Kapitel 221
Eiligst nahm Barbara ihren Autoschlüssel zur Hand und verließ das Haus. Sie wollte
zurück sein, bis Pierre von der Schule kam. Sie stieg in ihren weißen Sportwagen und
fuhr rückwärts aus der Einfahrt heraus. Heute war der Tag, so hoffte sie, an dem sie
endlich mehr erfahren würde. Doch wie sollte sie es anstellen, dass die Brest ihr so
bereitwillig Informationen geben würde? Sie würde ja schlecht einfach fragen können,
ob sie Pierre vielleicht irgendwo anders her kannte oder wer den seine biologischen
Eltern waren. Sie hoffte, dass ihr im richtigen Moment das Passende einfallen würde.
Barbara legte den ersten Gang ein und fuhr los. Der Motor dröhnte laut auf.
Am Adoptionszentrum angekommen, bemerkte Barbara, wie sie immer nervöser wurde.
Sie schloß ihren Wagen ab, nachdem sie ausgestigen war und betrat das weiße Gebäude.
Sie kannte bereits den Weg zu Magdalena Brest, welches an dem kleinen Büro einer
Sekretärin vorbei führte. Diese nickte ihr freundlich zu und wies sie dabei an, direkt zu
Mrs. Brests Büro zu gehen. Seit dem letzten Besuch hatte sich nichts verändert. Nur eine
neue Pflanze stand an der, für Barbaras Geschmack, äusserst hässlichen Couchgarnitur.
Einmal noch tief durchgeatmet, dann hob Barbara ihre linke Hand und klopft an die Tür
zu dem kleinen Büro.
"Herein!" hörte sie die Stimme der Leiterin. Als sie das Zimmer betrat und die
schwarzhaarige Frau ihr entgegen kam, da wäre Barbara am liebsten umgekehrt. Doch
jetzt wollte sie es wissen. Es gab kein zurück! Der Raum war duster. Obwohl draussen
die Sonne schien. Magdalena Brest hatte einen braunen Hosenanzug an und einen
dünnen schwarzen Schal um ihren Hals gebunden, als wäre bereits der Herbst ausgebrochen.
In der Tat allerdings klang sie etwas verschnupft. "Guten Tag Mrs. Manson. Entschuldigen
Sie, wenn ich Ihnen nicht die Hand reiche, doch ich bin etwas erkältet. Unser Hausmeister
hatte es etwas zu gut gemeint und die Klimaanlage etwas zu hoch aufgedreht." Sie setzte
sich auf ihren Stuhl und deutete mit der Hand auf den ihr gegenüberliegenden, damit
Barbara dort platz nehmen konnte, was sie auch tat.
"Nun, Sie wollten mich sprechen? Ich gehe doch davon aus, dass es mit Pierre zu
tun hat?" Und ob, dachte Barbara nur wusste sie immer noch nicht, wie sie am besten
etwas aus dieser Frau herausbekommen sollte. Und was genau wollte sie eigentlich in
Erfahrung bringen? Am liebsten wäre es ihr, sie könnte in die komplette Akte von Pierre
hineinschauen, doch dies war natürlich unmöglich. "Mrs. Brest ich weis ja, dass mich
Pierre´s Vorleben eigentlich nichts angeht, doch..." Na super. Was für ein Anfang. Was
sollte sie nun fragen? Magdalena Brest sah sie erwartungsvoll an. "Freunde!" fuhr
Barbara fort. "Hat er denn noch irgendwo Freunde, die er vermissen könnte?" "Also,
wenn Pierre Ihnen nicht von irgendwelchen erzählt hat, dann weis ich leider auch nicht."
"Nun, ich hätte einfach gerne gewusste, ob es noch irgendetwas gibt, dass ich vielleicht
noch nicht über Pierre weis. Etwas, das er selber mir nicht erzählen kann, da er zu jung
war. Vielleicht etwas wichtiges, dass ich wissen sollte." Barbara war sich nicht sicher, ob
sie glaubhaft wirkte. Eine gute Schauspielerin war sie nie gewesen. "Eigentlich wüsste ich
da nichts, Mrs. Manson. Alles, was wichtig war, hatten wir schon erläutert."
Verdammt! Es klappte nicht und eine richtige Idee hatte sie auch nicht. Es sei denn....!
Sie würde wohl zu dem Klassiker der Tricks greifen müssen. Sie fing an ein gequältes
Gesicht zu machen. Als nächstes hielt sie sich die Hand an die Stirn. "Ist Ihnen nicht gut,
Mrs. Manson?" Barbara ließ nun ein leichtes Stöhnen von sich hören und um die ganze
Sache noch glaubhafter zu machen, stand sie zusätzlich noch von ihrem Stuhl auf
und blieb in einer leichten Beuge stehen.
"Mrs. Manson?" Verunsichert sah Magdalena Brest zu Barbara, die immer mehr in ihre
Rolle zu wachsen schien. "Geht es Ihnen nicht gut?" fragte die Heimleiterin. "M-mein
Kopf. Er tut plötzlich so schrecklich weh." "Kann ich denn irgend etwas für Sie tun?
Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser?" In diesem Moment fragte Barbara sich, was
sie mit dieser Aktion eigentlich bezwecken wollte, doch das Schicksal meinte es wohl
gut mit ihr, den sie hatte nicht gesehen, das die Brest hier irgendwo Getränke stehen
hatte. "Ja, bitte" flehte sie und hoffte, dass dies geschehen möge, worauf sie hoffte.
"Ich müsste Sie nur einen kurzen Moment alleine lassen. Leider habe ich hier kein
Wasser zur Hand." Und mein guter Likör, der im Schrank steht, bleibt mir, dachte die
Brest und erhob sich um den Raum zu verlassen. "Am besten Sie nehmen wieder Platz
und versuchen etwas zu entspannen" riet sie Barbara noch zu und ging durch die Tür
hinaus. Barbara schielte ihr grinsend hinterher. Jawoll!, dachte Sie sich. Nun brauchte
sie nur noch zu warten, bis die Brest auch den Vorraum verlassen hatte und dann war
sie allein!
Fortsetzung folgt...........