockt.
    "Was ist?" Isabella ist sofort alarmiert. Sie folgt der Blickrichtung der Haushälterin, erhebt sich und geht auf den Schreibtisch zu.



    Auf dem Zettel steht: "Sucht nicht nach mir. Ich will nicht mehr zu euch zurück!"



    Ehe Frau Beermann ihr noch zu Hilfe eilen kann, fällt Isabella in Ohnmacht.



    Miriam ist inzwischen auf dem Weg zu Gregor. Sie sieht kleine Kinder miteinander spielen und ihr scheint es eine Ewigkeit her zu sein, dass sie selber mal so unbeschwert getollt hatte.



    Schließlich steht sie vor seiner Haustür. "Soll ich klingeln oder nicht?", fragt sie sich.


    Wird Miriam den Mut finden, bei Gregor zu klingeln?


    Dann erst geht sie langsam die Treppe hinauf.



    Vor Miriams Tür zögert sie einen Augenblick, dann klopft sie an. Als keine Antwort kommt, klopft sie noch einmal stärker und sagt:"Hallo, Miriam - ich bin's" Drinnen bleibt es totenstill.



    Isabella reißt die Tür auf und sieht mit einem Blick - das Zimmer ist leer.
    "MIRIAM!", Sie schreit es gellend.


    Wo ist Miriam?

    schön, dass euch meine story gefällt! Da muss man einfach weitermachen:



    Auf der Fahrt zu einem Geschäftsessen ist Isabella so schweigsam und zerstreut, dass es selbst ihrem Mann, der wie immer bis an den Rand mit geschäftlichen Plänen ausgefüllt ist, auffällt. "Was ist los mit dir?", fragt er unwillig und streift sie mit einem kurzen Seitenblick. "Ich glaube, du hörst mir gar nicht zu!"
    "Doch, Bernhard, wirklich - nur..." Sie fährt sich mit der Hand über die Stirn. "Ich habe entsetzliche Kopfschmerzen."
    Bernhard:"Dann nimm eine Tablette! Ich glaube, da vorn im Handschuhfach muss noch ein Röhrchen liegen."
    "Bernhard", sagt sie zögernd "es tut mir leid ... aber ich fürchte, ich muss mich hinlegen."
    "Was?", fragt er verblüfft. "Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein. Ausgerechnet jetzt, wo ... Was sollen denn die anderen von dir denken?"
    Isabella:"Das, mein Lieber, ist mir im Augenblick ziemlich egal."
    Bernhard:"Ich verstehe dich nicht mehr, nein, Isabella, wirklich. Du weißt genau, wie wichtig dieses Treffen ist. Schließlich geht es darum, ob unsere neue Kollektion..."
    "Schrei nicht so mit mir! Es genügt, wenn du dabei bist. Wenn du heute abend nach Hause kommst, werde ich mich sicher wieder besser fühlen. Im Augenblick bin ich einfach nicht aufnahmefähig." Sie schweigt erschöpft und presst die Lippen zusammen.
    "Es ist das erste Mal, dass du mich im Stich lässt", sagt er verständnislos. "Wegen Kopfschmerzen. Wenn einer unserer Angestellten dir so kommen würde..."
    Er redet noch eine ganze Weile ärgerlich vor sich hin.
    Sie sagt nichts mehr, starrt mit leeren Augen zum Fenster hinaus. Doch dann sagt sie:"Bitte, lass mich hier aussteigen. Ich nehme ein Taxi."
    Er hält mit einem wilden Ruck, sieht verbissen vor sich hin, ohne ihren Abschiedsgruß zu erwidern. Er reißt ihr die Tür, als sie ausgestiegen ist, aus der Hand, knallt sie heftig zu und gibt Gas.



    Sie fühlt sich schuldbewusst, weil sie ihn angelogen hat. Sie ist sich ganz sicher, dass er sie nicht verstanden hätte. Der Gedanke an Miriams aufgewühltes, verstörtes Gesicht geht ihr nicht aus dem Kopf. Sie hat Angst um Miriam.



    "Fahren Sie, so schnell Sie können!", sagt sie zu dem Taxifahrer. Die Fahrt dauert 20 Minuten, von denen jede einzelne für Isabella zu einer Ewigkeit wird. Ihre Angst wächst zur Panik.
    Noch bevor das Taxi ganz hält, reißt sie die Tür auf und springt hinaus. Sie stürzt durch den Vorgarten zur Haustür.



    Ihre Hände zittern so sehr, dass es ihr nicht gleich gelingt, die Haustür aufzuschließen.



    Frau Beermann öffnet von innen. "Ist etwas passiert?", fragt sie erschrocken, als sie Isabellas Gesicht sieht.
    Isabella:"Wo ist Miriam?"
    Frau Beermann:"Auf ihrem Zimmer."



    Die Erleichterung ist so groß, dass Isabella für eine Sekunde die Augen schließen und sich gegen die Wand lehnen muss. "Gott sei Dank!", sagt sie tonlos. Frau Beermann traut sich nicht zu fragen. Sie sagt:"Ich werde jetzt gleich eine Tasse Tee machen. Möchten Sie eine Kleinigkeit essen? Der Tee wird Ihnen gut tun."
    Isabella hat sich wieder gefasst:"Bitte, decken Sie für Miriam und mich ... Mein Mann kommt erst später."



    Sorgfältig bürstet sie sich ihre Haare, erneuert ihr Make-up und wartet bis sie ruhiger wird. Sie will Miriam möglichst unbefangen gegenübertreten.