Julia lächelt; sie genießt Streitigkeiten. "Auf unser aller Zukunft", sagt Großvater entschieden; er mag manchmal zerstreut sein, aber Zank bei Tisch duldet er nicht. Ich merke, dass er in Gedanken in der Vergangenheit ist, bei meinem Vater und den anderen Festen, die hier schon gefeiert wurden - bei denen man in eine Zukunft blickte, die ganz anders ausfiel, als man glaubte.
Ich nippe an dem Wein, der grüngolden, warm und frisch zugleich schmeckt. Die Untiefen oder die Stromschnellen, denke ich. Die Quelle oder den Ozean? Wofür werde ich mich entscheiden, wenn es soweit ist? Ich schaue zum Himmel hinauf, der nach und nach silbergrau und dann schwarz wird. Die Schwalben und Mauersegler sind verschwunden, und an ihrer Stelle jagen nun die winzigen Zwergfledermäuse, die in der Abtei unterm Dach wohnen, durch die Luft. Sie sausen über uns hinweg und fliegen an den Mauern tiefer. Bald wird es ganz dunkel sein. In der Birkenallee ruft ein Käuzchen, und meine Nonnen, die nach der Komplet in ihre Zellen gegangen sind, murmeln und widmen sich dem Gebet. Stella merkt, wie still ich bin, und streichelt meinen Arm. Bettzeit, Schätzchen, sagt sie. Du schläfst ja schon fast.
Man verscheucht mich also. Ich steige die Treppe hinauf und öffne das Fenster in meinem Zimmer - es ist noch so warm. Im Hof unten sehe ich die Kerzen flackern und die Glut der Zigaretten, die leuchtet wie Glühwürmchen. Dan macht noch eine Flasche Wein auf, Lucas gießt ein. Großvater ist auch verschwunden - er ist vermutlich auf den Weg in die Bibliothek, um sich dort zu betrinken. Einmal im Jahr besäuft er sich, immer an dem Abend, bevor wir nach Elde fahren. Jetzt sind die fünf alle anderen los geworden. Julia läuft ins Haus und legt eine Platte auf - nicht zu laut, aber doch ziemlich laut. Mit erhobenen Armen kommt sie heraus getanzt, kann dem Rythmus nicht widerstehen. Talkin ´bout my g-g-generation, schreit der Sänger wütend. Stella kommt mit einem Glas warmer Milch ins Zimmer.
Sie zieht die Vorhänge zu und zupft meine Decke zurecht. Ich habe ein weißes Nachthemd an, liege auf einem weißen Kissen unter weißen Laken. Draußen ist es noch nicht ganz dunkel. Stella setzt sich in den Sessel neben meinem Bett, wie immer. Sie weiß, dass es für mich genauso unangenehm ist wie für sie, nach Elde zu fahren, und deshalb erzählt sie mir eine Geschichte wie früher. In ihrem kurzen dunklen Haar zeigen sich graue Strähnchen, und sie hat Fältchen um die Augen. Ich weiß, dass sie sich um so vieles Sorgen macht - das tut sie immer. "Erzähl mir, wie du Daddy kennen gelernt hast", sage ich. "Aber ganz von vorne, und du darfst nichts auslassen."
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nachher gehts noch weiter, ich muss erstmal mittag machen...