"Das Liebesgeheimnis!" nach einem Roman von Sally Beauman

  • Wieder sehr gut :) Sorry, dass du das Buch selbst noch nicht gelesen hast, ist mir wohl entgangen, so kann ich natürlich verstehen, dass die Personen nicht gaaanz so aussehen wie sie beschrieben werden, aber das ist auch wirklich nicht so schlimm. Text- und Bildquali machen das wieder weg ;)

    [GLOWGREEN]Die Frauen lieben die Stärke, ohne sie nachzuahmen. Die Männer lieben die Zartheit, ohne sie zu erwiedern. löl net ernst nehmen![/GLOWGREEN]


    [GLOWORANGE]So ausserdem Grüß ich noch Wilkätzchen ;) Rike, Sweet-Sunny, Big_Bims, Aramis und natürlich Meggy!!!!!!![/GLOWORANGE]


    [SIZE=4]Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist wie sie ist, es wär nur deine Schuld wenn sie so bleibt![/SIZE] :yeah

  • einfach nur geil(obwol ichs net richtig durchgelesen hab)
    bitte schreib schnell weida

  • Ich danke euch!
    Ich habe den halben Nachmittag damit verbracht, Kapitel 4 und 5 durch zu gehen und ich muss euch sagen, Wahnsinn! Was da so passiert.. :roftl
    Ihr dürft sehr gespannt sein, da passiert ne Sache, womit ich selbst beim Lesen nicht mehr gerechnet hatte... Aber mehr verrat ich nicht. Jetzt muss ich nur noch die Bilder dazu knipsen und alles sortieren und und und..
    Und ich muss die Figuren woher ändern..oh das wird eine Arbeit :rollauge
    Aber ich freue mich schon, wenn wir beim 5 ten Kapitel ankommen...Und ich hoffe ihr freut euch auch?!


    Bis dann erstmal, eure Baby :D


    Ps: Mal sehen, wenn ich zeit und Lust habe gibbet heute Abend noch eine FS, aber wohl erst später. Will erstmal wieder was fertig bekommen!

    Achsooo: Gibt es hier irgendwen, der sehr gut neue Objecte zusammenbasteln kann?? Ich brauche unbedingt nen Tennisplatz oder was so ausschaut. Sicher kann man da auch improvisieren, aber das wollte ich nicht so gerne! Wäre also schön, wenn jemand so begabt wäre und mir das netterweise fertig machne könnte. Sagt per PN bescheid ok? Nicht das es hier so zugespammt wird. DANKE!

  • Das mit dem Tennisplatz hat sich erledigt. Ich habe doch improvisiert.




    "Buchen Sie Ihre Passage jetzt", raunt Julia, als Finn sich wieder neben sie setzt. Auf Julias Lippen liegt ein Lächeln - sie ist immer neidisch auf Finn und freut sich, dass Finns Zukunft weniger rosig aussieht als ihre. Finn beachtet sie nicht. Ihr Gesicht ist starr. Hat sie Julia überhaupt gehört? Hat sie irgendetwas gesehen in der magischen Kugel? Ich würde es zu gerne wissen, aber ich kann nicht fragen, denn jetzt bin ich dran.




    "Und jetzt du, mein Schätzchen", sagt Bella, und ich stehe auf. Die Übelkeit wird plötzlich schlimmer. Ich setze mich an den Tisch zu Bella, aber es kommt mir vor, als geschehe das alles im Traum. Bella sagt, ich soll mich vorbeugen, damit nur wir die Kugel sehen können. Sie poliert die Kugel mit dem weißen Seidentuch - sehr sorgfältig, als reinige sie einen Türknauf, legt das Tuch dann beiseite. Ihre Augen sind verdreht, sodass das Weiße zu sehen ist. Sie hält den Kopf schräg, als raune ihr jemand ins Ohr. Ich schaue auf die Kugel. "Tief hinein, tief hinein", murmelt Bella. "Schau tief hinein, Maisie, ins Innere."




    Ich starre in die Kugel und warte darauf, dass dort eine Szene aus meiner Zukunft abläuft wie ein Film in Miniaturformat. Eine Geschichte werde ich dort sehen - oder vielleicht auch ein Gesicht. Vielleicht sehe ich den Mann, den ich einmal heiraten werde, denke ich, denn wenn ich irgendwann kein Junge mehr sein will, werde ich wohl schon heiraten - was soll ich sonst tun? Vielleicht sehe ich auch meine zukünftigen Kinder, das wäre schön. Ich will viele Kinder, wie Ocean. Am liebsten einen ganze Klan.
    Ich frage mich, ob meine Kinder wohl meine Augen haben werden, wie Dan, der die Augen von Ocean hat. Aber obwohl ich angestrengt in die Kugel starre, sehe ich nur mein Spiegelbild, eine wabernde Maisie. Hinter mir, in mir ist Glas, durchsichtiges Glas, und eine merkwürdige Blase in meinem Glasherzen. Sie ist groß und tränenförmig. Ich finde sie faszinierend, starre sie an, und stelle fest, dass sie sich verändern kann, wie eine Wolke. Sie schwillt an, nimmt andere Wolken in sich auf. Sie wird immer größer und dicker, bis schließlich die ganze Kugel voller Dunst ist und ich nur noch einen weißen Wirbel sehen kann.




    Finn steht auf. Ich glaube, es ist Finn. Ich höre ihren Stuhl scharren. Sie sagt: Maisie, was ist mir dir? Dan, lass das Maisie ist nicht gut. Das höre ich ganz deutlich, und in diesem Moment strecke ich die Hand aus, um die Kugel zu berühren, obwohl ich weiß, das man das nicht darf. Sie fliegt meiner Hand entgegen; dann stürzt sie herab. In weiter Ferne höre ich das Klirren von zerbrechendem Glas.





    Bevor ich´s mich versehe, falle ich auch. Ich falle ganz lange und lande draußen in dem kleinen schattigen Garten hinter dem Cottage, in einer komischen Position, mit den Kopf zwischen den Knien. Julia und Finn reden aufgeregt durcheinander, und Dan hat mir ein Glas Wasser gebracht. Ich trinke es gierig in einem Zug aus. Mein Magen hebt sich, und alles kommt raus, diese blutende Rote Beete und der fleischfarbene Pudding.




    Ich fühle mich schlagartig besser. Es ist peinlich, wenn man sich vor anderen übergeben muss, aber das ist mir jetzt egal - ich fühle mich leichter. Julia stöhnt natürlich angewidert und macht sich Sorgen wegen ihres neuen weißen Kleids; sie bleibt auf Abstand, aber Finn und Dan sind praktischer. Finn holt Wasser und einen Waschlappen, und Dan wäscht mich. "Na, siehst du, Maisie", sagt er. "Und schon bist du wieder blitzsauber. Und du kriegst auch wieder Farbe. Besser raus mit dem Zeug, wenn´s einem nicht gut tut." Ich bin immer dankbar, weil er so munter und gelassen ist, mache mir aber Sorgen wegen der Kristallkugel. Ich weiß, das ich sie zerbrochen habe. "Mach dir keine Gedanken deshalb", raunt Dan. "Sowas kommt vor. Wir haben noch mehr. Im Küchenregal stehen noch neun Stück. Großmutter hat immer welche auf Vorrat."




    Er spricht wieder mit seiner alten Stimme. Er umarmt mich, und ich fühle mich getröstet - bin aber nicht sicher, ob ich ihm glauben soll. Bella mag noch Kugeln vorrätig haben, aber es bringt bestimmt Unglück, wenn eine Kristallkugel zu Bruch geht. Dan nimmt mich auf die Arme und trägt mich in die Küche, damit ich mich von Bella verabschieden kann.




    Er ist herzlich und aufmunternd - kann mir aber nicht in die Augen schauen. "Lass uns lieber aufhören, Großmutter", sagt er, als wir ins Haus kommen, gefolgt von Finn und Julia. Aber dazu ist es zu spät. Der Linoleumboden ist mit Glassplittern übersät, auch die Teekanne ist zerbrochen, doch Bella sitzt noch immer am Tisch, und sie hat die Tarotkarten gelegt. Sie ist so vertieft in die Karten, dass sie nicht aufschaut, als wir hereinkommen. Schnell und konzentriert nimmt sie welche auf, legt sie anderswo hin, verändert das Bild. Die Karten haben eine starke Aussagekraft - stärker sogar als die Kristallkugel, das hat Bella und oft gesagt. Von meinem Platz an Dans starker Schulter blicke ich hinunter auf das Arragement. Ich liebe diese Karten mit ihren rätselhaften bunten Bildern, aber man muss erfahren und weise sein, um sie zu deuten. Was sie vermeintlich aussagen und was sie in Wirklichkeit bedeuten, kann ganz unterschiedlich sein.


    ------------


    geht noch weiter...


  • Bella benutzt das Rider-Waite-Tarot, ihre Lieblingskarten, und legt das keltische Kreuz. Ich kann einige der großen Arkana erkennen: die Liebenden, den Turm (eine bedrohliche Karte), den Gehängten - ich bin sicher, dass es diese Karten waren, obwohl ich sie umgekehrt liegend gesehen habe. Die Herrscherin wird umgedreht, der Turm wird verstärkt, o weh, durch die Fünf der Kelche. Dann schlägt Bella plötzlich mit der Faust auf den Tisch. Sie schiebt die Karten zusammen und fegt sie vom Tisch. Sämtliche achtundsiebzig Karten. Sie fliegen durch die Luft und landen auf dem Boden, allesamt mit dem Bild nach unten - bis auf eine einzige.





    Wir starren stumm auf diese einzelne Karte. Ich merke, das Finn und Julia verstört sind. Dans Anspannung spüre ich auch. Ich dagegen fühle mich sonderbar leicht und unbekümmert. Ich höre auf die Geräusche draußen. Ein Traktor in der Ferne. Ein Kind, das nach seiner Mutter ruft. Ich kann alles ganz genau hören: die Lerchen, die über den Acre Field zwitschern, und das wachsen der Ulmen. Finn bückt sich, und bevor Bella ihr Einhalt gebieten kann, greift sie nach der einzelnen Karte. "Fass sie nicht an, Finn - o Finn, tu´s nicht", flüstert Julia, doch Finn achtet nicht auf sie. Sie dreht die Karte um, damit wir das unheimliche Bild nicht mehr sehen müssen. Dann richtet sie sich auf und wendet sich Dan zu - und da ist wieder dieser Blick. Einen Moment lang rechne ich damit, dass er sie küssen wird, doch er tut es nicht. Finn nimmt mich in die Arme. "Komm Maisie", sagt sie sanft, "Du bist müde. Lass uns gehen".




    Jetzt kommt Bella wieder zu sich, doch sie muss sich losreißen. Sie richtet sich auf, wird geschäftig, ist nicht mehr Oceans Tochter. Sie verwandelt sich wieder in Dans Großmutter, die in der Abtei als Mädchen für alles im Einsatz ist. Sie sagt, Dan soll sich mit Besen und Schaufel ans Werk machen. Sie sagt, sie könne ein Nickerchen gebrauchen. Sie sagt, sie sei jetzt müde, für heute reiche es mit dem Hokuspokus...
    "Es lag bestimmt an dem Kuchen", sagt sie mit einem Seitenblick zu mir. "Ich war mir nicht ganz sicher, ob er gelungen war". Sie zwickt mich in den Arm. Und schickt uns nach Hause.




    Dort warten die Nonnen auf mich: Zum ersten Mal kann ich sie deutlich erkennen. Wilkommen, Schwester, sagt Isabella und hält mir ihren Rosenkranz hin. Jadeperlen und einzelne Silberperlen aus dem Orient, die jahrhundertelang zum Gebet für das Vaterunser dienen.
    Sie sind wie geschaffen für mich: Jede Perle passt genau in das Kreuz auf meiner Handfläche.

  • Wow, hab die Story eben komplett durchgelesen, ich finde bis jetzt ist sie sehr gelungen.
    Wie schon oft gesagt sind die Texte sehr verwirrend, aber genau solche Storys finde ich so toll.
    Die Bilder finde ich wirklich schön, vorallem wirken diese schwaz-weiß Bilder
    wirklich gut. Und die Unterteilung von Gegenwart und Vergangenheit ist
    dadurch auch schön zu erkennen.
    Was ich noch wirklich gut gelungen finde, sind deine Sims. Die sehen wirklich
    real aus. Also ein großes Lob von mir, echt super Story.


    LG Simplayer_w


    [SIZE=1][SIZE=4][SIZE=2] :yeah :kitarre LinkinPark ever:kitarre:yeah !!!!!![/SIZE][/SIZE][/SIZE]


    [SIZE="3"][SIZE=4]Viele Grüße an das Forum[/SIZE] :wink[/SIZE]


    [SIZE=3]Meine 1. Fotostory(Beendet)[/SIZE]
    [SIZE=2]Das hässliche Entlein [/SIZE]
    [SIZE=3]Meine 2. Fotostory (Abgebrochen)[/SIZE]
    [SIZE=2]Höllische Nachbarn[/SIZE]

  • Weils heute so viel Spass macht, gibt es jetzt noch nen Teil..



    Kapitel 4:
    Gemischtes Doppel:




    Meine Zeit ist um.
    "Allerhand", sagt Lucas und legt seinen Stift weg. Er hat sich diese Episode unserer Geschichte genau angehört, aber ich bin mir nicht sicher, ob er sie verstanden hat - und ob sie ihm gefiel. Was daran liegen mag, dass er solche Dinge als Ungläubiger nicht ernst nimmt - ein Fehler, meiner Ansicht nach. Aber ich habe vorallem den Verdacht, dass ihm ein bestimmter Teil nicht behagt. Es war wohl nicht schlau von mir, diesen Blick zu erwähnen. Manchmal glaube ich, dass Lucas trotz all seiner angeblich genialischen Begabung eifersüchtig ist auf Dan; sie sind Freunde, aber irgendwo gibt es da eine Spannung, die ich nicht verstehe.




    Die beiden haben sich in ihrem ersten Studienjahr in Cambridge kennengelernt, als sie am Trinity College auf demselben Flur wohnten, und sind seit damals wie Brüder. Julia begegnete ihnen auch ab und an, als sie am Newham studierte, aber sie war ein Jahr weiter und nie so eng mit den beiden befreundet wie Finn. Seit Finn im letzten Oktober im Girton College eintraf, sind Lucas und Dan und sie unzertrennlich; auch bekannt als >>Dreierbande<< oder >>Unheilige Dreifaltigkeit<<. Deshalb denke ich mir, dass Lucas eher neidisch auf Dan ist als eifersüchtig. Warscheinlich beneidet er Dan um seine illustren Vorfahren. Ich tue das jedenfalls.





    "Nur eine Karte blieb offen liegen?", fragt Lucas und klappt sein Skizzenblock zu, bevor ich einen Blick darauf werfen kann. "Ich kann mir schon denken, welche das war."




    "Na klar", meine ich ironisch. Ich kann es nicht leiden, wenn die Leute meinen Geschichten keine Raffinesse zutrauen - das ist anmaßend und ärgerlich. Deshalb erzähle ich Lucas, dass am nächsten Tag mein Hamster starb. Tatsächlich passierte das erst zwei Wochen später, aber die Sicht der Karten ist nicht zeitlich begrenzt, manche Ereignisse treten erst Jahre später ein, und ich finde, dass ich ein Recht habe, auf diese kleine Korrektur. Jedenfalls weiß ich - und Lucas weiß es wohl eher nicht -, dass die Tod-Karte nicht auf einen Tod hinweist, jedenfalls nicht direkt. Das wäre eine grobe, unreife und dümmliche Auslegung, sagt Finn. Es ist vielmehr so, dass wir dem Tod ständig auf vielerlei Art begegnen: Liebe kann sterben, Hoffnung oder Unschuld.




    Auf diese Art von Tod kann die Karte verweisen. Soll ich Lucas darüber aufklären? Ich beschließe, es nicht zu tun. Geschichten müssen ausgewogen sein und ein starkes klares Ende haben. "Er hieß Hamish, und er litt schreckliche Qualen", füge ich hinzu. (Was auch nicht ganz zutreffend ist. Er fiel einfach um, ein typischer Hamstertod)





    Lucas meint, dass sei ja bemerkenswert, er sei wirklich beeindruckt von Bellas Kräften und so fort; aber ich merke, dass er sich nur über mich lustig macht. Die Leute machen sich ständig über mich lustig, was enorm ärgerlich ist. "das reicht für heute", sagt er und wirft einen Blick auf seine Uhr. "Ich geh schwimmen. Morgen um die selbe Zeit, ja?"




    "Morgen kann ich nicht", erinnere ich ihn. "Wir fahren nach Elde. Der alljährliche Besuch bei der Schlange. Das hab ich dir doch schon gesagt. Wir sind den ganzen Tag weg". Lucas zuckt die Achseln. Irgendetwas beschäftigt ihn, und unsere Probleme und die Schlange interessieren ihn ohnehin nicht - Geld ist ihm völlig einerlei. "Dann am Tag darauf", sagt er gleichgültig. "Und nun ab mit dir, Maisie, sei ein braves Mädchen."





    Also verschwinde ich. Den ganzen Tag lang höre ich das: Ab mit dir. "Das ist ja faszinierend, Maisie", sagte Großvater heute Morgen, als ich ihm die Primzahlen erklärte. "Erzähl´s mir später, Schätzchen. Das Testmatch fängt gleich an. Ab mit dir - Stella könnte bestimmt Hilfe gebrauchen in der Küche, oder?" Er hatte Recht; Stella brauchte mich. Sie mag es, wenn ich ihr helfe; sie weiß gerne, wo ich stecke und dass ich in ihrer Nähe bin.


  • Ich schälte Tomaten für sie - ließ sie in kochendes Wasser fallen und schaute zu, wie ihre Haut aufriss. Ich schälte fachgerecht siebenundachtzig Tomaten und erzählte Stella dabei die Geschichte von Marsyas, dem von Apollon bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen wurde. Stella hatte Kopfschmerzen; sie sah bedrückt und müde aus. "Das ist eine furchtbar grausame Geschichte, Maisie", sagte sie und schaute auf ihre Armbanduhr. "Zeit fürs Reflektorium. Du solltest Lucas nicht warten lassen. Ab mit dir."




    Jetzt steht Lucas in der Tür des Reflektoriums und schaut mir nach. Ich muss direkt zum Haupthaus zurückgehen, lautet die Regel. Doch ich habe Stella erzählt, Lucas würde 2 Stunden malen, nicht eine, und so bleiben mir 60 Minuten Freiheit. 3600 Sekunden - die Nonnen heißen das nicht gut, sie schütteln mißbilligend die Köpfe und schnalzen mit der Zunge. Kleine Mädchen sollen nicht lügen - und noch dazu die Mutter anlügen ... nimmt das denn nie ein Ende mit dieser Aufsässigkeit, dieser schlimmer Arglist?




    Mit abgewandtem Blick schleiche ich an ihnen vorbei. Ich gehe zum Haus, und als ich sicher bin, dass Lucas mich nicht mehr sehen kann, kehre ich um. Ich habe einen Plan. Das Haus und der Garten sind Jahrhunderte alt, und es gibt hier Geheimwege, die sehr nützlich sein können, wenn man sie kennt. Lucas glaubt, dass es nur einen Weg gibt zu seinem Atelier, einen Kiespfad, der von hohen Eibenhecken gesäumt ist. Er führt direkt vom Kloster zum Reflektorium, vor dem sich ein kleiner Platz befindet, auf dem auch Kies liegt. Von dort aus kann man dem Weg folgen durch das Klostertor auf die Felder. Man kommt dabei über einen tiefen Graben, der einst mit Wasser gefüllt war und die gesamte Anlage umgab, und dann ins Tal und zum Dorf. Lucas glaubt also, dass er jeden, der sich seiner Klause nähert, hören kann. Er horcht immer mit einem Ohr, ob der Kies knirscht; tja, heute wird er nichts hören.




    Die Nonnen, die dieses Kloster gegründet haben, waren so fromm, dass sie jeglichen Kontakt mit der Außenwelt mieden. Doch ich bin nicht die Einzige, die unter diesem Dach aufsässig ist; auch damals muss es rebellische Wesen gegeben haben, denn einige Nonnen sorgten dafür, dass es zu ihrer Enklave Geheimgänge gab, und zwei von diesen Ausgängen - oder Eingängen - sind noch erhalten. Einer befindet sich in der Wandtäfelung der einstigen Marienkapelle, die heute als Bibliothek dient, und führt zu einer verborgenen Treppe. Der andere liegt auf der anderen Seite des Klosters - und den steuere ich jetzt an.




    Ich versichere mich, dass niemand nach mir Ausschau hält, obwohl es erst Mittag ist und ich bestimmt noch ein Weilchen Ruhe haben werde. Stella ist in der Küche und kocht für den Klan. Großvater sitzt in der Bibliothek und hört sich das Testmatch an. Bella hat sicher schon die Betten gemacht und den Staub unter den Teppich gekehrt und ist jetzt auf den Rückweg ins Dorf. Ich klettere auf einen Pfeiler, von dem aus ich das Haus und die Gärten sehen kann. Die Südseite des Klosters hat drei Stockwerke mit insgesamt 21 Fenstern, 21 Augen, die dunkel glitzern.




    Die Fenster der Bibliothek, an denen Dan damals auftauchte, stehen offen. Ich höre eine ruhige Männerstimme, typisch für die englischen Sommer: "Und DÓliveira tritt an die Spielfeldlinie", sagt sie. Großvater wäre damit erledigt. Stella ist nirgendwo zu sehen, und aus dieser Richtung droht vor ein Uhr auch wenig Gefahr. Es gibt heute Tagliatelle zum Mittagessen, und Stella wird vollauf damit beschäftigt sein, Teig auszurollen und ihn ihrer neuesten Anschaffung zu füttern, einem monströsem Gerät. Oder sie sitzt am Küchentisch und liest, während hinter ihr etwas köchelt; das macht sie gerne. Zurzeit ist Jane Austen dran, Mansfield Park zum vierundzwanzigsten Mal.




    Ich blicke auf die Gärten hinunter, mit denen ich allerhand vorhabe. Abgesehen von dem Teil, in dem Gemüse und Beeren angepflanzt sind und der von Stella und Joe Nunn betreut wird, sind sie in einem erbärmlichen Zustand. Ich könnte mir eine Pergola vorstellen - die Kletterrose dafür habe ich mir schon ausgesucht. Außerdem wird es Blumenwiesen, ein Arboretum und eine Parterreanlage geben. Ich möchte Gartenbauarchitektin werden - dafür braucht man Visionen. Vielleicht sogar einen Art zweites Gesicht. Wenn andere Leute auf die Gärten der Abtei blicken, sehen sie nur Wildwuchs: Rosenstöcke, die zu Gestrüpp werden, Winden, die alles überwuchern, Unkraut zwischen den Bodenplatten. Ich dagegen kann weiter vorrausschauen: Ich sehen einen gepflegten Garten Eden. Noch diesen Sommer will ich mit der Abtei beginnen - vielleicht schon nächste Woche. Bald jedenfalls.




    Und wo stecken nun Julia und Finn? Antwort: auf dem alten grasüberwucherten Tennisplatz unterhalb von mir. Sie spielen Gemischtes Doppel mit Dan und seinem Freund Nicholas Marlow. Nick ist Arzt und arbeitet in einem Krankenhaus in London. Er hat eine Woche Urlaub und wohnt bei seinen Eltern im alten Pfarrhaus, aber meist hält er sich bei uns auf. Er spielt mit Julia als Partnerin, Dan mit Finn. Unter diesen Umständen gehe ich davon aus, dass es ein kurzes Spiel mit vorraussehbarem Ergebnis sein wird. Nick ist ein erfahrender, solider Spieler; Julia hat einen brutalen Aufschlag und eine gemeine Rückhand und ist ungemein ehrgeizig. Dan hat geniale Momente, aber nie Unterricht gehabt, und das merkt man. Finn kann laufen wie Atalante; sie bewegt sich schnell und elegant, und es ist ein Vergnügen, ihr zuzusehen, aber ihre Motivation ist gleich null. Ist doch nur ein Spiel, sagt sie; ist doch einerlei, wer gewinnt, oder?

  • Hmh, das entwickelt sich ziemlich interessant.
    Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwas stimmt mit Lucas nicht. Er benimmt sich ein bißchen merkwürdig, das mag an seiner künstlerischen Ader liegen, aber trotzdem, da ist noch etwas, das im Hintergrund läuft, wovon man noch nichts mitbekommt.

    Was mich zur Zeit beschäftigt, ist die Frage, wieso Maisie die Nonnen wahrnimmt und niemand anders sonst. Ich meine, sie mag zwar sensibler sein als die andern, aber das allein sollte es eigentlich nicht sein.
    Und was haben die eigentlich zu bedeuten? Ok, ist ein altes Kloster, da sammeln sich im Laufe der Zeit ne Menge Geister an, aber die kommen doch vermutlich nicht umsonst in der Geschichte vor.

    Hach, ich mag solche mysteriösen, undurchsichtigen Geschichten. Dein improvisierter Tennisplatz gefällt mir. Man muss sich eben nur zu helfen wissen.

  • Erstmal danke für die Kommis ...




    Julia ist das keineswegs einerlei. Während ich zusehe, schmettert sie einen ihrer niederträchtigen Topspins, der auf Finn´s unzuverlässige Rückhand abzielt. Zu meiner Verwunderung - ich kann den Ball kaum erkennen, und der Aufschlag ist auf diesem Platz schwer vorhersehbar - erwischt Finn den Ball. Sie schlägt einen Lob - vermutlich zufällig, vielleicht aber auch absichtlich, das weiß man bei Finn nie so genau -, der wirklich gut gerät. In schönem hohem Bogen saust er über Nick hinweg und über Julia, die nicht mehr rankommt. Der geht ins Aus, denke ich, doch ich irre mich: Im letzten Moment scheint der Ball zu zögern und es sich anders zu überlegen. Er landet auf der frisch markierten Grundlinie. "Null fünfzehn", ruft Dan.




    "Guter Schlag, Finn", ruft der große dunkelhaarige Nick Marlow. Er trägt klassische weiße Tenniskleidung und ist sportlicher, als es Julia recht ist. Sie blinzelt mürrisch in die Sonne und schweigt. Sie ist mit dem Aufschlag dran, diesmal mit Dan.




    Ich betrachte Dan, der an der Grundlinie den Ball erwartet. Er wirkt lässig. Er hat in Cambridge einen hervorragenden Abschluss gemacht, um den er von vielen beneidet wird, und will ein berühmter Filmregisseur werden. Und er hat sich verändert. Er sieht nicht mehr linkisch und unbeholfen aus, sondern wieder so eindrucksvoll wie früher - ach, dieser Zigeuner-Rockstar-Look, sagt Julia verächtlich, aber was Julia über Dan denkt oder jedenfalls angeblich denkt, ist mir egal. Ich finde, dass Dan nun wieder einer von Oceans Prinzen ist. Seine schwarzen Haare reichen ihm bis zum Kragen und sehen wild und störrisch aus, wie früher. Er ist groß, braungebrannt und muskulös, und trägt ein weißes Baumwollhemd und Jeans mit Löchern. Er ist barfuß und scheint sich pudelwohl zu fühlen - auch seine Stimme hat sich wieder verändert. Sein Suffolk-Akzent ist verschwunden, aber er klingt nicht mehr so angestrengt und geziert. Man kann ihn jetzt keiner Region zuordnen, auch seine Herkunft und sein Bildungstand sind nicht auf den ersten Blick erkennbar, was Leute wie die Schlange, zum Beispiel, auf jeden Fall beunruhigend finden. Wenn man nichts weiß von seinen Zigeunervorfahren, könnte man ihn für einen charmanten Iren halten. Und Dan würde einen in diesem Glauben lassen.




    Julia blickt ihn finster an, hebt den Schläger und schmettert den Ball durch die Luft, der an der Mittellinie aufschlägt. Dan rührt sich nicht. "Fußfehler, Julia", ruft er in trägem provokantem Tonfall. Als nächstes macht Julia zweimal einen Doppelfehler. Wenn sie wütend ist, spielt sie aggressiver und wird unpräzise. Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen, sage ich mir und entsinne mich daran, dass ich - manchmal, nicht oft - Situationen falsch einschätze. Vielleicht wird dieses Spiel doch länger dauern, als ich dachte, und vielleicht ist der Ausgang keineswegs vorraussehbar.




    Ich schaue meinen langgliedrigen noch ein paar Sekunden zu, dann fällt mir mein Plan wieder ein. Fünfzig Minuten Freiheit bleiben mir noch; ich darf meine Zeit nicht vergeuden. Ich springe von dem Pfeiler herunter und winde mich unter dem Brombeergestrüpp daneben hindurch. Ich habe mir dort einen kleinen Durchgang geschaffen und entgehe den Dornen; nur ein kleiner Riss an der Hand. Ich lecke das Blut ab. Nach etwa einem Meter stoße ich auf den halbverfallenen Teil der Klostermauer, wo früher der Geheimeingang und die Treppe gewesen sein müssen. Gefährliches Gelände: Ich hänge über den Abgrund, wo sich früher der Graben befunden hat. Als ich loslasse, falle ich drei Meter tief, lande auf weichem Boden und rolle mich ab wie ein Fallschirmspringer - nichts passiert.




    Ich schleiche durch den Graben, der sich an der Klostermauer entlangzieht und in dem ich mir schon einen schönen Trampelpfad angelegt habe, der durch hohes Gras, Sträucher und Weißdorngestrüpp versteckt ist. Schließlich erreiche ich meinen perfekten Aussichtsplatz, eine große schwarze Eibe, die mein Vater hier gesetzt hat, als er noch ein Junge war. Seit seinem Tod ist sie nicht mehr geschnitten worden.




    Sie ist gut vier Meter dick und fast fünf Meter hoch. Wenn ich in den schwarzen Ästen liege, bin ich unsichtbar, habe aber einen hervorragenden Ausblick auf das Refektorium mit allen Fenstern und der Tür. Der durchdringende Geruch der Eibe steigt mir in die Nase, wie ich da so in der Hitze im Schatten liege. Eiben gedeihen besonders auf Friedhöfen gut, sagt Bella. Sie mögen die reichhaltige Nahrung dort. In der Ferne ertönt ein Schuss: Jemand jagt Kaninchen oder Tauben, jemand ist auf der Pirsch.




    Als ich noch kleiner war, erklärte mir Stella, das man Nervosität mit Gedichten beikommen könne, weil man sich dann konzentrieren muss. Der Knabe stand auf dem brennend Deck allein, denn jeder war geflohn, rezitiere ich. Dann nehm ich mir das komplizierte Hiawatha vor, meinen Lieblingsteil, >>The Ghosts<<. Der Rythmus der Wörter hat etwas Beruhigendes für mich:


    Darauf ließen ab die Schatten,
    Vom dem Weinen, Seufzen, Klagen.
    Wir sind Geister der Geschiednen,
    Seelen derer, die einst bei Euch.
    Aus des Chibiabos Reichen
    Sind wir kommen, dich zu prüfen,
    Sind wir kommen, dich zu warnen.

  • Ech total ober mega cool!!!!!!!
    Ich hätte die nerven für sowas irgendwie nicht!!!
    Mit was für einem Programm bearbeitest du die Bilde???
    Psp oder so was???
    Grosses Lob!!

    :applaus Das Leben ist wie ein Zeichnen, aber OHNE Radigummi;)

  • Zitat von HubaBuba

    Ech total ober mega cool!!!!!!!
    Ich hätte die nerven für sowas irgendwie nicht!!!
    Mit was für einem Programm bearbeitest du die Bilde???
    Psp oder so was???
    Grosses Lob!!



    Danke sehr!
    Ehrlich gesagt, sind die Bilder nicht bearbeitet, außer die schwarz.weissen natürlich und die anders farbigen. das programm nennt sich PhotoFilter oder so..


    Lieben Gruß

  • So, nach längerer Zeit geht es hier mal wieder weiter. Aber ich habe mal wieder ein Problem, und zwar hatte ich einen Trojaner auf meinen Rechner und jetzt sind alle Downloads und alles weg. Ich werde es auf jeden Fall wieder auf bauen, weil ich diese FS auf jeden beenden möchte. Nur weiss ich gar nicht mehr, woher ich meine ganzen Downloads hatte, also werden die Darsteller wohl anders aussehen als vorher, ich hoffe das ist nicht schlimm???


    Aber jetzt erstmal viel Spass!!




    Endlich kommt Lucas in Sicht. Er hat ein Handtuch unterm Arm - es stimmt also, er will schwimmen gehen. Auf dem Kiesvorplatz bleibt er stehen und blickt zur Sonne hinauf. Er wirkt auf mich irgendwie hungrig und getrieben, wie er da steht, knochig und mit wirren Haaren. Sein Gesicht ist schmal, und die sonderbar gelbbraunen Augen stehen dicht beieinander. Ich finde, dass er wie ein Habicht oder ein Falke aussieht - und wie diese Vögel ist auch er ein Einzelgänger. Lucas meidet Menschen. Er ist lieber allein. Und er geht auch gern allein auf die Jagd - denke ich mir. Ich möchte wissen, was er jagt und warum.




    Er schließt die schwere Holztür hinter sich und sichert sie wahrhaftig mit dem Vorhängeschloss. Den Schlüssel lässt er in der Tasche seiner alten farbbeklecksten Hose verschwinden und geht den Weg ins Tal entlang. Er tritt unter dem hohen Bogen hindurch, der einst Teil des Tors war. Die Wände der Mauer sind im Laufe der Jahrhunderte zerfallen, und den Graben überquert man nun mithilfe eines Bretts. Lucas verschwindet aus meinem Blickfeld. Ich warte noch genau fünf Minuten und achtundzwanzig Gedichtzeilen.




    Dann klettere ich von der Eibe herunter und flitze zum Refektorium . Ich mag einfach nicht glauben, dass Lucas an einem heißen Tag wie diesem sämtliche Fenster verschlossen hat. Ich brauche nur einen schmalen Spalt an einem der sechs Fenster, um rein zu klettern und einen Blick auf Lucas Skizzenblock zu werfen. Dann werde ich endlich die Maisie sehen, die er sieht. Das wünsche ich mir so sehr, dass ich kaum Luft bekomme. Ich werde sein Abbild von mir zu sehen bekommen - und auch Die Schwestern Mortland.




    Es ist heiß in der Sonne. Ein Düsenjäger vom amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Deepden jagt heulend am Himmel entlang. Er macht so einen Lärm, dass die Luft bebt, und glitzert im Licht. Als ich am Refektorium ankomme, schreite ich die Fenster ab. Alle sind verschlossen. Lucas hat auch die Läden von Innen zugemacht. Ich ziehe und rüttle an jedem Laden - dann wird mir bange. Wenn Lucas jetzt wiederkommt? Vielleicht hat er etwas vergessen und kommt noch einmal zurück? Ich sollte mich lieber vergewissern.




    Ich renne zum Torbogen und blicke den Weg entlang, hinüber zum Acre Field. Es gibt jetzt viel weniger Hecken hier. Mr McIver, dem Großvater die Pachtfarmen verkauft hat, hat etwas durchgeführt, was er >>Rationalisierung<< nennt. Acre Field ist unverändert eine Wiese, aber die fünf Felder dahinter sind verschwunden. Nun´s Field, Grandage, Pickstone, Wellhead, Holyspring: Ich sage die Namen auf. Land, das seit Jahrhunterten unverändert war, und binnen eines Jahres hat Angus McIver die Wiesen vernichtet und eine riesige Weizenwüste ohne Hecken geschaffen. Die wilden Orchideen auf Wellhead haben zum letzten Mal geblüht.




    Aber seit die Hecken nicht mehr da sind, kann man weiter schauen. Rechts sehe ich den Nun Wood zwischen der Klosterruine und Holyspring - der Pfad, den die Nonnen zu dem unheimlichen Bau im Wald anlegten, ist überwuchtert, aber noch erkennbar. Linker Hand schlängelt sich der Fluss durchs Tal - aber nirgendwo eine Spur von Lucas. Wo steckt er?




    Ich kneife die Augen zusammen und suche das Gelände ab. Die Dächer der drei Cottages; die drei neuen Bungalows am Dorfrand; The Pines, wo Colonel Edwardes (indische Armee, i.R.) seine Heavy-Hogs-Schweine züchtet; der Garten des Pfarrhauses; die Apfelplantagen der Doggett-Brüder; die Scheunen von Angus McIver, die Straße...kein Lucas weit und breit. Dann entdecke ich ihn: Er schwimmt im Black Ditch, warscheinlich, weil das Wasser dort sauberer ist als im Fluss. Früher war der Fluss klar und kühl, aber jetzt treibt dort allerhand Unrat herum. Lucas ist nackt - vielleicht hat er sich auch deshalb für den Black Ditch entschieden. Dort kommt kaum jemand hin, am Fluss dagegen stößt man immer wieder auf dämliche Angler.




    Ich sehe, wie die weiße Gestalt die Arme hebt und ins einkalte Wasser springt. Von Lucas droht keine Gefahr. Ich renne zurück zum Haus, und was sehe ich da? Lucas ist ein Fehler unterlaufen. Das dritte Fenster von links ist geschlossen, aber der Fensterladen ist nicht ganz zu. Ein Spalt steht offen, und als ich aufs Fensterbrett klettere und mir die Nase an der Scheibe platt drücke, sehe ich einen hellen Umriss auf der größten Staffelei. Das muss das Porträt sein. Lucas muss es herausgeholt haben, um daran zu arbeiten oder an anzuschauen. Es ist nicht verhüllt.


  • Ich drücke die Nase so fest ans Glas, dass sie brennt. Eine Schmeißfliege brummt an meinem Ohr. Eine gemusterte Spinne, die zwischen den Rundstäben ihr Netz gewoben hat, weicht an den Rand zurück und beobachtet mich mit ihren winzigen Augen, die glitzern wie Juwelensplitter. Beinahe, beinahe; wenn ich mich noch ein bisschen seitwärts biege. Meine Augen gewöhnen sich an die Dunkelheit drinnen. Ich schirme sie von der Sonne ab. Es ist schwierig, auf dem schmalen Vorsprung das Gleichgewicht zu halten. Aber jetzt habe ich den richtigen Winkel. Ich starre hinein.
    Die Staffelei wurde mit Bedacht so gestellt, dass man von außen darauf blicken kann, und auf einem großen weißen Karton steht folgene Botschaft: VERSCHWINDE; MAISIE.




    Ich lasse mich auf den Boden fallen. Ich bin wie vor den Kopf geschlagen. In der Ferne knallt wieder ein Schuss. Und Stella ruft nach mir. Das ist hinterhältiger Betrug. Lucas hat mich hinters Licht geführt. Mir ist ganz schlecht vor Enttäuschung.
    Da kommt die Mutter Oberin zu mir, wie immer, wenn es mir nicht gut geht. Lautlos, ohne den Kies zu berühren, weht die grünäuge Isabella herbei. Sie nimmt meine heiße Hand und kühlt sie, und sie trocknet mir behutsam die Augen. Seite an Seite gehen wir auf und ab, bis ich mich beruhigt habe. Das wird Lucas mir büßen, beschließe ich. Er wird mir kein Geheimnis mehr entlocken können. Und er wird den Kürzeren ziehen - nun werde ich ihm mein größten Geheimnis niemals offenbaren, das Geheimnis, über das ich seit sieben Jahren Stillschweigen bewahrt habe.





    Heute Morgen hätte ich es ihm beinahe erzählt - weil es mich manchmal belastet und ich mich gerne jemandem anvertrauen würde. Aber jetzt bin ich froh, dass ich es für mich behalten habe. Geschieht ihm gerade recht, mit seinem >>Ab mir dir, Maisie<<, seinem Vorhängeschloss und seiner unverschämten Botschaft: Er ist es nicht wert, die Wahrheit zu erfahren, das ist jetzt sonnenklar für mich. Ich werde ihm also niemals erzählen, was ich in Bellas Kristallkugel gesehen habe - und warum sie zersprungen ist. Mein Geheimnis wird für immer im Verborgenen bleiben - das steht jetzt fest. Isabella nickt zustimmend. "Maisie, wo steckst du denn?", höre ich Stella rufen. Schnelle Schritte knirschen auf dem Kies. Ein Uhr. "Wir sind hier. Ich bin hier.", rufe ich.


    ------------------


    Soo, das wars jetzt erstmal. Die nächste FS kann ein wenig dauern, weil wie gesagt, muss ich erst alles wieder auf bauen..

  • Hallo Baby2004,
    ich muss sagen, Deine FS gefällt mir mit jeder Folge mehr. Die Bilder passen sehr schön zum Text, und die Charaktere sind mir auch sympathisch, besonders Maisie. Bei dem "verschwinde..." musste ich lachen, verdient hat sie es ja schon, so neugierig, wie sie ist. Ob es Lucas wohl leid war ständig ihre Nasenstüber von den Fensterscheiben zu putzen? Er kennt sie scheinbar recht gut. Was sie in der Kristallkugel gesehen hat, das interessiert mich inzwischen auch sehr, wie das bisher umschrieben war, hat es etwas mit den Nonnen des ehemaligen Klosters zu tun, denke ich, wahrscheinlich auch damit, dass sie Maisie trotz ihres Todes(?) zur Seite stehen. Ich werde mich überraschen lassen, wie es weitergeht.
    Und dann natürlich noch ein "Dankeschön" im Voraus, dass Du nicht einfach aufhörst, sondern trotzdem weitermachen wirst. Zeigt es (neben dem Gesammteindruck der FS) doch was Du hier hinein investierst. Da lese ich gern mit.
    Liebe Grüße, cassio

    [RIGHT][SIZE=1]'...sometimes it's cruel to be kind!'[/SIZE][/RIGHT]

  • Danke Cassio!
    So ich habe jetzt auch alles wieder aufgebaut. Ging eigentlich ziemlich schnell, saß nur den ganzen Nachmittag dran..
    Und da ich mir auch gleich die Mühe gemacht habe, hier noch ein weiterer Teil..
    Viel Spass!!!



    Teil 2:
    Die Liebenden!


    Ich bin nun zurückgekehrt, Winifriede, vom Besuch auf dem Anwesen meines Bruders in Elde. Er glaubt noch immer, mich vom Weg des Gelübdes abbringen und zu einer Heirat überreden zu können, und so waren die Tage bestimmt von brüderlichen Drohungen. Ich hatte einen Brief von Euch ersehnt bei meiner Rückkehr; mich gelüstete danach wie einen Hungernden nach Brot und Wein. Als ich kein Zeichen von Euch vorfand, ward mir Angst.
    Wenn Ihr diese Zeilen lest, werdet Ihr Euch fragen, wie die Arbeiten voranschreiten. Nun, meine Schwester, so werde ich Euch antworten, dass ich die ersten Steinmetze ihrer Dienste entheben musste, denn es waren Schurken, doch die nächsten gingen fleißig ans Werk. Ich lerne aus meinen Fehlern, und die Bauten, die wir gemeinsam planten, werden nun ins Leben gerufen. Ferner will ich Euch antworten, dass ich unermüdlich arbeite.
    Und ich werde Euch gestehen, dass ich einsam bin, Winifriede. Es gibt gute Frauen unter den Nonnen hier, doch keine, der ich mein Herz öffnen könnte. Dieses aufgebürdete Schweigen lastet auf mir. Schreibt, ich bitte Euch - und wenn Ihr mir zugetan seid, Schwester, in Bälde.

    Briefe von Isabella de Morlaix an Winifriede of Ely,
    1257-1301; herausgegeben und aus dem lateinischen übertragen
    von V.B.S. Taylor, 1913




    Stella, Meine Liebste, es ist soweit! Ich habe mit dem Befehlshaber, dem Kaplan und dem Staat alles klar gemacht. Und weißt du was, Liebste? Wir müssen nicht wochenlang warten wegen eines albernen Aufgebots, sondern können gleich am Freitag in der Kirche hier am Stützpunkt heiraten, mit Sondererlaubnis. Besonders romantisch ist das nicht, aber das spielt doch nicht so eine große Rolle für uns, oder? Ich würde Dich auch auf einem Felsbrocken im Pazifik heiraten - ich würde den Pazifik durchschwimmen, um zu dir zu können, wenn es nötig wäre. O Liebste - ich hoffe, du bist nun so glücklich wie ich. Die Schwadron war heute schon zweimal oben - zwei von den neuen Jungs mussten dran glauben, einer war erst achtzehn, hatte neun Stunden Ausbildung. Ich habe eine ME 109 erledigt - der Pilot ist abgesprungen, aber sein Fallschirm hat sich verheddert, weiß nicht, ob er es geschafft hat. Ich konnte mich eine halbe Stunden aufs Ohr legen, bin jetzt munter. Fühle mich unsterblich heute Morgen, dank dir, meine Geliebte. Ich denke immer nur an unsere Zukunft und an unser Leben in der Abtei, wenn der Krieg zu Ende ist. Lass uns haufenweise Kinder kriegen - wie wär´s mit sechs Mädchen, die beinahe so schön sind wie du, Liebste, und ein paar Jungs von meiner Sorte? Schatz, wir müssen los, ich liebe dich von ganzem Herzen - Guy

    Daddys 42. Brief an Stella, datiert laut Briefmarke am 30. Juli 1940. Für die Nachwelt aufbewahrt 1962 in einem neuen Lederalbum von seiner dritten Tochter, M. Mortland, neun Jahre alt.

  • Kapitel 5:
    Nachtwachen!




    Keiner in der Familie freut sich auf die Besuche auf Elde. Stella weiß das und versucht, uns bei Laune zu halten, indem sie am Abend vorher etwas Schönes kocht. Auch heute Abend hat sie sich besondere Mühe gegeben, und da es noch so warm ist, essen wir draußen.




    Nicholas Marlow und Dan bauen einen Tapeziertisch im Klosterhof auf, Stella breitet eine ihrer gestärkten Damasttischdecken darüber, die sie sonst nur an Weihnachten herausholt, und ich dekoriere den Tisch mit gläsernen Windlichtern. Finn arrangiert Obstpyramiden auf Weinblättern, und Großvater verschwindet mit Dan im Keller. Nach langer Suche kehren sie mit mehreren Flaschen im Arm zurück, und Großvater verkündet, dass eine der Flaschen - die sich genau für einen solchen Anlass versteckt hatte - einen legendären und magischen Wein enthält. Diesem zu Ehren holen wir die guten Gläser aus dem Schrank. Stella und Julia verzieren in der Küche einen Kaninchenterrine mit Lorbeerblättern; Dan hat die Kaninchen gestern geschossen. Ein Hähnchen und ein Perlhuhn sind im Ofen - Celia und Rosalind werden gebraten. Sie sind mit Butter begossen und mit Thymian bestreut worden, und sie riechen köstlich, aber ich werde sie nicht anrühren. Ich bin jetzt Vegetarierrin; irgendjemand muss mal Stellung beziehen. Ein schöner Eintopf mit Paprika, Auberginen, Tomaten und Zucchini aus unserem Gewächshaus köchelt auf dem Herd. Ein festlicher Duft liegt in der Luft - der offenbar bis zum Refektorium hinüberweht, denn als alles fast fertig ist, findet sich Lucas ein.




    Man holt noch rasch einen Stuhl, wir laufen zwischen Küche und Hof hin und her, und um acht Uhr können wir uns alle zu Tisch setzen. Die Luft ist noch mild, die ersten Sterne zeigen sich am Himmel, und alles ist in malvenfarbenes Licht getaucht.




    Ich sitze seitlich am Tisch neben Großvater und Stella, die übliche Position für das unsichtbare Mädchen. Dan und Nick Marlow haben sich an den beiden Kopfenden niedergelassen, und mir gegenüber sitzt Lucas, flankiert von meinen Schwestern. "Ich hoffe, das Schwimmen hat Spaß gemacht, Lucas", sage ich bei der ersten Gelegenheit. Ich werde nichts verraten; soll er doch im Unklaren bleiben. Ihm ist anzusehen, dass er denkt: Hat Maisie das Schild gesehen oder nicht?




    Julia zündet die Kerzen an. Sie flackern, dann flammen sie auf. Und noch etwas anderes flammt auf, etwas, das vom Zwielicht entzündet wird, vom Wein, von der weichen süßen Nachtluft. Es huscht über die Gesichter, etwas Flackerndes, Verwehendes. Wohlbehagen könnte es sein; auch etwas Flüchtiges wie Hoffnung oder Freude oder etwas Gefährliches wie Rivalität. Ich spüre, wie es mich streift, ein Geist in der Nacht. Auf den Gesichtern meiner Schwestern sehe ich es und auf den Gesichtern dieser drei jungen Männern. Nick ist der Zurückhaltendste, Stillste, Ernsthafteste der drei; Lucas beobachtet alles mit seinen Argusaugen. Dan - der ein bisschen zuviel Wein getrunken hat - ist am wildesten; er redet, debattiert, flirtet, macht witzige Bemerkungen, veranstaltet ein wahres Feuerwerk.




    All das galt Finn: Er legt seine Hand auf ihre, um etwas zu bekräftigen, und im Flackerlicht der Kerzen sehe ich wieder diesen Blick. Er ist ganz kurz und scheint Finn peinlich zu sein. Sie wendet sich ab. Ich blicke zu den Schwalben hinauf, die durch die Luft sausen. Als Obst und Käse herausgebracht werden, erhebt sich Großvater und gießt den besonderen Wein in die hohen schlanken Gläser - sogar ich bekomme ein Schlückchen. Es ist ein alter Wein aus dem Sommer vor dem Krieg. "Der ist exzellent, Sir", sagt Nick Marlow. "1938. In diesem Jahr kamen meine Eltern nach Wykenfield."

  • Liest hier überhaupt noch irgendwer??




    "Trinkt mit Genuss!", sagt Großvater und hebt sein Glas. Nick hat hervorragende Manieren und weiß immer, wie er Großvater aus der Reserve locken kann. Das ist eine nette Geste von ihm, da mein Großvater bei Gelegenheiten wie diesen leicht in den Hintergrund gerät. "Was haben Sie aus diesem Jahr noch in Erinnerung, Sir?", fragt Nick jetzt. "Nun, offen gestanden, nicht allzu viel", antwortet Großvater. "Die Erinnerungen sind ziemlich undeutlich. Ich habe, glaube ich, viel Radio gehört - ich wusste, dass wieder ein Krieg drohte, und wartete darauf, dass diese Trottel aus der Politik endlich aufwachen. Ich machte mir Sorgen wegen Guy - ich wusste, dass er sich sofort freiwillig melden würde, wenn es Krieg gäbe. Aber<< - er weldet mit dem Zeigefinger - >>als Dan und ich den Wein holten, habe ich mir dieselbe Frage gestellt. Deshalb hab ich mein altes Tagebuch rausgesucht - ich hebe die Tagebücher immer auf, weißt Du -, und da ist es! 1938. Dann schauen wir doch mal, was da so los war...."






    Er fördert ein in rotes Leder gebundenes Büchlein zutage. Julia seufzt und verdreht die Augen. Großvater blättert das Buch durch. Ich sehe, dass die Seiten alle unbeschrieben sind - im Gegensatz zu mir hält Großvater nichts für die Nachwelt fest, und wenn er sich Termine notiert, dann schreibt er auf alte Briefumschläge oder irgendwelche Zettel, die er gleich wieder verlegt. Leere Seiten ohne Ende - und dann plötzlich ein Eintrag. Ich verrenke mir den Hals, um die Notiz lesen zu können. >>Guys Geburtstag!!!<<, steht da. Damals wurde mein vater achtzehn. Großvater steckt das Büchlein weg.






    "Tja, die Ernte war gut in diesem Jahr", sagte er rasch. "Daran erinnere ich mich deutlich. McIver war seit fünf Jahren mein Pächter und hatte einiges verbessert. Entwässerung und so weiter. Die Ernte war prächtig. Wir hatten mehr Milch, und ich überlegte mir, ob wir Schweine anschaffen sollten, Tamworths, nur ein paar, Schweine sind interessante Tiere, hochintelligent - aber McIver war dagegen. Na, was soll´s, das ist Vergangenheit, ist langweilig für junge Leute. Interessiert euch doch gar nicht, ihr denkt an die Zukunft, und so soll´s auch sein - Liebe, Leben, Heirat, Karriere..."





    "Genau", sagt Lucas so plötzlich, dass ich zusammenzucke. "Wir stehen am Anfang einer neuen Ära. Wir werden in Kürze in den Strom des Lebens springen. Die Frage ist nur - sollen wir den Fluss hinauf oder hinab schwimmen? Finn, Julia, was meint ihr? Sollen wir die Quelle ansteuern oder den Ozean? Dan, was würdest Du tun? Nick, was soll es für Dich sein - die Untiefen oder die Stromschnellen?" Er runzelt die Stirn. "Nein, antwortet nicht. Ich weiß es auch so. Ich kann die Frage für jeden von Euch beantworten."





    Das kann ich auch, beschließe ich, und ich werde richtiger raten als Lucas, der meiner Ansicht nach nicht nüchterner ist als Dan. Ich werfe ihm einen eisigen Blick zu. Mir gefällt sein Tonfall überhaupt nicht, auch nicht die Art, wie er Großvater unterbrochen hat. Außerdem passt es mir nicht, dass er uns drei auf der anderen Seite des Tisches ausgelassen hat. Haben wir keine Zukunft? Keine Wahl? Flussaufwärts oder flussabwärts?





    "Ich glaube nicht, dass es so einfach ist, Lucas", meldet sich Nick Marlow zu Wort. "Manche Flüsse sind den Gezeiten unterworfen. In allen gibt es Strömungen. Man entscheidet sich vielleicht dafür, flussaufwärts zu schwimmen, und wir dennoch ins Meer hinausgetrieben. Das sollte man in seine Vorraussagen miteinbeziehen, meine ich".





    Er trägt seinen Einwand ruhig und zurückhaltend vor, aber es ist dennoch ein Einwand; Lucas runzelt die Stirn. Er kann es nicht leiden, wenn man ihn in Frage stellt - und ich habe den Verdacht, dass er auch Nick nicht leiden kann. "Du bist ja schon so weise, Nick", erwidert er. "Muss an der Medizin liegen. So wird man warscheinlich, wenn man zuviel Zeit mit den Kranken, Schwachsinnigen und Toten verbringt. Sei doch nicht so rational und öde. Es geht hier nicht um Gezeiten oder Strömungen, sondern um die Kraft des Willens".





    "Ach, sei friedlich, Lucas, und reg dich ab", sagt Finn.
    "Genau. Verdirb uns nicht den Abend. Und hör auf uns zu provozieren", äußert Dan.