[Fotostory] Jule

  • Hallo liebe Simsler!
    Ich bin zwar neu in diesem Forum, aber dennoch kein Sims2-Neuling.
    Ich möchte euch hier meine erste FS "Jule" präsentieren, die bereits in einem anderen Forum existiert. Die Geschichte habe ich mal vor ein paar Jahren begonnen und nun wieder rausgekramt.
    Freu mich über jeden Kommentar.
    Jetzt aber viel Spaß beim Lesen.





    Kapitel 1



    Erschöpft und faul lungerte Juliane am Sonntagnachmittag vorm Fernseher herum und langweilte sich. Draußen schien zwar die Sonne, aber sie hatte einfach keine Lust, aus dem Tag etwas Besonderes zu machen. Hinter ihr lag ein dreitägiger Lernmarathon, der ihre ganze Kraft gekostet hatte. Die Klausur gestern war zwar gut gelaufen, aber Juliane fühlte sich jetzt so ausgepowert, dass sie einfach den Sonntag als Erholungstag benötigte, bevor sie morgen wieder zur Uni musste. Ihre beiden Mitbewohnerinnen und guten Freundinnen waren ausgeflogen, allerdings nicht ohne versucht zu haben, Juliane zum Mitkommen zu überreden.
    „Mensch Jule“, hatte Susanne gestöhnt, „du hast die ganzen letzten Tage im Haus verbracht. Du brauchst mal wieder frische Luft.“
    „Was ich brauche, ist Erholung“, hatte Jule entgegnet und sich mit einer unterstreichenden Bewegung die Fernbedienung geschnappt. Kurz danach hatten Susanne und Norma das Haus verlassen und Juliane endlich mit ihrer wohlverdienten Ruhe allein gelassen. Da lag sie also nun und ließ sich von einem typischen Sonntagskitschfilm berieseln. Das war jetzt genau die richtige Kost für sie: anspruchslos, aber doch heiter fürs Gemüt und kurzweilig.



    Um halb drei klingelte es plötzlich an der Tür. Erschrocken ließ Juliane ihren Blick zur Uhr wandern. Sie erwartete eigentlich niemanden. Da die anderen aber nicht da waren, musste sie sich wohl oder übel erheben. Konnte ja etwas Wichtiges sein. Insgeheim hoffte sie nur, dass es nicht irgendwelche Kinder waren, die sich einen Scherz erlaubten und sie damit erfolgreich von der gemütlichen Couch geholt hatten.



    Seufzend schaltete Juliane den Fernseher aus. Musste ja nicht gleich jeder sehen, welchen Schwachsinn sie sich da rein zog, wer auch immer da an der Tür sein mochte.



    Schon auf dem Weg zur Tür erkannte Juliane durch die kleinen Glaselemente einen jungen Mann, der auf dem Treppenabsatz stand und wartete.



    Sie öffnete die Haustür, ging einen Schritt auf ihn zu und begrüßte ihn freundlich: „Hallo, kann ich Ihnen helfen?“
    „Hallo Jule“, erwiderte er vorsichtig und grinste sie dabei an, als ob er ein guter Freund sei, der mal eben auf einen Kaffee vorbei kam. Juliane blickte ihn verblüfft an. Plötzlich fühlte sie sich etwas unbehaglich. Ein ihr völlig Fremder stand vor ihrer Tür und schien sie andererseits doch zu kennen. Völlig automatisch versperrte sie ihm den Weg durch die Tür ins Hausinnere, obwohl er keinerlei Anstalten machte, dort hinein zu wollen.



    Ihre Gedanken rasten wie verrückt und sie versuchte, das Gesicht einzuordnen. Aber ihr fiel nicht ein, wo sie es schon mal gesehen haben könnte. Nach einigen Sekunden der völligen Irritation fand Juliane ihre Sprache wieder. Etwas ängstlich, aber mit betont fester Stimme fragte sie: „Kennen wir uns?“



    Verlegen kratzte der junge Mann sich am Kopf. Dann sah er sie ganz schuldbewusst an und fragte schließlich: „Erkennst du mich denn nicht?“

  • Kapitel 2



    Juliane schüttelte den Kopf. „Wer bist du, und woher kennst du meinen Namen?“ wollte sie wissen, denn ein wenig unheimlich war ihr die Tatsache schon, dass er sie anscheinend bestens kannte.
    „Ich bin’s, Felix“, antwortete er mit einer leichten Entrüstung.



    Und da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Natürlich, warum hatte sie ihn nicht gleich erkannt. Felix Jansen, Julianes alter Sandkastenfreund. Was machte der denn hier? Das letzte Mal hatten die beiden sich gesehen, als sie zehn oder elf gewesen waren.
    „Mensch Felix, was machst du denn hier?“ stieß Juliane aus und öffnete die Tür ein Stückchen weiter. „Komm doch rein.“ Ihr fiel ein ganzer Stein vom Herzen. Zwar war Felix ihr nicht mehr vertraut, aber sie hatte ihn zumindest so in Erinnerung, dass sie sich nicht vor ihm fürchten musste. Felix nickte dankend und trat ein.
    „Setz dich doch“, bot Juliane ihm an und zeigte auf die Couch, auf der sie eben noch gelegen hatte.
    Felix schien allerdings von dem roten Polstermöbel nicht besonders angetan und wählte einen der weißen Holzstühle, die um den Esstisch versammelt waren. Juliane fragte sich zwar insgeheim, wer einen harten Holzstuhl einer Couch vorzog, aber sie ließ ihn gewähren.





    „Willst du etwas trinken?“ fragte sie schließlich höflich. Irgendwie kamen alle ihre Reaktionen automatisch. Sie machte sich überhaupt keine Gedanken, was Felix von ihr wollte, wie es ihm ging und warum er ausgerechnet zu ihr gekommen war, nach so vielen Jahren. In erster Linie wollte sie eine gute Gastgeberin sein. Das war so eine komische Angewohnheit von ihr. Ständig versuchte Juliane, es allen Leuten recht zu machen, ob diese Leute ihr nun sympathisch oder wichtig waren oder eben nicht. Sie wollte auf jeden Fall sympathisch wirken und niemand sollte ihr nachsagen können, dass er sich bei ihr nicht wohl gefühlt hatte.
    „Vielleicht 'nen Kaffee. Das wäre nicht schlecht“, antwortete Felix lächelnd.





    Juliane ging in die Küche und setzte zwei Tassen Kaffee auf. Felix ließ sie aber nicht aus ihrem Blickfeld entwischen. Irgendwie schaffte sie es, immer den Esstisch im Wohnzimmer im Blick zu haben, wenn auch nur aus dem Augenwinkel. Nachdem sie den Kaffee aufgesetzt hatte, ging Juliane zurück ins Wohnzimmer und gesellte sich zu ihrem unerwarteten Besucher.. Dieser sah sie nur schweigend an. Nun wurde es Juliane doch zu bunt und sie wurde von Neugier ergriffen. Zuallererst wollte sie den Grund für Felix' Besuch erfahren. „Jetzt erzähl doch mal. Was machst du hier? Wie geht's dir?“





    Felix räusperte sich kurz und kratzte sich dabei nervös im Nacken, bevor er antwortete: „Mir geht's ganz gut. Man hält sich eben irgendwie über Wasser. Und dir?“
    „Oh, mir geht's prima, danke.“ Juliane hätte jetzt stundenlang von ihrem Studium oder ihren Freunden erzählen können und bei jedem anderen Besucher und in jeder anderen Situation hätte sie dies wahrscheinlich auch getan, aber gerade jetzt erschien es ihr nicht nur völlig unpassend, nein, sie hatte sogar gar kein Bedürfnis danach. Vielmehr interessierte sie, was Felix ihr so zu sagen hatte, warum er plötzlich ausgerechnet vor ihrer Tür stand und ob er etwas Bestimmtes von ihr wollte. Doch dieser machte keinerlei Anstalten, noch mehr von sich zu geben. Stattdessen sah er Juliane abwartend an. Sein Schweigen machte sie wahnsinnig. Plötzlich kam sie sich vor wie in einem schlechten Traum. Noch vor zehn Minuten hatte sie auf dem Sofa gelegen und keinen einzigen Gedanken an Felix Jansen verschwendet, der vor zirka zehn Jahren ihr Kinderherzchen einmal hatte höher schlagen lassen. Und nun saß er hier in ihrem Wohnzimmer, wartete auf einen Kaffee und sie wusste gar nichts über ihn, geschweige denn über den Grund seines plötzlichen Auftauchens. Sie konnte sich ja nicht mal mehr erinnern, wie sich ihre Wege getrennt hatten, und noch weniger konnte sie sich vorstellen, was jetzt aus ihm geworden war.





    Schließlich beschloss Juliane, dieses unsägliche Schweigen zu brechen. „Hey“, stieß sie ihn an. „Sag doch mal was. Warum bist du hier?“
    „Och, ich war gerade zufällig in der Gegend, und da dachte ich, ich schau einfach mal bei dir vorbei“, war die knappe Antwort.
    „Und warum bist du in der Gegend? Und wo wohnst du zurzeit? Und woher hast du meine Adresse?“ Langsam ging er ihr auf die Nerven. Jeden Wurm musste man ihm einzeln aus der Nase ziehen.
    „Tja, das ist eine lange Geschichte. Aber willst du mir nicht erst was von dir erzählen?“ lenkte Felix ab.





    Jetzt war Juliane endgültig sprach- und fassungslos. Was war denn das für ein seltsamer Auftritt?! Meinte er das alles wirklich ernst?! Ungläubig starrte sie ihn an, bis ihr ein leises, aber doch sehr verächtliches „Pfff“ entrann. Dann stand sie wütend auf, um den fertigen Kaffee zu holen.





  • Vor dem Durchgang zur Küche machte sie allerdings noch einmal auf dem Absatz kehrt, sah Felix böse an und drohte: „Wenn du mir nicht sofort erzählst, warum du hier bist, kannst du nach dem Kaffee gleich wieder gehen.“ So etwas hatte sie ja noch nie erlebt. Da konnte ja jeder kommen, mit dem sie als Kind mal befreundet gewesen war.




    In der Küche holte Juliane zwei Tassen aus dem Schrank und schüttete den heißen Kaffee ein. Diese wenigen Sekunden reichten ihr, um sich wieder etwas zu beruhigen. Und wie es halt so in Julianes Natur lag, bereute sie ihren kleinen, aufbrausenden Auftritt schon beinah wieder. Sie hatte allerdings kaum Zeit, darüber nachzudenken, denn als sie gerade Milch und Zucker holen wollte, hörte sie plötzlich das Schlagen der Haustür.




    Mit einer leisen Ahnung stürzte sie aus der Küche ins Wohnzimmer... und da war kein Felix mehr.

  • Kapitel 3



    Fassungslos rannte Juliane zur Haustür, riss sie auf und blickte die Straße entlang. Da lief er tatsächlich, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern. Obwohl sich bei Juliane ein ganz winziges schlechtes Gewissen breit machte, hielt sie irgendetwas davon ab, ihm hinterher zu rennen. Sein ganzer Auftritt war ihr einfach zu suspekt. Er hatte ihre Drohung so ernst genommen, dass er auch ohne den Kaffee und sogar ohne ein Wort des Abschieds gegangen war. Also hatte er anscheinend wirklich nicht vorgehabt, ihr den Grund für seinen Besuch zu verraten. Aber warum denn, verdammt noch mal, nicht?! Juliane verstand die Welt nicht mehr...
    Kopfschüttelnd ging sie zurück in die Küche und schnappte sich eine Tasse Kaffee. Die zweite schüttete sie weg, denn sie selbst mochte dieses doch leicht bittere Bohnengebräu gar nicht so sehr, als dass sie Felix' Kaffee nachher auch noch trinken würde. Sie war eher der Tee- oder Kakaotrinker.




    Die Lust auf Sonntagskitschfilme war Juliane jedenfalls vergangen, sodass sie sich auf den Weg nach oben in ihr Zimmer machte und erstmal aufs Bett legte. Dort dachte sie über diesen merkwürdigen Besuch nach, der nicht länger als fünfzehn Minuten gedauert hatte. Sollte sie jemandem davon erzählen? Susanne und Norma würden mit dem Namen Felix nicht viel anfangen können, denn sie hatte die beiden erst durch das Studium kennen gelernt.
    Bevor Juliane weiter darüber nachdenken konnte, ob und wem sie von Felix' Besuch erzählen könnte, tauchten vor ihrem inneren Auge nach und nach immer mehr alte Bilder auf. Angestrengt versuchte sie, die Erinnerung an die Jahre mit Felix aufzufrischen und es gelang ihr schließlich immer besser...



    ***



    Als Juliane neun Jahre alt gewesen war, wurde die damalige Wohnung ihrer Eltern in der Innenstadt zu klein. Ihre jüngere Schwester Kristina war zu dem Zeitpunkt drei Jahre alt gewesen und zudem ein kleiner Wirbelwind, den man nur schwer in einer doch eher engen 3-Zimmer-Wohnung bändigen konnte. Deshalb zogen die Grüns in ein nettes, ruhiges und kinderfreundliches Vorstadtgebiet und hatten ab sofort ihr eigenes kleines Reihenhaus. Julianes Eltern wohnten heute immer noch dort, zusammen mit Kristina.
    Die Rosenstraße, die also damals Julianes neues Zuhause wurde, war bevölkert mit vielen Kindern in ihrem Alter, mit denen sie sich schnell anfreundete. Ein kleines Lächeln huschte über Julianes Gesicht, denn ihr wurde plötzlich bewusst, wie herrlich die Zeit damals doch gewesen war. Langeweile kam so gut wie nie auf, es hatte immer jemanden gegeben, mit dem man spielen konnte, irgendein Nachbarkind hatte immer Zeit gehabt.





    Eins von diesen Kindern war Felix gewesen. Er wohnte mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder fünf Häuser weiter und Juliane war sofort fasziniert von ihm gewesen. Er war circa anderthalb Jahre älter als sie und sie fand ihn damals unglaublich süß mit seinen hellen, strubbeligen Haaren und den eisblauen Augen. Außerdem war er der beste Fußballer in der Straße gewesen, und wenn er beim alljährlichen Nachbarschaftsfest fünf Tore gegen die Erwachsenen schoss (die sie natürlich alle hätten halten können, aber das war Juliane damals noch weniger klar gewesen als ihm selbst), dann schlug ihr Herzchen zehn mal schneller.




    Wenn die beiden mit den anderen Kindern Fangen spielten, dann rannte er immer hinter ihr her, beim „Vater-Mutter-Kind-Spiel“ wollte er ständig den Vater mit ihr als Mutter an seiner Seite spielen, und beim Fußball ließ er sie auch ab und zu Tore schießen oder er passte ihr den Ball zu, wenn sie in einer Mannschaft waren. Juliane durfte als einzige mit seinen heiß geliebten Autos spielen und mit in seine geheime Hütte im Wald am Stadtrand kommen.
    Eines Tages spielten sie mit einigen anderen Kindern „Räuber und Gendarm“ auf der Straße. Juliane war bei den Guten, Felix ein Räuber, der sich verstecken musste. Am Ende der Straße lag ein Supermarkt mit einem kleinen Spielplatz. Dort gab es genügend Gestrüpp, in dem man sich verstecken konnte.




    Das wusste Juliane natürlich und deshalb suchte sie vorwiegend dort nach den Dieben, als Felix plötzlich den Kopf aus einem Busch herausstreckte und ganz aufgeregt rief: „Komm mal schnell.“ Da gerade keins von den anderen Kindern in der Nähe war, vergaß Juliane das Spiel und dessen Regeln für einen kurzen Moment und rannte zu dem Busch, in dem Felix sich versteckte. „Komm schneller“, rief er ungeduldig und so krabbelte sie flink zu ihm ins Dickicht.




    „Was ist denn?“ wollte sie neugierig wissen. Aber bevor sie noch mehr fragen konnte, griff Felix nach ihrer Hand und drückte ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Dann floh er aus dem Gebüsch und tat so, als hätte Juliane ihn gefunden und er müsse sich frei laufen.




    Zuerst war Juliane ziemlich verwirrt und verdutzt gewesen, aber dann strömten die Glücksgefühle nur so in ihr hoch. In ihrem Bauch flatterten viele, kleine Schmetterlinge umher und mit einem breiten, verräterischen Grinsen, das fast von einem Ohr bis zum anderen ging, verließ sie das Gebüsch und jagte hinter Felix her.
    Seit diesem Tag waren die beiden ständig zusammen und Felix war für Juliane das, was man die erste „kleine-große Liebe“ nennen konnte, der Sandkastenfreund eben. Sie war stolz wie Oskar. Ganze Blöcke kritzelte sie mit Felix' Namen voll oder sie malte rote Herzchen mit ihrer beider Initialen.




    Felix und Juliane waren fast unzertrennlich gewesen. Beinah alles machten sie zusammen. Nach der Schule raste Juliane so schnell wie möglich nach Hause, aß mit ihrer Mutter und Kristina zu Mittag und erledigte anschließend ihre Hausaufgaben in Windeseile, um danach noch ein paar viel zu kurze Stunden mit Felix verbringen zu können. Im Sommer zelteten die beiden im Garten der Grüns und spielten Indianer, im Winter übernachteten sie auf dem Dachboden der Jansens und jagten Gespenster. Ihre Eltern erlaubten es zum Glück, da sie in dieser Beziehung recht locker waren. Außerdem waren Felix und Juliane noch so jung, dass keiner der Erwachsenen ihre Verliebtheit so ernst nahm, dass er befürchtete, die zwei könnten Dinge anstellen, mit denen sie lieber noch warten sollten. Und tatsächlich geschah in dieser Richtung auch nie mehr als Händchenhalten und kurze Küsse auf Mund oder Wange zwischen Juliane und Felix.
    Die beiden waren auch noch zusammen, als Juliane von der Grund- auf die Realschule wechselte. Felix war auf der Hauptschule gewesen, und Juliane erinnerte sich, dass er immer sehr schlecht war. Er war überhaupt in wenigen Sachen gut gewesen, außer im Fußball und im Küssen. Stattdessen machte er Unfug, bis er die Erwachsenen zur Weißglut trieb. Er spielte ihnen Streiche, zerdepperte Fensterscheiben oder blieb abends länger in seiner Hütte, als er durfte.



  • Einmal klingelten seine Eltern nachts völlig aufgelöst bei den Grüns, weil sie ihren Sohn schon seit vier Stunden vermissten und drauf und dran waren, die Polizei zu rufen. Dann war ihnen eingefallen, dass Juliane vielleicht wissen konnte, wo er war. Also musste sie ihnen schließlich verraten, wo Felix' seine Waldhütte gebaut hatte, obwohl sie sich dabei vorkam wie eine schäbige Verräterin.





    Sie heulte die halbe Nacht lang, bis ihre Mutter ihr endlich klargemacht hatte, dass sie völlig richtig gehandelt und Felix bloß eine Menge Ärger erspart hatte.





    Als Juliane gerade elf Jahre alt geworden war, teilte Felix ihr eines Tages mit, dass er und seine Familie umziehen mussten, weil seine Vater in einer anderen Stadt ein gutes Jobangebot bekommen hatte. Für Juliane brach eine Welt zusammen. Zwar zogen die Jansens nur in die Nachbarstadt, die man mit dem Auto innerhalb von einer knappen dreiviertel Stunde erreichen konnte, aber für sie war das damals weiter weg gewesen als der Mond.
    Drei Tage vor dem Umzug holte Felix sie überraschend zu Hause ab und die beiden liefen zum letzten Mal gemeinsam zu seiner Waldhütte. Dort holte er plötzlich zwei Plastikringe hervor, die er wahrscheinlich aus einem Kaugummiautomaten hatte. Mit feierlicher Miene kniete er vor Juliane nieder und fragte sie, ob sie ihn heiraten wolle. Natürlich sagte sie ja, obwohl sie im ersten Augenblick schon sehr überrascht gewesen war. Anschließend durfte sie sich aussuchen, ob sie lieber den gelben oder den blauen Ring haben wollte und entschied sich für den gelben. Felix überreichte ihr einen Kranz aus Gänseblümchen, den er selbst gemacht hatte. Juliane legte ihn um ihre hochgesteckten Haare herum und als Felix ihr den Ring über den Finger streifte, war sie das glücklichste Mädchen der Welt. Sie schworen sich ewige Liebe und die Ringe sollten ihr Zeichen dafür sein. Jeder sollte erkennen, dass sie bereits vergeben waren und zueinander gehörten. Außerdem sollten die Ringe sie auch nach der räumlichen Trennung immer aneinander erinnern.





    Felix gab ihr einen langen Kuss auf den Mund. Dann feierten sie ihre heimliche Hochzeit mit einer Dose Thunfisch und einer Flasche Cola. Es war das Romantischste, was Juliane jemals erlebt hatte.
    Bei dem Gedanken an ihre „Hochzeit“ musste sie plötzlich sanft lachen. Wie süß und naiv sie doch damals gewesen waren. Kinder hatten einfach einen unerschütterlich guten Glauben, den sie dann als Erwachsene leider oftmals verloren.
    Drei Tage nach der „Hochzeit“ stand der Umzug bevor. Juliane war totunglücklich.





    Anfangs telefonierten Felix und sie mehrmals pro Woche und am Wochenende konnten sie sich oft besuchen, da ihre Eltern abwechselnd als Taxifahrer fungierten. Den Ring trug Juliane ganz brav und artig immer am Finger, nur beim Duschen zog sie ihn ab, aus Angst ihn zu verlieren. Nach einiger Zeit jedoch ließ die Fahrbereitschaft von Felix' und Julianes Eltern nach und so sahen die beiden sich nicht mehr so häufig, bis der Kontakt immer weiter einschließ und schließlich irgendwann ganz abbrach. Den Ring trug sie irgendwann auch nicht mehr und wahrscheinlich war er sogar im Mülleimer gelandet.



    Juliane wurde älter und damit veränderte sich auch ihr Leben. Aus dem einstigen Kind wurde ein pubertierender Teenager und schließlich eine junge Frau mit einer Menge Zielen und einer konkreten Lebensplanung. Der erste Freund tauchte auf, ihm folgten noch ein paar andere und ihren ehemaligen Sandkastenfreund hatte Juliane einfach irgendwann vergessen.
    Bis zu diesem Zeitpunkt, wo er so plötzlich vor ihr gestanden hatte und genauso plötzlich wieder verschwunden war...

  • juhu ich bin soga mal erst :D naja tut nix zur sache, hier gehts ja um deine 'Fotostory!
    Alsooo die Bilder sind echt gut, genauso wie die Story.
    hm mehr weiß ich jetzt auch net mehr zu schreiben....

    Liebe Grüße
    Miri

    [RIGHT][SIZE=3]Mache niemanden zu deiner Priorität,
    der dich nur zur Option macht.[/SIZE]
    [/RIGHT]

  • Vielen lieben Dank für deinen Kommi, Miri! :)


    Kapitel 4



    Gegen Abend kamen Susanne und Norma zurück nach Hause. Juliane stand gerade am Herd und kochte sich ein paar Spaghetti.



    „Na, wieder gesunde und abwechslungsreiche Ernährung heute?“ neckte Susanne sie, die fröhlich pfeifend in die Küche kam.
    Juliane seufzte. „Im Gegensatz zu dir habe ich einfach keine Lust, stundenlang Gemüse zu schnippeln oder neue, bahnbrechende, fleischlose Rezepte auszuprobieren“, erwiderte sie leicht ironisch.
    „Und das Ergebnis sieht man dann hier“, lachte Susanne und kniff ihrer Freundin kurz in die Hüfte.
    „Ey, aua“, murrte diese, „lass mein Hüftspeck in Ruhe!“ Dann musste sie in Susannes Lachen einstimmen. Ihre Freundin erschien auf den ersten Blick zwar oft etwas oberflächlich und verwöhnt, aber im Grunde war sie ein sehr lieber und unkomplizierter Mensch. Man musste sich nur die Mühe machen, hinter ihre Fassade zu schauen. Wenn man Susanne aber einmal zu seinen engsten Freunden zählen konnte, dann hatte man wirklich eine Freundin zum Pferdestehlen gefunden, auf die man sich immer verlassen und mit der man eine Menge Spaß haben konnte.
    Das einzige, was Juliane manchmal an Susanne nervte, waren ihre häufig wechselnden Männer und ihre stark ausgeprägte Vorliebe für Klamotten, Kosmetik und andere Kinkerlitzchen. Juliane war da völlig anders. Sie machte sich nicht allzu viel aus Schminke, es gab höchstens mal etwas Wimperntusche oder einen dezenten Lidschatten, wenn sie ausging. Ihre Klamotten sollten in allererster Linie bequem sein und jedem Wetter standhalten, dem man sich manchmal beim Fahrradfahren auf dem Weg zur Uni aussetzen musste. Und ihr Männerverschleiß hielt sich ebenfalls in Grenzen, was Juliane aber zurzeit nicht weiter störte. Ihre letzte feste Beziehung war vor zirka anderthalb Jahren in die Brüche gegangen und seitdem hatte es in ihrem Leben nur ab und an ein paar nette, kleine Flirts gegeben, mehr nicht. Aber sie hatte auch gar keine Zeit für einen Mann. Ihr Studium, ihr Aushilfsjob im Klamottenladen sowie ihre ehrenamtliche Tätigkeit in der Bücherei füllten sie voll und ganz aus. Eine Beziehung wäre da bloß zeit- und kraftraubend gewesen.






    Susanne verließ die Küche wieder und nun gesellte sich die Dritte im Bunde, Norma, zu Juliane.
    „Huhu“ grüßte sie, „na, wie war dein Tag? Hast du dich gut erholen können?“
    Juliane überlegte kurz, was sie antworten sollte. Doch nach kurzem Zögern schüttelte sie innerlich den Kopf und verwarf den Gedanken an Felix sofort. „Ja, danke. Ich hab schön gefaulenzt“, antwortete sie schließlich.
    Norma lächelte. „Schön. Wir hatten auch einen lustigen Nachmittag in der Stadt. Susi hat im Café mal wieder die Nummer von einem Kellner ergattert. Der Gute war jedes Mal ganz schön nervös, wenn er an unseren Tisch kam. Mark und ich haben uns vor Lachen fast nicht mehr eingekriegt.“
    Mark war Normas Freund. Die beiden waren schon seit drei Jahren ein Paar und Juliane war sich sicher, dass sie eines Tages heiraten würden. Norma war ein bezauberndes, freundliches und durch und durch romantisches Wesen und Mark passte einfach perfekt zu ihr. Er war lieb, gut erzogen und sehr einfühlsam – eigentlich der perfekte Mann.
    „Seid ihr etwa schon wieder über mich am Lästern?!“ rief Susanne aus dem Wohnzimmer.
    Juliane nahm ihre fertigen Spaghetti und ging gemeinsam mit Norma herüber. „Klar“, meinte sie, „ist doch unser liebstes Hobby.“






    Susanne streckte ihr die Zunge raus. Dann räkelte sie sich dramatisch auf dem Sofa und hauchte theatralisch: „Das ist so fies von euch. Dabei meine ich es wirklich ernst. Es hat mich getroffen wie ein Blitz.“







    Norma ging lachend zu ihr herüber und zeigte ihr einen Vogel. „Madame, du bist mir schon so eine. Der arme Kellner... Ich glaube, DEN hat es wirklich getroffen wie ein Blitz. Und du benimmst dich mal wieder ganz schön biestig.“ Dann nahm sie neben ihrer Freundin Platz.
    „Und wenn schon“, entgegnete Susanne. „Ich hab wenigstens meinen Spaß.“ Sie hielt kurz inne und schaute zu Juliane herüber, die am Tisch Platz genommen hatte und aß. Dann fügte sie etwas leiser hinzu: „Im Gegensatz zu einigen anderen Leuten.“
    „Susi, das hab ich gehört“, rief Juliane mit vollem Mund. „Und das Thema hatten wir schon hundert Mal. Lass es einfach.“
    „Aber es stimmt doch“, erwiderte Susanne trotzig. „Seit Ewigkeiten bist du solo. Was soll denn mal aus dir werden?!“
    Nun verschluckte Juliane sich beinah vor Lachen an ihren Spaghetti. „Das hört sich ja... Als ob man nur was werden könnte, wenn man am laufenden Band Männer abschleppt.“







    „Du stellst dich aber auch immer an.“ Susanne verdrehte leicht die Augen. „Was war denn zum Beispiel mit diesem Typen damals aus deinem Seminar? Der ist total auf dich abgefahren und der war sowas von süüüüß...“ Das letzte Wort zog sie besonders lang und klimperte dabei mit den Wimpern.
    Norma grinste. „Wenn er nicht auf Jule gestanden hätte, dann hätte Susi sich den am liebsten selbst gekrallt.“
    „Pssst“, zischte Susanne grinsend.
    Juliane schüttelte den Kopf. „Ihr und eure Männer. Für mich gibt es momentan einfach Wichtigeres im Leben. Aber das hab ich euch schon so oft gesagt, also lasst mich bitte mal damit in Ruhe.“
    „Meine Güte, deine Laune ist ja gerade nicht die allerbeste“, meinte Susanne gereizt. „Man wird ja wohl noch ein bißchen Spaß machen dürfen.“






    Das Gespräch hatte sich damit erledigt. Juliane wollte erst noch etwas erwidern, aber dann überlegte sie es sich doch anders und seufzte tief. Sie hatte keine Lust auf Streit und darauf würde es im Endeffekt hinauslaufen, wie jedes Mal, wenn dieses Thema zwischen ihr und Susanne zur Sprache kam. Warum konnte oder wollte ihre Freundin einfach nicht verstehen, dass Juliane momentan nicht an einer Beziehung interessiert war? Und sie war nun mal auch nicht der Typ, der sich dann mit Affären über Wasser hielt. Entweder ganz oder gar nicht. Wenn sie sich verliebte, dann normalerweise direkt und heftig. Das war wie ein Knall.



  • Nachdem Juliane aufgegessen hatte, verzog sie sich nach oben in ihr Zimmer und steckte die Nase noch für zwei Stunden in ihre Unterlagen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Sie hatte von 8 bis 14 Uhr Uni, danach traf sie sich mit ein paar Kommilitonen in der Mensa, um etwas zu essen und für die letzte, in diesem Semester bevorstehende Klausur zu lernen. Anschließend musste sie von 16 bis 19 Uhr arbeiten und danach ging es dann ab nach Hause.
    Um den morgigen Tag gut überstehen zu können, legte Juliane sich bereits um kurz nach 22 Uhr ins Bett. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Immer wieder schossen Bilder von Felix durch ihren Kopf – von früher und von seinem merkwürdigen Besuch heute. Was hatte er bloß von ihr gewollt? Ob sie ihn noch mal wiedersehen und das jemals erfahren würde?





    Als Juliane um 23.30 Uhr immer noch nicht eingeschlafen war, krabbelte sie aus dem warmen Bett, knipste ihre Schreibtischlampe an und setzte sich an ihren Laptop. Der Gedanke an Felix ließ sie nicht los. Sie musste einfach wissen, was er von ihr gewollt hatte. Also suchte sie im Internet nach der Telefonnummer seiner Eltern. Hoffentlich wohnten sie noch dort, wo sie damals hingezogen waren.
    Juliane schaute im Verzeichnis der betreffenden Stadt unter „Jansen“ nach. Leider gab es diesen Namen wie Sand am Meer und sie wusste auch den Straßennamen nicht mehr. Fieberhaft las sie die verschiedenen Straßen durch: Marktweg, Otto-Hahn-Straße, Försterweg, Sonnengasse, Am Burggraben, Theresienstraße... Nein, das war alles nicht das Richtige. Die Straße hatte anders geheißen.

    „Verflixt, wie hießen denn noch mal seine Eltern“, schoss es Juliane durch den Kopf. Sie untersuchte die Namen der im Telefonbuch stehenden Jansens. Da gab es Joachim, Walter, Manfred, Jörg und Elisabeth, Heinrich, Renate und einen Alfred ohne Straßenangabe. Aber soweit sie sich recht erinnern konnte, hießen Felix' Eltern Peter und Sonja oder Paul und Sonja.
    Innerlich fühlte Juliane sich ganz aufgelöst. Verzweifelt tippte sie „Felix Jansen“ in die Namensleiste und löschte den Städteeintrag. Dann klickte sie auf „Finden“. 23 Ergebnisse! Wütend klappte sie den Laptop zu.





    „Mensch Jule“, fluchte sie mit sich selbst. „Was machst du hier mitten in der Nacht?! Nachher telefonierst du noch alle 23 Felix Jansens durch.“ „Und dann ist er nicht dabei...“ vollendete sie den Satz in Gedanken.
    Sie löschte das Licht, ging zurück ins Bett und ärgerte sich über sich selbst. Es war eine Schnapsidee von ihr gewesen, nach ihm zu suchen. Wenn er etwas von ihr wollte, sollte er sich gefälligst melden. Sie hatte andere Dinge zu tun. Die letzte Klausur stand bevor und dafür musste sie noch einiges lernen, wenn sie eine gute Note schreiben wollte. Und die Arbeit im Klamottenladen und in der Bücherei erledigte sich auch nicht von selbst.





    Nach einigen Minuten schlief Juliane doch endlich ein. Die Nacht verlief allerdings sehr unruhig für sie. Ständig wälzte sie sich hin und her und zwischendurch war sie immer wieder wach. Dann schreckte sie schweißgebadet hoch und wusste im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Wenn sie doch einmal etwas fester schlief, begegnete Felix ihr in ihren Träumen.



  • Kapitel 5



    Als Juliane am Montagabend nach Hause kam, war sie völlig erschöpft. Der Tag hatte sie ganz schön geschlaucht und jetzt wollte sie einfach nur noch entspannen, am besten mit einem guten Buch und einem schaumigen Vollbad.. Doch daraus sollte leider nichts werden. Schon als sie die Haustür gerade hinter sich geschlossen hatte, stürmte Susanne ganz aufgebracht auf sie zu.




    „Jule, da bist du ja endlich!“ rief sie laut quiekend und Juliane kam es in dem Moment so vor, als ob sie eine leibhaftige Sirene vor sich hätte. „Wo warst du denn so lang?“
    „Arbeiten“, erwiderte Juliane kurz und tonlos.






    „Ach so. Na, umso besser, dass du jetzt da bist.“ Susanne schien überhaupt nicht zu bemerken, dass Juliane ziemlich kaputt und kurz angebunden war. „Du musst UNBEDINGT mitkommen. Du DARFST mich nicht im Stich lassen. Du bist meine LETZTE Hoffnung.“
    „Momentchen mal“, beruhigte Juliane ihre wild gestikulierende Freundin, die augenblicklich verstummte und sie entgeistert ansah. „Darf ich vielleicht erst mal vernünftig reinkommen? Danke! Und dann bitte ganz entspannt der Reihe nach und vor allem nicht so laut: wobei bin ich deine letzte Hoffnung und warum überhaupt?“
    Susanne lächelte zuckersüß. „Du musst mich heute abend begleiten. Bitteee!“ Das letzte Wort zog sie extrem in die Länge, wie sie es meistens tat, wenn sie etwas besonders betonen wollte. Pech für ihre Zuhörer, dass ihre Stimme dabei erst recht kieksig wurde.
    „Susi!“ Juliane wurde langsam ungeduldig. Das hektische Gezappel und die Geheimniskrämerei von Susanne waren ihr momentan einfach zu viel.
    „Was ist denn?“ fragte diese völlig entrüstet.






    „Du raubst mir mit deinem Gehampel gerade den letzten Nerv. Und egal, worum es geht, ich werde dich heute Abend bestimmt nirgendwohin mehr begleiten“, erklärte Juliane bestimmt. Mit diesen Worten drängte sie sich an ihrer Freundin vorbei und ging in die Küche, in der Hoffnung, hier vor Susannes Bitte sicher zu sein. Doch da hatte sie sich gewaltig gettäuscht.






    Susanne folgte ihr wie ein kleines, einfältiges Schoßhündchen. Enttäuscht stand sie im Türrahmen und zog eine Schnute. „Och Jule. Du kannst mich nicht im Stich lassen. Willst du dir nicht wenigstens mal anhören, worum es geht?“
    Juliane seufzte tief und fest. „Okay, du lässt ja sonst doch keine Ruhe. Aber mach dir deswegen keine falschen Hoffnungen, ich bin wirklich total platt.“
    „Ja ja“, wischte Susanne Julianes Satz mit einer schnellen Handbewegung beiseite. „Also, es geht um Leben und Tod.“
    Juliane prustete. „Na klar, Susi. Das kennt man ja von dir. Lass mich raten: es geht um den ultimativen Typen?!“
    „Bingo!“ Susanne strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Dieser Typ aus meiner Vorlesung, du weißt schon... Ich hab dir letztens von ihm erzählt.“ Juliane nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, von wem Susanne redete. Das war aber nichts Neues bei ihr. Ihre ganzen Männergeschichten konnte niemand mehr auseinander halten, außer ihr selbst natürlich. „Jedenfalls ist der heute Abend in diesem neuen Club, der vor zwei Wochen eröffnet hat. Hab ich zufällig mitgekriegt. Da ist heute ermäßigter Einlass für Studenten. Und das wäre meine absolut allerbeste Chance, ihn endlich auf mich aufmerksam zu machen.“
    „Ist dir das bis jetzt etwa noch nicht gelungen?“ wollte Juliane überrascht wissen.
    „Nein, leider nicht“, entgegnete Susanne enttäuscht.
    „Dann gelingt dir das auch heute nicht“, entschied Juliane und wollte das Thema damit aus der Welt schaffen.






    „Aber natürlich gelingt mir das. Ich werde heute umwerfend aussehen“, grinste Susanne. „Aber das geht nur, wenn du mitkommst.“
    „Och Susi.“ Juliane konnte es nicht fassen, wie hartnäckig ihre Freundin sein konnte. „Geh doch mit Norma hin.“
    „Die wollte ich ja fragen, aber sie ist nicht da“, seufzte Susanne. „Wahrscheinlich schläft sie heute mal wieder bei Mark. Und darum bist du jetzt meine letzte Hoffnung. Dir würde es außerdem auch gut tun, mal wieder ein bisschen feiern zu gehen.“ Susanne setzte das charmanteste Lächeln auf, das ihr hübsches Gesicht hergab, und Juliane wusste sofort, warum ihr so viele Männer erlagen. Sie verstand es einfach perfekt, mit ihren Reizen zu spielen und so unschuldig zu wirken, dass man ihr nichts abschlagen konnte.
    Nach kurzem Zögern gab Juliane sich schließlich einen Ruck und meinte: „Okay, du alte Verführerin, ich komme mit. Aber wenn ich vor Müdigkeit tot umfalle, fahre ich sofort nach Hause.“






    „Du bist die Beste“ jubelte Susanne lautstark und fiel ihrer Freundin stürmisch um den Hals. „Das werde ich dir nie vergessen, du hast auf jeden Fall was gut bei mir.“
    „Ich werde dich bei Gelegenheit daran erinnern“, lachte Juliane, obwohl sie innerlich schon fast wieder bereute, dass sie zugesagt hatte.
    Als sie wenig später frisch geduscht und umgezogen im Badezimmer vorm Spiegel stand und sich noch ein wenig hübsch machte, war dieses Gefühl des Bereuens noch nicht gewichen. Ihre Lider fühlten sich schon etwas schwer an und eigentlich stand ihr überhaupt nicht der Sinn nach lauter Musik und ausgelassenen Menschen. Aber jetzt hatte sie Susanne fest zugesagt und ein Rückzieher wäre für ihre Freundin ziemlich enttäuschend gewesen. Außerdem konnte sie ja jederzeit nach Hause fahren, falls es wirklich nicht mehr gehen sollte.






    „Wird schon nicht so schlimm werden“, sagte sie zu sich selbst und grinste ihrem schulterzuckenden Spiegelbild aufmunternd zu.




    ***



    Gegen 21.45 Uhr betraten die beiden Freundinnen den neuen Club und Juliane wusste sofort, dass dieser überhaupt nicht ihr Fall war. Die Musik war laut und schnell, die Lichter neonbunt und das Ambiente schrill und überdreht. Hier konnte man es wahrscheinlich nur aushalten, wenn man irgendwelche Pillen schmiss oder einen über den Durst trank. Ersteres war für sie uninteressant und letzteres kam heute nicht in Frage, da sie schließlich mit dem Auto dort war.
    Im Gegensatz zu ihr schien Susanne sich allerdings sofort pudelwohl zu fühlen. Ihr entfuhr ein begeistertes „wow“ und dann ein spitzes „klasse“. Anschließend suchten ihre Augen innerhalb von Sekunden den ganzen Raum ab, wie bei einer Raubkatze, die auf der Suche nach neuer Beute war. Plötzlich blieb ihr Blick an einer bestimmten Stelle hängen und sie griff mit ihren langen Fingernägeln nach Julianes Arm.
    „Da“, stieß sie aus. „Da drüben ist er.“






    Juliane folgte Susannes Blick und ignorierte gutmütig die Schmerzen, welche die spitz gefeilten Nägel verursachten, die sich in ihre Haut bohrten. Schließlich entdeckte sie einen braungebrannten, jungen Mann mit langen, dunklen Haaren. Er trug ein halboffenes Hemd zu einer weißen, recht engen Hose und stand ein wenig abseits der Tanzfläche. „DAS ist dein Traumtyp?!“ fragte sie ungläubig.
    „Ja“, hauchte Susanne verträumt. „Ist er nicht einfach himmlisch?“ Sie hatte Julianes abwertenden Unterton gar nicht wahrgenommen.
    „Na ja“, erwiderte diese leise. Sie wollte ihrer Freundin auf keinen Fall die Freude an diesem Mann nehmen. Auch wenn er überhaupt nicht ihrem Bild von einem Traumtypen entsprach, Geschmäcker waren ja glücklicherweise verschieden und dass dies bei ihr und Susanne zutraf, war schon lange kein Geheimnis mehr.
    Nachdem Susanne sich wieder gefasst hatte, zog sie Juliane an die Bar und bestellte sich etwas. „Ich muss erst was trinken, bevor ich meinen Angriff starte.“ erklärte sie. „Meine Kehle ist total trocken.“ Juliane gesellte sich zu ihr und bestellte eine Cola.



  • Die beiden nippten eine Zeit lang genüßlich an ihren Getränken und Susanne ließ ihren Traumprinzen dabei nicht aus den Augen. Nach einiger Zeit meinte sie: „Wir müssen jetzt tanzen. Mit meinem Hüftschwung werde ich ihn in meinen Bann ziehen.“
    „Alles klar“, willigte Juliane ein. Die Musik war zwar scheußlich, aber irgendwie musste sie aus dem Abend ja das Beste machen und beim Tanzen mit Susanne konnte man eine Menge Spaß haben. Außerdem tanzte sie selbst für ihr Leben gern.





    So begaben sich die Freundinnen auf die Tanzfläche. Hier war Susanne ganz in ihrem Element: gekonnt bewegte sie sich zum Rhythmus, ließ ihre Hüften kreisen und sah einfach bezaubernd aus. Juliane bemerkte bereits die ersten Blicke einiger umstehender Männer und sie konnte es ihnen nicht verdenken. Ihre Freundin war wirklich ein Blickfang mit den langen, dünnen Beinen, die in schwarzen Stiefeln steckten, dem kurzen Jeansrock, dem kecken Ausschnitt und den verführerischen kirschroten Lippen.
    „Er schaut schon rüber“, flüsterte Susanne ihr nach kurzer Zeit fröhlich zu.

    „Na, dann zeig mal, was du kannst“, feuerte Juliane sie an und das ließ Susanne sich nicht zweimal sagen.





    Ihre Blicke wanderten immer wieder zu dem jungen Mann herüber und nagelten die seinen geradezu fest. Beim dritten Blickkontakt lächelte sie ihn herausfordernd an und schaute danach unschuldig zu Boden. Das hatte gefruchtet.





    Keine Minute später stand er neben Susanne und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Diese nickte ihn strahlend an und warf Juliane einen vielsagenden Blick zu. Der Typ bemerkte sie daraufhin anscheinend, denn er drehte sich zu ihr um und lächelte sie an.
    „Hallo“, rief er ihr zu, um die laute Musik zu übertönen.

    „Hallo“, grüßte Juliane freundlich zurück.





    Dann kam er näher auf sie zu, um nicht ganz so laut sprechen zu müssen, und meinte: „Hi, ich bin Alessandro. Ich habe deine Freundin gerade auf einen Drink eingeladen und bevor wir dich hier ganz allein stehen lassen, würde ich dich auch gern einladen.“
    Juliane winkte lächelnd ab. „Nein danke. Das ist sehr nett, aber ich möchte lieber noch etwas tanzen.“ Das stimmte zwar nicht so ganz, aber natürlich wollte sie Susanne mit ihrer Eroberung nicht stören

    „Alles klar. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich deine Freundin für eine Weile entführe“, antwortete der braungebrannte Schönling, aber er wartete Julianes Antwort gar nicht mehr ab, sondern schnappte sich Susanne und verschwand mit ihr an der Bar.
    Juliane blickte ihnen etwas wehmütig hinterher. Susanne hatte ihr Ziel erreicht und nun stand sie selbst ganz allein auf der Tanzfläche in diesem miesen Club und tanzte zu noch viel mieserer Musik. Ihre Freundin würde sie so schnell nicht wiedersehen, denn wenn diese einmal ein Opfer gefunden hatte, dann ließ sie es solange nicht los, bis sie all das bekommen hatte, was sie von ihm wollte. Und bei Alessandro konnte das bis zum Morgengrauen dauern, wenn sie Susannes Interesse an ihm richtig einschätzte.
    Mit einem Blick auf die Uhr beschloss Juliane schließlich, sich auf den Heimweg zu machen. Susanne würde diese Nacht schon nicht allein unterwegs sein, da brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Und was sollte sie selbst noch hier? Sie hatte ihren Zweck erfüllt, Susanne war glücklich und die Müdigkeit kroch plötzlich merklich in ihr hoch. Also ging sie noch einmal schnell zur Toilette und begab sich dann zum Ausgang.
    Vor dem Club war nicht viel los. Mit raschen Schritten lief Juliane zum Auto. Der Weg zum Parkplatz war glücklicherweise nicht weit und recht gut ausgeleuchtet. Draußen war es ein wenig kühl, aber sehr schön. Die Nacht war sternenklar und hell.





    Juliane blieb kurz stehen und beobachtete die glühenden Punkte am Firmament. Die Natur faszinierte sie immer wieder und ließ oft ein unerklärliches, fast grenzenloses Gefühl des Glücks in ihr entstehen. Und auch jetzt wurde ihr erneut bewusst, wie zufrieden sie mit ihrem Leben war. Alles lief so, wie sie es sich immer erhofft hatte. Natürlich hatte sie auch stets dafür kämpfen müssen, aber diesen manchmal sehr hohen Preis hatte sie jedes Mal bereitwillig in Kauf genommen. Und schon bald würde sie dafür reich entlohnt werden. Mit einem erfolgreichen Abschluss standen ihr sämtliche Wege offen, und dass dieser Abschluss erfolgreich sein würde, dessen war sie sich ziemlich sicher.





    Mit sich und der Welt rundum zufrieden, begab sich Juliane schließlich auf den Rest des Wegs zum Auto. Doch wenige Meter vorm Ziel blieb sie plötzlich wie angewurzelt stehen. Auf der anderen Straßenseite lief jemand... jemand, der ihr sehr bekannt vorkam... mit blonden Haaren... das konnte doch nur... Felix! Ihre Gedanken überschlugen sich fast. Den merkwürdigen Besucher von gestern hatte sie durch den Stress des Tages total vergessen. Aber jetzt fiel ihr alles siedendheiß wieder ein. Was sollte sie tun? Unschlüssig blieb sie erst einige Sekunden wie vom Donner gerührt stehen. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Aber dann siegte schlussendlich ihre Neugier. Sie hatte nicht damit gerechnet, ihn so schnell wiederzusehen und diese Gelegenheit musste sie nun beim Schopf packen. Wie von der Tarantel gestochen rannte sie los und überquerte die Straße.





    „Felix!“ rief sie und fuchtelte wie verrückt in der Gegend herum. Die Autoschlüssel in ihrer Hand klirrten laut, aber er schien sie nicht gehört zu haben, denn er lief unbeirrt weiter. „Felix!“ rief sie erneut, diesmal noch kräftiger. Doch auch jetzt verhallte ihr Rufen im Nichts. Dann sah sie, wie er in ein Auto einstieg, das am Straßenrand stand und auf dessen Fahrersitz wohl jemand saß, der auf ihn gewartet hatte, denn sobald er die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, brauste das Auto davon.
    Fassungslos blieb Juliane stehen und sah dem Auto nach. Ihr Atem war schnell und kurz und verwandelte sich in weiße, neblige Schwader, sobald er aus ihrem Mund austrat. Sie zitterte am ganzen Körper, obwohl ihr eigentlich nicht kalt war. „Felix...“, murmelte sie noch ein Mal, ließ langsam die Hand sinken und fühlte sich plötzlich so leer wie noch nie.



  • Völlig einsam stand sie mitten auf der verlassenen Straße und in ihr machte sich eine große Enttäuschung breit, die ihren ganzen Körper erfüllte und die sie sich nicht erklären konnte. „Er hat mich nicht gehört“, schoss es ihr durch den Kopf. „Er hat mich nicht gehört. Und jetzt... ist er weg.“

  • Danke für den Kommi! :) Wenn Kinder Geschwister sind, können sie sich küssen.

  • Hallo!


    Also, ich finde deine FS auch ganz gut!
    Vielleicht könntest du die Schrift ein bisschen größer machen,
    sonst ist es so anstregend zu lesen! ;)
    Aber deinen Schreibstil finde ich auch sehr gut!
    Freu mich auf die Fortsetzung
    Liebe Grüße, Lapislazuli

    [CENTER]Love hurts...[/CENTER]

  • richtig coole Fs, dennoch würde ich mir wünschen es etwas lesbarer zu gestalten d. h. nich so viel um den heißen brei herum schreiben sondern etwas sachlicher zu sein und deine schrift sollte vielleicht noch größer werden...
    sorry das ich so viel negativ geschrieben habe, aber die Fs ist dir damals schon sehr gelungen...
    lg.