„Okay.“ Bens Gedanken kreisten in der Tat um seine Arbeit. Der Oktober ging in den November über, und der Winter stand vor der Tür. Im Moment tauchte die Sonnt Three Rocks in ein strahlendgoldenes Licht, die Pferde grasten auf den umliegenden Weiden, und die Männer gingen in Hemdsärmeln ihren Pflichten nach. Doch es war an der Zeit, die Zäune zu überprüfen, das Getreide einzubringen und das für den Verkauf bestimmte Vieh auszusortieren und zu verschiffen.
Sein Blick wanderte über die Koppeln und Weiden zu der Anhöhe, Richtung Mercy Ranch. Sicherlich ging Willa Mercy heute Morgen mehr im Kopf herum als nur das Tageswerk. „Nichts gegen deine Fähigkeiten als Anwalt, Nate, aber dieser ganze Unsinn lässt sich doch wohl nicht durchsetzen, oder?“
„Die testamentarischen Verfügungen sind klar und deutlich abgefasst.“ „Nichts weiter als juristische Spitzfindigkeiten.“ Nate kannte seinen Freund zu gut, um sich beleidigt zu fühlen. „Sie könnte das Testament natürlich anfechten, aber das wäre eine wenig versprechende, knifflige Angelegenheit.“
Ben blickte wieder in Richtung Südwesten. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild Willa Mercys, und er schüttelte unwillig den Kopf. Ben fühlte sich in seinem Sattel ebenso wohl wie manch einer in seinem Lieblingssessel. Nach dreißig Jahren auf der Ranch bedeutete ihm das freie Land alles. Er war nicht ganz so groß wie Nate, drahtig und muskulös gebaut und trug sein goldbraunes, von der Sonne gebleichtes Haar so lang, dass es bis zum Kragen seines Flanellhemdes reichte. Seine Augen blickten so scharf, wie die eines Falken und oft genauso kalt, und sein wettergegerbtes Gesicht zeugte davon, dass er sich vornehmlich im Freien aufhielt. Quer über sein Kinn verlief eine schmale Narbe; ein Andenken an seine Kindheit, als er mit seinem Bruder Messerwerfen geübt hatte.
Mit einer gedankenverlorenen Geste fuhr er sich jetzt mit einer Hand über diese Narbe. Als Nate ihm vor kurzem vom Testament berichtet hatte, fand Ben das noch amüsant, doch nun, da die Bestimmungen in Kraft traten, erschien ihm die ganze Angelegenheit auf einmal nicht mehr so komisch. „Wie verkraftet sie es denn?“
„Schwer.“ „Mist, das tut mir leid. Sie hat den alten Bastard geliebt, weiß der Himmel, warum.“ Er fuhr sich mit seinen Fingern durchs Haar. „Vermutlich ist sie fuchsteufelswild, dass ausgerechnet ich mit in die Sache verwickelt bin.“ Nate grinste. „Zugegeben. Aber ich denke sie würde auf jeden anderen ebenso ablehnend reagieren.“
Oh nein, dachte Ben grimmig, nicht ganz. Er fragte sich, ob Willa wusste, dass ihr Vater ihm einmal 10 000 Morgen bestes Tiefland angeboten hatte, wenn er seine Tochter heiratete – wie ein verdammter Feudalherrscher, der zwei Königreiche vereinen wollte.
„Sie braucht keinen von uns beiden, um Mercy zu leiten“, sagte er zu Nate. „Aber ich werde tun, was von mir verlangt wird. Und außerdem …“ Ein lässiges, arrogantes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Außerdem wird es mir einen Heidenspaß machen, wenn sie alle fünf Minuten mit mir Streit anfängt. Wie sind denn die anderen beiden so?“