Und dann geht irgendwas schief. Der Wasserhahn lässt sich nicht drehen, und als ich ihn endlich drehen kann, lässt er sich nicht mehr abstellen. Im einen Moment tropft er nur, im nächsten führt er sich auf wie die Niagara-Fälle. Das Licht wird furchtbar grell, dann furchtbar matt, und bevor ich irgendwas tun kann, rasen die ganzen vergeudeten Jahre im Raum umher, heulen in meinen Ohren, verhöhnen mich.
Also tue ich das, was schon vorher klar war. Ich kann diese Freudlosigkeit nicht ertragen, diese tagtägliche Freudlosigkeit. Davor hat mich keiner gewarnt. In diesen Tonnen von Papier, die ich im letzten Jahr studiert habe zu bislang missachteten und verhöhnten Themen wie Midlife-Crisis bei Männern, Trauer-Schuld-Komplexe, Depression, hat nicht ein einziger Guru, Arzt, Spinner oder Scharlatan die Freudlosigkeit erwähnt.
Keiner hat beschrieben, wie sie sich über Jahrzehnte herausschlängelt und man sie erst bemerkt, wenn es zu spät ist, wenn sie einen schon im Würgegriff hat und einem die Luft abdrückt. Und natürlich können sie auch kein Heilmittel dagegen vorschlagen - was nichts macht, da ich ja eines in der Tasche habe.
Mehrere, genauer gesagt. Und um auf Nummer Sicher zu gehen, nehme ich gleich drei davon. Es ist schändlich und entwürdigend, und meine Hände zittern so heftig, dass die Hälfte des Heilmittels in den Niagara-Fällen landet, aber schließlich schaffe ich es. Ich hacke mir die kostbare vorletzte Line vom besten bolivianischen Stoff und ziehe sie mir in die Nase.
Ich zerkaue zwei Amphetamin-Tabletten und schlucke sie mit Wasser. Ich zünde mir eine Marlboro an und blase ketzerische Qualmwolken Richtung Deckensensor, warte auf die Reaktion: rote Blinklichter, Alarm, Sprinkleranlage, zumindest Auftritt eines Uniformierten, aber - glaubt man´s? Gar nichts passiert. Rein gar nichts.
Der irre Wasserhahn sprudelt weiter. Die Welt dreht sich.
Mein Spiegelbild zersplittert und setzt sich neu zusammen. Und dann kommt die Erleichterung, kehrt die Sicherheit zurück, das Gefühl von Hoffnung, das man sich nur mit Hilfe von Chemie verschaffen kann. Hieronimo´s mad again. Mit einem Satz bin ich frei, draußen aus diesem Raum - und wieder in der Galerie.
Nick hat sich nicht von der Stelle gerührt. Er reagiert auch nicht, als ich wiederkomme - was erstaunlich ist, wenn man bedenkt, wie viele Lichtjahre vergangen sind, wie viele Galaxien ich aufgesucht habe. Einerlei, hier drin gibt es eine Menge zu sehen und zu erfahren, und dank meiner verbesserten Körperchemie und meinen wieder verschalteten Synapsen kann ich das alles mit neuen Augen betrachten.