• Sobald sie vollends verschwunden war, fuhr Reshanne mit einem Ruck nach oben.
    Hatte sie etwa geträumt? Das war unmöglich, Elo-i schliefen nicht, wie sollten sie dann träumen? Und doch hatte sie sich in den letzten Minuten im Ratssaal befunden und lag jetzt immer noch hier auf ihrer Liege, ohne das geringste Zeichen, sich bewegt zu haben.
    Gaukelte ihr der Kummer etwas vor? Oder hatte diese Begegnung gerade eben tatsächlich stattgefunden? Eine Begegnung, die sich jeder Elo-i sehnlichst wünschte, ohne dass ihm dieser Wunsch je erfüllt worden wäre. Aber sie hatte sie gesehen, sogar mit ihr gesprochen und Melynne, wie es den Anschein hatte, ebenfalls. Warum hatte sie nie ein Wort darüber verloren, nicht einmal ihr gegenüber?
    Was hatte man ihr geraten, noch einmal in den Spiegel zu sehen? Nun, alles, was sie tun musste, um ein Trugbild auszuschließen, war, genau das zu tun.



    Ganz wohl war ihr nicht dabei, als sie jetzt vor den Spiegel trat und hinein sah. Doch was sie gerade jetzt am dringendsten brauchte, waren Antworten, und die sollte ihr ausgerechnet der Spiegel geben. Seit Varik in ihn eingedrungen war, hatte sie ihn nur noch dann benutzt, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Sie fürchtete, dem Herrn der Finsternis sonst ungewollt wertvolle Informationen zu überlassen. Nun hoffentlich war er gerade zu sehr mit seinem neuen Werkzeug beschäftigt, um sich um sie zu kümmern.
    Sie schloss kurz die Augen, atmete tief ein und befahl dem Spiegel, ihrem Willen zu gehorchen.
    „Zeige mir die Antwort auf meine Frage. Wie kann man diese Katastrophe abwenden?“ Nichts, der Spiegel hörte sie zwar, er reagierte auch, doch alles, was er ihr zeigte, war noch immer ihr eigenes Spiegelbild.
    „Was kann ich tun?“
    [FONT=&quot]Nebel hüllte den Spiegel ein, ihr Bild verblasste, strahlendes Licht flammte auf.



    [/FONT] Und dann erschien es erneut, jenes Bild aus ihrer Einführung. Es hatte sich ganz leicht verändert, doch es war ohne Zweifel das gleiche Bild. Diesmal erlaubte ihr der Spiegel einen näheren Blick und was ihr auf den ersten Blick auffiel, war die Frau, die hinter dem Bett stand. Ohne Zweifel, die Tracht, der Stirnschmuck, das war eine von Zardons Cha-yi. Bedeutete das etwa, Zardons Plan war die tatsächlich die Lösung.
    „Sieh genau hin, Reshanne, ganz genau.“ hörte sie wieder ihre Stimme, diesmal noch eindringlicher, beschwörender. „Verschließe dich nicht vor der Wahrheit, nur dann wirst du es sehen!“
    Die Wahrheit, welche Wahrheit? Warum sollte sie sich der verschließen? Sie bemühte sich doch!
    Das Bild begann schon zu verblassen, als habe der Spiegel es aufgegeben, ihr Dinge zu zeigen, die sie nicht entschlüsseln konnte. Doch dann stutzte sie und befahl dem Spiegel, das Bild wieder zu schärfen. Sie beugte sich ganz nah an die glatte Oberfläche und nickte langsam. Jetzt hatte sie verstanden!
    [FONT=&quot]Das Bild verschwand, doch das Licht blieb, auch als Reshanne sich von dem Spiegel abwandte.



    [/FONT] Jetzt endlich wurde ihr klar, warum Melynne ihr die Wahrheit verschwiegen hatte. Und auch warum sie sich so plötzlich zurückgezogen hatte. Was für eine grausame Entscheidung!
    Und sie selbst? Sie stand jetzt vor der gleichen! Wie würde ihre ausfallen? Nur wenn sie diesmal die richtige Entscheidung traf, konnte sie diesen Wahnsinnn ein für alle mal beenden.
    Ein leises Räuspern riss sie aus ihren Gedanken. Als sie den Kopf wendete, sah sie Cyros vor dem großen geschmiedeten Tor stehen.
    [FONT=&quot]„Darf ich hereinkommen?“ Ihr Herz wurde gleichzeitig leicht und schwer, als sie ihrem Mann zunickte und sich dadurch ein Flügel öffnete, um ihn hindurchzulassen. Gleichzeitig verschwand das Licht, welches soeben noch alles hier in seiner Wärme eingehüllt hatte.



    [/FONT] „Ich wollte dich gewiss nicht stören!“ entschuldigte er sich, doch sie wehrte ab.
    „Du störst nie. Ich wäre ohnehin gleich zu dir gekommen.“
    „Dann sollte ich wohl schnellstens wieder gehen!“ meinte er verschmitzt und machte schon Anstalten, sich umzudrehen, als sie ihn zurückhielt.
    „Nein, bitte bleib bei mir. Du kommst wie gerufen. Ich ... ich möchte dich etwas fragen.“
    Erwartungsvoll, aber auch ein wenig beunruhigt, ob der Ernsthaftigkeit in ihrem Blick sah er sie an.
    „Hat es dich sehr gestört, dass Melynne mich damals zur Herrscherin gemacht hat?“
    „Gestört? wiederholte er überrascht. „Warum sollte es mich stören?“
    „Nun ja, es war doch nicht vorgesehen, als wir beide heirateten, und jetzt musst du dauernd hinter deiner Frau herlaufen, auf sie warten und......“
    „Das quält dich?“ unterbrach Cyros seine Gemahlin und griff nun seinerseits nach ihrer Hand.
    „Varik hat es gequält.“



    Er musterte einen Moment intensiv den Ring, der sowohl an ihrer als auch an seiner Hand glänzte, bevor er mit fester Stimme erklärte: „Ich bin nicht Varik. Meine eigenen Aufgaben genügen mir vollkommen. Und es ist und war mir immer egal, wer du bist!“ Er strich ihr zärtlich über den Handrücken und lächelte. „Mag sein, dass deine Eltern sich eine Verbindung zwischen uns in den Kopf gesetzt hatten, aber ich hätte dich nicht geheiratet, wenn es nicht auch mein eigener Wunsch gewesen wäre. Und nach deiner Ernennung, über die ich im übrigen sehr stolz bin, was hätte mich daran gehindert, dich zu verlassen, sollte es mich wider jeden Verstand doch stören?“
    „Niemand verlässt die Herrscherin!“ flüsterte Reshanne heiser.
    „Das wäre ein unerhörter Skandal gewesen, nicht wahr?“ grinste Cyros wie ein kleiner Junge, bevor er wieder ernst wurde. „Dennoch hätte ich es getan, wenn es einen Grund dafür gegeben hätte.“
    „Und den gab es nie?“
    [FONT=&quot]„Nie!“ bestätigte er und führte ihre Hand an die Lippen. „Ich liebe dich, Reshanne, genauso wie ich es getan habe, als du meine Frau geworden bist, vielleicht sogar noch mehr.“



    [/FONT] Voller Zärtlichkeit strich ihm Reshanne über die Wange. „Versprich mir, dass sich das nie ändern wird, ganz egal, was auch passiert.“
    „Was soll denn passieren?“ fragte er mit einem unguten Gefühl.
    „Ich werde eine Entscheidung fällen müssen, eine wichtige Entscheidung, für uns alle, eine grausame. Und ich weiß nicht einmal, ob es die richtige sein wird. Ich kann es nur hoffen. Doch ich möchte nicht, dass du .....“
    „......dass ich?“
    „......dass du deshalb aufhörst, mich zu lieben!“
    Erschrocken schob er sie von sich und entdeckte überrascht eine Träne, die ungehindert ihre Wange herunterlief. Nichts hätte ihn mehr erschüttern können, denn Reshanne weinte nie. Nicht dass die Elo-i nicht dazu in der Lage wären, sie taten es nur höchst selten.
    "Bitte!" wiederholte sie. "Versprich es mir!"



    Er nahm ihren Kopf in seine Hände, zog sie ganz nah an sich heran und flüsterte: "Ich verspreche dir, ich werde dich immer lieben, egal, was du tust."
    Ein dankbares Lächeln belohnte ihn, als er seiner Frau einen zärtlichen Kuss auf die Lippen hauchte.


  • „Was ist das?“ fragte Celia mit einem Anflug an Neugier, als Varik sie an den Rand eines der felsdurchklüfteten Seen, welche die Eisfestung umschlossen, führte.
    Zwei Bäume reckten ihre Äste einander entgegen und bildeten auf diese Weise einen natürlichen Bogen, unter dem sich ein ebenmäßiges, immer heller werdendes Licht ausbreitete.
    „Das ist das Tor.“ antwortete Varik. „Das Tor zum Tempel der Finsternis! Ich habe es geöffnet!“
    „Ich verstehe nicht!“
    Varik trat ganz nahe hinter sie. „Es ist soweit, du hast alles gelernt, was du benötigst. Jetzt wird es Zeit, dieses Wissen anzuwenden, um die zu strafen, die dich so verletzt haben. Geh hindurch, hab keine Angst! Ich werde dir folgen.“
    [FONT=&quot]„Wenn du es so willst!“ erwiderte sie kalt und ging entschlossen auf das Licht zu. Varik seufzte einen Moment tief auf. So nah war er nun seinem Ziel, so nah, er sollte triumphieren, doch aus einem Grund, den er nur fühlen, aber nicht näher erklären konnte, gelang ihm das nicht.



    [/FONT] Auf der anderen Seite des Tores fand sich Celia vor einer riesigen schwarzen Wand wieder, in die lediglich eine kleine Pforte eingelassen worden war, die sich, kaum dass sie das Licht verlassen hatte, wie zur Einladung öffnete. Ohne Zögern durchschritt sie auch diese und wurde im Innern einer Halle, deren Mauern in den Himmel zu ragen schienen, von einer Frau erwartet, die leicht den Kopf vor ihr neigte.
    „Die Dienerin des Gebieters grüßt die zukünftige Herrin!“ sagte sie und deutete hinter sich. „Alles ist bereit und wartet seit langer Zeit auf Euch!“
    [FONT=&quot]Ob die derart Angesprochene diese Begrüßung nun erstaunte oder nicht, ließ sich an deren Gesichtsausdruck kaum erkennen. Sie warf der Frau nur einen leicht forschenden Blick zu, bevor sie nickte und ihr gestattete, sie weiter ins Innere der Halle zu führen.



    [/FONT][FONT=&quot]Am Ende der Halle stand, eingelassen in ein Wasserbecken, ein kleiner Schrein, vor dem sie Varik bereits stehen sah. Sie wunderte sich weder darüber, wie er die Halle noch vor ihr erreicht hatte, noch woher er die Zeit genommen hatte, ein anderes Gewand anzulegen. Ernst und mit einer gewissen Feierlichkeit in der Miene stand er dort und sah ihr entgegen, als sie an der Seite der Cha-yi über den sternfunkelnden Boden schritt, ohne den seltsamen Statuen zu beiden Seiten auch nur einen Blick zu gönnen. Einen klareren Beweis für ihre Gleichgültigkeit hätte sie Varik gar nicht liefern können.
    Als sie die Stufen zu ihm hinauf stieg, beugte er sich vor, reichte ihr die Hand und zog sie regelrecht zu sich hinauf.



    [/FONT] „Fürchte dich nicht!“ sagte er nun schon zum zweitenmal und völlig unnötig, und sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
    „Ich fürchte nichts, warum auch! Hast du nicht gesagt, es muss sein?“ Er nickte und betrachtete prüfend ihr regloses Gesicht. Starr sahen die Augen fast durch ihn hindurch. Der Kristallsaal hatte seine Aufgabe mehr als nur zufriedenstellend erfüllt und jedes Gefühl in ihr vollständig getötet. Das leise Bedauern darüber, das er auch diesmal in sich aufsteigen fühlte, musste er ignorieren. Sie war nicht Keyla, sie würde es nie sein, ganz gleich, wie sehr sie ihn an sie erinnerte. Und in seinem Herzen, was davon noch übrig war, gab es nur Platz für sie, seine Prinzessin der Finsternis. Ihre Enkelin, geboren aus dem Verrat an seiner Liebe, würde und durfte nie etwas anderes sein, als ein Werkzeug, dass ihm Rache und Macht sichern sollte, das eine so ersehnt, wie das andere.
    „Es wird schnell vorüber sein, und dann hält dich nichts und niemand mehr auf!“
    [FONT=&quot]„Nichts und niemand!“ wiederholte sie in einem eigenartigen Ton, bevor sie sich abwandte und langsam zum Schrein hinunter ging und durch den Vorhang trat, der sein Inneres verhüllte.



    [/FONT] Varik wandte sich um und sah ihr nach, der große Moment, endlich! Ob Reshanne wusste, dass der Schrein, der eigentlich nie hätte existieren sollen, sich immer noch unversehrt hier in diesem Tempel befand? Oder verließ sie sich darauf, dass es ihrer Vorgängerin gelungen war, ihn zu zerstören?
    Manchmal erstaunte es ihn, wie leicht Melynne es ihm gemacht hatte, obwohl bereits sein Vater den brennenden Ehrgeiz in seinem Sohn erkannt und ernsthaft darüber nachgedacht hatte, ihm die Nachfolge als Herr der Finsternis zu verweigern. Es hatte ihn soviel Überredung, soviel Verstellung gekostet, den Vater von diesem verhängnisvollen Schritt abzuhalten. Verstellung, fast sein ganzes Leben war davon geprägt. Was für eine Grausamkeit der Großen Mutter, ihn schon von Geburt an mit Kräften auszustatten, die weit über denen gewöhnlicher Elo-i lagen, der Herrscherin selbst ebenbürtig.
    Was für eine Qual, zu wissen, wozu man fähig wäre, was man leisten könnte, und doch niemals die Gelegenheit dazu zu bekommen, stattdessen zuzusehen, wie ein weitaus weniger machtvolles Geschöpf das höchste Amt einnehmen sollte. Hatte nicht die Große Mutter selbst bestimmt, der jeweils mächtigste Elo-i sollte den Thron besteigen? Warum durfte es dann nur eine Frau sein?



    Er würde dieses System ändern, er würde das Universum neu gestalten, angefangen bei den Elo-i und ihren starren Regeln. Und er würde sie büßen lassen, für die Schmerzen, die man ihm zugefügt hatte, allen voran Zardon, der seine eigene Tochter getötet hatte, nur um sie von ihm fernzuhalten!
    Varik nickte seiner Dienerin zu, die sich darauf hin von ihm entfernte und am gegenüberliegenden Ende des Schreins aufstellte. Er allein wäre nicht fähig, ein stabiles Energiefeld aufzubauen, welches die Kräfte des Schreins aktivierte. Nur dafür war diese Cha-yi von ihm ausgewählt und ausgebildet worden, um Hüterin dieses Schreins und seiner dunklen Kräfte zu sein.
    Beide richteten ihre Handflächen gegen einander und augenblicklich brach die Energie aus ihnen hervor, tänzelte vor ihnen herum und wurde schließlich von dem Schrein angezogen wie ein Magnet und eingesaugt.
    [FONT=&quot]Aus dem Innern hörten sie einen langgezogenen schrillen Schrei, der ihnen das Blut in den Adern gefrieren ließe, so sie denn welches hätten. Ja, die Transformation war selbst für Elo-i, welche Schmerzen längst nicht so stark empfanden wie die Menschen, nicht gerade angenehm. [/FONT]



    ++++++
    zu Teil 2


  • Doch der Schrei verebbte ebenso wie das Licht aus ihren Händen rund um den Schrein erlosch.
    Für einen Moment fühlte Varik Unsicherheit aufsteigen, ob der Vorgang auch tatsächlich gelungen war, doch nur wenig später teilte sich das feine Gespinst und heraustrat eine vollkommen veränderte Celia.
    Er erinnerte sich daran, wie er Keyla aus dem Schrein hatte kommen sehen, wie andächtig er ihre dunkle Schönheit bestaunt hatte.
    Auch Celias Schönheit vermochte noch immer jeden zu betören, doch bei ihrem Anblick fröstelte es ihn, soviel Kälte strahlte sie aus.
    Seine Dienerin versank in einer tiefen Verneigung und begrüßte respektvoll die neue Herrin der Schwarzen Seen.



    Dann reichte sie ihm auf seine Anweisung hin Keylas alten bereitgelegten Schmuck, der ihr nun in ihrer neuen Position zustand und er legte ihn ihr höchstpersönlich an.
    Seine Finger zitterten leicht, und nicht nur seine Finger, nein sein ganzer Körper wurde in ihrer Nähe von diesem Zittern erfasst, ohne dass er hätte sagen können, warum. War es nur diese entsetzliche Kälte, die von ihr auf ihn übersprang, oder noch etwas anderes?
    Als er ihr die Kette mit den in reinste Kristalle eingeschlossenen Tränen der Großen Mutter umlegte, ein Juwel so alt wie die Welt, hob sie für einen Moment die Hand und befühlte die Steine auf ihrer Haut. Irrte er sich, oder legte sich da wirklich ein Lächeln auf ihre Lippen. Nein, das konnte gar nicht sein!



    Er wandte sich von ihr ab, stieg die Stufen hinunter, und drehte sich nach ihr um.
    „Folge mir!“ befahl er mit deutlich hörbarer Zufriedenheit. „Es wird Zeit, dass du deine Bestimmung erfüllst und ich dir sage, was du zu tun hast.“
    Doch Celia rührte sich nicht von der Stelle, und diesmal war er sich sicher, dass sie lächelte, mitleidig und grimmig zugleich.
    „Worauf wartest du?“ fragte er ungehalten. „Komm mit mir, ich werde dir deine weiteren Anweisungen geben.“
    [FONT=&quot]„Du?“ Ganz leise sagte sie es, und doch hallte es in seinen Ohren wieder, als hätte sie es geschrien. Leise und gefährlich. „Du willst mir Anweisungen geben? Ausgerechnet du? Glaubst du ernsthaft, du hättest das Recht dazu, oder auch nur die Fähigkeit?“



    [/FONT] „Was glaubst du, wer du bist?“ fuhr er unwirsch auf. „Ich habe dich geschaffen, du bist mein Geschöpf, du wirst mir gehorchen!“
    Gemessenen Schrittes kam sie auf ihn zu, den Blick ihrer kalt leuchtenden Augen fest auf ihn gerichtet.
    „Es stimmt, du hast mich geschaffen, und ich weiß nicht, ob ich dir dankbar sein, oder dich dafür verfluchen soll.“
    „Was willst du damit sagen?“ Fassungslos starrte er sie an, von Teilnahmslosigkeit oder blindem Gehorsam, den er sich vorgestellt hatte, fand er nichts in ihrem Gesicht, nur ein kaltes spöttisches Lachen.
    „Hast du wirklich geglaubt, DU könntest mich benutzen?“ fragte sie ihn beinahe mitleidig. „Mich wird niemand benutzen, und schon gar nicht du!“
    „Was? Du kannst dich unmöglich meiner Kontrolle entziehen.“ stammelte er und das Entsetzen in seiner Stimme vertiefte ihr Lächeln noch.
    [FONT=&quot]„Warum denn nicht? Du selbst hast mir doch die Macht dazu gegeben! Stück für Stück!“



    [/FONT] „Ich mag dir Macht gegeben haben, aber du bist dennoch von mir abhängig, ich bin dein Meister, und du wirst....“
    Er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu vollenden, denn sie hob den Arm und ihre Stimme tönte derart laut, dass er versucht war, sich die Ohren zuzuhalten, wenn das nur etwas gebracht hätte:
    „Ich habe keinen Meister!“ Eine unsichtbare Welle schlug direkt gegen seine Brust, und der Aufprall war so stark, dass er ein paar Schritte nach hinten taumelte, während sie an ihm vorbei ging. „Ich habe keinen Meister!“ wiederholte sie und senkte den Arm wieder. „Und ich bin von niemandem abhängig. Du solltest dir das merken, wenn du nicht jetzt schon Schaden nehmen willst.“
    [FONT=&quot]„Schaden nehmen? Durch dich? Was erlaubst du dir?!“ rief er in höchstem Maße erzürnt, selbst jetzt noch unfähig den Ernst seiner Lage einzuschätzen.



    [/FONT] Nur ganz kurz traf ihn ihr Blick, bevor sie sich umdrehte, ohne auch nur ein Wort zu verlieren ausholte und ihm einen gewaltigen Energieblitz entgegenschleuderte, der ihn regelrecht von den Füßen riss.
    „Wage es nie wieder, dich mir in den Weg zu stellen!“ zischte sie.
    „Aber ich...“ versuchte er einzuwenden, wich aber augenblicklich vor dem Aufblitzen ihrer Augen zurück. „Ich habe dir doch geholfen, erinnerst du dich nicht mehr daran?“
    „Ich weiß genau, was du getan hast und auch warum, Varik! Deine Gedanken sind längst ein offenes Buch für mich. Und wie alle anderen auch, wirst du deiner Strafe nicht entgehen. Also wenn du nicht jetzt gleich deine letzte Reise antreten willst, reize mich nicht mehr mit diesen Lügen!“


    ++++++++++
    und zu Teil 3


  • Sie ließ ihn stehen und widmete sich stattdessen der Cha-yi, die mit großen Augen und mindestens ebenso fassungslosem Staunen wie ihr Herr beobachtet hatte, was mit ihrem so allmächtig scheinenden Gebieter geschehen war.
    [FONT=&quot]„Von nun an wirst du einzig mir dienen und gehorchen!“ befahl Celia in einem Ton, der jeden Widerspruch ausschloss. Die Cha-yi dachte auch gar nicht daran. Die Streitigkeiten der Elo-i hatten sie nicht zu interessieren. Sie gehörte in diesen Tempel, wer immer ihn regierte, galt ihr als Gebieter. Und es hatte ganz den Anschein, als habe Varik soeben die Herrschaft über seinen eigenen Tempel verloren, an Keylas Erbin, die neue Herrin der Schwarzen Seen, die, das war schon jetzt abzusehen, ihrem Namen alle Ehre machen würde.



    [/FONT] Während Celia auf seinem eigenen Thron Platz nahm und die Huldigung der Cha-yi empfing, blieb Varik erschüttert zurück und versuchte zu ergründen, was geschehen war. Wie konnte sie sich gegen ihn auflehnen? Wie war das möglich? Der Schrein, die Übertragungen, all die Mühen, das hatte doch ein solches Verhalten ausschließen sollen.
    Zwar hatte er immer gewusst, dass er ein Risiko einging, ein solches Wesen zu erschaffen, ausgestattet mit einer weitaus größeren Macht als er es sich je vorgestellt hatte, doch er war sich immer sicher gewesen, sie völlig unter seine Kontrolle bringen zu können. Und es hatte doch die ganze Zeit so ausgesehen, als würde alles wunschgemäß verlaufen. Wie hatte sie ihn nur so täuschen können? Wie hatte sie den Kristallsaal überlistet?
    [FONT=&quot]„Was beschwerst du dich?! Wolltest du nicht ein Wesen ohne Gefühle, nur von dem Gedanken an Rache beherrscht? Nun hast du es bekommen.“ antwortete Celia lautlos auf seine Frage. „Nur wirst du dich vor mir beugen, nicht umgekehrt!“



    [/FONT] Obwohl er sich sträubte, so gut er konnte, zog ihn ihr Wille dennoch vor den Thron, zwang ihn Stück für Stück in die Knie.
    „Rache war und ist mein Ziel.“ fuhr sie fort. „Und du wirst mir dabei helfen, tun, was immer ich verlange. Zum Dank dafür bleibst du verschont, bis das Ende kommt!“
    „Das Ende?“ rief er in neuerlichem Entsetzen. „Welches Ende?“
    „Das Ende aller Dinge! Was dachtest du denn? Ich werde diese Welt im Feuersturm vernichten, die der Menschen ebenso wie die eure. Nichts soll mehr übrig bleiben von all dem Hass, dem Betrug und Verrat und von der Gier, die alles beherrscht!“
    „Aber wenn du das tust, wenn du alles auslöschst, dann vernichtest du auch dich selbst!“ gab er vorsichtig zu bedenken.



    [FONT=&quot]„Na und?“ Sie zuckte mit den Schultern. „Was hat meine Existenz noch für eine Bedeutung, nun da ihr eitlen, selbstsüchtigen Wesen mir alles genommen habt? Nein!“ Sie schüttelte heftig ihr dunkles Haar und das rote Funkeln ihrer Augen verstärkte sich wieder. „Sie werden dafür büßen, jeder einzelne von ihnen und alle gemeinsam! Keiner wird verschont! Keiner! Ich werde die letzte Nachfolgerin der Großen Mutter sein, und ihre Schöpfung auslöschen!“



    [/FONT] Zur selben Zeit hob Reshanne erschrocken den Kopf, als der Himmel sich plötzlich verdunkelte, die Wolken ihre Farbe wechselten und selbst der Mond sich blutrot zu färben begann.
    „Bei allen Mächten, dieser Wahnsinnige!“ flüsterte Reshanne voller Verzweiflung. „Er hat es getan, er hat es wirklich getan. Jetzt ist es nicht mehr aufzuhalten. Oh dieser blinde, dumme Tor!“
    Jetzt hatte sie keine Zeit mehr zu verlieren, denn es würde nicht lange dauern, und die beiden würden die Tore dieses heiligen Ortes auf der Suche nach ihr zum Einsturz bringen.
    Und so schickte sie einen Diener in den Tempel der Ewigkeit mit der Aufforderung an ihre Schwester, den Menschen zu ihr zu bringen.




    +++


  • Einige Zeit, bevor der Himmel sich über dem Ratstempel zu verfärben begann, lag Nicolas auf dem Dach des Tempels der Ewigkeit und betrachtete sehnsüchtig die Sterne über ihm. Sie wirkten nicht anders als in seiner eigenen Welt, doch das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit, die er bisher hatte feststellen können. Sonst schien hier nichts so zu sein, wie es auf den ersten Blick aussah. Selbst die Gesetze der Physik, die er immer für unantastbar gehalten hatte, wurden hier durch einen einzigen Gedanken außer Kraft gesetzt, den Gedanken eines Menschen, seines Gedankens.
    [FONT=&quot]Es mochte eine Ewigkeit her sein, dass seine ganze Welt aus den Angeln gerissen worden war und doch lagen kaum mehr als drei Wochen zwischen diesem Augenblick und seinem Tod. Er schluckte. Er fühlte sich nicht tot, im Gegenteil, seit man ihn in diese eigenartige Welt gebracht hatte, fühlte er sich lebendiger als je zuvor. Aber eben nur hier, wo seine Seele wieder eine körperliche Form annehmen konnte, so wie die von Zaides Dienerinnen. Zumindest hatte Zaide es ihm so erklärt, nachdem sie ihn in ihren Tempel gebracht und ein wenig herumgeführt hatte. Er mochte die Frau, in deren Augen so viel Traurigkeit, aber auch soviel Güte schimmerten und er wurde nicht müde, ihr zuzuhören, wenn sie von ihrer Tochter sprach.



    [/FONT] Auf seine Bitte hin, hatte sie ihm auch die beiden Sarkophage gezeigt, in denen Alyssas und Semiras Körper unversehrt ruhten, bis ihre Zeit gekommen war. Und dann hatte er noch eine ganz unschuldige Frage gestellt, die ihr dennoch die Tränen in die Augen trieb, die Frage nach dem dritten Sarkophag, denn das Kreuz darüber kam ihm so merkwürdig bekannt vor, dass er nicht anders konnte. Wenn er sich nicht völlig täuschte, hatte er es schon einmal gesehen, damals, auf Celias Bild.
    „Darin liegt mein Mann, ihr Vater, ich habe ihn nach seinem Tod mit mir genommen, er sollte für immer bei uns bleiben!“ flüsterte sie leise und bestätigte damit seine Vermutung bezüglich des Bildes, doch um die volle Bedeutung ihrer Worte zu begreifen, benötigte er eine Weile.
    „Deshalb war der Sarg also leer!“ rief er schließlich und musste ihr nun seinerseits erklären, dass man vor einigen Jahren die Grabstätten der ersten Blandforts hatte verlegen müssen und dabei feststellte, dass zwei der Särge zwar noch immer in gutem Zustand aber unerklärlicherweise leer gewesen waren, unter anderem der seines Großonkels Adrian.
    [FONT=&quot]Sie hatte ihn einen Moment mit einem eigenartigen Blick gemustert, bevor sie sacht seinen Arm berührte und sich mit ihm in die Luft erhob.



    [/FONT] An ihrer Seite trat er durch eine Wand, als bestünde sie nur aus einer Art schwarzem Nebel und befand sich in einem Raum, auf dessen dunklen Wänden tausende Sterne von plötzlich aufflammenden Kerzen zum Leuchten gebracht wurden.
    An der gegenüberliegenden Wand hingen unter einem weißen Baldachin zwei Porträts, deren Anblick ihm vertraut und fremd zugleich war. Der Mann auf dem Bild war tatsächlich der gleiche wie auf dem Gemälde in der Galerie des Manors, Adrian Blandfort, der Bruder seiner Urgoßmutter Cassandra.
    „Ich habe es gemalt, zwei Tage nach unserer Hochzeit, im Garten des Landschlösschens, in das wir uns zurückgezogen hatten vor der Welt und unseren Familien.“ erklärte Zaide ungefragt. „Leider war uns nur eine kurze Zeit des Glücks beschieden, Adrian starb, noch bevor Celia geboren wurde.“
    [FONT=&quot]„Das war vor über zweihundert Jahren!“ krächzte er heiser, obwohl er das doch längst wusste, doch erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, was das eigentlich bedeutete.



    [/FONT] „Zweihundertsechsunddreißig, um genau zu sein. Sie ist also um einiges älter als du!“ bestätigte Zaide in leicht belustigtem Tonfall hinter ihm, während sein Blick sich förmlich an dem lachenden Mund des Mädchens festsaugte. Sie sah so fremd aus, und das lag nicht nur an den langen Haaren, nein, sie strahlte soviel unbeschwerte Heiterkeit aus, wie er sie, wenn er es recht bedachte, bei ihr nie wirklich erlebt hatte.
    „Als sie das Selbstporträt für mich anfertigte, wusste sie noch nichts von ihrer menschlichen Abstammung, geschweige denn von Adrians tragischem Schicksal.“ fuhr Zaide nun wieder völlig ernst fort. „Und ich wünschte, ich hätte ihr nie die Wahrheit sagen müssen, ich wünschte, ich hätte meine Gedanken besser unter Kontrolle gehabt, dann wäre all das nicht geschehen. Es tut mir so leid!“
    „Warum dir?“ fragte er, ohne den Blick von ihrem Bild zu wenden. „Und warum sollte sie von seinem Tod nichts erfahren? Menschen sind doch nicht unsterblich.“
    „Das stimmt wohl, aber im Fall deines Onkels liegen die Dinge etwas anders.“
    [FONT=&quot]Er drehte sich nach ihr um und wartete auf eine weitere Erklärung. Es hatte ganz den Anschein, als habe Cressi bei ihrer Erzählung der Ereignisse ein paar entscheidende Details weggelassen. Aber Zaide schluckte nur ein paar Mal schwer, wandte sich ab und winkte ihm, ihr nach draußen zu folgen.



    [/FONT] Erst als sie auf der kleinen Terrasse standen und beide hinunter in den Garten sahen, schien sie wieder freier atmen zu können.
    „Celia war gern dort unten und hat geträumt von der Welt, die sie so gerne sehen wollte, von den Menschen, deren Geister sie hier durchwandern sah auf deren Weg hinüber.“ Ihm schien es, als wolle sie ihn ganz bewusst von ihren eigenen Andeutungen ablenken, doch er ließ sich nichts anmerken und lauschte, ihren Worten ebenso wie dem leisen Flüstern des Windes, der sanft mit den Blättern der Bäume spielte. „Sie war so fasziniert von ihnen, als hätte sie es tief in ihrem Innern damals schon gewusst. Ich habe das Geheimnis lange Zeit gehütet, denn sie sollte einmal meinen Platz hier im Tempel und im Rat einnehmen, aber....“ Erneut brach sie ab, offenbar funktionierte das Ablenken doch nicht, denn ihre eigenen Gedanken kehrten immer wieder von selbst dorthin zurück.
    „Aber stattdessen wurde sie von allen nur benutzt für ihre eigenen Ziele, von diesem Varik ebenso wie von Zardon, nicht wahr?“ beendete Nicolas ihren Satz schließlich, als sie lange Zeit nichts mehr sagte und einfach nur in die Nacht hinausstarrte. „Und jetzt benutzen sie mich.“ fügte er nach einer Weile noch hinzu und diesmal nickte Zaide.
    „Es tut mir wirklich leid, aber all dies hat lange vor euch beiden angefangen und im Grunde nichts mit euch zu tun.“
    [FONT=&quot]„Ich weiß!“ sagte Nicolas und erneut warf sie ihm, ohne dass er es bemerkte einen forschenden Blick zu.



    [/FONT] Es war schon ein mehr als nur merkwürdiges Gefühl gewesen, als er anschließend Celias Gemächer betrat. Zaide hatte ihm lediglich die Tür geöffnet, und ihn allein hineingehen lassen, als wolle sie ihn nicht stören, und er war ihr dankbar dafür.
    Neugierig sah er sich um. Seine Mutter wäre entzückt gewesen über die vielen Blumen, die, in zahlreichen Gestecken überall im Raum aufgestellt, ihren zarten Duft verströmten. Nirgendwo sonst waren sie so verschwenderisch verteilt wie hier, in Celias Räumen, denn sie liebte Blumen über alles. Prompt erinnerte er sich an das Strahlen ihrer so vertraut wirkenden Augen, als er ihr den kleinen Feldblumenstrauß ins Krankenzimmer brachte. Solange hatte er über die Ursache dieser Vertrautheit gegrübelt, bis ihn die Erkenntnis nach einem Blick in den Spiegel schließlich wie ein Blitz traf. Es waren seine eigenen Augen gewesen, ebenso wie die seiner Mutter. Und nun wusste er endlich auch warum. Er hatte sich in seine Cousine verliebt, seine zweihundert Jahre ältere Cousine, und doch war sie, nach den Verhältnissen der Elo-i gerechnet wesentlich jünger als er. Da sollte ein Mensch noch durchsehen!
    [FONT=&quot]Und noch eines wurde ihm in diesem Raum klar, nämlich, wie sehr er sie vermisste, so sehr, dass er den Schmerz über ihren Verlust körperlich zu spüren glaubte, obwohl doch längst kein Herz mehr in seiner Brust schlug. Wenn er mit einem tiefen Seufzer zu dem riesigen Himmelbett hinübersah, meinte er fast, sie dort liegen zu sehen, den Blick auf ihn gerichtet, auf den Lippen ihr sanftes unergründliches Lächeln.



    [/FONT] Nur ein einziges Mal war es einer hasserfüllten Grimasse gewichen, doch dieses eine Mal hatte ihn das Leben gekostet. Er hätte wütend darüber sein sollen, sie verfluchen, weil sie ihm in dieser einen unendlichen Minute alles genommen hatte, stattdessen machte er sich große Sorgen um sie und fragte sich, was ihm diese gar nicht so unfehlbaren Elo-i ebenso verschwiegen hatten wie seine Großmutter. Was hatte Zaide vorhin andeuten wollen? Was hatte Celia so sehr beschäftigt, dass ihr Verstand sich selbst dann noch daran erinnerte, als er alles andere vergessen hatte?
    Stundenlang saß er so ungestört in der Mitte des Raumes und beobachtete das Wasser des kleinen Springbrunnens, wie es in leisem einschläfernden Geplätscher die dünn gemaserten Steine hinunter lief. Wo mochte sie jetzt sein? Wie fühlte sie sich? Was machte dieser verfluchte Kerl mit ihr? Was ihm Cressida und später auch Zardon über diesen Herrn der Finsternis erzählt hatten, ließ ihn nur das Schlimmste befürchten. Das war auch der Grund gewesen, dass er dem verrückten Plan seines Urgroßvaters zugestimmt hatte, obwohl er eigentlich nur eines dabei wirklich verstand, dass er durch dieses Ritual endgültig aufhören würde, zu existieren. Einen Übergang in die andere Welt würde es für ihn dann nicht mehr geben, kein Wiedersehen mit denen, die er liebte. Seltsamerweise schreckte ihn dieser Gedanke nicht. Er wollte nur Celia aus den Fängen dieses skrupellosen Kerls befreien und damit auch seine Familie beschützen. Alles andere war Sache dieser sogenannten Götter! Was gingen ihn deren Streitigkeiten an, und wenn er zehnmal von ihnen abstammte! Er mochte sie nicht, nein, ganz und gar nicht. Bis auf Celias Mutter. Er hatte sich nicht vorstellen können, dass eine strenge Totenrichterin so warmherzig und gefühlvoll sein würde.


    +++++++++++
    weiter zu Teil 2


  • Schnell fand er auch heraus, dass er ihrer Hilfe nicht bedurfte, um sich innerhalb des Tempels nach Belieben auf und ab zu bewegen, ein Gedanke genügte, um sich von einem Raum zum nächsten zu begeben, und so zog er sich, als er die Mauern von Celias Gemächern nicht länger ertragen konnte, auf das Dach des Tempels zurück, und verfolgte dort den Lauf der Sterne durch die immerwährende Nacht, während seine Gedanken zwischen Celia und seiner Familie hin und her eilten. Hier oben war die drückende Spannung nicht mehr so gegenwärtig, weil alles und jedes den Atem anhielt in der ängstlichen Erwartung des Furchtbaren, das sie schon bald ereilen sollte. Und dieses Furchtbare war seine Celia, ein Mädchen, dessen einst so liebevolles Herz vergiftet worden war durch den brennenden Ehrgeiz eines übermächtigen Wesens. Und dennoch klammerte er sich an die Hoffnung, dass ihn dieses Herz nicht völlig vergessen hatte, dass sie sich an ihn und ihre Liebe erinnerte, selbst wenn sie das nicht davon abgehalten hatte, ihn im Zorn zu töten.
    „Die Hoffnung stirbt immer zuletzt! Ist das nicht eines eurer Sprichwörter?“ fragte Zaide, als sie ohne Ankündigung direkt neben ihm auftauchte. Er nickte.
    „Ja, und es stimmt. Solange man es selbst nicht will, bleibt sie erhalten. Und ich will die Hoffnung nicht aufgeben. Ich kann es nicht.“
    [FONT=&quot]„Ich auch nicht!“ meinte sie und er traute seinen Augen nicht, denn die Herrin der Seelen tat etwas, womit er nun wirklich nicht gerechnet hatte.



    [/FONT] Sie ließ sich an seiner Seite nieder, schob ihren Arm unter seinen Kopf und sah mit ihm gemeinsam zu den Sternen hinauf. Er konnte nicht wissen, dass sie genau das recht oft mit ihrer Tochter getan hatte, dass sie für ihr kleines Mädchen Figuren in den Nachthimmel gezeichnet und ihr dabei die alten Geschichten von den Anfängen des Universums erzählt hatte.
    „Du liebst sie wirklich, nicht wahr?“ fragte sie und spürte nur eine kleine Bewegung seines Kopfes zur Antwort. „Ich habe mir immer gewünscht, dass sie eines Tages jemanden findet, der ihr genauso tiefe Gefühle entgegenbringt, wie ihr Vater sie für mich hatte. Allerdings hoffte ich, es wäre einer aus meinem eigenen Volk.“
    „Und jetzt bist du enttäuscht?“
    „Nein, und das liegt nicht daran, dass auch du unser Erbe in dir trägst. Was du für sie und damit auch für uns zu tun versucht hast, war äußerst selbstlos und hat selbst deinem Großvater Respekt abgenötigt, und der hat keine besonders hohe Meinung von den Menschen.“
    „Hab ich gemerkt!“ murmelte Nicolas.
    „Aber verzeih, wenn ich das sage, wäre ich an Reshannes Stelle gewesen, hätte ich es wohl trotz allem zugelassen, dass ihr seinen Plan durchführt.“
    „Dann versteh ich nicht, warum deine Schwester es uns dann nicht auch hat tun lassen?“
    [FONT=&quot]Zaide schloss einen Moment die Augen, seufzte kurz auf und erhob sich wieder, als wäre ihr das Thema plötzlich unangenehm.



    [/FONT] Er erwartete schon, dass sie einfach verschwinden würde, rührte sich aber dennoch nicht, sondern sah ihr nur nach, wie sie hinter ihm an den Rand des Daches trat und dort stehen blieb.
    „Ich weiß es nicht genau.“ beantwortete sie seine Frage. „Ich kann nur Vermutungen anstellen. Vielleicht hat sie einfach nur Angst vor ihr.“
    „Angst? Ist sie nicht eure Herrscherin, und damit die Mächtigste von euch?“
    Zaide drehte den Kopf ein wenig in seine Richtung und wunderte sich nicht zum ersten Mal, wie gut der Junge über sie alle und ihre Hierarchie Bescheid wusste. Sie bezweifelte nämlich, dass er diese Auskünfte von Zardon erhalten hatte, der sich niemals dazu herabgelassen hatte, einem dieser so verhassten Menschen die Geheimnisse der Elo-i anzuvertrauen. Nur woher nahm er dann sein Wissen? Sie kam nicht mehr dazu, ihn zu fragen, denn ihr Blick und ihre Gedanken wurden abgelenkt durch das gleiche Ereignis, dass auch Reshanne in Schrecken versetzt hatte. Der Himmel verfärbte sich, und ein aus den Tiefen der Erde kommendes Grollen ließ nicht nur die altehrwürdigen Felsen rund um den Tempel erzitterten, sondern auch die Mauern und Säulen des Tempels.
    Erstaunt richtete Nicolas sich auf. „Was ist das?“
    [FONT=&quot]„Das ist Celia. Davor hat Reshanne sich gefürchtet.“



    [/FONT] Sie hatte keinerlei Erklärungen mehr abgegeben, auch nicht, als der Bote aus dem Rat kam und nach ihm verlangte. Schweigend hatte sie ihn an die Hand genommen, um ihn hinüberzubringen in das Zentrum der Welt, ohne auch nur eine Vorstellung davon zu haben, was Reshanne mit dem Jungen vorhaben könne. Fast erwartete sie, die Tore des Tempels würden sich nicht öffnen, denn noch niemals hatte der Fuß eines Menschen diese heilige Schwelle übertreten, doch es geschah nichts dergleichen. Noch immer schwebten die Säulen an ihrem Platz, fest und unverrückbar, und auch das Grollen, dass ihren eigenen Tempel erschütterte, war hier noch nicht zu spüren. Nur wie lange noch?!
    Sie hörte leise, aber erregt diskutierende Stimmen aus dem Nachbargang. Offenbar hatte Reshanne nicht nur Nicolas zu sich gerufen, sondern den gesamten Rat. Nur zu welchem Zweck? Sie hatten bisher keine Lösung gefunden, wie sollten sie es jetzt?



    „Es ist nicht aufzuhalten!“ hörte sie Cyros gerade mit deutlicher Verzweiflung sagen. „Überall beginnt die Erde zu zittern. Der Magmaspiegel steigt. Fast jeder Vulkan ist bereit zum Ausbruch. Es wird Stürme unvorstellbaren Ausmaßes geben, Flutwellen, so hoch, dass sie tagelang über die Erde rasen werden. Feuer und Wasser werden sich vereinen und alles vernichten, absolut alles!“
    „Aber das können wir doch nicht zulassen!“ klagte Daria, die starr vor Entsetzen auf ihrem Sessel saß und Cyros mit weitaufgerissenen Augen anstarrte, die Hände fest in ihr Kleid verkrallt. „Du musst doch....“ Der Mann schüttelte betrübt den Kopf.
    „Die Elemente gehorchen mir nicht mehr. Ich kann nichts mehr tun, ich bin machtlos!“
    [FONT=&quot]„Wir können im Augenblick nur eines tun,“ mischte sich Reshanne ein, die bisher still und reglos zugehört hatte. „Wir müssen warten, dass sie zu uns kommt, und hoffen, dass ihr Zorn groß genug ist, um sich zuerst an uns zu rächen und nicht an den Menschen.“



    [/FONT] „Und was sollte das bringen?“ fragte Zaide, als sie die Runde betrat . „Wenn sie uns erst vernichtet hat, und das wird sie, dann haben die Menschen niemanden mehr, der sie vor Varik und seiner Grausamkeit beschützt. Noch ist es nicht zu spät für Zardons Plan, bitte....“ Dann sah sie auf den leeren Platz an Reshannes Seite. „Wo ist er, wo ist Zardon? Warum ist er nicht auch hier?“
    „Wir brauchen ihn nicht!“ erklärte Reshanne.
    „Aber.....“
    [FONT=&quot]„Zardons Vorhaben hätte nicht funktioniert. Vertrau mir, Zaide, nur dieses eine Mal noch. Alles, was wir brauchen, hast du mitgebracht.“ Sie wies die Schwester mit einer Geste an, ihren Platz einzunehmen und richtete dann ihren Blick fest auf den Mann, der nur zögernd die erlauchte Runde betrat.



    [/FONT] „Ein Mensch?“ rief Daria entgeistert und wusste nicht, wen sie zuerst anstarren sollte, ihre Herrin, die offenbar den Verstand verloren hatte, oder aber diesen Mann, der erstaunt und fasziniert ihre Flügel musterte. „Wie sollte ein Mensch uns gegen Varik und seine dunkle Kreatur helfen?“
    „Sie ist keine Kreatur!“ fauchte Nicolas sie an, dessen anfängliche Ehrfurcht schon wieder verschwunden war, und Daria zuckte zurück. „Sie ist ein Wesen genau wie du, und was aus ihr geworden ist, ist eure Schuld, nicht ihre.“
    „Bitte?“ Hilfesuchend sah Daria erst zu Cyros hinüber und danach zu Reshanne. Was erlaubte sich dieser Mensch, so mit ihr zu sprechen!



    „Schon gut, Nicolas! Das war nicht so gemeint!“ suchte Reshanne sowohl ihn als auch die aufgebrachte Daria zu beruhigen, trat auf ihn zu und legte ihm den Arm um die Schulter. „Ich habe dich hergebeten, weil ich deine Hilfe brauche. Würdest du mich bitte begleiten, damit wir uns ungestört unterhalten können?“
    Hergebeten? Was für eine Untertreibung! Denn nach einer Bitte hatte sich der Bote überhaupt nicht angehört, eher nach einem Befehl, dem sowohl Zaide als auch er unverzüglich Folge zu leisten hatten. Doch im Gegensatz zu seiner ersten Begegnung mit ihr, als sie ihn zugleich herrisch und herablassend von dem Ritual abgehalten hatte, wirkte sie jetzt ausgesprochen freundlich, besorgt, und das aus gutem Grund, aber dennoch freundlich, werbend, kein Wunder, wenn sie seine Hilfe brauchte. Die allmächtige Herrscherin der Elo-i, ja der Welt, benötigte seine Hilfe, die Hilfe eines Menschen. Wenn die Lage nicht so ernst wäre, hätte er laut aufgelacht.
    „Ich auch!“ flüsterte Reshanne ihm leise zu, so dass die anderen es nicht hörten. „Aber du hast recht, die Lage ist zu ernst dafür.“



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  • Sie gab ihm keine Gelegenheit dazu, sich darüber zu wundern, dass sie offenbar seine Gedanken gelesen hatte, sondern verließ mit einem leichten Kopfnicken in Richtung der anderen Ratsmitglieder deren Runde.
    Vor allem Cyros aber machte sich Gedanken über seine Frau. Sie hatte sich verändert in den letzten Tagen und Wochen, sehr verändert und das gleich mehrmals. Erst hatte sie getobt, dass keiner außer ihm selbst sich noch in ihre Nähe wagte, später war sie still und in sich gekehrt durch die Hallen gewandelt, hatte sich niemandem mehr anvertraut, nicht einmal ihm. Und dann diese Szene im Pavillon des Spiegels, dieses Flehen, diese Verzweiflung in ihrer Stimme, es ließ ihn nicht mehr los. Denn es passte so gar nicht zu ihrem Verhalten danach. Auf einmal wirkte sie wieder ganz ruhig und überlegen. War sie vorher von fast schon panischem Zorn regiert worden, schien sie jetzt auf eine Weise in sich selbst zu ruhen, die er noch nie an ihr gesehen hatte. Nie war sie mehr Herrscherin und weniger Ehefrau, ihm nie vertrauter und doch nie fremder gewesen, und das machte ihm Angst. Er riskierte einen vorsichtigen Blick zu Zaide hinüber und fragte sich, ob sie wohl wusste, was ihre Schwester vorhatte, doch die blicklose Leere in ihren Augen ließ ihn daran zweifeln.
    [FONT=&quot]Nun, wenn er sich den Himmel ansah, dann würde er wohl nicht lange warten müssen, um es selbst herauszufinden.



    [/FONT] Eine Weile liefen die beiden stumm nebeneinander durch den Garten, der sich rund um den Ratstempel zog. Die eine wusste nicht, wie sie beginnen sollte und der andere fühlte sich leicht verunsichert in ihrer Nähe. Nur hin und wieder riskierte Nicolas einen Blick auf die Frau an seiner Seite, die immerhin das mächtigste Wesen der Welt sein sollte, es aber offensichtlich dennoch nicht war.
    Ein leichtes, aber recht trauriges Lächeln glitt über ihre Lippen.
    „Das stimmt, es sollte so sein, ginge es nach der Ordnung, wie sie unser aller Schöpferin, die Große Mutter vorgesehen hat.“ meinte sie schließlich und räumte damit jeden Zweifel aus, dass sie tatsächlich wie ihre Schwester seine Gedanken lesen konnte. Er schnaufte. Na toll, nicht mal denken durfte er, was er wollte, ohne dass sie sofort alles wusste.
    „Entschuldige, Gewohnheit, denke ich. Aber ich werde mich bemühen, es nicht mehr zu tun!“
    Überrascht sah er sie an. Damit hatte er nicht gerechnet, eher mit einer neuerlichen Rüge.
    [FONT=&quot]„Ich bin nicht ganz so böse, wie alle glauben, auch wenn ich Dinge tun musste und muss, die dir grausam erscheinen mögen.“



    [/FONT] „Wenn du vorhaben solltest, Celia zu töten, dann werde ich dir nicht dabei helfen!“ verkündete Nicolas entschlossen und Reshanne schüttelte sogleich den Kopf.
    „Nein, den Fehler hab ich schon einmal gemacht, und es war vielleicht der schlimmste, den ich hätte begehen können.“ Er hatte den Eindruck, als spräche sie mehr zu sich selbst, als zu ihm, was sich durch das Folgende noch verstärkte. „Wer weiß,“ sinnierte sie vor sich hin, „Varik hätte vielleicht nie Macht über sie bekommen, wenn ich ihr nicht den Vater genommen hätte.“
    „Was hast du?“ flüsterte Nicolas. „Du .... hast .... Adrian.....“ Er beendete den Satz nicht. Das hatte Zaide also gemeint, das musste es sein, was Celia so aus der Fassung gebracht hatte. „Wie konntest du nur?“
    Reshanne senkte den Kopf, hob ihn aber gleich wieder an und sah ihm fest in die Augen. „Wir mögen mächtig sein, Nicolas, und über großes Wissen verfügen, aber auch wir machen Fehler, furchtbare Fehler. Damals erschien es mir der einzig mögliche Weg zu sein. So wie jetzt auch. Nur ob es wirklich der richtige ist, werden wir erst wissen, wenn es zu spät ist.“
    [FONT=&quot]„Was willst du von mir?“ verlangte er zu wissen, ohne zunächst eine Antwort zu erhalten.



    [/FONT] Stattdessen ließ sich Reshanne mit einem erschöpften Durchatmen auf die Bank fallen und sah zu Nicolas hinüber, der ihr zunächst nicht folgte, sondern an dem kleinen Teich stehen blieb und scheinbar konzentriert auf das Wasser starrte. Aber natürlich waren seine Gedanken ganz auf die Frau hinter ihm gerichtet, und das wusste sie auch.
    „Was willst du von mir?“ wiederholte er ohne ein Zeichen von Ungeduld.
    „Ich möchte, dass du ihr gegenübertrittst, wenn sie hier auftaucht. Allein! Ohne einen von uns an deiner Seite.“
    „Was?!“
    „Wenn überhaupt jemand sie davon überzeugen kann, dass Varik ein falscher Freund ist, dann du! Du musst versuchen, ihr die Wahrheit darüber zu erzählen, was in deinem Haus geschehen ist, dass Varik sie dazu gebracht hat, dich zu töten, damit sie auf seine Seite wechselt.“
    [FONT=&quot]„Das war der Grund?“ Nick kickte mit einem verbitterten Stoß einen Stein ins Wasser und drehte sich. „Darum musste ich sterben? Nur darum?“



    [/FONT] Sie tippte mit der Hand auf den Platz neben ihr und er setzte sich, wenn auch widerstrebend.
    „Ein Menschenleben bedeutet Varik gar nichts.“ begann sie, wurde aber sofort von Nicolas unterbrochen.
    „Nun, das scheint ja wohl auf euch alle zuzutreffen.“
    „Es mag im Augenblick so scheinen, aber das ist nicht wahr. Die Menschen haben sich in den vergangenen Jahrhunderten nicht unbedingt zu ihrem besten entwickelt, und so manch einer von uns fragt sich nun, warum wir euch noch beschützen sollen. Aber das ist unsere Aufgabe, und die werden wir erfüllen. Welchen Sinn hätte unsere Existenz sonst noch? Was ich meinte, war, dass du kein zufälliges Opfer gewesen bist. Er wusste alles, wer du bist, von wem du abstammst. Er hat dich gefürchtet, dich und vor allem, was du sein könntest. Darum ließ er dich von ihr beseitigen. Aber vielleicht war das auch sein größter Fehler. Sie hat dich geliebt, und womöglich tut sie das noch. Wenn sie dich sieht, und es dir gelingt, sie davon zu überzeugen, dass wir rückgängig machen können, was sie getan hat, dann verhinderst du vielleicht das Schlimmste.“



    „Rückgängig?“ hakte Nicolas verständnislos nach.
    „Solange dein Körper existiert, kannst du zurückkehren in deine Welt. Hat Zardon dir das nicht gesagt?“
    „Doch, nur dachte ich, dass ........, dass ich dann nichts mehr für sie tun könnte.“
    Reshanne schüttelte den Kopf. „Nein, wenn du ihr helfen willst, dann nur auf diese Weise. Selbst wenn du und Zardon euch vereinigt hättet, wäret ihr beide zusammen nicht stark genug gewesen, um sie zu bezwingen. Sie hat viel zu viel Macht erlangt. Alles, was du tun kannst, ist Variks Lügengeflecht zu durchbrechen. Und wenn dir das gelingt, schicke ich dich zurück zu deiner Familie. Mit einer plausiblen Erklärung, versteht sich.“
    Nicolas atmete tief durch. Das war jetzt schon das zweite Mal, dass man ihm ein neues Leben anbot, und wieder fragte er sich, was geschehen würde, wenn er auf dieses Angebot einging. Wie konnte Reshanne nur sicher sein, dass er Erfolg haben würde? Zardon glaubte nicht mal ansatzweise daran, im Gegenteil! Als er ihr das sagte, entgegnete sie nur, dass Zardon auch nicht die ganze Wahrheit kenne. „Er sieht nur, was er sehen will. Ich weiß auch nicht, warum.“
    [FONT=&quot]„Aber ich!“ dachte Nick und schielte sofort misstrauisch zu der Herrscherin hinüber. Doch die schien Wort gehalten zu haben und reagierte nicht.



    [/FONT] Ihre Unterhaltung wurde zudem von Cyros unterbrochen, der in ungewohnter Hast auf sie zugelaufen kam.
    „Vergib mir!“ rief er und neigte aller Eile zum Trotz den Kopf vor ihr.
    ‚Was für ein eigenartiges Gefühl das sein musste, sich ständig vor der eigenen Frau verneigen zu müssen’ dachte Nicolas bei sich, der sich erst in diesem Moment daran erinnerte, dass die beiden miteinander verheiratet waren. Aber Keyla hatte ihm in der kurzen Zeit soviel erzählt, dass er sich wunderte, wie er das alles behalten konnte.
    „Sie hat angefangen. Zwei Vulkane sind bereits ausgebrochen, vier weitere stehen kurz vor der Explosion. Auf die asiatische Küste rollt ein riesige Flutwelle zu, die ich nicht stoppen kann. Und sie hat einen Tempel dem Erdboden gleichgemacht.“
    „Welchen?“ fragte Reshanne in bangem Ton, doch seine Antwort überraschte sie, und nicht nur sie.
    [FONT=&quot]„Variks Tempel, die Halle der Finsternis.“



    [/FONT] Reshanne gab Cyros ein Zeichen, sich wieder zurückzuziehen und sah hinauf in den Himmel, wo sich das Firmament beständig weiter verdunkelte, was nur bedeuten konnte, dass sie auf dem Wege war.
    Doch warum hatte sie ausgerechnet mit Variks Tempel begonnen? Was hatte das zu bedeuten? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, sie wusste nur eines, dass sie keine Zeit mehr hatten, gar keine mehr.
    „Ich fürchte, du musst eine Entscheidung treffen, Nicolas! Und du musst sie jetzt treffen. Was wirst du tun?“


    +++


  • Unheilvolle Dunkelheit kroch langsam wie ein sich windender Wurm über die Berge und verschlang nach und nach die Berge und die Große Halle des Rates, wo gerade einige sehr verwunderte Mitglieder den Befehl ihrer Herrscherin erhielten, den Tempel umgehend zu verlassen.
    Niemand wusste, was diese damit bezweckte, undenkbar schien es ihnen, den Mittelpunkt ihrer, nein der ganzen Welt einfach so kampflos aufzugeben.
    Doch Reshanne duldete keinerlei Diskussionen mehr. Nachdem sie ihren Willen kundgetan hatte, verschwand sie gemeinsam mit ihrem Gatten im Spiegelpavillon, den dieser nur wenig später allein und mit steinerner Miene verließ.



    „Du willst also wirklich allein hier zurückbleiben?“ fragte Zaide, die eigentlich gekommen war, um den jungen Mann abzuholen und nun erfahren musste, dass er sie nicht begleiten würde.
    „Was heißt, ich will? Mir bleibt doch gar nichts anderes übrig.“ antwortete Nicolas mit einem hilflosen Schulterzucken.
    „Aber das ist Wahnsinn!“ hauchte Zaide, ohne ihn anzusehen. „Ohne Zardons Kräfte bist du ihr nicht gewachsen.“
    „Mit ihnen auch nicht, wenn man deiner Schwester Glauben schenkt.“
    „Und was sollst du dann tun?“
    [FONT=&quot]„Versuchen, zu ihr durchzudringen, ihr die Wahrheit über diesen Varik vor Augen führen. Was weiß ich.....“



    [/FONT] „Nicolas......“ Zaide trat ganz nah an ihn heran und legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich weiß, du glaubst, du musst das tun. Aber es ist sinnlos, glaub mir. Was immer dir Reshanne auch gesagt hat, vergiss es. Ohne die Übertragung kannst du Celia nicht erreichen. Wahrscheinlich wird sie dich nicht einmal erkennen. Dafür hat er sicherlich gesorgt. Du bist ihm zu gefährlich.“
    „Eben deshalb!“ widersprach er heftig. „Es muss einen Grund geben, dass er mich fürchtet.“
    „Gefürchtet hat.“ korrigierte Zaide sanft. „Jetzt, nach der Transformation wird sie dich hinwegfegen, noch bevor du ein Wort sagen kannst, weil er das so wünscht. Sein Ziel ist Reshanne und die Macht, und sie wird ihm beides geben, ohne dass du sie daran hindern kannst.“ Er senkte den Kopf. „Komm mit mir, Nicolas. Ich geleite dich hinüber, wo du in Sicherheit sein wirst.“
    „Sicherheit!“ Er spuckte das Wort förmlich aus. „Und was ist mit all den anderen? Mit meiner Mutter, Arabella und Justin? Was ist mit den übrigen Menschen? Willst du die auch alle in Sicherheit bringen?“
    Zaide schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht, denn sie sind nicht tot, so wie du.“
    [FONT=&quot]„Dann lass mich tun, was ich tun muss!“ verlangte er. „Ich will es wenigstens versuchen, ganz egal, was mit mir passiert!“



    [/FONT] Nein, dachte Zaide, während sie den Jungen zum Abschied in die Arme schloss. DAS kann sie doch nicht ernst meinen. DAS war Reshannes Plan? Ihrer allmächtigen, dem Bösen verfallenen Tochter einen hilflosen Menschen entgegenschicken und hoffen, dass es ihm gelingen mochte, deren versteinertes Herz zu erweichen? Nein, das konnte sie nicht ernst meinen!
    Dann hätte sie genauso gut Zardon das Ritual durchführen lassen können, egal, ob er nun eigenmächtig gehandelt hatte, aber ER wollte wenigstens kämpfen, und das mit einer reelleren Chance, als dieser arme wenn auch tapfere Bursche sie haben würde.
    [FONT=&quot]Zardon! Es dauerte nur einen Wimpernschlag, um zu ihm zu gelangen. Ja, sie würde ihn holen. Wenn der Junge schon gegen sie antreten musste, dann nicht allein. Sollte Reshanne doch zur Hölle fahren, wie die Menschen sagten. Sie war nicht bereit, irgendjemanden aufzugeben, nicht ihre Tochter und auch nicht den Mann, den diese liebte.



    [/FONT] Doch nachdem sie die Stufen zur Halle des Lebens hinaufgeeilt war, musste sie feststellen, dass sich niemand dort befand. Nicht einmal eine der Cha-yi, geschweige denn der Herr des Lebens selbst war zu sehen. Und das obwohl hier immer jemand Wache hielt.
    Zwar brannten überall die Kerzen und hüllten den Tempel in ihr warmes Licht, doch die hohen Säulen ragten schweigsam und beinahe drohend in den Himmel, einsam und verlassen stand der Thronsessel auf seinem Podest am gegenüberliegenden Ende, nicht ein Blatt der uralten den Tempel einfassenden Bäume bewegte sich, kein Laut drang an ihr Ohr.
    Zaide rang verzweifelt die Hände. Nicht jetzt, er konnte doch nicht ausgerechnet jetzt einfach verschwinden. Jetzt, wo er dringender gebraucht wurde, als jemals zuvor.
    Und dann vernahm sie ein leises Plätschern, als wäre ein Stein auf das Wasser geschlagen. Augenblicklich folgte sie dem Geräusch.



    Und konnte ihre Erleichterung kaum verbergen, als sie den Gesuchten unterhalb des Tempels am Ufer des Sees sitzend fand.
    „Versteckst du dich hier vor dem Ende?“ fragte sie nicht ohne Vorwurf, und Zardon erhob sich sichtlich überrascht.
    „Zaide, was machst du denn hier?“
    „Was ich hier mache? Also wirklich! Wir müssen etwas unternehmen! Varik hat die Transformation durchgeführt.“
    „Ich weiß.“ antwortete Zardon schlicht und Zaide riss die Augen auf.
    „Aber du weißt anscheinend nicht, dass Celia bereits auf dem Weg zum Ratstempel ist, und dabei überall eine Spur der Verwüstung hinterlässt.“
    „Doch, auch weiß ich. Es war ja zu erwarten. Und außerdem....,“ er deutete auf den Himmel, „....ist es wohl kaum zu übersehen.“
    „Aber Reshanne verlangt von Nicolas, dass er sich ihr entgegenstellt. Ein Mensch, und ganz allein! Wir müssen etwas tun, wir müssen ihm helfen.“
    „Das können wir nicht.“ Zardons Stimme versagte beinahe. „Es ist zu spät.“
    „Nein, das......das kann ich nicht akzeptieren.“
    „Du musst, wir alle müssen es, es liegt nicht mehr in unserer Hand. Vielleicht gelingt dem Jungen ja, wozu wir nicht in der Lage waren.“




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  • Dieses Vertrauen teilte der „Junge“ aber längst nicht. Nun, da jeder Elo-i und auch Reshanne den Ratstempel verlassen hatte, begann er die Einsamkeit und auch die Unsicherheit zu fühlen. Diese rührte nicht zuletzt von der Ehrfurcht her, die er empfand, als er, vorbei an den Jahrtausende alten Säulen durch die Halle ging, wo jeder Stein die Geschichte der ganzen Welt in sich trug. Niemals, nicht einmal in seinen wildesten Träumen hatte er sich vorgestellt, dass ein solcher Ort überhaupt existieren könne, geschweige denn, er ihn einmal sehen würde. Und doch stand er hier, ein einfacher Mensch vor dem Thron des Universums, und ihrer aller Schicksal hing davon ab, ob er stark genug sein würde. Nur stark genug wofür?
    Er wusste ja nicht einmal, wie er das anstellen sollte. Womöglich hatte Zaide recht, und Celia würde ihm nicht einmal eine Chance lassen, irgendetwas zu sagen.
    [FONT=&quot]Und doch schien ausgerechnet Reshanne, an deren Verstand sie alle zweifelten, mehr zu wissen, als sie ihm sagen wollte.



    [/FONT] Natürlich war sie erfreut gewesen über seine Entscheidung, auch wenn er sich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass sie nichts anderes erwartet hatte. Sie schien es ja nicht einmal in Betracht zu ziehen, man könne ihr eine Bitte verweigern, zumal, wenn sie sich schon dazu herabließ, zu bitten statt zu befehlen.
    [FONT=&quot]„Es mag dir unmöglich scheinen, was ich von dir verlange.“ hatte sie gesagt, als er sich von ihr abwandte, als spüre sie seine eigenen Zweifel, noch bevor er sie sich selbst eingestand. „Doch die Dinge liegen anders, als sie dir und allen anderen hier erscheinen mögen. Ich kann und will es dir jetzt nicht erklären, denn, verzeih mir, du würdest es nicht verstehen. Noch nicht! Zudem fehlt uns die Zeit dafür. Ich kann dir auch nicht versprechen, dass alles gut ausgeht, denn es besteht nur der Hauch einer Chance auf Erfolg. Ich kann dich nur um eines bitten. Vertrau mir, wenn ich dir sage, dass dies der einzig überhaupt mögliche Weg ist, und dass es nur dir allein gelingen kann. Etwas ist bei dieser Transformation nicht so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hat, und das ist unser Vorteil. Du liebst sie doch noch immer, trotz allem, was geschehen ist, nicht wahr?“ Er hatte nur genickt und weiter auf’s Wasser gestarrt. „Und sie hat dich geliebt, und tut es noch, tief in ihrem Innern, glaub mir! Wir Elo-i verschenken unser Herz nicht leichtfertig. Die meisten können es nur ein einziges Mal und bewahren ihre Liebe für den Rest ihrer Tage, selbst wenn sie einem sterblichen Menschen entgegengebracht wurde.“ Das hatte ich nur vergessen, fügte sie im Stillen hinzu, als sie an ihre Schwester dachte. Ich habe so vieles vergessen! Aber diesmal werde ich für alles Sorge tragen.



    [/FONT] Und nun stand er also hier und wartete.
    Aber nicht lange! Dann hörte er ein ohrenbetäubendes Geräusch und erstarrte. Der Boden unter ihm zitterte. Ein heftiger Windstoß fuhr durch die Bäume, riss an ihren Wurzeln, solange, bis mancher von ihnen nicht mehr widerstehen konnte und sich ächzend zur Erde neigte.
    Er musste sich nicht umdrehen, er musste nicht erst sehen, was hinter ihm geschah, er wusste es.
    Der Augenblick war da. Nun gab es kein Zurück mehr. Jetzt hieß es, alles oder nichts.
    Denn sie war gekommen.
    Nicolas atmete tief durch und lauschte.
    „DU .... bist nicht Reshanne!“ sagte eine vor Kälte klirrende Stimme hörbar enttäuscht.
    [FONT=&quot]„Nein, bin ich nicht.“ bestätigte er und wandte sich fast schon in Zeitlupe nach ihr um und erschrak.



    [/FONT] Großer Gott, war das wirklich noch das Mädchen, das ihm in den Wagen gelaufen war, dessen schüchtern hilfloses Lächeln sein Herz berührt hatte, in dessen kristallklaren Augen er die Tiefe des Ozeans gesehen hatte, das ihn zum ersten Mal in seinem Leben alle Vernunft hatte vergessen lassen? Dieses Geschöpf dort vor ihm hatte doch kaum noch Ähnlichkeit mit ihr. Nur ihre Augen erinnerten ihn noch an sie, diese Augen, die ihn nun so weit aufgerissen anstarrten.
    „Nicolas!“
    [FONT=&quot]Nur dieses eine Wort kam über ihre Lippen, während sich um sie herum alles in tiefrotes Licht einhüllte, als würden die Flammen der Hölle aufzüngeln, eine Säule nach der nächsten knirschend in Stücke barst und krachend auf dem Boden aufschlug. All die wunderbaren Marmorplatten, welche die Halle ausgekleidet hatten, waren zertrümmert und in der aufgerissenen blutenden Erde verschwunden.



    [/FONT] Der feurige und doch flammenlose Wirbel, der nur aus ihren Gedanken geboren zu sein schien, eilte ihr voraus, als sie mit langsamen Schritten auf ihn zuging. Und Nicolas musste sich mit aller Macht dazu zwingen, stehen zu bleiben, während vor ihm der Boden weiter aufbrach, die Plätze der Ratsmitglieder in sich zusammenfielen wie ein Kartenhaus.
    Und sie schritt durch dieses Inferno, so ruhig und unbeeindruckt, als ginge sie an einem lauen Sommerabend im Park spazieren.
    „Was für ein lächerlicher Plan, ausgerechnet dich zu benutzen, um mich auszuschalten! Ich hätte mehr von Reshanne erwartet, und von dir auch!“
    „Du irrst dich!“ entgegnete er. „Ich will dich nicht ausschalten.“
    „Man hat es dir vielleicht nicht gesagt, meine Verwandten haben die Angewohnheit, wichtige Dinge zu verheimlichen, wenn es in ihrem Interesse liegt, doch ich kann deine Gedanken lesen, als würdest du sie aussprechen.“
    [FONT=&quot]„Da bist du nicht die Einzige hier. Doch wenn du schon liest, dann auch richtig!“



    [/FONT] Jetzt, wo sie direkt vor ihm stand, verschwand jede Art von Furcht und Unsicherheit aus seinem Herzen. Es mochte ja sein, dass ihre Augen alle Wärme verloren hatten und ihr Mund nicht mehr zu lächeln vermochte, doch er spürte noch immer den gleichen Zauber, der ihn früher immer wieder zu ihr getrieben hatte, dieses überwältigende Gefühl, dass ihn auch jetzt und hier die Hand nach ihr ausstrecken ließ, selbst wenn er es nicht wagte, sie zu berühren.
    „Es stimmt, dass sie mich um Hilfe gebeten haben. Aber glaubst du wirklich, das wäre der Grund für mein Hiersein? Eure Zwistigkeiten sollten mich nichts angehen, aber du und ich, wir beide wurden doch schon hineingezogen, noch bevor wir geboren wurden. Auch dir müsste klar sein, dass wir uns nicht durch Zufall begegnet sind. Und das hat weder deine Tante noch deine Mutter arrangiert.“
    „Ich weiß, es war Varik!“ unterbrach sie ihn tonlos und er stutzte.
    [FONT=&quot]„Das weißt du?“



    [/FONT] „Natürlich weiß ich das. Niemand kann seine Gedanken vor mir verbergen, auch er nicht, nur habe ich ihn das erst merken lassen, als es zu spät für ihn war.“ Sie wandte sich zur Seite und Nicolas folgte ihr vorsichtig. Er hätte sie zwar gern gefragt, was sie mit zu spät gemeint hatte, doch sie sprach längst weiter, und so schob er diese Frage auf..
    „Es war ein sauber eingefädelter Plan, von langer Hand vorbereitet und geduldig durchgeführt. Und wir beide, du genauso sehr wie ich, waren die Schachfiguren in dem Spiel um die Macht zwischen ihm und Reshanne. Jeder von ihnen wollte nur eines, .....dort oben sitzen.“ Sie deutete mit dem Kopf nach hinten in Richtung des Thrones der Herrscherin. „Was oder wen sie dafür opfern mussten, war ihnen völlig egal, und ist es selbst jetzt noch.“
    „Sag das nicht!“ forderte er sanft, wünschte sich aber gleich, es nicht getan zu haben, denn sie fuhr herum und starrte ihn zornfunkelnd an.
    „Ach nein? Bist du nicht das beste Beispiel? Gefällt es dir, tot zu sein? Bist du gern gestorben, für sie, .....für nichts?“




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  • So schnell wie sie gekommen war, verschwand die Leidenschaft auch wieder aus ihren Augen, doch in ihm, der eigentlich erschreckt hätte sein müssen, frohlockte das Herz. Denn hinter all dem Zorn lag noch immer versteckt und wie es schien sorgsam gehütet, die Trauer um das Geschehene, die Verzweiflung über das, wozu man sie getrieben hatte. Und solange sie das empfand, konnte, durfte es nicht zu spät sein. Statt sich also von ihr zurückzuziehen, machte er noch einen Schritt auf sie zu, bis er ihr so nahe war, dass ein leichtes Vorbeugen genügen würde, um mit seinen Lippen über ihre Wangen zu streichen.
    [FONT=&quot]„Ich bin nicht gern gestorben, wahrlich nicht, soweit ich mich erinnere, hat es sogar verdammt weh getan. Aber das warst nicht du, es war nicht deine Schuld, und auch nicht die von Reshanne.“ sagte er und legte soviel Eindringlichkeit und Ernst in seine Stimme, wie er nur konnte. „Er war es, dieser Varik, er ganz allein. Und jetzt, wo du seinen Plan durchschaut hast und er keine Macht mehr über dich hat, und die hat er doch nicht mehr, nicht wahr?“ Sie antwortete nicht. „Nicht wahr?“ hakte er fast schon flehend nach. „Jetzt kann doch alles wieder gut werden. Gut, ich bin gestorben, aber dadurch hat sich mir eine Welt offenbart, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte. Und es muss ja auch nicht zuende sein! Ich kann noch immer zurückkehren, wir beide könnten das, wenn du nur willst. Du bist eine Elo-i, du bist Zardons Enkelin, du weißt, es ist möglich.“



    [/FONT] Erneut wandte sie sich von ihm ab und entfernte sich ein paar Schritte von ihm.
    „Das ist unmöglich. Du weißt längst nicht alles. Du hast keine Ahnung, WAS ich getan habe. Ich......“ Ihre Stimme wurde so leise, dass er sie kaum mehr verstehen konnte, obwohl die ganze Halle inzwischen in tiefster Stille lag, als würde die ganze Welt auf jeden ihrer Atemzüge lauschen. „Ich habe nicht nur dich, sondern auch deine Familie getötet, deine Mutter und .... Arabella. Es war eine Übung, wie er es nannte, ein Erdbeben zu erzeugen und seine zerstörerische Kraft auf ein bestimmtes Ziel zu lenken. Ich brachte dein Haus zum Einsturz, mitten in der Nacht, und habe sie unter den Trümmern begraben. Und ich wusste, was ich da tat. Ich wusste es genau und tat es trotzdem!“
    Er schwieg einen Moment lang scheinbar tief betroffen und sie lachte bitter auf.
    [FONT=&quot]„Siehst du, jetzt begreifst du hoffentlich, dass nichts wieder gut sein wird, gar nichts. Es ist zu spät.“



    [/FONT] „Ist es nicht.“ widersprach er entgegen ihren Erwartungen noch immer sanft und entschuldigend, als habe er sich nur von einem kleinen Schock erholt müssen. „Was immer er dir erzählt hatte, war nicht die Wahrheit. Vielleicht wusste er es aber auch nicht anders, konnte es nicht. Du hast sie nicht getötet, den beiden geht es sehr gut. Bella war bei JD und meine Mutter gar nicht in der Stadt, als du das Erdbeben losgelassen hast.“
    „Du lügst! Sie waren beide im Haus, ich hab es selbst gesehen!“
    „Dann hast du nur gesehen, was du sehen solltest. Verstehst du denn nicht? Das war doch Variks Fehler. Nur weil er dich dazu brachte, mich zu töten, bin ich jetzt hier, konnte ich meine Familie beschützen, vor ihm und auch vor dir.....“
    „Du?“ fragte sie teils spöttisch, teils verzweifelt. „Du hättest mich nicht täuschen können, du hast gar nicht die Macht dazu.“
    [FONT=&quot]„Zugegeben, ich hatte etwas Hilfe,“ er machte eine kleine Pause, bevor, er wohlwissend, dass er es ohnehin nicht vor ihr verbergen konnte, hinzufügte: „......von unserer Großmutter Keyla.“



    [/FONT] „Was? Das ist unmöglich! Sie ist tot, umgebracht von ihrem eigenen Vater!“ Nur zu genau erinnerte sie sich an die heimliche Trauer hinter Variks eisiger Maske. Das war kein falsches Spiel gewesen, sondern echt. Vermutlich sogar das einzig echte Gefühl, dessen er noch fähig war, genau wie sie jetzt.
    „Und woher weißt du das?“ Worauf wollte er hinaus? Und wieso gelang es ihm, sie derart durcheinander zu bringen? Sie war ja kaum in der Lage, sich auf seine Gedanken zu konzentrieren. „Lass mich raten, von Varik, oder?“ fuhr er auch schon fort. „Genau der sollte das auch glauben, ebenso wie jeder andere eurer Art. Kein Wunder, wenn hier alles auseinanderbricht, bei all den Geheimnissen, die ihr voreinander habt.“ Er erlaubte sich ein leises Lachen, um seine eigene, wieder aufkeimende Nervosität zu unterdrücken. „Aber du musst zugeben, der alte Zardon ist ein schlauer Fuchs. Nicht einmal deine Tante weiß davon. Aber ich schwöre dir, und du hast keinen Grund mir nicht zu glauben, Keyla, ist noch ziemlich lebendig. Niemand hat sie getötet, und es wird auch niemand bei dir versuchen, und das nicht, weil sie wissen, dass sie es nicht können. Sie, wir alle wollen dich wieder bei uns haben. Und genau wie es für Keyla damals ein Zurück gab, so gibt es das jetzt auch für dich. Darum, nur darum bin ich hier. Weil ich dich liebe. Weil du mich liebst. Und weil wir nicht zulassen dürfen, dass irgendjemand das zerstört.“
    [FONT=&quot]„In meinem Herzen gibt es keine Liebe, keine Wärme mehr, nur noch Hass und Kälte, für mich gibt es kein Zurück mehr!“ antwortete sie leise, als sie sich zu ihm umdrehte, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie er den Kopf schüttelte.



    [/FONT] „Es gibt immer einen Weg, du musst es nur zulassen. Was immer er dir angetan hat, wir finden eine Möglichkeit, es rückgängig zu machen, genauso wie bei Keyla. Erinnere dich daran, wer du einmal warst und was du wieder sein kannst! Bekämpf das Böse in dir! Lass es nicht triumphieren! Ich weiß, dass du es kannst und ich werde dir dabei helfen, so gut ich es kann. Wir alle werden das! Nimm einfach meine Hand und vertrau dich mir an, bitte!“ Flehend streckte er ihr gleich beide Hände entgegen, und seine Augen strahlten sie so voller Zuversicht und Liebe an, dass sie beinah glauben wollte, er könne recht haben. Ein kleiner Funken Wärme wurde durch diesen Blick in ihrem erkalteten Herzen entzündet, wahrhaft ein Funke nur, doch er genügte ihr als Beweis, dass sie noch immer verwundbar geblieben war. Und Verwundbarkeit war Schwäche, und Schwäche bedeutete Niederlage.
    [FONT=&quot]Noch immer sah er ihr erwartungsvoll entgegen, und obwohl es im ersten Moment so aussah, als wolle sie nach seiner Hand greifen, wich sie doch zurück und die Trauer, die noch eben ihr Gesicht beherrscht hatte, verschwand und machte einer Entschlossenheit Platz, die ihn frösteln ließ.



    [/FONT] „Du begreifst es einfach nicht.“ erklärte sie in kühler Arroganz. „Ich bin nicht wie Keyla, ich wurde nicht programmiert. Ich habe die Entscheidung, zu dem zu werden, was ich jetzt bin, ganz bewusst getroffen, nachdem ich mit ihm ging und die Wahrheit über seine Pläne begriff. Ich fand heraus, dass ich auch ohne die Transformation die Macht hatte, den Kristallsaal, den Schrein der Vorbereitung so zu benutzen, wie es mir gefiel, und nicht wie er es wollte. Und ich tat es, um Rache üben zu können, an all denen, die in ihrer Überheblichkeit über mich hinweggetrampelt sind, mich für ihre Zwecke verwenden wollten. Aber man sollte mich nie mehr benutzen, nichts und niemand. Vergiss die Celia, die du kanntest, sie existiert nicht mehr. Ich bin, was ich bin. Und ich werde es bleiben. Je eher du das begreifst, desto besser!
    Doch ich bedaure deinen Tod, und ich bin bereit, dich gehen zu lassen, weil du ein ebenso unschuldiges Opfer bist, wie ich es war. Das ist alles, was ich dir anbiete, anbieten kann und will. Geh in den Tempel meiner Mutter, benutze die Pforte der Seelen und überlass diese Welt und ihre Übel meiner reinigenden Rache.“
    [FONT=&quot]„Nein!“ erwiderte er mit der gleichen Entschlossenheit. „Ich habe noch immer eine Familie, Freunde, Kollegen! Was haben sie mit eurem Streit zu tun, welche Schuld trägt der Rest der Menschheit an dem, was dir widerfahren ist? Nein, ich werde mich bestimmt nicht feige davonstehlen, und all die anderen so einfach deinem Zorn überlassen.“



    [/FONT] Er sank vor ihr auf die Knie, streckte die Arme aus und sah ihr fest in die Augen. „Wenn du unbedingt alles auslöschen willst, und ich dich nicht davon abhalten kann, dann kannst du genauso gut auch mir mir beginnen. Aber diesmal tu es richtig!“
    „Wenn du glaubst, ich könnte es nicht.......“
    „Ich weiß, dass du es kannst....“ unterbrach er sie barsch. „.....Also bitte, lass dich nicht aufhalten!“
    Ein wenig irritiert suchte sie in seinem Kopf nach einem Hintergedanken, irgendeinem Plan, doch sie fand nichts, nur den verzweifelten Entschluss, nicht ohne sie zu gehen. Ihre Hände hoben sich langsam.
    „Wenn du es unbedingt so haben willst!“ meinte sie und er spürte, wie die unsichtbare Energie, die von ihren Händen ausging, sich langsam in ihm ausbreitete, bereit, ihn auszulöschen. Wäre dies sein Körper, so würde er jetzt in Flammen stehen, und in der Tat fühlte er bereits den stechenden Schmerz, der den Schauern folgte, die durch ihn hindurchrasten. Doch noch zögerte sie, als könne sie sich selbst nicht dazu durchringen, es zu tun..
    „Dies ist deine letzte Chance, Nicolas. Geh.....!“ forderte sie ihn erneut auf und er vermeinte nun auch in ihrer Stimme einen fast schon flehenden Unterton zu hören, dennoch schüttelte er den Kopf.
    „Nein!“
    „Dann ist dies deine Entscheidung, nicht die meine!“ Erneut hob sie die Hände, die nächste Welle jagte durch ihn hindurch, und er schrie auf im gleichen Moment, wie sie selbst.




    ++++++++++++
    weiter zu Teil 4


  • Denn in diesem Augenblick wurde auch sie von etwas getroffen, das ihr vorübergehend den Atem raubte und die Verbindung zu ihm abreißen ließ. So kraftvoll war dieser Stoß, dass es ihr nicht gelang, sie auf der Stelle wiederaufzubauen. Doch ihre Aufmerksamkeit wurde abgelenkt, von einem hellen Licht, dass plötzlich in seinem Rücken erstrahlte und einer spöttischen Stimme, die zu hören er jetzt und hier nicht im Traum erwartet hatte. Wo um alles in der Welt kam sie so plötzlich her? Und vor allem, warum?
    „Diesmal nicht, Celia!“ sagte diese Stimme, das Licht ließ nach und Reshanne wurde sichtbar. „Diesmal wirst du jemandem gegenübertreten, der dir ebenbürtig ist.“
    [FONT=&quot]Die Herrscherin bewegte sich nicht, hob nicht einmal die Hand, und dennoch wusste Nicolas mit Sicherheit, sie war dafür verantwortlich, dass er in hohem Bogen zur Seite flog und dabei nur knapp eine der Säulen verfehlte, bevor auch Celia von den Füßen gerissen und nach hinten geschleudert wurde.



    [/FONT] Und auch diesmal kam der Treffer unerwartet, heftig und ohne, dass sie fähig gewesen wäre, ihm auszuweichen, denn noch immer hatte Reshanne nicht einen Finger gerührt. Auch ihre Gedanken waren hinter einer undurchdringlichen Wand verborgen.
    Ein brennender Schmerz durchbohrte Celias Brust, ein Schmerz, der ihr bekannt vorkam, der sie quälte, aber nicht lähmte. Im Gegenteil, sie fühlte ihre Kräfte neu erwachen, und war sicher, über sich selbst hinauswachsen zu können, wenn sie es nur wollte....... Vergessen war der Mensch, der sich mühsam im Nebengang wieder aufrappelte, sie heftete ihre Augen fest auf die Herrscherin, als sie den Schmerz unterdrückte, den Rücken streckte und sich mit einem eisigen Lächeln vom Erdboden abstieß.
    „War das schon alles?“ höhnte sie, als sie sich langsam in die Höhe schraubte und dabei auf ihre Feindin hinunter sah. „Hast du wirklich geglaubt, mich mit diesem billigen Zaubertrick besiegen zu können? Und du willst mir ebenbürtig sein? Lächerlich! Gib es auf, Tante, füge dich mit Würde in das Unvermeidliche.“
    Sie ballte die Fäuste zusammen, ließ die Energie in ihre Hände fließen, als sie ihre Worte wiederholte.
    „Gib auf, überlass die Welt und ihr Schicksal von nun an mir.“



    Reshanne taumelte nach hinten, krümmte sich in gleichem Maße, wie Celia ihre Fäuste schloss. Dennoch lächelte sie mühsam, als sie den Kopf senkte.
    „Du magst zwar stark sein, mein Kind, aber noch bis du nicht unbezwingbar. Dafür fehlt dir noch etwas sehr wichtiges, meine Kraft, die Macht der Herrscherin.“
    „Ich brauche deine Macht nicht, ich kann die Welt auch so vernichten. Nein, Tante, ich will nicht deinen Platz einnehmen, ich werde dich töten, so wie du meinen Vater getötet hast. Und dann werde ich den Rest dieses Tempels in Schutt und Asche legen, genau wie das übrige Universum, auf dass eine neue Welt entstehen möge, die frei ist von der Überheblichkeit ihrer sogenannten Götter.“
    „Wenn du dich da mal nicht irrst?“ ächzte Reshanne und streckte ihre Hände aus. „Wenn du die Elo-i vernichtest, wenn du mich vernichtest, brauchst du die Welt nicht mehr zerstören, denn sie kann ohne uns, ohne die Kraft der Herrscherin, die alles zusammenhält, nicht existieren.“
    „Dann soll es eben so sein!“ rief Celia, und ballte die Fäuste zusammen. Doch es war nicht Reshanne, die sich erneut zusammenkrümmte, sondern sie selbst, als würde sich ihre Macht auf einmal gegen sie wenden. Reshanne aber hörte auf zu röcheln, richtete sich stattdessen auf, lächelte schwach und stieg die Treppen hinunter.
    [FONT=&quot]„Dann soll es so sein!“ wiederholte sie dabei Celias Worte.



    [/FONT] Die aber stürzte sich, gleich einem Raubvogel, mit aller Kraft, die sie noch zur Verfügung hatte, auf die Herrscherin, die jedoch flink und geschmeidig wie eine Katze dem Angriff auswich und sie stattdessen packte und ganz nah an sich heran zog. Ihre Hand grub sich in Celias Schulter und jagte ihr einen Energiestoß nach dem andern in den Körper.
    „Du warst zu langsam, mein Kind.“ stieß sie atemlos vor Anstrengung hervor. „Und nicht konzentriert. Schon der erste Stoß hätte dich nicht treffen dürfen.“
    „Darum hast du ihn hierher geholt? Um mich abzulenken?“
    Reshanne nickte. „So ist es. Und er hat seinen Zweck gut erfüllt.“
    „Unsinn!“ stöhnte Celia, während sie versuchte, ihre Hand abzuschütteln. „Du kannst mich nicht vernichten, nicht einmal Marhala könnte das noch, oder gar ihr zwei zusammen.“
    [FONT=&quot]„Wer sagt, dass ich das will. Oh nein! Und dennoch wird einer von uns beiden das hier nicht überleben.“ Sie fühlte mehr, als dass sie es sah, wie Nicolas zu ihnen eilen wollte, und im letzten Moment von Cyros zurückgerissen wurde. Da standen nun die beiden so unterschiedlichen Männer, Mensch und Elo-i und jeder von ihnen bangte um die geliebte Frau. Nicolas fürchtete nur, wenn auch nicht ganz zu Unrecht, dafür benutzt worden zu sein, Celia in eine Falle zu locken, doch Cyros wusste, was in diesem Moment dort vor sich ging, etwas unerhörtes, nie dagewesenes, dessen Ausgang niemand vorhersagen konnte, nicht einmal Reshanne selbst. Nur aufhalten konnte man es jetzt nicht mehr, wie sehr man es sich auch wünschte.



    [/FONT] Auf einmal wurde das Mädchen kreidebleich, als Reshanne ihren Griff lockerte, schwankte sie nach hinten, taumelte ungeschickt die Stufen hinauf und starrte schweratmend auf die Herrscherin hinunter.
    „Was hast du mit mir gemacht?“ krächzte sie, vor Schmerzen kaum noch fähig, einen Ton über die Lippen zu bringen.
    „Ich habe die Übertragung in Gang gesetzt, schon mit dem allerersten Stoß aus dem Hinterhalt. Es tut mir leid, es tut mir so leid.“
    „Du überträgst mir deine Kraft? Warum?“ Celia flüsterte nur noch. „Warum tust du das?“
    „Weil es keinen anderen Weg gibt. In einem offenen Kampf hättest du mich und jeden andern ohne Schwierigkeiten besiegt, doch so richtet sich alles, was du tust, gegen dich selbst.“
    [FONT=&quot] „Halt es an, mach, dass es aufhört!“ rief sie, und wollte sich erneut auf sie stürzen, heulte aber dennoch nur vor Schmerzen auf.



    [/FONT] Reshanne streckte erneut die Hände nach ihr aus, doch diesmal nur, um sie zu stützen, als sie, die Hände auf die Brust gepresst, vornüber fiel.
    „Das kann ich nicht. Und je mehr du dich dagegen wehrst, desto schlimmer wird es.“
    „Wie kannst du mir das antun? Ich will das nicht!“
    „Ich weiß, aber das, was du im Begriff warst, zu tun, das wolltest du auch nicht. Und ich tue das, weil ich dich liebe, weil ich dich immer geliebt habe. Und weil ich eine Verantwortung für diese Welt habe, der ich mich nicht entziehen kann, keiner von uns, auch du nicht. Verzeih mir!“ Eine Träne nach der andern rann aus dem sonst so trockenen Auge der Herrscherin, während sie das Mädchen vorsichtig nach unten führte. Wenn es doch nur eine andere Möglichkeit geben würde. Doch wenn sie es jetzt abbrach, würde die dunkle Energie, welche sie so mühsam unter Kontrolle hielt, erneut und mit aller Macht hervorbrechen, und dann wäre alles vergebens. Sie mussten den Weg, den sie eingeschlagen hatten, nun auch zuende gehen, beide!
    „Es tut so weh!“ hauchte Celia, die immer kraftloser wurde. „Hilf mir, Tante, hilf mir!“



    „Das werde ich, mein Kind, ich werde dir helfen. Uns allen!“ flüsterte sie zurück, als sie die letzte Stufe hinabglitten.
    Fast augenblicklich sank Celia in sich zusammen, reglos hing sie in Reshannes Armen, nur ihre großen Augen waren noch immer offen und starrten sie an. „Ich habe Angst.“
    „Ich auch. Aber du wirst nicht allein sein, keiner von uns. Von jetzt an sind wir eins, du und ich.“
    Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Cyros und auch Nicolas immer näher kamen, doch ein einziger Gedanke von ihr gebot ihnen Einhalt. Sie wandte noch einmal den Kopf in seine Richtung, schickte dem geliebten Mann einen letzten Gruß hinüber, nickte auch Nicolas zu und formte in dessen Kopf die Worte: „Das hast du gut gemacht. Wir stehen für immer in deiner Schuld. Danke!“
    Und dann umschloss sie mit ihren Fingern Celias Hände und ließ sich selbst fallen.
    Ein Blitz grellen Lichts brach zugleich mit ungeheurer Macht aus ihnen hervor, die Wucht der Druckwelle schleuderte die beiden Männer hinaus in den Garten. Immer weiter breitete sich das Licht aus, hüllte beide gänzlich ein, sodass nichts mehr von ihnen zu erkennen war, bis es schließlich genauso plötzlich erlosch.



    Im Tempel des Lebens hielten sowohl Zaide als auch Zardon beide im gleichen Augenblick den Atem an. Die Last der Dunkelheit war verschwunden, doch statt sich nun zu freuen, sahen sie betroffen in den Nachthimmel hinauf.
    „Siehst du auch, was ich sehe?“ fragte Zaide und Zardon nickte nur. Die Sterne, die eben noch hell gefunkelt hatten, begannen zu verblassen. Und das war nicht das einzige. Ringsherum färbten sich vor ihren Augen die Blätter ein und wurden welk.
    Und eine Schwere legte sich über sie, die weitaus drückender war als die Dunkelheit vorher.
    „Wie kann das sein?“ Zaide schüttelte den Kopf. „Spürst du das? Das ist unmöglich! Sie kann nicht fortsein!“
    „Doch!“ erwiderte Zardon ebenso fassungslos. „Es ist vorbei!“





    +++


  • Da stand er nun inmitten der Trümmer des Zentrums der Welt, ein einsames, schmerzgepeinigtes Wesen, mächtig und doch hilflos wie jeder einfache Mensch, der das Wichtigste in seinem Leben verloren hatte. Zaide zog sich bei dem Anblick das Herz im Leib zusammen. Wie gut sie ihn doch verstand! Wer wüsste besser als sie, wie es nun in ihm aussehen musste, wer wüsste besser als sie, wie tief dieser Schmerz in ihm wüten musste und auch, dass er niemals wieder weichen würde, egal wie lange er noch auf dieser Welt umherwandelte. Doch im Gegensatz zu ihr, der immer noch die Wahl geblieben war, durch den Verzicht auf ihre Existenz als Elo-i dereinst das Verlorene wiederzufinden, stand er vor dem Nichts, der einsamen Unendlichkeit.
    „Es tut mir so leid!“ flüsterte sie traurig, als sie leise hinter ihn trat.
    „Das muss es nicht!“ wehrte er zu ihrer Überraschung ab. „Es war ihre Entscheidung, nein, eigentlich hätte es schon Melynnes Entscheidung sein müssen. Aber sie konnte es damals einfach nicht tun. Sie hatte zuviel Angst.“
    „Angst? Melynne?“ Zaide mochte es kaum glauben.
    [FONT=&quot]„Ja, Angst vor der Endgültigkeit, dem Verschwinden und dem Risiko. Reshanne war so viel stärker als sie. Und sie hat es geschafft. Das darf jetzt nicht umsonst sein.“



    [/FONT] Zaide gab ihm recht. Nein, das alles durfte nicht umsonst gewesen sein.
    Was für ein Schreck war ihr in die Glieder gefahren, als sie an Zardons Seite in die Halle der Quelle gelaufen war, unfähig, die Bedeutung der Zeichen zu akzeptieren. Und doch hatte ihnen ein einziger Blick genügt, um zu begreifen, dass das Unfassbare, das Unvorstellbare tatsächlich eingetreten war.
    [FONT=&quot]Zum ersten Mal seit den Tagen der Großen Mutter stand die Welt ohne Herrscherin da. Denn Reshanne, die Weltenlenkerin, die Hüterin der Geheimnisse des Universums war fort, sie hatte sich nicht etwa auf die Große Reise begeben, wie die Herrscherinnen vor ihr, nein, sie war einfach verschwunden und mit ihr schwand nach und nach alles dahin, was durch sie und ihre Macht am Leben erhalten wurde.



    [/FONT] „Was ist geschehen?“ hatte Zaide entsetzt geflüstert, als sie vor der Statue ihrer Schwester stehen geblieben waren. Sie hatte sich geteilt, eher verdoppelt, ein Teil war schwarz, ganz so wie die ihrer Vorgängerinnen, doch der Rest erstrahlte im gleichen Weiß wie eh und jeh, als wäre sie noch immer hier. Und doch welkten die Blätter, verblassten die Sterne, versiegten die Quellen, spürten sie beide bereits tief in ihrem Innern eine sich schleichend ausbreitende Schwäche, die ihnen Angst machte.
    „Glaubst du, Celia hat sie.......“ Zaide weigerte sich die Vermutung zuende zu denken geschweige denn sie auszusprechen, selbst jetzt noch schauderte sie bei dem Gedanken. Aber Zardon hatte nur mit den Schultern gezuckt und zugegeben, dass er wohl zum allerersten Mal in seinem Leben wirklich ratlos war. Und so hatten sie sich beide gemeinsam zum Ratstempel begeben und dort ein Bild des Grauens vorgefunden, zerborstene Säulen, aufgerissene Erde, umgestürzte Bäume. Und inmitten all dieser rauchenden Trümmer zwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten, vereint im gleichen Kummer, mit Tränen in den Augen.



    Cyros kniete noch ein letztes Mal vor dem verhangenen Thron seiner Gemahlin nieder, um Abschied zu nehmen. Er hatte beschlossen, den Rat zu verlassen und sich in seinen Tempel zurückziehen, eine Entscheidung, die ihm niemand verdenken konnte, zumal der Rat ohne die Herrscherin ohnehin vollkommen handlungsunfähig war und alle im Grunde nur noch bangen Herzens auf das Ende warteten.
    Er strich mit der Hand noch einmal über die unzähligen Blumen, welche die Stufen vollkommen bedeckten und schloss die Augen. Er würde dieses Bild niemals vergessen, wie sie sich in diesem Ball aus Feuer und Blitz und gleißendem Licht aufgelöst hatte. Aber vor allem würde er sich an diesen Blick erinnern, den sie ihm zuvor geschenkt hatte, ein Blick, der ihm alles sagte, was er hatte wissen müssen, wie sehr sie ihn liebte, mit dem sie ihn um Vergebung bat und an sein Versprechen erinnerte. Ein Versprechen, das er genauso zu halten beabsichtigte, wie das, welches sie selbst gegeben hatte.
    „Sorge für den Jungen!“ wies er Zaide an, die erstaunt die Augenbrauen hochzog. „Es war ihre letzte Anweisung, sie hatte es ihm versprochen. Zardon soll ihn zurückschicken zu seiner Familie, wenigstens so lange das noch möglich ist.“



    Solange das noch möglich ist! Schier eine Ewigkeit nachdem Cyros mit schleppendem Schritt den Tempel verlassen hatte, stand Zaide vor dem kleinen Blumemeer, dass man inzwischen auf den Stufen des Weltenthrons ausgebreitet hatte und starrte auf die vielen Blüten. Wie lange noch?
    Von überall her kamen die Vertreter der Benda und Cha-yi und erwarteten Rat und Hilfe von ihr, die als nächste Verwandte der Herrscherin die Verantwortung für die sterbende Welt hatte übernehmen müssen. Doch was sollte sie ihnen sagen? Jeder von ihnen spürte die Veränderungen, die überall eingetreten waren. Die Sonne hatte sich schon verdunkelt, ständig wurde es kälter, langsam und noch kaum fühlbar, aber die ersten Pflanzen vergingen bereits und auf fast allen Kontinenten begann die Erde zu beben, rasten Stürme in zunehmender Heftigkeit über sie hinweg. Die Menschen würden als erste darunter leiden, dass den Elo-i und mit ihnen ihren Dienern nach und nach die Kräfte schwanden. Ohne sie, die alles zusammenhielt, kontrollierte, ausglich, von der ein jeder seine Macht bezog, ohne die Mutter waren sie alle hilflos und dem Untergang geweiht.
    Aber noch war Zaide nicht gewillt, aufzugeben.


    ++++++++++++
    weiter zu Teil 2


  • Noch konnte sie verhindern, dass das Opfer ihrer Schwester, und sie schämte sich inzwischen sehr, so an ihr gezweifelt, sie so gehasst zu haben, umsonst gewesen wäre.
    Denn noch bestand Hoffnung, für sie und so auch für die Welt.
    Denn Reshanne war nicht gegangen, ohne ihnen etwas zu hinterlassen, ohne ihr, Zaide, etwas zurückzugeben, was sie längst verloren glaubte. Ihre Tochter.
    Auch sie hatte man im Tempel vorgefunden, auf den Stufen des Thrones liegend, den Kopf in den Schoß dieses Jungen gebettet, der ohne es zu wissen, Reshannes Übertragung durch Celias Ablenkung überhaupt erst möglich gemacht hatte. Unablässig hatte er ihre Wangen gestreichelt und leise ihren Namen geflüstert, doch vergebens.
    Das Mädchen war und blieb bewusstlos.
    [FONT=&quot]Und so lange sich das nicht änderte, trieb die Welt auf ihren Untergang zu, während ihr mächtigstes Wesen, ihre einzige Rettung im Tempel des Lichts dahindämmerte.



    [/FONT] „Ich versteh noch immer nicht ganz, warum du mich hergerufen hast!“ murrte Zardon, als er mit Zaide auf den Ruheplatz zuschritt. „Es gibt doch nichts, was ich tun könnte. Ich kann deine Tochter nicht wecken.“
    Zaide musterte ihn von der Seite. Sie hatte ja immer gewusst, dass der Herr des Lebens sehr verschlossen gewesen war, doch wie viel er wirklich vor ihnen allen verborgen hatte, das begann sie gerade erst herauszufinden und so langsam verstand sie den Zorn ihrer Schwester. Allein schon dass er die Existenz dieses kleinen Tempels verschwiegen hatte, hatte ihr schon den Atem geraubt, handelte es sich doch um einen jener Orte, die aufgrund ihrer besonderen Verbindung zur Großen Mutter und der jeweiligen Herrscherin für jeden Elo-i von großer Bedeutung waren, und den man unwiederbringlich zerstört glaubte. Immerhin erlangte man nur von hier aus Zugang zum ehemaligen Palast ihrer Ahnherrin, zu Mardiannes Refugium, das, wie er unter reichlich Winden schließlich zugab, ebenfalls noch existierte. Zaide hatte sich angesichts seines offenen Bedauerns allerdings zunächst jeden Vorwurf, jede weitere Bemerkung erspart und das tat sie auch jetzt und wies nur nach oben auf die kleine weiße Gestalt, die dort neben dem Ruhelager ihrer Tochter saß.
    [FONT=&quot]„Es geht um ihn!“



    [/FONT] „Er weicht ihr nicht von der Seite. Seit wir sie dort hingebettet haben, sitzt er dort, als warte er darauf, dass sie ganz plötzlich von selbst die Augen aufschlägt und zu sich kommt.“
    „Der Narr, wie kann er glauben, sein bisschen Menschenliebe könne hier noch etwas ausrichten!“ knurrte Zardon, aber da fuhr ihm Zaide auch schon über den Mund.
    „Du solltest nicht vergessen mein Lieber, dass dieses bisschen Menschenliebe uns immerhin gerettet hat. Ohne ihn wäre Reshanne nie weit genug an Celia herangekommen, um die Übertragung zu beginnen, sie hätte ihre Anwesenheit sofort gespürt und sich abgeschirmt. Wir haben es ihm, seinem Mut und seinem bisschen Menschenliebe zu verdanken, dass sie lange genug abgelenkt war. Und dafür schulden wir ihm etwas, ihm und seiner Familie, zu der, wenn ich mich recht erinnere, du ja wohl ebenfalls gehörst!“
    [FONT=&quot]Zardon biss sich auf die Lippen, nickte aber und blieb zurück, während Zaide die Stufen hinaufschritt.



    [/FONT] „Nicolas!“ sprach sie ihn sanft an und riss ihn damit aus seinen Überlegungen. „Was machst du denn hier?“
    „Alles, was ich tun kann!“ seufzte er mit gesenktem Blick. „Ich bin bei ihr und warte!“
    Zaide lächelte traurig. „Leider ist dies kein Märchen, Nicolas. Und der Kuss eines Prinzen, wie sehr er sie auch liebt, wird sie nicht aus ihrem Schlaf erwecken.“
    „Ich weiß! Aber warum wacht sie nicht auf, Zaide? Deine Schwester hat doch mit ihr das Gleiche getan, wie Zardon es mit mir tun wollte, nicht wahr? Und sie hat überlebt, warum schläft sie dann jetzt?“
    „Es ist der Schock, mein Junge. Eine solche Menge fremder Energie können wir ohne Schaden nur dann aufnehmen, wenn wir dafür auch vorbereitet sind, deshalb gibt es für jede unserer Kasten einen Schrein, der die Übertragung vornimmt. Das geschieht normalerweise niemals direkt, denn das könnte den Empfänger töten. Aber hier ist weit mehr geschehen, aus zwei sehr mächtigen Wesen ist eins geworden, die Qualen müssen unvorstellbar gewesen sein, niemand erträgt das ohne weiteres. Nicht einmal ein Elo-i. Das Bewusstsein in einem solchen Augenblick abzutrennen ist wie ein Schutz, sonst wäre sie gestorben und mit ihr in kurzer Zeit die ganze Welt. Leider ist niemand von uns außer der Großen Mutter dazu in der Lage, die Verbindung wiederherzustellen. Und daher bleibt uns nur die Hoffnung, dass es ihr selbst gelingt, bevor ..............“



    Er nickte und stand auf. Er wusste, was sie sagen wollte. Er war ja nicht blind oder taub. Selbst wenn dieser Ort wie durch ein Wunder von den Veränderungen verschont blieb, so sah er doch die verzweifelten Gesichter der einst so stolzen Elo-i, die sich hier versammelten, zu ihr hinauf blickten und wieder verschwanden. Er hörte das leise Flüstern von Zardon’s Cha-yi, die immer wieder von der größten Katastrophe sprachen, welche die Welt je erschüttert hatte.
    Und die Einzige, welche das verhindern konnte, lag hinter ihm in tiefem Schlaf, sah und hörte nicht, wie um sie herum die Welt in tausend Stücke brach.
    „Gibt es denn wirklich eine Chance, dass sie es selber schaffen kann?“ fragte er, während er in Celias friedliches Gesicht blickte. Und so konnte er das sorgenvolle Schulterzucken ihrer Mutter und den Schmerz in ihren Augen nicht sehen.
    „Ich weiß es nicht, Nicolas. Niemand weiß das.“
    „Aber ihr befürchtet alle das Gleiche, dass sie es nicht schafft, und alles zuende geht.“
    [FONT=&quot]„Ja!“ gab sie zu. „Und darum möchte ich mit dir reden.“



    [/FONT] Sie zog ihn mit sanfter Gewalt von ihrer Tochter fort und hieß ihn, sie nach unten zu begleiten.
    „Es wird Zeit, dass du dir Gedanken machst über dein eigenes Schicksal, Nicolas!“ Überrascht warf er ihr einen Blick zu.
    „Was meinst du?“
    „Es war Reshannes Wille, dass wir dich zurückschicken zu deiner Familie, damit du wieder bei ihnen sein kannst. Ich weiß zwar nicht, wie lange noch, aber wenigstens eine Weile. Wenn du das wünschst!“
    Er schwieg und überlegte. An Reshannes Versprechen hatte er seit er Celia wieder gegenübergestanden hatte, kein einziges Mal gedacht. Natürlich war es eine verlockende Vorstellung für ihn, man würde ihm ein zweites Leben schenken, Bella, seine Mutter und JD, sie alle wären überglücklich. Aber das hieße auch, sie zu verlassen. Und das......
    „Du kannst ihr nicht mehr helfen, egal ob du nun an ihrer Seite bist, oder nicht.“
    Nick setzte ein schiefes Grinsen auf. „Du liest schon wieder meine Gedanken.“ Und auch Zaide lächelte.
    [FONT=&quot]„Verzeih, eine alte Gewohnheit!“



    [/FONT] „Es gibt da allerdings auch noch eine andere Möglichkeit, die ich dir nicht vorenthalten will.“
    Er blieb stehen und wartete. Irgendwie hatte er angesichts ihres Zögerns das untrügliche Gefühl, dass ihm diese noch viel weniger gefallen würde. Und er sollte sich nicht täuschen.
    „Wir müssen uns wohl mit dem Gedanken anfreunden, dass es uns nicht gelingt, unsere Welt zu retten. Aber diejenigen, die vor uns gegangen sind, ob Mensch oder Elo-i sind sicher. Denn die andere Dimension, jenseits der Pforte ist nicht davon betroffen. Kein Elo-i wird seinen Platz verlassen, aber du musst nicht hier bleiben. Ein Wort von dir genügt und ich schicke dich auf die andere Seite in Sicherheit!“
    „Das kann ich nicht!“ flüsterte er mit halberstickter Stimme. „Was nützte es mir, wenn alle anderen für immer verloren wären, meine Schwester, meine Mutter? Und du hast selbst gesagt, für sie gäbe es keinen Weg.“
    „Nicht an diesem Tag. Aber heute, haben wir genügend Zeit. Sie könnten dich begleiten, wenn du es wünschst.“
    „Aber ....... aber sie sind nicht tot.“
    „Noch nicht!“
    [FONT=&quot]Sein Kopf fuhr herum. „Du willst sie töten?“



    [/FONT] „Das wäre der einzige Weg, anders können sie die Pforte nicht passieren. Nur ihre Seele kann das. Sie müssen aufsteigen, so wie du!“
    Nicolas lief vor ihr hin und her, blieb stehen, musterte sie, und setzte seine hektische Wanderung fort, nur um gleich darauf wieder innezuhalten.
    „Aber du kannst doch unmöglich von mir erwarten, dass ich meine Familie umbringen lasse!“ rief er aus, ohne sie anzusehen.
    „Ich erwarte gar nichts von dir, mein Junge!“ antwortete Zaide sanft. „Das kann ich gar nicht. Ich zeige dir nur deine Möglichkeiten auf, egal, ob sie nun gut oder schlecht, leicht oder schwer sind. Du solltest sie kennen, alle, bevor du eine Wahl triffst.“
    Er starrte verzweifelt vor sich hin. „So etwas hat noch nie jemand von mir verlangt!“
    „Das kann ich mir vorstellen, und du musst deine Entscheidung auch noch nicht sofort treffen, aber warte nicht zulange. Sonst nimmt das Schicksal sie dir womöglich aus der Hand!“
    Sie strich ihm mit einer müden traurigen Geste zärtlich über das Haar und überließ ihn seinen Gedanken. Bei dieser Entscheidung konnte sie ihm nicht helfen, das konnte niemand!





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    weiter zu Teil 3


  • Stattdessen machte sie sich auf die Suche nach Zardon, der sich ein Stück weit zurückgezogen hatte, und auf sie wartete.
    „Nun? Was hat er gesagt?“ erkundigte er sich, als sie hinter ihn trat.
    „Noch gar nichts. Er muss das erst einmal verarbeiten. Immerhin ist das keine leichte Entscheidung.“
    „Ich verstehe nicht, was daran so schwer sein sollte!“ Zardon zuckte mit den Schultern. „Es geht um seine Familie. Er kann sie nur auf diese eine Art retten.“
    „Die Menschen haben eine andere Beziehung zum Leben und dem Tod als wir, Zardon.“ erinnerte sie ihn. „Gerade du solltest das doch eigentlich am besten wissen.“
    „Ich fürchte, ich habe die Menschen nie verstanden. Jetzt noch weniger als vorher! Er hätte das niemals tun müssen, und hat es doch. Und er ist immer noch hier, hofft, wo wir die Hoffnung längst aufgegeben haben. Das verstehe ich nicht.“ gestand er ein, ohne sich nach ihr umzuwenden und entlockte Zaide damit sogar ein leises Lachen.
    [FONT=&quot]„Höre ich da etwa den klitzekleinen Anflug von Bewunderung in deiner Stimme? Gib es zu, dein Enkel hat dir mächtig imponiert!“



    [/FONT] „Sieht man das so deutlich?“
    „Jaha!“ meinte sie noch immer lachend. „Das sieht man.“ Doch dann wurde sie wieder ernst. „Aber ich sehe noch mehr. Ich sehe, wie viel Kummer du mit dir herumträgst, ich sehe, dass er sogar noch größer geworden zu sein scheint. Ich sehe, dass du dich in deinem Tempel vergräbst und grübelst über Dinge, die du nicht ändern kannst. Und ich sehe, dass du noch immer nicht mit Ranyia gesprochen hast.......und das wundert mich! Sehr!“
    „Sie will mich nicht sehen. Sie ist immer noch böse mit mir, oder schon wieder!“
    „Schon wieder? Was hast du denn diesmal getan, um sie zu verärgern?“
    Zardon antwortete nicht, sondern sah weiter geradeaus auf die mächtigen Felsen, die den Tempel schützend umgaben, aber nun einen leisen, kaum wahrnehmbaren klagenden Ton von sich gaben, der ihm deutlich machte, dass auch dieser Ort bald nicht mehr sicher sein würde. Er hatte alles falsch gemacht, einfach alles...... Und womöglich hatte er durch seine Halsstarrigkeit sogar das Opfer seiner Frau zunichte gemacht, da nun doch alles zerstört werden würde!
    „Zardon? Was meinst du?“ hörte er Zaide verwundert neben sich fragen und registrierte erst jetzt, dass er wohl doch laut gedacht haben mochte.
    „Es hat keinen Sinn mehr!“ seufzte er. „Es ist zu spät!“



    „Das ist es nicht, Vater!“ sagte eine helle Stimme hinter ihnen und beide fuhren herum. „Es gibt noch Hoffnung, und das weißt du!“
    Zardon schüttelte den Kopf, während Zaide verwundert von einem zum andern sah. Hier ging etwas vor, was sie nicht verstand, und das gefiel ihr nicht, immerhin stand ihr aller Überleben auf dem Spiel, da blieb keine Zeit für irgendwelche Rätsel.
    „Würde mir bitte einer von euch beiden verraten, wovon ihr sprecht!“ verlangte sie recht ungehalten und wandte sich, da sie Zardons Ablehnung schon im voraus spürte, vornehmlich an Ranyia. „Welche Hoffnung meinst du?“
    „Dass man deine Tochter aus ihrem Schlaf befreien kann.“ antwortete Ranyia und kam langsamen Schrittes auf sie zu.
    „Das ist Unsinn, niemand von uns kann das tun!“ wehrte Zardon ab, doch eine Spur zu schnell, wie es Zaide nun erschien. Und auch Ranyia schüttelte den Kopf.
    [FONT=&quot]„Es gibt jemanden!“



    [/FONT] „Von wem um alles in der Welt redest du?“ rief Zaide, endgültig des Versteckspiels müde.
    „Von Varik!“
    Celias Mutter blieb fast der Mund offen stehen. „Wie bitte? Das kannst du doch unmöglich ernst meinen! Durch ihn sind wir doch erst in diesen ganzen Ärger geraten und jetzt sollte ausgerechnet er uns da wieder hinaushelfen, warum?“
    „Weil er damit auch sich selber hilft. Denk doch mal nach. Er hat genauso viel zu verlieren wie wir. Er wollte die Herrschaft, ja, aber er wollte doch niemals sterben.“
    „Dennoch, er mag ja einiges an Macht gewonnen haben in den letzten zweihundert Jahren, aber ich wüsste nicht, wie es ihm gelingen sollte, Celia ihr Bewusstsein wiederzugeben, wenn das nicht einmal deinem Vater gelingt.“
    „Das muss er gar nicht. Alles, was er tun muss, ist den Schrein in Gang zu setzen. Und er ist der Einzige von uns, der das kann. Nicht wahr, Vater?“
    Erstaunt, ja fast schon fassungslos sah Zaide auf den Mann an ihrer Seite. „Du wusstest das und hast mir das nicht gesagt?“



    „Es war nur eine vage Möglichkeit, dass ihm das gelingen könnte.“
    „Immer noch besser als gar keine, oder nicht?“
    Zardon schüttelte energisch den Kopf. „Es ist unmöglich. Selbst wenn es so wäre, kämen wir nicht an ihn heran. Sein Tempel wurde von Celia zerstört und wir haben keine Ahnung, wo sich sein Unterschlupf befindet.“
    „Wir nicht!“ sagte Ranyia mit einem eigenartigen Unterton und sah ihren Vater prüfend von der Seite an. Sein augenblicklich erstarrender Blick sagte ihr mehr als deutlich, dass er sie sehr wohl verstanden hatte. „Soll ich es tun, oder willst du ihr endlich die Wahrheit sagen, Vater?“ Doch er senkte nur ergeben den Kopf, sie seufzte und legte ihm die Hand auf den Arm. „Du kannst sie nicht mehr beschützen, Vater, gib sie endlich frei und lass sie ihren eigenen Weg gehen.“
    „Also langsam verliere ich wirklich die Geduld mit euch beiden!“ rief Zaide nun schon wirklich zornig. „Ist euch eigentlich klar, worum es hier geht? Das ist doch keine Familienstreitigkeit!“
    [FONT=&quot]„Doch!“ widersprach Zardon. „Das ist es sehr wohl. Sie spricht von Keyla.“



    [/FONT] „Keyla? Aber die ist doch tot, verbannt und gestorben.“ Zardon schüttelte den Kopf, warf Ranyia einen undefinierbaren Blick zu und begann dann mit einem leisen Seufzen zu erzählen, auf welche Weise er sich damals über Melynnes eindeutigen Befehl hinweggesetzt hatte, um seine Tochter Keyla vor dem Schicksal zu schützen, das die Herrscherin ihr zugedacht hatte, und was er schließlich ebenfalls gezwungen war, zu tun, um sie dem Zugriff des Einzigen zu entziehen, den er fürchtete.
    „Er hatte sie damals schon gefunden, und Melynne drohte mir und Keyla so derart offen, es blieb keine Zeit mehr für eine andere Maßnahme, deshalb inszenierten wir ihren Tod, und jeder, absolut jeder musste davon überzeugt sein. Sonst hätte er die Täuschung erkannt. Und er durfte sie nie wieder sehen, zu groß war einfach die Gefahr. Aber das reichte Melynne nicht, sie hätte am liebsten um der Sicherheit willen auch Keylas Kinder ausgelöscht, um ihm jeden Zugriff auf ihr Erbe zu verwehren. Das hat meine Tochter uns nie verziehen, vor allem mir nicht. Aber Ranyia hat recht, wenn jemand ihn finden kann, dann sie. Außer deiner Celia kennt nur noch Keyla den Standort der Eisfestung. Und vermutlich kann auch nur sie ihn dazu bringen, etwas zu unternehmen.“
    [FONT=&quot]„Jetzt versteh ich erst, wie Celia so stark werden konnte, wenn selbst Adrian schon die Macht der Herrscherin in sich trug!“ flüsterte Zaide schockiert. „Aber wie sie dazu bringen, uns nun wieder zu vertrauen?"



    [/FONT] „Das übernehme ich! Auf mich wird sie noch am ehesten hören!“ sagte Nicolas zu ihrer Überraschung im Hintergrund.
    „Du weißt es also auch!“ Kein Wunder, dass Reshanne fast den Verstand verloren hatte, hier wusste anscheinend jeder mehr als diejenige, die eigentlich alles wissen sollte. Dass Zaide selbst lange Zeit ihr eigenes Geheimnis gehütet hatte, das vergaß sie in diesem Moment natürlich.
    Nicolas nickte. „Sie hat mir die ganze Geschichte erzählt, gleich nach meinem Tod, als sie mich versteckt hat, vor ihm.“ Mit einem einfachen Kopfnicken deutete er auf seinen Großvater.
    „Also daher hast du so gut über uns alle Bescheid gewusst!“
    Wieder nickte er. „Lasst mich mit ihr reden, bitte! Und vielleicht überlegt ihr euch ja auch, ob sie nicht schon längst wieder zu euch gehören sollte. Jeder macht Fehler, vor allem wenn er liebt. Und keiner hat es verdient, ewig dafür büßen zu müssen.“





    ++++++++++++++++
    und das wars dann erstmal für heute. Es werden noch ca. 3 FS folgen, bevor ich unter diese Geschichte das berühmte kleine Wörtchen setzen muss. Und ich gebe mir Mühe, diese etwas schneller als jetzt zu bringen.

  • ***



    Die Welt verging.
    Aschfahl, kalt und unberührt stand der Mond am sonst völlig sternenlosen Himmel, hüllte alles in sein bleiches Licht.
    Das Laub der Bäume färbte sich zunehmend schneller, eines nach dem andern segelten die Blättern lautlos zu Boden.
    Unkraut schoss überall in die Höhe, rasend schnell, überwucherte Zäune, Steine, Säulen, selbst den alten Sarkophag, in dem sein altes Leben begraben lag.
    Der Boden zitterte, noch war es nur ein Grollen tief unter ihnen, doch schon deutlich spürbar.
    Nein, es war nicht mehr zu leugnen. Es war vorbei. Alles.



    Anfangs hatte er noch gehadert. Mit diesem viel zu mächtigem Geschöpf, das ihn an der Nase herumgeführt hatte und all seine Pläne zunichte gemacht hatte.
    Mit der Großen Mutter und ihren unerbittlichen Gesetzen, mit Melynne, die ihn erst erhöht und dann zurück in die Tiefe gestoßen hatte.
    Mit allem und jedem, bis er am Ende nur sich selbst noch übrig fand.
    Was war ihm denn geblieben, nun, am Abgrund, am Ende der Zeit? Nichts als die Handvoll Staub in seiner Hand, der klägliche Rest seines Tempels, seiner hochfliegenden Träume.
    Und die Einsamkeit.
    Tonnenschwer und eisiger als die Mauern der Festung es jemals sein konnten hielt sie ihn umklammert und zum ersten Mal vermochte er sie nicht mehr abzuschütteln.
    Wozu auch?
    Es war vorbei.
    Alles



    „Nicht alles! Noch nicht!“
    Leise nur, als hätte der Wind sie in sein Ohr geflüstert, durchbrachen die Worte die Stille seiner Gedanken. Ausgesprochen von einer Stimme, die er unter tausenden, zu jeder Zeit erkannt hätte, obwohl Jahrhunderte vergangen waren. Der plötzliche Schmerz der Erinnerung ließ ihn die Augen schließen.
    Es war unmöglich, vollkommen unmöglich.
    „Was in unserer Welt ist denn unmöglich?“ fragte die Stimme und er wagte es nicht, den Kopf in ihre Richtung zu drehen. Und doch drängte es ihn mit aller Macht dazu, die Augen zu öffnen, SIE zu sehen.



    Und tatsächlich! Da stand sie, kaum ein paar Schritte von ihm entfernt, wie durch Zauberhand hierher gebracht.
    Das musste, konnte, nur eine Halluzination sein, ein Abbild, geschaffen durch die ungebrochene Kraft seiner Gedanken im verzweifelten Kampf gegen die Bitterkeit der letzten Stunden.
    Ein ungewolltes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Sie noch einmal wiederzusehen, selbst wenn es nur in seiner Vorstellung geschah, war ein Geschenk, das ihm die bevorstehende Auslöschung erträglicher erscheinen ließ.
    [FONT=&quot]Reglos blieb er stehen, beobachtete sie fast atemlos, wie sie auf ihn zu kam, lautlos, kaum den Boden berührend, den Blick ihrer traurigen Augen fest auf ihn gerichtet.




    [/FONT]„Ich habe dich vermisst“ sagte er unvermittelt, als sie neben ihm stehen blieb. „Du warst lange fort.“
    „Ja!“ antwortete sie schlicht. „Sehr lange.“
    „Ich habe dich gehasst“ flüsterte er nach einer schieren Ewigkeit.
    „Ich weiß.“
    „Ich habe sie gehasst.“
    „Ich weiß.“
    [FONT=&quot]„Sie haben dich mir weggenommen. Dein Vater, Melynne, und.... er, der Mensch.“




    [/FONT] Sie schüttelte den Kopf. „Das hast du selbst getan.“ Sanft, traurig und nur mit kaum hörbarem Vorwurf sagte sie es und wandte sich ab. „Du hast die betrogen, die dir vertraut haben. Und wofür? Für die Macht des Universums? Für den Thron der Einsamkeit? War es das wirklich wert?“
    „Keyla!“ Er fuhr herum und starrte ihr nach. „Ich habe dich geliebt!“
    „Und doch hast du die Liebe, UNS, deinem Ehrgeiz geopfert!“ Sie hatte die Stimme nicht einmal erhoben, war weder lauter, noch kälter geworden, und doch tönte die Anklage durch die Hallen, als hätte man sie hinausgeschrien, zurückgeworfen von zahllosen spiegelglatten Eisplatten, auf dass er ihr auch ja nicht entkommen konnte.
    [FONT=&quot]„Ich wollte doch nur.....“ Hilflos brach er ab und schüttelte den Kopf. „Wieso eigentlich streite ich mit meinem eigenen Traum.“




    [/FONT]„Ich bin kein Traum, Varik. Ich bin Wirklichkeit!“
    „Das ist Unsinn!“ widersprach er heftig. „Du bist tot, seit über 200 Jahren. Es hat ihnen nicht genügt, dich zu verbannen, nein, sie mussten dich zu einem Menschen machen, zu einem schwachen, leicht zerstörbaren Geschöpf, damit sie dich leichter umbringen konnten.“
    „Das ist nicht wahr!“
    [FONT=&quot]„Und ob das wahr ist!“ rief er aufgebracht. „ICH habe deinen toten Körper in meinen Armen gehalten, ich war dabei, als diese verfluchten.... als sie dich in der Erde verscharrt haben, und ICH hab dich da rausgeholt.“ Wütend, ohne wirklich zu wissen, weshalb, deutete er auf den überwucherten Sarkophag hinter sich. „Ich habe dich selbst dort hineingelegt, steif, leblos, nichts als eine Hülle mehr. Verschwinde! DU BIST TOT!“




    [/FONT]Für einen Moment sah es so aus als habe er seine Halluzination doch unter Kontrolle, denn sie löste sich auf, kaum, dass er seinen Wunsch hinausgebrüllt hatte. Haltsuchend griff er nach den kalten Stäben des den Sarkophag umgebenden Gitters und versuchte, sich wieder zu beruhigen. Warum nur musste selbst sein letzter Traum zu einem Alptraum werden?
    „Weil es keiner ist! Ich bin hier.“ Er wollte es nicht hören, wollte sich die Ohren zuhalten, fliehen, und lauschte doch jedem ihrer Worte, ohne sich zu rühren.
    „Ich war nie wirklich ein Mensch,“ sagte sie. „Und ich bin nie gestorben.“ Ihm stockte der Atem. Erneut deutete er auf den grauen Stein vor sich.
    „Aber.....was .... liegt dann dort drin?“
    „Eine Hülle, Varik, wie du sagtest.... nicht mehr als die, welche Celia zurückließ, als sie mit dir ging. Du solltest es nur glauben.“
    „Glauben??? Das..... das war .... nicht echt?“






    +++++++++++
    noch ein Teil


  • Ganz langsam kam er auf sie, Fassungslosigkeit in den Augen. „Ihr habt ein Spiel mit mir getrieben, du... Melynne... und dein Vater?“
    „Es war kein Spiel. Es war notwendig.“
    „Notwendig?“ fuhr er sie an. „Notwendig? Ich habe alles versucht, um dich zu finden, ALLES. Ich wollte dich nicht verlieren. Doch als ich endlich wusste, wo sie dich hingebracht hatten, da warst du nicht nur mit einem Menschen verheiratet, hattest sogar Kinder mit ihm, KINDER! UND DU WARST TOT! Mein Herz ist an diesem Tag gestorben, ich hab es mit dir begraben, dort in dem Ding da!“
    Wieder schüttelte sie traurig den Kopf. „Du hast dein Herz schon viel früher verloren, an den Ehrgeiz, an dein Streben nach Macht. Wen hast du damals wirklich gesucht, Varik? Mich, deine Frau.... oder die Herrin der Schwarzen Seen?“
    „Was...?“
    [FONT=&quot]Sie hob die Hand, fast sah es so aus, als wolle sie ihn berühren, ihm den Zorn aus den Augen streichen, doch dann drehte sie sich um, und entfernte sich mit langsamen Schritten.




    [/FONT] „Warum bist du hergekommen?“ fragte er, als er sich endlich besonnen und ihr nachgelaufen war. „Warum jetzt?“
    „Weil ich auf der Suche war, nach dem Mann..... dem ich einmal meine Hand gereicht habe, voll Vertrauen und Liebe. Weil ich hoffte, dass, trotz dessen, was du getan hast, dennoch immer noch etwas von diesem Mann in dir steckt. Dass er nicht völlig verloren gegangen ist auf dem Weg, den du gegangen bist.“
    „Keyla... ich...“
    „Wir werden alle sterben, die Schuldigen wie die Unschuldigen, alles, was wir hüten und beschützen sollten, wird durch unsere Schuld vergehen. Wenn du jetzt nichts unternimmst!“
    „ICH?“ Er glaubte schon, sich verhört zu haben, da wiederholte sie es.
    [FONT=&quot]„Ja.. DU!“




    [/FONT] Stunden später ließ Keyla ihren Blick andächtig über die vielen in warmem Licht erstrahlenden Bögen vor ihr gleiten. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich diesen Ort noch einmal sehen würde“ hauchte sie dabei.
    [FONT=&quot]„Willkommen zurück, Herrin!“ antwortete die neben ihr stehende, den Schrein hütende Cha-yi mit einem leichten Neigen des Kopfes. Sie hatte keine Fragen gestellt, als der Befehl aus dem Ratstempel kam, den heiligen Schrein der Großen Mutter für Keyla und den Herrn der Finsternis zu öffnen. Normalerweise hätte sie zumindest Einwände erhoben, denn niemand außer der Herrscherin selbst konnte solch eine Order erteilen. Doch wie auch die Cha-yi natürlich wusste, war diese im Augenblick nicht dazu in der Lage. Allerdings fragte sie sich ernsthaft, was man wohl damit bezweckte, denn sie vermochte zwar die Halle zu öffnen, nicht aber den Schrein selbst. Der gehorchte nur der Gebieterin persönlich.



    [/FONT] Sie führte die beiden in das Innere der völlig mit Wasser überfluteten Halle über den freischwimmenden Steg aus Marmor hin zu den Stufen des Schreins und blieb abwartend stehen.
    „Wollt Ihr den Schrein benutzen, Herrin?“ fragte sie Keyla, ohne sich anmerken zu lassen, dass sie das für vollkommen unmöglich hielt.
    Keyla warf einen unsicheren Blick zu Varik hinüber. „Bist du sicher, dass du ihn öffnen kannst?“ fragte sie zum nicht geringen Erstaunen der Cha-yi. Also stimmten die Gerüchte doch, wonach dem Herrn der Finsternis größere Macht zugeflossen war, als es die alte Ordnung eigentlich zulassen würde.
    „Ich denke schon“ hörte sie den Mann gerade sagen. „Wenn nicht ich allein, dann zumindest wir beide gemeinsam. Es wäre allerdings sicherer gewesen, wenn wir meinen Schrein hätten benutzen können. Ihn hätte ich kontrollieren können. Aber der hier.... es bleibt ein Risiko“
    Keyla seufzte und unterdrückte das Gefühl von Panik, das für einen Moment in ihr hochstieg. „Dein Tempel wurde zerstört, und das ist vielleicht gut so. Und wir müssen jedes Risiko eingehen. Wir haben keine andere Wahl.“
    [FONT=&quot]Varik antwortete nicht, sah nur auf die glitzernde Wasseroberfläche hinunter als könne dort etwas sehen, dass nur er wahrnahm.




    [/FONT] Die Flügel der Eingangstür öffneten sich, kalte Luft fegte in die Halle, die Kerzen erloschen eine nach der andern, und zwei Tempelwächter brachten eine Liege hereingetragen, dicht gefolgt von einer überaus besorgten Zaide. Für einen winzigen Augenblick, als sie Varik zum ersten Mal wieder gegenübertrat, flammte so etwas wie Hass in den Augen der Regentin auf.
    Varik hielt ihrem Blick eine Weile stand, im stummen Zwiegespräch mit ihr, um schließlich ebenso wie Kelya den Kopf zu senken, um ihr den Respekt zu erweisen.
    „Danke, dass du gekommen bist!“ brachte Zaide schließlich mit einiger Mühe hervor, bevor sie sich fast sofort an Keyla wandte. „Wir haben keine Zeit zu verlieren, das Sterben hat begonnen. Wir können es nicht mehr aufhalten.“
    [FONT=&quot]„Wir sind bereit, hoffen wir nur, dass es uns auch gelingt.“




    [/FONT] Nur wenig später wunderte sich Zaide immer noch, wie einfach es doch gewesen war, den Schrein zu öffnen, ihre Tochter in dessen Inneres zu betten und ihn dann auch noch zu aktivieren. Unfassbar erschien es ihr, dass sie plötzlich doch noch eine Chance bekommen hatte, den drohenden Untergang abzuwenden. Genauso unfassbar wie die Tatsache, dass sie nun leibhaftig neben ihrer Schwiegermutter saß, in deren blaugrüne Augen sah, die sie ebenso neugierig, wenn auch weitaus verstohlener musterten. So viele Fragen brannten ihnen beiden auf den Lippen, und doch sprachen sie nicht miteinander, sahen sich nur an und fühlten die tiefe Vertrautheit zwischen ihnen, während sie darauf warteten, dass der Schrein seine Wirkung tun würde.
    Es dauerte lange, bis Zaide schließlich den Blick von Keyla abwandte und zu dem abseits stehenden Mann deutete.
    „Ich muss zugeben, ich hatte nicht damit gerechnet, dass er wirklich kommen würde.“
    [FONT=&quot]Keyla folgte ihrem Blick und lächelte traurig.




    [/FONT] „Ich auch nicht. Er ist so voller Zorn und Hass. Noch weitaus mehr, als er es früher gewesen ist. Dennoch..... er ist einer von uns, ob er es nun will oder nicht. Und die Energie der Großen Mutter fließt auch in ihm. Er kann es verdrängen, aber nicht auslöschen. Und....“ Erneut schickte sie einen traurigen Blick zu dem einsamen Mann hinüber. „da ist noch immer Liebe in ihm.“
    Zaide sah sie voller Zweifel an. „Bist du sicher, dass es nicht nur Selbsterhaltungstrieb ist, Keyla. Immerhin steht hier auch seine Existenz auf dem Spiel.“
    „Nein. Das ist ihm egal. Ich denke, er wünscht sich sogar, dass es vorbei ist. Was hat er schon zu erwarten, von den andern.“
    „Nun, Blumen gewiss nicht. Zuviel Leid ist durch seine Schuld über uns alle gekommen.“
    „Nicht nur durch seine allein. Wir alle haben dazu beigetragen, nicht zuletzt ich. Das dürfen wir nicht vergessen, sonst werden wir nur die gleichen Fehler wiederholen.“
    [FONT=&quot]„Nun, wir werden bald wissen, ob wir dazu eine Chance bekommen werden“ antwortete sie zögernd, denn ihre Gedanken kehrten zurück zu dem Schrein in der Halle, der ihr die Tochter und ihnen alle das Leben zurückgeben sollte.




    [/FONT] Ein plötzlich durch die Bäume pfeifender Wind ließ sowohl die beiden Frauen als auch den vor sich hinstarrenden Mann schließlich aufschrecken. Die selbst hier schon zahlreich am Boden liegenden Blätter wurden hoch hinaufgetragen, wirbelten in wildem Reigen durcheinander, die Bäume beugten sich ächzend hin und her, das Wasser rund um die Halle wurde dunkler und geriet in Unruhe.
    Und in der hinteren Tür stand die Cha-yi .
    Jeder der drei hielt mit den unterschiedlichsten Gefühlen den Atem an und suchte im Gesicht der Frau nach der Antwort auf die wohl brennendste Frage.
    Aber die bedeutete ihnen lediglich, ihr zu folgen.





    +++

  • ***


    Langsam und zögernd betraten die beiden Frauen, begleitet von der Cha-yi das Innere der Halle.
    Fast schon andächtig sahen sie zum Schrein hinüber, beobachteten atemlos, wie sich die schwere Tür bewegte, eine Gestalt dahinter sichtbar wurde,
    die mit langsamen, vorsichtigen Schritten hinaus auf die Stufen trat.
    Zaide hätte beinahe aufgeschrien vor Glück und wäre am liebsten sofort zu ihr gelaufen, aber irgendetwas hielt sie zurück.
    Sie hätte selbst nicht genau sagen können, was es war.




    Dort stand sie nun, ihre Tochter und doch auch wieder nicht.
    Der Kopf tief gesenkt, stumm, regungslos. Eine Ewigkeit schien sie so zu verharren, lang genug, dass die anderen erneut die Angst beschlich.
    Was, wenn sie zwar erwacht war, aber die Vereinigung mit Reshanne ihr einen nicht wiedergutzumachenden Schaden zugefügt hatte?
    Was, wenn sie sich womöglich an nichts und niemanden mehr zu erinnern vermochte?
    Wenn Reshannes Macht und Wissen mit ihr verschwunden war?
    Niemand konnte das ausschließen.
    Kein Laut war zu hören, außer dem sanften Rauschen des Wassers um sie herum.
    [FONT=&quot]„Celia!“ rief Zaide in Gedanken nach ihr. „Hörst du mich, mein Kind!“


    [/FONT][FONT=&quot]

    [/FONT]
    Variks Blick war der einzige, der nicht wie gebannt auf der Herrscherin ruhte. Seine Augen folgten Keyla.
    Egal, ob sie inzwischen mit einem Menschen verheiratet gewesen war, für ihn war sie noch immer seine Frau.
    Sie hier zu sehen, bei ihrem Volk, wo sie hingehörte, lebend – was für ein menschlicher Ausdruck - das beglückte und schmerzte ihn zugleich.
    Er war nicht umsonst zurück geblieben, als die anderen hineingegangen waren. Für ihn gab es in dieser Welt keinen Platz mehr.
    In ihrem Leben gab es keinen Platz, Zardon würde schon dafür sorgen. Er hasste ihn zu sehr.
    [FONT=&quot]Und wenn nicht er, dann sie, die neue Herrscherin.


    [/FONT]


    Da.... endlich... hob sich ihr Kopf, ihr Blick glitt durch die Halle, wenn auch immer noch abwesend.
    Ein mächtiges Geschöpf hatte er schaffen wollen, das ihm zu Diensten stand, aber so mächtig hatte sie nicht sein sollen.
    Er ahnte ja nichts davon, was Keyla in ihrer Verzweiflung getan hatte, um ihre Kinder zu schützen.
    Nun, da sie ihm alles erzählt hatte, verstand er, wie Celia es gelungen war, sich seiner Kontrolle zu entziehen.
    Noch nie, seit den Tagen der Großen Mutter vereinte eine Elo-i wieder soviel Macht in sich.
    Durch Reshanne, Keyla und ihn selbst floss nun die Energie aller drei Töchter der großen Ashani in ihr. Auf diese Weise konnte sie fürwahr die Welt aus ihren Angeln heben, wenn sie nur daran dachte, wenn.... ja, wenn sie die Vereinigung unbeschadet überstanden hatte.
    [FONT=&quot]Er seufzte tief auf, wandte sich ab und verließ diesen Ort. Man würde ihn schon holen, wenn ihr Urteil über ihn feststand.


    [/FONT]


    Drinnen straffte die junge Frau inzwischen ihre Schultern, schien förmlich größer zu werden. Ihre Präsenz begann die gesamte Halle auszufüllen.
    Ihr Blick blieb auf dem Gesicht der Mutter liegen, in ihren Augen blitzte es für einen Moment auf,
    und in Zaides Kopf erschallte ein Ruf, laut und gebieterisch.
    Sie trat ein, zwei Schritte nach vorn und sank dann hinunter in eine tiefe Verneigung.
    „Celia.... ich... wir sind froh, dass du zu uns zurückgekehrt bist.“
    Eine unausgesprochene Frage schwang in ihren Worten mit. Erneut hielt alles den Atem an.
    Und da legte sich ein Lächeln über Celias Lippen, sie flog förmlich die Stufen hinunter, beugte sich hinunter, um Zaide aufzuhelfen.
    [FONT=&quot]„Mutter, bitte, knie doch nicht vor mir!“


    [/FONT][FONT=&quot]

    [/FONT]
    Zutiefst erleichtert schloss Zaide das Mädchen in ihre Arme.
    „Ich hatte solche Angst um dich, mein Kind. Wir alle hatten das. Wie fühlst du dich?“
    „Eigenartig.... ein wenig wie nach der Initiation....wäre ich ein Mensch, würde ich sagen, ich habe Kopfschmerzen....“
    Ihre Mutter strich ihr zärtlich über die Stirn. „Das geht vorbei. Du wirst sehen. Eigentlich müsstest du dich jetzt etwas ausruhen,
    doch du hast so lang geschlafen... wir brauchen dich... die Welt....“
    „Ich weiß, ich kann es fühlen...gleich, als ich meine Augen aufschlug. Ich habe deine Schwäche gefühlt, als du hereinkamst.... aber ...ich spüre auch, wie deine Kraft zurückkehrt.“
    „Ja, mein Kind. Wir alle erhalten sie nun zurück, dank dir. Und das gerade noch rechtzeitig.“



    Celia löste sich aus der Umarmung und trat einen kleinen Schritt zurück.
    „Ich habe das nicht gewollt, Mutter. Als ich ging... ich war doch nur....“ Sie sah einen Moment zu Boden. „Ich hab sie gehasst, für das, was sie getan hat.
    Ich wollte nichts mehr mit euch allen zu tun haben, mit all diesen Geheimnissen, diesen unschuldigen Opfern..... „
    „Ich weiß, und ich bedaure so sehr, dass ich nicht eher mit dir gesprochen habe. Ich hätte dich damit nicht allein lassen dürfen.“
    „So viel Unglück haben wir heraufbeschworen. So viel verloren. Mein Vater, deine Schwester....“ Nur mit Mühe hielt sie ihre Tränen zurück.
    „Es tut mir leid, Mama, ich wollte nicht, dass sie stirbt, wirklich nicht. Ich wollte nie jemandem schaden!“
    Celia versank erneut in Schweigen, hielt den Blick gesenkt, während Zaide einfach nur ihre Hand hielt und sanft darüber streichelte.
    „Wie geht es ihm?“ Auf diese Frage hatte die Mutter schon gewartet.
    „Er war die ganze Zeit bei dir“ antwortete sie daher lächelnd, „während du geschlafen hast. Und nun wartet er... in meinem Tempel.“
    Täuschte sie sich, oder glänzten da tatsächlich Tränen in den Augen ihrer Tochter?
    „Celia?“ fragte sie leicht beunruhigt. „Willst du ihn sehen?“
    Celia schüttelte den Kopf. „Ich habe Angst. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen gegenübertreten soll, Nicolas, Cyros, selbst dir! Nach allem, was ich euch angetan habe!“






    ++++++++++
    noch ein Teil


  • Zaide schüttelte den Kopf und zog sie wieder näher an sich.



    „Hör mir zu, Kind. Das alles war nicht deine Schuld. Du warst nur das Opfer in dieser Geschichte. Und egal wie sehr wir es uns wünschen, wir können das Vergangene nicht ändern,
    all unsere Macht reicht dafür nicht aus. Aber wir können, wir müssen denen helfen, die uns jetzt brauchen.“
    „Kann ich das denn? Wird man mich nicht ablehnen, ich meine, ich war doch nie.... dafür vorgesehen....“
    „Genauso wenig wie meine Schwester. Vertrau mir! Niemand wird dich ablehnen.
    Wir können nicht ohne dich existieren. Nichts kann das. Wir brauchen dich, deine Stärke, die Weisheit, die man dir verliehen hat.
    Hab keine Angst, ich werde bei dir sein, und....“ Wehmut stahl sich in ihre Stimme, „auch Reshanne, Melynne, all jene, die vor dir diese hohe Aufgabe zu erfüllen hatten.
    [FONT=&quot]Lass dich von ihnen leiten. Ich bin ganz sicher, du wirst eine gute Herrscherin sein, eine würdige Nachfolgerin unserer Großen Mutter!“




    [/FONT] Zaide deutete mit dem Kopf hinter sich. „Vielleicht kann sie dir dabei am besten helfen. Immerhin wurde sie einmal genau dafür ausgebildet.
    Vorausgesetzt natürlich, du erlaubst ihr, aus der Verbannung zurückzukehren. Wir wollten dir gewiss nicht vorgreifen, aber ohne sie hätten wir....“
    „Ich weiß.....“ wurde sie von Celia unterbrochen. „Ich weiß, was sie getan hat.“
    Ein einfaches Nein, nicht ausgesprochen, nur gedacht, verhinderte, dass Keyla ebenso wie Zaide vor der neuen Herrscherin niederkniete, als sie sich ihr zuwandte.
    „Danke!“ sagte Celia stattdessen schlicht. „Und willkommen zuhause.“
    Keyla schluckte, unfähig irgendetwas zu antworten.
    [FONT=&quot]Aber das schien Celia auch nicht zu erwarten.



    [/FONT] „Wir haben eine Menge in Ordnung zu bringen“, erklärte sie nach kurzem Zögern und verließ den Schrein. „Und ich brauche eure Hilfe."
    Als hätte sie nie etwas anderes getan, und ohne zu wissen, woher sie die plötzliche Ruhe und Selbstsicherheit nahm, erkundigte sie sich nach dem Ausmaß der Schäden in beiden Welten
    und erteilte ihre Anweisungen.
    „Wir kümmern uns zuerst um die Menschen. Bringt so viele zurück, wie möglich, vor allem jene, die bisher nur als vermisst gelten. Dabei kannst du deinem Vater helfen, Keyla.
    Geleitet die hinüber, deren Körper zerstört sind, keine Auswahl. Alle.
    Keine neuen Opfer mehr. Darias Diener werden den menschlichen Ärzten helfen. Sollen die ruhig ein paar Wunder vollbringen.“
    Zaide schmunzelte und nickte, während sie ihr folgte. Das würde die größte Wunderwelle in der Geschichte der Menschheit werden, noch Generationen würden darüber rätseln.
    Doch sie gab der Tochter recht. Die Menschen hatten genug für die Fehler der Elo-i bezahlt.
    „Und wohin willst du gehen?“
    „In den Ratstempel natürlich.“
    „Aber der..... der ist zerstört.“ Celia lächelte verhalten.
    „Ich weiß, Mutter, ich weiß.“



    In der Tat war der Anblick schrecklich, der sich ihnen bot, als sie den Tempel erreichten.
    Was nicht zerbrochen auf dem Boden lag, ragte nur noch rußgeschwärzt in den Himmel.
    Kaum etwas, außer dem Thron der Herrscherin selbst, kündete noch von dem einstigen Zentrum der Welt.
    Für einen Augenblick hätte sich Celia am liebsten von all der Zerstörung abgewendet, die sie angerichtet hatte.
    Nur zu genau erinnerte sie sich daran, was hier geschehen war.
    Sie vermochte es nicht ungeschehen zu machen, aber .....
    „Bleibt zurück!“ befahl sie und schloss für einen Moment die Augen, um sich zu konzentrieren.
    Sie wusste, dass sie es konnte, selbst wenn es ihre ganze Kraft kostete, sie musste es nur versuchen.
    [FONT=&quot]Ein warmes Licht begann sich, ausgehend von ihrem Körper um sie auszubreiten und drängte die Dunkelheit ringsum zurück.




    [/FONT] Ganz langsam betrat sie das einstige Innere des Ratstempels. Weder bewegte sie ihre Arme, noch sagte sie ein Wort.
    Ihr Kopf war vollkommen leer und nur auf das Bild des Tempels aus ihrer Erinnerung konzentriert.
    Und während sie voranschritt, drang das Licht immer weiter vor, bis in die kleinste Ecke, der Boden schloss sich unter ihren Füßen,
    die alten Marmorplatten fügten sich zusammen, Säulen erhoben sich, strahlendweiß, wie eh und je.
    Gras begann im Garten zu sprießen, die umgestürzten Bäume verschwanden, neue schossen mit unglaublicher Geschwindigkeit in die Höhe,
    halb verwelkte Blätter wurden wieder grün, selbst erste Blumen wurden wieder sichtbar.
    [FONT=&quot]Wasser plätscherte munter über die Steine der halb zerstörten Brunnen, deren Umrandungen sich scheinbar selbst zu reparieren schienen.




    [/FONT] Und als sie endlich den Thron der Großen Mutter erreicht hatte, erstrahlte der Ratstempel wieder in seinem alten Glanz.
    Halberschöpft sah sie zu jener Statue der Großen Mutter, die seit Urzeiten diesen Tempel krönte und schickte ein leises Dankgebet zu ihr hinauf.
    Ein Funkeln und Blitzen schien ihr zu antworten, neue Kraft schoss in ihren Körper und eine Welle gleißenden Lichts brach aus ihr hervor,
    raste durch den Tempel hinaus in die Unendlichkeit, kündete jedem davon, dass eine neue Gebieterin ihre Herrschaft angetreten hatte.





    +++


  • Eigentlich hatte er sich seine Rückkehr an diesen Ort ganz anders vorgestellt. Nur als Herrscher wollte er diese Hallen wieder betreten, alles hinwegfegend, was es sich dann noch wagte, sich ihm in den Weg zu stellen. Den Rat der Fünf hatte er auflösen wollen, er brauchte dieses Relikt der alten verknöcherten Strukturen schließlich nicht. Von Grund auf hatte er alles ändern wollen. Die Gesellschaft der Elo-i ebenso wie die der Menschen, dem Beispiel der Großen Mutter folgend alles nach seinem Willen neu erschaffen.
    Stattdessen stand er nun vor dem Weltenthron, um seinen Urteilsspruch zu empfangen. Beim ersten Mal hatte er sich dem entzogen, nicht aus Furcht vor Strafe, er kannte keine Angst, aber niemand, nicht einmal die Große Mutter selbst sollte ihn richten.
    Doch ihr konnte er nicht entkommen, es gab keinen Ort auf der Welt, an dem er sich hätte verstecken vor ihr, der er selbst die Macht dazu gegeben hatte.
    [FONT=&quot]Wozu auch! Was hatte er schon noch zu verlieren.




    [/FONT]
    Wie sie dort saß, die gefürchtete Marhala an ihrer Seite, als hätte sie immer dort hingehört. Und wer weiß, vielleicht war das ja auch so. Vielleicht gab es ja doch so etwas wie Schicksal. Er hatte das immer abgestritten, sich seine eigenen Regeln und Gesetze geschaffen, und doch hatten all seine Anstrengungen ihn nicht dorthin geführt, wo er sein wollte.
    Was für ein einträchtiges Bild! Die Gebieterin und ihr verlängerter Arm! Ob sie wohl noch daran dachte, dass es noch gar nicht so lange her war, dass eben dieser Arm sie hatte töten wollen? Und nun würde die Wächterin jeden ihrer Befehle ausführen, ohne jemals etwas in Frage zu stellen, genauso wenig wie sie es bei Reshanne und Melynne getan hatte. Welch Ironie!
    Für einen Moment schienen die beiden sich von ihm zu entfernen, so als wolle man ihm den Weg zu seinem endgültigen Ende erschweren. Doch da hörte er auch schon den Ruf, näher zu kommen.
    [FONT=&quot]Varik richtete sich auf, ein letztes Mal noch hob er stolz den Kopf und ging seiner Vernichtung entgegen.




    [/FONT] Denn nur aus diesem Grund konnte Marhala noch hier sein. Anders vermochte er sich ihre Anwesenheit nicht zu erklären. Die offizielle Einsetzungszeremonie war längst vorüber, als er hier ankam. Einen letzten Blick auf Zaide und Zardon hatte er noch erhaschen können, ohne es zu wagen, sie nach dem einzigen zu fragen, was ihn noch interessierte. Was mit Keyla geschehen war.
    Er hoffte, aufrichtig, Celia würde die Weisheit besitzen, die Melynne trotz all ihres Wissens gefehlt hatte, und Keyla wieder aufnehmen. Und, dass zumindest sie ihm vergeben würde. Alles andere war ohne Bedeutung.
    Er fiel nicht auf die Knie, noch verbeugte er sich vor der Gebieterin, er neigte nur ein ganz klein wenig den Kopf, doch selbst das entlockte ihr seltsamerweise ein Lächeln.



    „Lass uns allein!“ befahl sie der Wächterin und diese nickte, drehte sich um und begab sich zum Ausgang, ohne ein Wort zu sagen, während Celia sich erhob und langsam die Stufen zu ihm hinabkam.
    Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als die Wächterin an ihm vorbeiging. Er erinnerte sich noch genau an den furchtbaren Schmerz, als er den Strahl aufgefangen hatte, der Celia hatte töten sollen. Diese Qual, kaum zu ertragen. Es hatte ihn all seine Kraft gekostet, dem standzuhalten, und ohne die Macht in seinem Rücken, von der Celia damals noch nichts ahnte, wäre es ihm auch nicht gelungen.
    [FONT=&quot]Gut, dass Reshanne das an diesem Tag nicht erkannt hatte. Hätte sie ihre Kraft mit der Wächterin vereinigt, wer weiß.....




    [/FONT] „Wer weiß!“ wiederholte Celia seine nur in Gedanken ausgesprochenen Worte in beherrschtem kühlen Ton und musterte ihn forschend. „Du hast hoch gespielt, Varik, um einen entsetzlichen Einsatz. Und du hast verloren.“
    Furchtlos hielt er ihrem Blick stand, nickte nur. „Der Lauf der Welt, nicht wahr. Und wer kann schon sagen, ob eine Niederlage auch wirklich eine ist.“
    „Vielleicht! Nur was soll ich jetzt mit dir machen? Es gibt hier nicht nur einen, der verlangt, dass ich.....“ Sie beendete den Satz nicht, wissend, dass ihm klar war, was man in Bezug auf ihn erwartete.
    „Ich möchte dich etwas fragen,“ fuhr sie stattdessen fort. „Warum hast du mich zurückgeholt. Du hattest doch nichts zu gewinnen dabei?“





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    [/FONT]


  • „Ich hab es nicht für dich getan!“ antwortete er ohne Zögern. „Auch nicht für die Welt. Ob sie untergeht oder nicht, was spielt das für mich noch eine Rolle?“
    „Wofür dann?“ fragte sie, und die Strenge verschwand aus ihrer Stimme, und er faltete die Hände, senkte den Kopf, tiefer als zuvor, ohne die Wahrheit vor ihr verbergen zu können.
    „Du liebst sie immer noch, nicht wahr? Du hast nie aufgehört, sie zu lieben“ sagte sie leise. „Wie schade, dass du den Wert dieser Liebe nicht erkannt hast.“
    „Es ist mir gleich, was du mit mir vorhast, ruf die Wächterin und bring es hinter dich. Es wird das Beste sein“ versuchte er, dem unangenehmen Thema auszuweichen.
    „Was das Beste ist, bestimme jetzt ich, Varik. Und ich erwarte eine Antwort auf meine Frage.“
    [FONT=&quot]Er hob den Kopf und begegnete ihrem Blick, der in sein Innerstes zu dringen schien.




    [/FONT]
    Lange vermochte er dem nicht standzuhalten. Zudem, was nützte es noch, er vermochte ja nicht einmal mehr, sich selbst zu belügen. Allein sie wiederzusehen, genügte schon, den alten Schmerz wieder aufleben zu lassen, die Sehnsucht, die ihn in all den Jahren nie verlassen hatte, obwohl ihm bewusst war, dass sie auf ewig ungestillt bleiben würde. „Ich möchte nur, dass man ihr die Heimkehr gestattet. Sie gehört nicht zu den Menschen, sondern hierher. Es...., es war ja nicht ihre Schuld, genauso wenig wie deine!“ sagte er leise.
    Celia nickte, als wäre dies genau das, was sie erwartet hatte.
    „Das ist längst geschehen“ erklärte sie ebenso leise. „Sie wird die neue Zeremonienmeisterin des Rates sein, und den Platz von Cyros einnehmen, der aus verständlichen Gründen....für einige Zeit dem Rat fern bleiben wird. Ich denke, sie ist die am besten geeignete für diese Position, da sie von Melynne umfassend eingewiesen worden ist. Da stimmst du mir doch zu, oder?“



    Er wusste nicht, was er antworten sollte und nickte nur.
    „Desweiteren...“ fuhr Celia auch schon fort, „...wird sie in Zukunft die Stimme der Menschen in diesem Rat sein. Da unsere Entscheidungen ihre Welt dermaßen beeinflussen, sollte jemand auch ihre Interessen hier vertreten, nicht wahr?“ Erneut vermochte er nur zu nicken.
    „Und nun zu dir, Varik!“
    „Ich bin bereit.“ Er hielt den Atem an, wartete darauf, dass sie die Wächterin zurückrief, um ihn auszulöschen. Doch sie kam nicht. Stattdessen hörte er sie mit einem deutlichen Tadel in der Stimme sagen:
    „Ich wünsche, nein ich verlange, dass du in den Rat zurückkehrst.“ Er riss den Kopf nach oben und starrte sie fassungslos an.
    [FONT=&quot]„WAS?“ krächzte er.




    [/FONT]
    „Du hast mich schon verstanden. Von heute an wird der Rat wieder aus 6 Mitgliedern bestehen, wie es sein sollte. Und du wirst deinen Platz mir gegenüber wieder einnehmen.“
    Keinen einzigen Ton brachte er heraus, auch nicht, als sie an ihm vorbeiging, hin zu der Stelle, an der einst sein Stuhl gestanden hatte. Ihre Hand hob sich nur ein Stück, der Boden begann zu zittern, als würde er sich aus langem Schlafe schütteln, das Podest wuchs aus dem Boden hervor, Säulen erschienen, verbanden sich zu neuen Bögen.
    „Warum?“ flüsterte er, während er noch immer staunend dabei zusah, wie die Halle ihr altes Antlitz zurückerhielt.
    [FONT=&quot]„Weil das Gute ohne das Böse nicht existieren kann, das Licht nicht ohne die Dunkelheit. Und weil selbst jemand wie du..... lernen kann.“ Sie drehte sich noch einmal zu ihm, „ich erwarte, dass du morgen zur ersten Sitzung des neuen Rates hier erscheinst, pünktlich!“ Dann nickte sie ihm zu und bedeutete ihm, sie zu verlassen, was er, noch immer wie betäubt auch tat.




    [/FONT]
    „Zufrieden?“ fragte Celia die junge Frau, die, kaum dass Varik verschwunden war, aus dem Schatten des Thrones trat.
    „Damit hat er nicht gerechnet!“
    Celia lächelte. „Nein. Ich denke, damit rechnet keiner. Aber es ist das einzig Richtige. Er soll für uns arbeiten, nicht gegen uns.“ Sie musterte die Frau, der man unmöglich ansehen konnte, dass es sich um ihre Großmutter handelte. „Bist DU dir denn sicher, was ihn betrifft?“
    [FONT=&quot]„Nein“ antwortete Keyla wahrheitsgemäß. „Aber wenn wir, wenn ich es nicht versuche, werde ich es nie erfahren, nicht wahr?“



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