"Das Liebesgeheimnis!" nach einem Roman von Sally Beauman

  • So ihr Lieben, am We komm ich leider nicht zum Schreiben, bin über Pfingsten in Dortmund.


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    Kapitel 14
    Reflexionen



    [B]Nick hat also endlich die Liebe entdeckt, denke ich. Na, da bin ich aber froh, wenigstens einer. Aber ich werde jetzt ganz bestimmt nicht über Liebe, oder ihre schlimme Zwillingsschwester, Sex, nachdenken, sonst trinke ich die Wodka-Flasche leer.[/B]





    Nein, lieber dringlicheren Themen zuwenden. Nick war "erschüttert", als er mich sah. Durch gutes Essen und klares Wasser gestärkt, ist nun der rechte Zeitpunkt gekommen, um den Grund dafür zu ermitteln. Ein Spiegel - ich brauche einen Spiegel. Ich stelle Nachforschungen an und entdecke dabei eine luxuriöse Garderobe neben der luxuriösen Küche.





    Die betrete ich und wappne mich gegen den Anblick meiner selbst. Wann habe ich zuletzt bewußt in einen Spiegel geschaut? Das muß eindeutig eine Weile her sein, denn nun blickt mir ein Wildfremder entgegen. Das gespenstische Wesen ist unrasiert. Es hat stumpfe Augen, wirre Haare und ist käsebleich. Der Bursche ist klapperdürr.





    Das weiße Hemd ist schmuddelig, die Fingernägel dreckig. Am allerschlimmsten, am schockierendsten aber ist die Tatsache, dass die geisterhafte Erscheinung einen goldenen Ohrring trägt. Wo, zum Teufel, kommt der her? Sah ich nicht irgendwann mal einigermaßen gut aus? Nicht so klasse wie Nick, aber doch ganz passabel. Ich starre mich an und denke: Großer Gott, ich entwickle mich zurück. Ich bin wieder zum Zigeuner geworden. So wie ich aussehe, gehöre ich in einen Wohnwagen, meine Roma-Gene kommen wieder zum Vorschein.





    Ich trete umgehend in Aktion. Ich kämme die Zigeunerhaare, schrubbe die Fingernägel, wasche das Gesicht mit heißem Wasser und Seife, woraufhin die Haut etwas Farbe bekommt. Und ich durchsuche meine Taschen, diesmal mache ich keine halben Sachen, diesmal ziehe ich es durch. Bringe die letzten Koks- und Speed-Reste zum Vorschein; ein paar zerbröselte weiße Stückchen, die Aspirin sein könnten, aber auch was anderes. Nehme Abschied von zwei blauen, ein paar roten und -was ist denn das?- einer Amylnitratkapsel.





    Das Mädchen, von dem ich die bekommen habe - was für ein Mädchen? Irgendein Mädchen in einem Club, bei einer Party vor etwa hundert Jahren -, hat mir verhießen, dass dieses Ding, wenn man es im kritischen Moment knackt und daran riecht, einen Orgasmus unglaublich verstärken und verlängern kann. Im Grunde ein Jammer, sich das entgehen zu lassen. Vielleicht könnte ich ... vielleicht sollte ich ... man weiß schließlich nie, wann man sowas mal gebrauchen kann ... Nein, diesmal mache ich tabula rasa. Der ganze Haufen, jede einzelne Pille, landet im Klo.





    Ich spüle, und - ob man´s glaubt oder nicht - der Pharmahaufen will sich nicht auflösen. Ich spüle noch mal. Nützt nichts. Die Bösartigkeit unbelebter Objekte ist doch wirklich legendär. Ich bedecke die ganze Chose mit ein paar Metern weißem Klopapier, spüle noch mal und flüchte vor dem grauenhaften Anblick.


  • Von Nick noch keine Spur. Ich streife durch die Küche. Weil ich nervös werde und mich von den Flaschen ablenken will, durchstöbere ich la Julias Küchenschränke: Hauptsache Zerstreuung. Hier gibts keine E-Codes auf den Packungen, das steht fest. Fünf Sorten Balsamico-Essig, acht Varianten kalt gepresstes Olivenöl. Gläser mit eingelegten Anchovis, Dosen mit Thunfisch, der nicht in Treibnetzen gefangen wurde, sechzehn unterschiedliche Pasta-Sorten, neun Arten getrocknete Bohnen und Linsen in hübschen Gläsern. Geräucherte Paprika, Laksa-Paste, madegassiche Vanillebohnen, getrocknete Pilze, Maulbeermarlmelade, Kapern, Kabeljauaugen, Haihoden, eingelegtes Igelhirn - alles, was teuer, selten oder gerade in ist, findet sich in la Julias Schränken. Vermutlich hat sie selbst erst dafür gesorgt, dass die Sache in ist.





    In der weit entrückten Vergangenheit, in der Julia noch mit mir sprach, habe ich mal eine Kampagne mit ihr gemacht. Sie hieß "so oder so".





    Es war eine klassische "Vorher-Nachher-Geschichte", aber mit einem Schuß postmoderner Ironie (das behaupten wir wenigstens, weil man mit dem Argument überall durchkam). In dem "Vorher-Teil" des Spots sah man, wie eine junge Schlampe irgendeinen namenlose widerliche Pampe aus einer Dose in einen schrecklichen Topf schüttet. Küche wie im Albtraum: dreckiges Resopal, kreischende Gören, fetter Ehemann mit Kippe im Mundwinkel und Revolverblatt vor der Nase. Diese Frau ist sichtlich als Mutter und Ehefrau eine Versagerin: Der Mann ist der klassische Kandidat für einen Herzinfakt, die Kinder werden als nächstes rumballern und Autos klauen - und alles nur, weil Mama sich keine Mühe gibt und nicht bereit ist, ein paar Pennys mehr auszugeben.





    Auftritt der Walküre im "Nachher-Teil": die schöne Julia, strahlend und gelassen, das Rheingold-Haar fällt schimmernd über ihre Schultern. Küche wie aus dem Paradies: rostfreier Stahl, Gatte mit dreiteiligem Anzug und sechsstelligem Einkommen, zwei höfliche Klonkinder in Schuluniformen und auf dem Herd ein Designertopf, in den Julia das Produkt gießt. Welches selbstredend in kompostierbarer Verpackung auf den Markt kommt und aus ökologischem Anbau stammt.





    Julia fand allerdings, dass es Schrott sei, und man mußte ihrem ohnehin satten Honorar noch einige Nullen anfügen, damit sie sich für den Spot hergab - womit ihre Bestechlichkeit endgültig bewiesen war.





    Sie können es so machen, hörte man Julia säuseln, während man die in Bälde verwitwete Schlampe mit der namenlose Dosenpampe zu sehen bekam. Oder sie können es so machen, fuhr sie fort, als die Traumküche für Yuppies im Bild war. Entscheiden Sie selbst, raunte sie, als der Gatte genießerisch an dem Produkt schnüffelte, ihr den Arm um die Taille legte und den graziösen Hals küsste, während Julia - die den ironischen Flirt mit der Kamera zur Kunstform erhoben hatte - uns allen einen vielsagenden langen Blick zuwarf, dem zu entnehmen war, dass ihr schmucker Gemahl heute Abend nicht nur in den Genuß eines Fertiggerichts kommen würde.





    Julia spielte beide Rollen. Die Maske hatte sich selbst übertroffen: Sogar gute Freunde von Julia erkannten sie in der Schlampenaufmachung erst, nachdem sie den Spot drei- oder viermal gesehen hatten. Und die Leute fanden das toll; es gab haufenweise Artikel - und damit Gratiswerbung - zu der Frage, wie uns diese überzeugende Verkleidung gelungen war.





    Die Verkaufszahlen stiegen rasant an. Wir hatten alle entscheidenen Punkte in einem Aufwasch erledigt: Sex, Snobismus, Satire und Schuldgefühle von Hausfrauen, und dieses ganze Geschütz in einem Spot aufzufahren, ist alles andere als leicht, was einem die Leute auch erzählen wollen. Julia wurde mit diesem Spot zum Star. Sie war aus dem Fernsehen bekannt und durch ihre Schönheit auch bei den Glossys beliebt. Aber bislang war sie immer als zu elitär rübergekommen, um wirklich einen Erdrutsch auszulösen. Nach diesem Spot fand jeder sie toll, und die Zuschauer konnten gar nicht genug von ihr kriegen. Lästerzungen hatten natürlich auch reichlich Stoff durch diese Kampagne, aber nicht einmal die konnten Julia etwas anhaben: Heutzutage erreicht man nur durch Klatsch und Skandale wirkliche Popularität. In der Öffentlichkeit reagierte Julia auf Attacken aller Art mit einem Lächeln. Schau nur, sagten die Leute dann, ist sie nicht toll? Sie ist umwerfend und kann noch über sich selbst lachen.



    -geht noch weiter-


  • Aber wenn sie nicht im Scheinwerferlicht stand, lachte Julia nicht darüber, sondern sie tobte vor Wut. Was ich deshalb so genau weiß, weil sie ihre Wut an mir ausließ. Sie war irgendwie zu dem Schluß gelangt, dass sie mit dem "so oder so" Spot zum Gespött der Leute gemacht werden sollte. Und sie war ferner der Ansicht, dass ich die Gerüchte über ihre Vergangenheit und ihre persönlichen Schwachpunkte in die Welt gesetzt hatte und für die derben Witze über sie verantwortlich zu machen sei. Kann sein, das Letzteres zutrifft, Ersteres hingegen nicht - ich stehe Nick viel zu nahe, um Gerüchte über Julia in Umlauf zu bringen. Aber ob ich nun dafür verantwortlich war oder nicht - Julia hatte mich jedenfalls im Visier. Und im Rückblick muß ich sagen, dass diese Kampagne alles veränderte. Danach wurde ich in die Verbannung geschickt. Ich verlor mein Selbstvertrauen und hatte keine Freude mehr an meinen Erfolgen, während Julia inzwischen an ihrer Karriere feilte.






    Sie war nicht bereit, sich mit einer angesagten Kochsendung zufrieden zu geben; sie war über den Journalismus und auch durch eine Portion Zufall in diese Medienwelt geraten. Nachdem sie jahrelang die richtigen Leute zum Abendessen eingeladen hatte, gab man ihr eine Pilotsendung und eine Serie, und sie war ein Star. Als sie durch die Werbung entgültig etabliert war, baute sie ihre Karriere in andere Richtungen aus. Julia war der erste Mensch, der in meiner Anwesenheit das Wort "Lifestyle" von sich gab, und das auch noch, ohne rot zu werden. Und das blieb ihr Thema. Wenn man heute ein paar hunderttausend übrig hat, kann man sich eine von Julias Firmen kommen lassen, um das Haus einzurichten. Wenn man nicht in dieser Liga spielt, auch kein Problem: Man kann sich Stoffe oder Geschirr aus ihrer Produktion kaufen. Es gibt eine batterie de cuisine von Julia Mortland, und wenn man ganz arm dran ist, kann man sich immerhin noch mit JM-Wandfarbe zufrieden geben: fünfundsiebzig Schattierungen von Eierschale. Es ist widerwärtig.





    Ich starre Julias Wände an. Julia ist ein Markenartikel. Sie ist quasi Millionen wert. Ihre Farben haben alle raffinierte Namen. Sie heißen Drosselkehle oder Reiherflügel. Wenn ich mich nicht sehr irre, ist das hier Feldlerche.





    Wie viele Lerchen schwirrten über den Feldern meiner Kindheit? So viele wie es Blätter im Herbst gab, scheint mir. Nun sind sie alle verschwunden wie der Dodo: Ich habe nicht einen einzigen gesehen in Wykenfield, in all den Monaten, in denen ich meinen Vater betreute. Keine Lebensräume mehr? Zu viele Pestizide? Ich kenne das Gefühl. Hector McIver hat seine Felder im letzten Sommer fünfmal mit Pestiziden besprüht. Andererseits können Gifte aller Art auch ganz nützlich sein. Ich klopfe meine Taschen ab. Ich starre auf die Obstschale. Soll ich es wagen, einen Pfirsich zu essen? Soll ich es wagen, einen Zigarette zu rauchen? Ich finde, ja, sogar in Julias geheiligten Räumen: Ich werde jetzt ruhelos, und ich muß irgendwie um die Flaschen rumkommen. Raus mit den Kippen. Gott sei Dank habe ich die nicht auch weggeworfen.






    Rauch in die Lunge ziehen: fühle mich sofort besser. Ich stöbere weiter herum und entdecke - eine Schatzgrube.
    Neben einer blitzsauberen Waschküche stoße ich auf ein wohlorganisiertes Memo-Brett mit Klebezetteln unter der Überschrift: SOFORT! Ich studiere sie.
    Perpetua - Tom zur Mathenachhilfe bringen. Juanita; Böden polieren! Reinigung! Wäsche! Tierarzt anrufen! Fensterputzer anrufen! Perpetua - bitte Toms Schränke aufräumen! Ich füge einen eigenen hinzu: Julia, Vorsicht! Dein Mann will dich verlassen!
    Den klebe ich in die Sparte ganz oben, die mit SOFORT! überschrieben ist. Dann überlege ich es mir anders und zerknülle den Zettel. Wie soll ich dieses belastende Beweisstück nun loswerden? Aufessen vielleicht? Nein, ich verbuddele es unter Eierschalen in dem duftenden Müllsack im schön sauberen Abfalleimer. Dann zieht es mich mit Macht zurück zu dem Memo-Brett, denn da sind auch Fotos angesteckt. Ich betrachte sie eingehend: einige von Nick und Tom, älteren Datums. Einige von Tochter Fanny, und die sind echt alt, denn darauf sieht sie genauso aus wie vor neun Jahren: ein kritisch blickendes Mädchen mit Brille.


  • "Hi, Fanny, wie geht´s dir so?", fragte ich sie damals bei der Taufparty. Die anderen vierzig Gäste nahm ich kaum wahr, nur die wunderbare Finn, die mit Nick und ihrem Exgatten Lucas sprach.
    "Besser als dir jedenfalls", antwortete Fanny. "Das ist dein fünftes Glas Wein in einer halben Stunde. Ich hab mitgezählt."
    Das fehlt mir gerade noch, dachte ich: eine vorsitzige Elfjährige. "Du hast Recht, Fanny", erwiderte ich. "Ich bin eben nervös."
    "Das bist du doch immer. Hör auf, dich wegen Finn verrückt zu machen, und rede lieber mit ihr. Den Nicey-Spicey-Spot fand ich toll, vor allem die tanzende Gewürznelke. Echt super."
    "Danke Fanny. Wie läuft´s in der Schule?"
    "Gott, bist du blöde", erwiderte sie. "Ein echter Volltrottel!"
    Abgang Fanny. In der Pubertät passieren die sonderbarsten Dinge mit den Leuten. Ich starre auf das Brett. Bilder von Julia, auch eines mit Lucas bei der Vernissage seiner Retrospektive ... und dann, der Gral, nach dem ich gesucht habe. In einer Ecke, fast versteckt unter dem Wust von Klebezetteln: Ein Foto von Finn.





    Ich wußte, dass irgendwo eines sein mußte - sie ist schließlich Julias Schwester. Finn ist zur Frau geworden, und dann der erste Schock: Sie hat ihre schönen Haare kurz schneiden lassen, und sie sind hell und ausgebleicht von der Sonne Afrikas. Sie trägt weite Khaki-Shorts und ein T-Shirt; ihre langen Beine sind braun, und sie wirkt dünner, als ich sie in Erinnerung habe, obwohl sie immer schon sehr schlank war. Sieht sie älter aus? Schwer zu sagen; sie trägt eine dunkle Sonnenbrille.





    Sie steht bei einer Gruppe schwarzer Kinder, die ängstlich in die Kamera schauen; wer hat dieses Foto gemacht? Sie stehen irgendwo im Niemandsland, im Busch - könnte in Botswana sein, in Mosambik oder Äthiopien oder wo Finn gerade im Einsatz ist. Sie hat ihr Literaturstudium in Cambridge aufgegeben, als sie Lucas heiratete. Nach dem Verlust ihres Kindes und nach der Scheidung setzte sie ihre Ausbildung fort, machte ihren Doktor in - ausgerechnet - Agrarökonomie. Seit sie England vor neun Jahren verließ, arbeitet sie für irgendeine Abkürzung - und mir will nicht mehr einfallen, wie sie hieß: WHO?





    Sie ist Expertin für Dinge, von denen ich nicht das Geringste verstehe: Bewässerung, Wasserreinigung, Bilharziose, Impfprogramme, UN-Mittel und landwirtschaftliche Förderung in der Dritten Welt. Sie macht ihre Sache gut. Sie arbeitet an Orten der Welt, an denen ich noch nie gewesen bin, hat kein zweites Mal geheiratet und schickt mir Karten mit Rotkehlchen zu Weihnachten. Ich weiß nicht, wo sie ist, und ich weiß auch nicht mehr, wer sie ist - und diese aufgezwungene Unwissenheit (sie beantwortet meine Briefe nicht) schmerzt mich, tut mir körperlich weh. Meine Brust tut weh. Als ich das Bild betrachte, fällt mir das Atmen schwer: Liebe und Verlust verursachen wirklich Schmerzen am Herzen, stellte ich fest. Sie klemmen die Aorta ab; ich muß daran denken, wenn ich das nächste Mal mit Zynikern rede.




    Meine Finn gibt es nicht mehr - als ich dieses Foto sehe, begreife ich das endlich. Wenn ich an Finn denke und von ihr träume, wenn ich aus hitzigen Träumen und schönen Vorstellungen erwache und einen seligen Moment lang im Dunkeln glaube, dass sie bei mir sei, dass ich sie berühren kann, dann habe ich es mit einem Geist zutun. Denn ich sehe Finn immer vor mir, wie sie vor zwanzig Jahren war, ein bezauberndes Mädchen, das sich vor nichts und niemandem fürchtete. Heute ist sie eine Frau Doktor mit kurz geschorenen Haaren und einer anderen Identität. Sie hat sich weiterentwickelt; ich habe mich zurückentwickelt. Es ist also nicht erstaunlich, dass sie meine Briefe nicht beantwortet, auch wenn sie mit viel Feingefühl geschrieben sind; warum soll sie die Bitten eines vierzehnjährigen Mittvierzigers erhören?





    Ich klaue das Foto. Keiner wird es vermissen, und falls doch, ist es mir einerlei. Ich brauche es nötiger als Julia. Ich stecke es ein, und weil Nick noch immer nicht wieder da ist - was, zum Teufel, treibt er so lange -, beschließe ich, den Kaffee selbst zu kochen.





    Etwas so großartiges wie Rührkaffee lässt sich in dieser Küche nicht auftreiben; weit und breit keine Spur von meinem geliebten Nescafé. Aber es gibt eine Espresso-Maschine. Da ich technische Geräte aller Art hasse, nähere ich mich dem Ding mit Misstrauen. Es hat mehr Hebel, Ventile und Knöpfe als eine dieser Maschinen auf der Intensivstation und verfügt über Diagramme zum Gebrauch, die für Dreijährige entworfen zu sein scheinen. Für mich wäre es einfacher, Linear B oder den Enigma-Code zu entziffern, aber irgendwann kapiere ich es. Ich gieße Wasser in eine vielversprechende Öffnung und im Morgengrauen gepflückten, organisch angebauten Freihandelskaffe in eine andere. Dann drücke ich ein paar Knöpfe, und es tut sich was. Houston, wir starten. Es gurgelt und blubbert verheißungsvoll - und dann höre ich noch andere Geräusche. Ein Tuckern, und, Schei*e, die Haustür wird aufgeschlossen.

  • Ich bin ja ein wenig enttäuscht von Euch, aber ihr bekommt trotzdem noch Stoff bis Montag. Da wir doch erst morgen fahren, kann ich noch was schreiben *gg*


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    Nick hat das Taxi offenbar auch vorfahren hören. Er kommt in die Küche geschossen, bevor Julia den Schlüssel aus dem Schloß ziehen konnte. Früher zu Hause. Auf frischer Tat ertappt. Nick und ich brauchen nichts zu sagen - wir sind uns über unsere missliche Lage vollauf im Klaren. "Julia hat morgen früh Drehbeginn der neuen Serie - es ist in der Stadt, sie wird um sechs abgeholt", raunt Nick, als ich zur Treppe husche. "Ich ruf dich an, wenn ich zum Krankenhaus aufbreche, um halb sieben. Oder ist das zu früh?"





    "Und keine Pillen mehr, Dan", fährt er fort, als wir die Treppe hinauflaufen. "Kein Dope, kein Alkohol, gar nichts - und morgen früh lassen wir uns was einfallen. Versprichst du´s mir?" "Ich versprech es dir. Felsenfest. Ehrenwort. Ich hab sowieso nichts mehr."
    Nick und ich, ein Zwei-Mann-Trupp auf gefährlicher Mission. Wir hätten Funkstille halten sollen, denke ich. Ob Julia uns gehört hat? Bestimmt. Sie ist wie eine weibliche Radarsonde.





    Die Begegnung erfolgt in der Diele und ist kurz und knapp. Julia kann gerade mal ein vernichtendes Lächeln aufsetzen und mich flüchtig auf die Wange küssen. "Dan - das ist ja eine tolle Überraschung", ruft sie aus. "Du gehst doch nicht etwa schon, oder?" Gut gezielt: die volle Ladung mitten ins Gesicht. Fünf Sekunden - und ich bin vor der Tür. Sie hat keine Sekunde vertrödelt.





    Die Tür fällt zu, und ich spaziere davon, betrachte dabei die anderen Häuser in dieser vornehmen Wohnanlage. Als Nick und ich damals in unserer Studentenbude in der Nähe wohnten, gab es hier nur heruntergekommene Pensionen; jetzt schreit förmlich jedes Oberlicht "Sanierung". Ich tappe diese triste Straße entlang - da fällt mir ein Aktenkoffer ein.





    Habe ich ihn in der Diele oder in der Küche stehen lassen? Ich husche zurück, bleibe zögernd auf der Treppe stehen. Eine Ewigkeit starre ich grimmig auf die beiden lutscherförmigen Lorbeerbäumchen in Töpfen - die sind aber nicht stilecht, Julia. Als ich mich endlich entschließe, an die unheilvolle Tür zu klopfen, geht direkt unter mir ein Schiebefenster auf. Zigarettenrauch weht herauf, und ich höre Julias Stimme. "Du hast ihn wahrhaftig hier allein gelassen?", fragt Julia. "Bist du noch recht bei Trost? Ich kriege keine Luft mehr hier drin. Das ganze Haus stinkt nach Rauch - und ich hab es sofort gerochen, als ich reinkam. Wirklich, besten Dank auch, Nick, er hat hier rumgeschnüffelt, meine Schränke aufgemacht, das Zeug an meinem Memo-Brett verschoben. Wie konntest du den hier reinlassen? Sag mir, dass du ihn wenigtens von Tom fern gehalten hast."





    "Er hat Tom nicht mal gesehen. Ich war bei Tom, deshalb habe ich Dan überhaupt alleine gelassen. Tom hatte wieder einen Albtraum, und ich war höchstens zehn Minuten bei ihm. Reg dich ab - das ist doch lächerlich."
    "Wo hast du ihn getroffen? Ich kann es einfach nicht fassen. Hast du dich mit ihm verabredet?"
    "Nein. Ich bin ihm zufällig am Piccadilly begegnet. Ich kam gerade aus dem Krankenhaus und wollte zu Hatchards, ich brauchte noch ein Buch."





    Interessant, denke ich und beuge mich eifrig lauschend über das Geländer; Nick kann also lügen. Und zwar flüssig, ohne zu zögern. Warum will er Julia verheimlichen, dass er sich Lucas´Retrospektive angeschaut hat? Warum hat er das so routiniert vorgebracht? Der ehrbare Nick hat es sich doch wohl nicht zur Gewohnheit gemacht, seine Frau anzulügen? Aber da fällt mir ein, dass er auch mir nicht die Wahrheit gesagt hat, was die Ausstellung betraf.



  • "Warum hast du ihn hier her gebracht? Was hast du dir dabei gedacht, Nick? Du kennst ihn doch. Er macht alles kaputt und zerstört alles, was ihm unter die Finger kommt ... "
    "Julia, er hat eine Pechsträhne; er hat keinen Job, sein Vater ist kürzlich gestorben, und es geht ihm nicht gut. Er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen und nichts mehr gegessen. Was hätte ich denn tun sollen?"
    "Lieber Himmel, mir ginge es auch nicht gut, wenn ich zugekokst wäre bis unters Schädeldach. Bestimmt hat er dir eine rührselige Story aufgetischt - da ist er gut drin. Wieso durchschaust du das nicht? Er war immer ein doppelzüngiger Lügner. Er ist ein grässlicher Mann, und er war auch schon als Junge grässlich - Finn ist er nachgelaufen wie ein herrenloser Hund, bei Großvater und Stella hat er sich eingeschmeichelt, und dann wohnte er in diesem ekligen Saustall mit dieser alten Hexe von Großmutter. Diese beiden waren ewig am Schnorren. Sie hat alles Mögliche geklaut - Essen, Kleider, Briefpapier, was auch immer. Sie war echt dreist. Auf Bücher war sie besonders scharf. Einmal hab ich sie mit einem ganzen Arm voll in der Bücherei erwischt, und weißt du, was sie da zu mir sagte? Sie hat behauptet, Großvater hätte sie ihr geliehen. Gott, diese Kreatur konnte nicht mal englisch sprechen, geschweigedenn lesen."





    "So was nennt man Armut, Julia. Du kannst Dan wohl kaum für die Lebensumstände seiner Großmutter verantwortlich machen."
    "Ja, ja, schon gut - schau nur nach, ob das Silber noch da ist. Oder ob du noch Whisky hast. Mit leeren Händen ist der Kerl bestimmt nicht verschwunden. Irgendwas hat er auf jeden Fall geklaut, das weiß ich ganz genau. Oh, ich sehe, du hast ihm was zu Essen gemacht. Toll. Echt klasse. Hat er inzwischen bessere Tischmanieren? Oder hält er das Messer immer noch wie ein Stift und redet mit vollem Mund?"
    "Großer Gott, Julia. Sprich leiser. Du weckst ja Tom wieder auf."





    "Ich rege mich eben auf, zum Teufel. Ich finde die Vorstellung widerwärtig, dass er sich hier aufgehalten hat. Ich warne dich: Wenn du das nächste Mal den Samariter spielen willst, lass es lieber bleiben. Dan hat in deinem Leben nicht zu suchen, er macht allen Leute nur Scherereien und bringt Unglück. So war er immer, und so wird er auch immer bleiben. Frag doch Finn. Denk an Maisie. Wenn Maisie nicht soviel Kontakt mit ihm gehabt hätte und er ihr nicht diese ganzen elenden Geschichten erzählt hätte, wäre der Unfall nie passiert."


    "Das ist doch albern. Was mit Maisie nicht stimmte - und das war eine ganze Menge -, hatte nichts mit Dan zutun. Maisie war krank, sieh´s, wie es ist, Julia."





    "Und was er mir angetan hat, spielt auch keine Rolle? Diese Kampagne damals? Das war ein typisches Beispiel für die Machenschaften des lieben Dan. Der Dreckskerl hat mich reingelegt. Monatelang haben sich die Leute über mich lustig gemacht. Und dann hat er diese bösartigen Gerüchte über mich in die Welt gesetzt."
    "Die gab es vorher schon. Halte dich wenigstens an die Tatsachen."


    "Dann halte du dich auch an die Tatsachen. Wenn du nämlich nicht so blind wärest, würdest du sehen, wie er wirklich ist. Er ist ein verschlagener, verlogener arriviste - er ist Abschaum. Er macht überall nur Streß, er ist drogensüchtig, und ich werde nicht zulassen, dass er auch nur in die Nähe meines Sohnes kommt. Fertig aus."





    "Er ist Toms Pate. Und mein Freund. Mein ältester Freund."
    "Dann lass ihn fallen. Alle anderen haben´s schon getan."
    "Vielleicht lege ich keinen Wert darauf, das zutun, was alle anderen tun. Dabei sollten wir es jetzt belassen, finde ich."
    Nicks Tonfall ist eisig.





    Einen Moment lang herrscht Schweigen. "Herrgott, was bist du doch für ein gigantischer Starrkopf", faucht Julia. Dann fragt sie beunruhigt: "Was ist das für ein Geräusch?"


    Ich höre es jetzt auch - etwas hat schon während des Streits im Hintergrund gerasselt und geächzt, doch jetzt sind die Geräusche lauter geworden. Erschrockene Ausrufe, dann plötzlich starker Kaffeegeruch und ein Aufschrei von Julia. Ein Rumpeln wie bei einem Erdbeben. Houston, wir haben ein Problem.





    Die Espressomaschine explodiert. Sie scheint förmlich in die Luft zu fliegen. Es knallt fürchterlich. Ich bleibe auf der Treppe stehen, um mich zu vergewissern, dass niemand verletzt wurde, dann schleiche ich mich davon wie ein geprügelter Hund.
    Der Aktenkoffer ist nicht so wichtig, beschließe ich. Er diente ohnehin nur als Requisite - und war leer.

  • Kapitel 15
    Die Liebe-Sex-Misere




    [B]Ich schleiche nach Hause. Tappe die Upper Street entlang und trauere um Großmutter, die Essen für mich mitgehen ließ, Bücher für mich klaute. Wir hatten ein einziges Buch zu Hause, die Bibel. In der Bibliothek der Abtei standen zweitausend - Maisie und ich haben sie mal gezählt.[/B]





    Ich betaste das Foto von Finn in meiner Tasche. Am Kreisverkehr an der Highbury und Islington überquere ich die Straße - der geeignete Ort, sich von einem Sattelschlepper überfahren zu lassen; es ist ziemlich schwer, das hier zu vermeiden.





    Ich trete den öden Marsch durch die Highbury Fields an, die keinerlei Ähnlichkeit haben mit den Feldern meiner Kindheit. Die Wiesen von früher sind heute ein Stadtpark mit trüben Laternen und aufgeplatzten Asphaltwegen, auf den Rasenflächen liegt überall Hundekacke. Alle zwei Meter steht ein Verbotsschild: Skaten verboten, Radfahren verboten, Hunde an die Leine nehmen, Hunde dürfen nicht hinkacken. Bestimmt kommen demnächst Schilder mit Aufschriften wie: Mord verboten, Raubüberfall verboten, Sexdelikte verboten.





    An der Straßenecke vor meinem Haus lungert eine Horde Jugendlicher mit Kapuzenshirts herum. Sie sind immer da; mal sind es mehr, mal weniger, aber weg sind sie nie. Es läßt sich schwer sagen, was sie da eigentlich treiben - und ich habe in den letzten Wochen ziemlich viel Zeit damit zugebracht, sie zu beobachten, da ich nichts zutun hatte, außer Anrufe zu machen, auf die keiner reagiert, über Rasierklingen zu sinnieren oder meinen Lebenslauf neu zu schreiben.





    Warscheinlich dealen sie mit Drogen; vielleicht hängen sie aber auch einfach nur rum. Einer von ihnen - der mir der Boss zu sein scheint, er heißt Malc - hat sich kürzlich eines von diesen protzigen Handys zugelegt, die man immer bei den Bankern sieht. Es ist so groß wie ein Ziegelstein und scheint inzwischen mit seinem Ohr verwachsen zu sein. Mit wem redet er bloß?





    Ich mache Fortschritte mit Malc. Werde sozusagen von ihm befördert. Früher hat er mich aggressiv angeglotzt, nun schaut er einfach nur her. Als ich diesen Nachmittag positiv gestimmt zu dem Wunderbar-Fiasko aufbrach, hob ich im Vorbeigehen die Hand und sagte: "Hi, Malc". Woraufhin er die Faust hob und "Yo, man" erwiderte. Er hat mich zum ersten Mal offiziell zur Kenntnis genommen. Und er war der erste Mensch seit fünf Tagen, der mich angesprochen hatte. Ich war ihm dankbar.





    Ich lerne schnell. "Yo, Malc", krächze ich, als ich mich in dem gruftigen Licht von der Seite nähere und mich frage, ob Malc und seine Jungs mir jetzt die Arbeit mit den Rasierklingen abnehmen werden. Malc gibt einen animalischen Laut von sich, und seine Kapuzen-Kumpel - betrachte sie einfach als Mönche, sage ich mir - kriegen sich nicht wieder ein. Sie klatschen sich gegenseitig ab, machen anzügliche Gesten und lachen sich halb schlapp. Malc hatte gesagt "hassesuch", was ich nicht so schnell deuten konnte, aber schließlich komme ich dahinter: Er wollte mir mitteilen, dass ich Besuch habe.





    Sehr komisch, Malc. Das Leben ist zwar eine Party, und ich habe ja ständig Besuch von den Mülleuten, die an die Tür klopfen, und dem Milchmann, der einmal die Woche vorbeischaut, aber heute Abend bin ich nicht in Stimmung für Gäste. Eher in Stimmung, den Kopf in den Gasofen zu stecken. Julia hat immer diese Wirkung auf mich. Es ist nicht gerade erheiternd, wenn man sich anhören darf, wie grässlich und grob und widerwärtig man ist. Am liebsten würde ich zurückgehen, an die Tür klopfen und verkünden: Ich bin jetzt ganz anders, Julia. Keine gute Idee. Ich spüre wieder diesen Schmerz in der Brust.


  • Ich lege das letzte Stück Weg zu meinem Haus zurück. Mein wirklich großes Haus, das ich auf Speed gekauft habe, als ich nicht recht bei mir war; mein heruntergekommenes Haus, für das ich viel zu viel bezahlt habe, ein paar Sekunden, bevor die Immobilienpreise in den Keller fielen; mein unrenoviertes Haus, das ich vor zwei Jahren unbedingt haben wollte; mein Haus - fünf Stockwerke, die mir meine Selbstüberschätzung vor Augen halten. Mit einer Hypothek belastet, die sich mit den Schulden der Dritten Welt messen kann; steigende Zinssätze, mit den Zahlungen im Rückstand ... die Pfändung droht, aber auf diesem Wege werde ich es dann endlich los. Demnächst bin ich bankrott, aber das geht schon klar. Ich war schon auf wichtigeren Ebenen bankrott, ich kann damit umgehen.





    Neben dem Tor steht das jüngste Schild mit der Aufschrift "zu verkaufen". Einer der vielen Irren aus der Gegend hier hat was gegen solche Schilder und führt Krieg gegen sie. Sobald wieder irgendwo eines steht, hackt er es ab. Dieses hier stand volle vierundzwanzig Stunden, eine Rekordzeit. Aber jetzt mußte es dran glauben und lehnt an der Gartenmauer und - was ist das? Ich habe tatsächlich Besuch. Ich bleibe verdattert stehen. Auf der Mauer sitzt eine junge Frau, die sich vor nächtlichen Bedrohungen wie Malc und Konsorten nicht zu fürchten scheint. Ein Mädchen, und zwar ein hübsches Mädchen, soweit ich das im Licht der Straßenlaternen erkennen kann. Sie ist wie eine exotische Straßenkämpferin aufgemacht, wirkt aber ruhig und zurückhaltend.
    "Na endlich", sagt sie und springt von der Mauer. "Ich warte schon seit über einer Stunde auf dich, Dan."





    Das scheint ihr Kummer bereitet zu haben. Aber ich habe dieses Mädchen noch nie gesehen. War ich mit ihr verabredet? Ausgeschlossen. Mein Leben ist seit einem Jahr verabredungsfreie Zone, wenn man von Ärzten, Bestattern und Wunderbar absieht. Sie steigt hinter mir die Treppe hinauf und manövriert sich irgendwie durch die Haustür. Ich schließe sie hinter ihr, während Malc und seine Mannen draußen johlen, schalte das Licht ein und nehme die Besucherin in Augenschein.





    Sie blickt mich etwas kurzsichtig an und scheint nicht die Absicht zu haben, mir auf die Sprünge zu helfen. Doch dann taucht ganz verschwommen eine Erinnerung auf, die mich nicht eben mit Behagen erfüllt. Ein Club oder eine Party, vor etwa huntert Jahren. Stroboskopblitze, das man zum Epileptiker werden konnte, Alkohol und Koks im Überfluss. Trance, House und Techno. Mich beschleicht das unangenehme Gefühl, dass getanzt wurde - und das noch peinlichere Gefühl, dass auch ich getanzt habe. Damals war sie wie ein Nymphchen aufgemacht, heute Abend eher wie eine laszive Kickboxerin, aber doch, ja, sie ist es. Das Amylnitrat-Mädchen.





    Hat sie einen Namen, diese Magierin, diese Circe, die mich mit dem Zauberstoff für den verlängerten Orgasmus ausgestattet hat? Ich glaube ja, irgendeinen jungenhaften ehrlichen Namen - und plötzlich ist er wieder da: "Frankie", sage ich und eile hinter ihr her. Dieses Mädchen vergeudet keine Zeit, sie ist schon ins Wohnzimmer geschlendert und betrachtet die Sachen auf meinem Kaminsims. "Frankie, es ist irgendwie kein günstiger Zeitpunkt ... "





    Oder sowas in der Art. Der genaue Wortlaut spielt keine Rolle, denn die Amylnitrat-Nymphe hört mir sowieso nicht zu. Sie betrachtet eingehend diese Objects: eine chinesische Elfenbeinkugel und ein alter Buchgutschein. Sie nimmt beides in die Hand, betrachtet die Sachen und blickt mich fragend an. Nach einer Weile scheinen meine Worte bei ihr anzukommen. "Doch", erwidert sie. "Es ist sogar ein sehr günstiger Zeitpunkt, Dan. Ich habe heute Abend das Tarot gelegt, und die Karten waren echt eindeutig?"





    Sie hat sich zwei Patzer in einem Satz geleistet. Es gibt ein paar modische Marotten, die ich auf den Tod nicht ausstehen kann: Die eine ist diese verblödete aus den USA importierte Angewohnheit, Aussagen so klingen zu lassen, als seien sie Fragen. Die andere ist der Gebrauch von Füllwörtern wie "echt". Ich weiß, das ich pedantisch und antiquiert und verbissen und bedauernswert bin - aber, verflucht, ich arbeite mit Wörtern, oder habe es wenigstens getan, und Sprache ist mir wichtig. Der Pedant in mir sollte das Mädchen also nach Hause schicken, und zwar echt sofort. Andererseits sieht sie aus, als verkneife sie sich ein Lächeln, und ihre Augen funkeln ziemlich vergnügt, vielleicht hat sie das also mit Absicht gemacht, um mich zu ärgern; dann muß sie über diese Ansichten von mir im Bilde sein, das heißt ... ich muß mit ihr darüber geredet haben.





    Schlagartig mache ich mir wirklich Sorgen. Was habe ich ihr sonst noch erzählt? Und was habe ich getan? Ich habe das Gefühl, dass unsere Begegnung sich auf diesen Club und diese Tanzfläche beschränkte. Aber ich kann mich nicht mehr auf mein Gedächtnis verlassen, das manchmal beschönigt und einzelne Sequenzen rausschneidet. Vielleicht lief da noch mehr. Vielleicht sind wir zusammen irgendwo gegangen, wo es zu Vertraulichkeiten kam ... wie zum Beispiel Äußerungen über mein Sprachgefühl und Offenbarungen über meine verstorbene Großmutter und ihre Tarotkarten.



    -geht nachher noch weiter-

  • Grüß dich .. Da ich ja nicht mehr grübeln darf, bin ich froh, wieder eine Fortsetzung zu lesen. Schon langsam kommt ja immer mehr auf, was damals passiert ist. Allerdings werden auch immer mehr neue Fragen aufgeworfen ..


    Aber wie immer super geschrieben. Man könnte meinen, live dabei zu sein.

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    ~~ Das LESEN ist die Möglichkeit, die Realität verblassen, und seinen Geist im Universum und der Zeit wandern zu lassen ... ~~[/CENTER]

  • Cyber19: Na, da warste wohl schneller als ich *g* Meinetwegen darfste gerne grübeln, wenn es dir dadurch besser geht *fg*


    ----------------------------------



    Das gefällt mir alles nicht: Wie sind wir von der Sprache und den Tarotkarten zu dem Amylnitrat gekommen? Ich sehe da keine Verbindung. Wie kamen wir auf Orgasmen? Wir haben ja wohl kaum ... ich kann doch nicht ... du lieber Himmel, das ist ein junges Mädchen. Ich weiß nicht, wie alt sie ist, aber jedenfalls zu jung für einen Mann meines Alters. Sie hat etwas Lolitaartiges, und ich bin schließlich nicht Humbert Humbert. Vierzehn oder Achtzehn? Ich bin nicht in guter Verfassung, und meine Synapsen verweigern den Dienst, ich komme nicht dahinter. Das sie stark geschminkt ist, macht das Raten auch nicht einfacher, aber sie könnte wohl meine Tochter sein, und auch vor Thailand, vor Tokio, als ich ihre Bekanntschaft gemacht habe und unterwegs war wie eine Flipperkugel, auch damals habe ich mich doch wohl an gewisse Verhaltensregeln gehalten. Oder etwa nicht?





    Der Raum vernebelt sich. Alles scheint in Zeitlupe abzulaufen, wie bei einem Autounfall. Ich versuche das Gesicht des Mädchens zu studieren. Ihr Gesicht beschäftigt mich. Ihr Gesicht und ihr Körper. Sie hat eine sehr hübsche Figur und ein intelligentes Gesicht, und außerdem liegt eine Botschaft in ihren ausgesprochen aparten Augen. Morsezeichen scheinen aus diesen grünen Augen zu strömen - eine Zeichenflut.
    Du meinst doch wohl nicht, was ich glaube, oder?, morse ich zurück. O doch, lautet die Antwort.





    Ich starre das Mädchen eine Ewigkeit an. Starre auf die Sachen in ihrer Hand. Ihr Gesichtsausdruck ist beredt; sie hält meine Vergangenheit in Händen, und dieselbe brüllt laut. An dieser Stelle war ich schon mal, fällt mir auf. In solche Klemmen bin ich öfter geraten, aber vor zwei Jahren konnte ich damit noch umgehen; heute nicht mehr. Wenn ich vor zwei Jahren um vier Uhr nachts in einem fremden Zimmer aufgewacht bin, habe ich meine Klamotten eingesammelt und bin auf Zehenspitzen hinausgeschlichen, ohne mich zu verabschieden. Keine Nachricht, keine Anrufe und keine Gewissensbisse; nur einen neuen Ausblick auf die Sinnlosigkeit, einen Anflug von Scham und eine nicht recht fassbare Neigung zur Schwermut.





    Ja, die Liebe-Sex-Misere ist eine öde Angelegenheit. Kein spannender Ort. War da, hab´s gesehen, hab mir das Gift-für-die-Seele-T-Shirt gekauft - und um keinen Preis der Welt will ich da noch mal hin.


    Auf keinen Fall, sorry, morse ich, und etwas im Blick des Mädchens erlischt. Behutsam nehme ich ihr die beiden Sachen aus der Hand und lege sie aufs Kaminsims zurück. Die junge Frau sagt nichts, aber sie rückt von mir ab.





    Ich platziere den Buchgutschein auf das Sims. Er ist zerknittert und verblasst, aber die Schrift kann man noch lesen. Damals, vor so vielen Jahren, schrieb ein Junge: "Herzlichen Glückwunsch zum 14. Geburtstag, Finn! Bitte kauf dir hiermit ein tolles Buch! Mit besten Grüßen, Daniel Nunn."





    Die Schrift des Jungen ist rund und kindlich. Ich machte immer noch Schnörkel ans Ende der Buchstaben, wie ich es in der Dorfschule gelernt hatte. Wie kam ich auf die Idee, "Mit besten Grüßen" zu schreiben? Und warum unterschrieb ich mit vollem Namen? Was wünscht du dir zum Geburtstag, Finn?, hatte ich sie Wochen vorher gefragt. Am meisten wünsche ich mir ein Parfum, hatte sie geantwortet. Es heißt "Taboo", Dan, und man bekommt es bei Woolworth.





    Wollte Finn nett zu mir sein, weil sie wußte, das ich wenig Geld hatte - obwohl ich monatelang gespart hatte für ihr Geschenk? Möglich, aber ich glaube, sie wünschte sich dieses Parfum wirklich. "Taboo" war ein billiges Parfum, das stark und verführerisch und erwachsen roch. Aber ich habe es ihr nicht gekauft. Nicks Mutter hat es mir ausgeredet. Sie hatte leichtes Spiel, denn ich lebte in ständiger Angst, etwas falsch zu machen, etwas Falsches zu sagen oder mich als, tja, als Abschaum zu entpuppen. Deshalb hörte ich auf Mrs. Marlow und kaufte dieses "weniger persönliche und passende" Geschenk für Finn. Ich konnte es ihr nicht selbst überreichen; ich wäre mir wie ein Verräter vorgekommen.





    Ich lehne den Buchgutschein an die Kaminwand, stelle die filigrane Elfenbeinkugel daneben, die ich unten mit einem Haftstreifen gesichert habe. Die Kugeln im Inneren drehen sich. Auch die hat Großmutter aus der Abtei mitgehen lassen; sie hat mir die Kugel geschenkt, als ich sieben war, ein paar Wochen, bevor die Mortlands aus New Mexico zurückkehrten. Die wird keiner vermissen, Danny. Wenn jemand danach fragt, sage ich einfach, sie sei kaputtgegangen. Und du gib nun gut darauf Acht.

  • Morgen,

    erstmal schöne Pfingsten wünsche und ein erholsames WE

    Zur Geschichte: Julia, o Gott was ist den das füre ine geworden*grübbel*, verzogen, unhöflich, verwöhnt, zickig, unverschämt usw. da würde mir noch eine Menge einfallen *gg*. Nick ist ja bewunderswert das er es mit ihr solange ausgehalten hat. Bin ja gespannt ob er sich jetzt wirklich von ihr trennen will.

    Dan - sieht schon weider etwas erholter mit den "gekämmten" :D Haaren aus - obwohl die Spuren im gesicht doch deutlich für sich sprechen. Ich hoffe für ihn, das Nick ihm wirklich helfen will und das er es schafft wieder in ein normales Leben zurückzufinden.

    Frankie - spielt sie jetzt eine wichtige Rolle in der Geschichte?

    Auf jeden Fall habe ich das Gefühl als würde Dan vor Sehnsucht nach Finn zergehen und ich glaube das sie bestimmt noch auftauchen wird.

    Aber das Schicksal von Maise, das liegt noch immer unbeantwortet da, auf die Lösung bin ich wirklich schon neugierig. Was ist damals wirklich passiert??




  • Hi, danke Gotti1836! Hatte ein schönes We und selbst? Vermißt ihr mich schon?????
    Das was damals passiert ist wird sich sicher bald aufklären. Vorerst kommt Finn aber nicht zum Vorschein. Wir bleiben erstmal bei dieser Franky, ein wenig noch. Wer sie ist und was es mit ihr aufsich hat werde ich natürlich nicht verraten. *fg*


    Ich schätze mal, morgen oder übermorgen werd ich eine FS reinsetzen. Ich will erst noch ein paar Fortsetzungen machen, sonst häng ich nachher hinterher.


    Bis danni

  • :( :( :(


    *heeeuuulll* Leute, das wars!!!
    Heute Morgen wurde meine Festplatte aufgefressen! Alles ist weg!
    Habe jetzt windows und Internet wieder drauf, und bin dabei sims wieder zu installieren, aber nochmal alles aufbauen, NEIN!
    Ich werde aber eine neue FS machen, sobald mir was schönes eingefallen ist. Als Entschädigung! Es tut mir sehr sehr Leid! Aber ich kann da auch nüx für. Bin selbst total traurig darüber.
    :( :( :(

  • Nein:nein - das ist aber total sche... - Baby, das tut mir sehr leid und bin auch trauig das es nicht mehr weiter gehen kann.

    Aber vielleicht hast du Lust in einen kurzen Abschnitt zu erzählen was noch alles passiert wäre, damit man weiss wie die Geschichte ausgegeangen ist. Bite, bitte - das wäre sehr toll - damit sich auch Maises Schicksal aufklärt

    Freue mich auf jeden Fall schon auf eine neue FS von dir und werde sicher wieder gucken

  • Also, ich kann nur sagen, das Maisie sich wirklich selbst umgebracht hat, die Hintergründe weiss ich auch nicht genau, tut mir Leid.
    Und Dan ist damals mit Julia fremd gegangen, Und Finn war eigentlich in Nick verknallt, soweit ich das erlesen konnte.
    Mehr weiss ich nicht, sry!

  • Na so ein Ärger :angry ! Hm, na gut, dafür muss man Verständnis haben :( ...

    Aber :anbet bitte, wenn Du das Buch durch hast, schick mir bitte bitte eine PN wer und warum Masie getötet wurde.
    Ja, ich weiß, Du könntest mir jetzt auch antworten "Kauf Dir das Buch doch selbst", allerdings habe ich gerade (zeitbegrenzten) Lesestoff bekommen und ohne Bilder ist es auch nicht so mein Genre, daher wäre es sehr nett von Dir.

    Was Deine angekündigte FS betrifft, ich hoffe Du schreibst sie nicht nur als "Entschädigung" sondern aus Spass an der Sache selbst, schließlich bist Du nicht verpflichtet eine zu machen, nur weil diese hier leider abgebrochen werden muss :augzu.

    Daher erstmal herzliches Beileid (wenn ich an meine heißgeliebten Sims, ganz zu schweigen von den Massen an Downloads, denke und dann der Gedanke alles weg...) und toi toi toi für die Zukunft,
    liebe Grüße,
    cassio

    [RIGHT][SIZE=1]'...sometimes it's cruel to be kind!'[/SIZE][/RIGHT]

  • :angry :haue :haudrauf :wut :wassn :keule :rote

    Weisst du das is jezt schon die 2te Story die ich von dir lese und jedesmal brichst du ab. und immer ist deine Festplatte schuld!

    Ich bin entäuscht.

    aber weisst du was der Sally Bauemann hast n Gefallen getan, den das Buch hab ich mir gekauft!