Mein Magen führt schon seit einiger Zeit Turnübungen aus und knurrt mittlerweile zum Gotterbarmen.
Wo Constantin und Claudine bloß so lange stecken? Wär’ ja ganz nett, wenn sich die zwei mal her bequemen, damit mein Magen endlich zu seinem guten Recht der Nahrungsaufnahme kommt!
Wieder geht die Tür auf … und wieder sind es nicht Constantin und Claudine! Ja, sag du mir…!
Als ich den Neuankömmling jedoch näher ins Auge fasse, ist mein drückendes Hunger- und auch mein latentes Wutgefühl wegen der langen Warterei auf einmal wie weggewischt. Was für ein Mann!
Eine Mischung aus Richard Gere und Johnny Depp – und eine äußerst gelungene dazu! Kantig geschnittenes Gesicht, ausdrucksvolle Züge und dazu diese dekorativ-ergrauten Strähnen im Haar – wetten, dass etwa 98 % aller Frauen über 20 beim Anblick dieses Unbekannten halb in Ohnmacht fallen würden?
Sein stahlblaues Augenpaar blickt mir neugierig, aber nicht ablehnend entgegen.
Ich sitze ohnehin schon viel zu lange hier rum, da kann ich ja auch gleich aufstehen und diesen Schnuckel mal begrüßen. Sieht nicht ganz unwichtig aus, dieser Typ – vielleicht kann der mir ja mal `nen heißen Tipp geben, wo meine Verabredung abgeblieben ist!
„Hallo! Können Sie mir sagen, wo….“?
Warum komm’ ich in letzter Zeit bloß so selten dazu, einen Satz fertigzusprechen? Auch Mr. Gere-Depp fällt mir ins Wort.
„Hallo! Du bist sicher Jaqueline!“
Ja, herrschaftszeiten noch mal! Ja, ich BIN Jaqueline! Ist das so wichtig wer ich bin? Interessiert mich doch eigentlich auch nicht, wer IHR seid! Ich will keinen Staatsempfang, ich will nur schnellstens hier verschwinden und endlich mal zu was Essbarem kommen!
Jetzt packt der Typ auch noch sein weißestes Hollywood-Lächeln aus und starrt mir direkt ins Gesicht!
Sind die denn alle verrückt geworden hier in dem Laden?
Als wär’ das noch nicht genug, ergreift Mr. Perfect nun auch noch völlig verzückt meine Hand und säuselt „Ja, du bist Jaqueline! Genauso hab’ ich mir dich vorgestellt?“
Ok! Ich bin’ anscheinend in der städtischen Klapsmühle gelandet!
Ich bin wie vor den Kopf gestoßen. Was hat das alles hier zu bedeuten? Warum wird hier nur herumgetuschelt und in Fragezeichen geredet?
Kann mich mal bitte jemand aufklären, bevor ich mir `ne Kettensäge suche und ein Massaker à la Texas veranstalte?!!!
Gerade, als ich mich zum nächsten Baumarkt aufmachen will, stürmt Claudine herein, begrüßt mich mit einem flüchtigen Kopfnicken und eilt auf den graumelierten Herrn zu.
„Na, Jonas? Wie findest du sie?“ mit einem Deut auf mich, die jetzt aber wirklich wie die verkörperte Verwirrung dasteht und es bereits aufgegeben hat, sich zu wundern.
Der Mann, der Jonas heißt, gerät ins Schwärmen.
„Haargenau richtig, Claudine-Schätzchen! Mit einigen kleinen Veränderungen würde sie perfekt den Typ darstellen, den wir suchen! Ich muss schon sagen, Claudine: Du hast wirklich ein gutes Auge dafür!“
Ich begreife, dass sie von mir sprechen, doch bevor ich mich einmischen und darüber aufregen kann, dass man über mich redet, als sei ich gar nicht anwesend, vollführt Claudine eine formvollendete 90°-Drehung und blickt mich erwartungsvoll an.
„Jaqueline-Süße, was hältst du davon, Model zu werden?“