Aus gegebenem Anlass (der Fall der seit 15 Jahren im Wachkoma liegenden Patientin in den USA) habe ich mich entschlossen, diesen Thread zu eröffnen. Einen zweiten Grund gibt es auch noch, nämlich, dass es meinem Opa sehr schlecht ging und er selbst auf Intensiv einige Tage wohl näher am Tod als am Leben verbrachte.
Ich hab auch die Suchfunktion benutzt und bereits einen Thread zum Thema Sterbehilfe gefunden, habe mich aber trotzdem entschlossen, einen neuen aufzumachen, da der alte Thread schon älter ist und ich der Meinung bin, dass durch unser Umfeld und die Erfahrungen, die wir machen sich unsere Meinung zu diesem Thema immer wieder ändert/weiterentwickelt.
Ich hab bereits in einem anderen Forum vor einigen Monaten mal zu diesem Thema einen Post verfasst, den hab ich hier kopiert und mit meinen neuesten Erfahrungen ergänzt/verändert.
Ich will jetzt gar ned so genau anfangen, zu definieren, was aktive und was passive Sterbehilfe ist.
Ich selbst bin Krankenschwester. Ich habe in Praktikum, Ausbildung und Beruf schon einiges gesehen und natürlich ist dadurch auch meine Meinung zum Thema Sterbehilfe immer wieder beeinflußt/geändert/weiterentwickelt worden.
Ich bin absolut dafür, dass Menschen eine Patientenverfügung machen. wer klar festlegt, was in seinem Leben er möchte und was nicht, klärt dies für sich, für die Ärzte und für seine Angehörigen, die diese oft sehr schweren Entscheidungen dann nicht treffen müssen.
Im Sinne von "Giftspritze geben" bin ich nicht für aktive Sterbehilfe. Denn: Wie könnte ich mir anmaßen von anderen Leuten zu verlangen, dass sie mich praktisch "wegrichten"? oder anders gefragt: Wer hat das Recht, von mir zu verlangen, dass ich ihn gezielt umbringe? Wenn jemand sich selbst z.B. wie in der Organisation, der Inge Meysel angehörte für den Freitod via Zyankali entscheidet, wer sollte sie aufhalten? Soll sie machen, es ist ihr freies Recht so über ihr Leben zu entscheiden. Doch wer kann von mir verlangen ihr so eine Kapsel zu geben wenn sie nicht mehr selber kann? Niemand.
Und genau da kommen die vielen Feinheiten der Sterbehilfe ins Spiel. Ein Absatz aus einer Patientenverfügung einer ehemaligen Patientin scheint mir zur Beschreibung dessen, was ich meine sehr richtig. Im ungefähren Wortlaut ging es darum, dass die Patientin "in jedem Falle ausreichende Schmerzstillung haben wollte, auch wenn diese Medikation evtl. zu einem etwas früheren Herbeiführen des Todes beiträgt."
d.h. also, wenn man die SchmerzMedikation (sie hatte große Tumorschmerzen) immer mehr erhöht weil sie immer mehr braucht und sie davon Ateminsuffizient wird, also schlechter atmet, dann wird das in Kauf genommen, weil als wichtig im Vordergrund steht die Schmerzlinderung.
Ein anderer Punkt: Hunger und viel wichtiger: Durst. Oben genannte Patientin legte auch fest, dass sie in keinem Falle Hunger oder vor allem auch Durst erleiden will.
Auch, wenn ich keine Behandlung mehr will, aber will ich verdursten? Sicher nicht. In meinen Augen ist es grausam Infusionen zur Flüssigkeitssubstitution wegzulassen, oder über eine Ernährungssonde durch den Bauch oder durch die Nase nichts mehr zu geben. Denn, Trinken und Durststillung gehört zu den Grundbedürfnissen.
Ein Beispiel: (aus der Zeitung) Der Vater eines schwerkranken jungen Mannes, schwerster Pflegefall, der keine eigene Meinungsäußerung mehr abgeben konnte, verlangte vom Personal im Pflegeheim, die Ernährung seines Sohnes über die Bauchsonde einzustellen, in quasi verhungern und verdursten zu lassen. Als sie sich weigerten zog er vor Gericht. Das Gericht entschied, dass der Patient weiter über die Sonde ernährt wird. Richtig oder falsch?
ich bin der Meinung: Richtig. Denn, will einer von uns qualvoll verdursten??
Schmerz- und Durststillung sehe ich als zwei sehr wichtige Punkte in der Pflege und Behandlung schwerstkranker/todkranker Patienten an. Auch deshalb sind sie in so gut wie jeder Patientenverfügung zu finden.
Anders verhält es sich mit andren Medikamenten: Muss ich unbedingt beim todkranken Patienten noch z.B. Herzmedikamente geben um den unweigerlichen Tod noch qualvoll Tage, Wochen, Monate hinauszuzögern? Wenn meine Großeltern mal an diesem Punkt sind weiß ich schon heute, dass ich dafür eintreten werde diese Medikamente abzusetzen. Ich werde mich dafür einsetzen, dass sie Schmerz- und Durstlinderung und Linderung von Atemnot erhalten und dass sie, wenn es soweit ist, mit Würde sterben können. DNR - do not reanimate. Keine Reanimation, keine Intubation, kein nur von Medikamenten mehr schlecht als recht am Leben gehalten werden.
Ich begrüße es, wenn Ärzte mit todkranken Patienten und Angehörigen sprechen und sich alle gemeinsam zum wohle des Patienten für den wahrscheinlich bald eintretenden Fall für ein DNR entscheiden wenn keine Aussicht auf menschenwürdigen Erfolg ist. Auch in der Klinik.
Eben erst vor ein paar Tagen steckte unsere Familie in einer solch ganz ähnlichen Situation. Meinem Opa ging es sehr sehr schlecht, so dass wir bei jedem Telefonläuten panische Angst hatten, es könnte das Krankenhaus sein. Mein Opa ist 79 Jahre alt und schon seit mehr als einem Jahrzehnt schwer Lungenkrank und seit ca. 2 Jahren auch ganztätig Sauerstoffpflichtig. Trotzdem ging es ihm immer so gut, dass er zu Hause sein konnte, sich selbst Waschen konnte, kleine Spaziergänge machen konnte, selbstständig die ganzen Sachen mit dem Sauerstoff regeln konnte, seine Medikamente selbst richtete und einnahm usw. Und plötzlich ein weiterer Infekt, schlimmer als jeder bisdahin vorher. Intensivstation, große Atemprobleme, das Herz kurz vorm versagen. Da haben wir uns auch lange mit den Ärzten unterhalten und sind dann auch zu der Entscheidung gekommen, gemeinsam mit meinem Opa: Infusionen und Antibiotika ja, assistierte Beatmung (also 'ne Maske, die die Atmung unterstützt einfach gesagt) bei vollem Bewußtsein, aber keine Ernährung über Magensonde und auf keinen Fall Reanimation und Intubation, denn diese würden nur eine Verzögerung und Qual bedeuten und ihm die Chance nehmen, in Würde zu sterben.
Wir hatten lange gebangt, aber seit heute geht es ihm besser, er wurde sogar schon von Intensiv auf Wachstation verlegt.
Noch ein Gedanke zum Schluß, der wohl auch zu diesem Thema Sterbehilfe/Patientenverfügung passt:
Wen interessierts denn, ob ein Mensch, der bald sterben wird abhängig vom Morphin wird? Es ist doch egal! Er wird sterben, er soll das Morphin bekommen, dass er braucht um keine Schmerzen zu haben. Ärzte, die heut beim Sterbenden immer noch Angst vor einer Abhängigkeit haben kann ich echt nicht verstehen.
So, auf eure Meinungen, gern auch kontrovers, bin ich gespannt. Was ich geschrieben habe sind einfach meine persönlichen Erfahrungen und meine persönlichen Gedanken zu diesem Thema. Sie stellen sicher nicht das non-plus-ultra dar und bieten keine pauschale lösung an.