"Wer Liebe verspricht..."

"Sei still!" Sir Joshua richtete sich wutentbrannt auf und beugte sich drohend über sie. Seine Stimme klang so furchteinflössend, dass Olivia unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
"Keine Anschuldigungen mehr, Bridget, kein Wort mehr!"
Ransome war erstarrt und hielt die Luft an. Heftig keuchend rang Lady Bridget nach Luft. Der Befehl hatte sie verstummen lassen und getroffen wie ein Peitschenschlag. Aber nicht lange. Sie wandte ihren Blick nicht von ihrem Mann ab und in ihren Augen lag ebensoviel Hass wie in seinen.

Ihre Verachtung konnte sich mit seiner Wut messen. Der Ausmass des gegenseitigen Abscheus, das plötzlich sichtbar wurde, machte Olvia sprachlos. Lady Bridget richtete sich ein wenig auf.
"Nein Josh," zischte sie, "ich werde nicht still sein! Nicht jetzt und nie wieder!" Jedes Wort, dass sie hervorstieß, war mit Gift getränkt und in ihren Augen stand wilder Hass.
"Glaubst du, ich kann vergessen,was ich damals gesehen habe? Diesen Blick, in dem die Saat des Bösen, diesesFrevels lag?" Sie sank auf ihr Kissen zurück, sprach jedoch unvermindert weiter.

"Ich weiß, weshalb deine Hand nicht zuschlagen konnte! An diesem Tag habe ich alles gesehen Josh, alles!" Die Pupillen ihrer Augen weiteten sich und glühten bedrohlich. "Wie soll ich dir vergeben, dass du mich um mein Leben betrogen hast...?"
Der Schlag seiner Hand auf ihrer Wange klang so laut wie ein Schuss. Lady Bridget fiel mit einem unterdrückten Aufschrei in die Kissen zurück. Die unausgesprochenen Worte blieben Lady Bridgte im Hals stecken. Niemand bewegte sich.

Sir Joshuas Augen blitzten vor rasendem Zorn, als er neben dem Bett stand und seine Frau ansah, die ihre Hand auf die Wange presste. Plötzlich liess er die Schultern sinken. Der bebende Körper wurde ruhig und die Spannung wich aus seinem Gesicht. Er senkte den Kopf.
"Tut mir - leid. Verzeih..."

Benommen und mit unsicheren Schritten verließ er das Zimmer, Ransome folgte ihm unverzüglich und Olivia hörte, wie er leise und beruhigend auf seinen Freund einsprach. Lady Bridget drückte stöhnend ihr Gesicht in die Kissen und begann, still zu weinen. Olivia eilte zu ihr, um sie zu trösten.

Es war eine schreckliche und brutale Szene gewesen. Das Ausmaß der Hässlichkeit würde sie nie vergessen können. Olivia wurde plötzlich übel. Jai Raventhorne hatte sie alle zu Tieren gemacht!

Hoffe ihr seit nun zumindest ein bisschen für die lange Wartezeit entschädigt...! Morgen geht es weiter, und dann erfahrt ihr ein paar interessante Dinge über Jai!

Lg,
Santine :wink

Sorry, habs gestern nicht mehr geschafft. War auf nem Konzert der "Am Wasser gebaut Tour" von "Fettes Brot" :yeah und musste Mittags noch so viel erledigen, dass es mir nicht gelangt hat.
Aber jetzt gehts weiter...

Olivia nahm dankbar Arthur Ransomes Angebot an, die Nacht über zu bleiben. Sie empfand seinen kühlen Kopf, seinen Sinn für rechtes Maß und Perspektive als das vernüftige Gleichgewicht, um das sie so verzweifelt kämpfte. Ausserdem war seine Anwesenheit auch aus anderen, egoistischen Gründen lebensnotwendig. Wie lange würde sie ihre Maske noch tragen können? Seine Anwesenheit war eine Barriere zwischen den beiden Teilen ihres Ichs - dem fühlenden und dem mechanisch agierenden. Bald würde sich die Trennungslinie auflösen. Sie würde wieder fühlen - diese Aussicht erfüllte Olivia mit Schrecken.

Deshalb freute sie sich über jeden kurzen Aufschub, wie ein Kind, das langsam und immer langsamer zur Schule geht.
Nach einem bescheidenen Abendessen saß sie mit Arthur Ransome im Gästezimmer vor dem brennenden Kamin.
Lady Bridget wollte nichts essen. Sie hatte wieder ein leichtes Schlafmittel eingenommen, lag allein im Bett und überließ sich ihren einsamen Albträumen.

Sir Joshua blieb in seinem Arbeitszimmer und trank. Aber an diesem Abend brachte es selbst Ransome, sein bester Freund und Helfer, nicht über sich, Einspruch zu erheben.
"Soll er sich nur betrinken." murmelte Ransome traurig. "Heute braucht er den Alkohol mehr denn je..."

Eine Zeitlang sprachen sie nur über Belanglosigkeiten um die trostlose Stille zu durchbrechen, in der sich heimtückische Gedanken breitmachten. Doch irgendwann konnten sie dem eigentlichen Thema nicht mehr ausweichen.
"Er benutzt das irregeleitete Kind als Werkzeug seiner Rache." sagte Ransome leise. "Das ist ein Verbrechen Olivia, ein Verbrechen!"
"Estelle ist kein Kind mehr. Sie weiss, was sie tut."
Olivia verachtete sich für diese Worte. Sie sah das verkniffene, unglückliche Gesicht ihrer Cousine wieder vor sich.

Estelle hatte mit ihr sprechen wollen und sie hatte Estelle aus dem Zimmer geschickt. Estelle hatte sie stumm um Hilfe angefleht und sie hatte ihr diese verweigert. Wäre ihnen allen ein anderes Schicksal beschieden gewesen, wenn sie Estelle zugehört hätte? Die Frage ließ sich nicht beantworten und dieses Nichtwissen würde von nun an ihr Leben belasten.

Wenn sie Onkel Josh dazu überredet hätte, Estelle an dieser albernen Aufführung teilnehmen zu lassen, wäre Estelle dann auch zu diesem extremen Schritt bereit gewesen?
Wenn, wenn, wenn! Olivia schob die unerwünschten Gedanken ärgerlich beiseite.
Was halfen ihr jetzt noch wenn und aber, nachdem er nicht mehr da war!

Sie stand auf. "Ich glaube ich gehe schlafen, Onkel Arthur. Vielleicht solltest du auch schlafen. Es war ein....merkwürdiger Tag."
Das gemeinsame Leid hatte dazu geführt, dass sie sich mit dem freundschaftlichen Du anredeten.
"Ja, das stimmt. Das stimmt wirklich. Dieser Tag hat viel zu viele Erinnerungen in mir wachgerufen und Wunden aufgerissen, um jetzt an Schlaf denken zu können. Aber du geh natürlich schlafen, mein Kind. Ich bleibe noch eine Weile hier am Feuer sitzen."
Olivias Augen schmerzten vor Erschöfpung, aber plötzlich empfand sie Angst bei der Vorstellung, sie zu schließen und die Schar der eigenen, schrecklichen Erinnerungen loszulassen.

So ging sie statt dessen zur Bar und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Ihr war nicht bewusst, dass es wie ein Verhör klang, als sie fragte:
"Was hat Tante Bridget damit gemeint, als sie sagte > Ich weiss, weshalb du nicht zuschlagen konntest< Um wen ging es dabei?"
Ransome schloß müde die Augen. "Es ist eine alte Geschichte, Olivia. Lass die Sache auf sich beruhen."
Leicht verärgert fragte sie: "Wenn es eine alte Gesichte ist, weshalb ist sie dann nicht begraben und vergessen? Weshalb kann sie noch heute unser Leben belasten?"

Er dachte eine Weile nach, nickte und sagte: "Vielleicht hast du Recht. Zuviel war zu lange begraben." Er legte Holz auf die Glut und wartete bis die Flammen züngelten. "Es gab einen Tag, da hätte Josh Jai umbringen können. Aber Josh brachte es nicht über sich. Weisst du, Jai war damals erst acht Jahre alt."
Olivia fragte leise:"Du...du hast ihn als Kind gekannt?"
"Ja, ich habe ihn als Kind gekannt." antwortete er seltsam tonlos und setzte sich wieder. "Wir waren damals alle anwesend....Josh, seine Mutter, Bridget und ich. Es war etwas vorgefallen. Josh holte seine Jagdpeitsche und versetzte dem Jungen einen Schlag- nur einen. Dann wurde ihm bewusst, was er tat." Ransome schüttelte traurig den Kopf. "Jetzt wünschte ich ebenfalls, er hätte sich damals nicht zurückgenommen."

Die Narbe! Olivia spürte an den kalten, zusammengepressten Lippen wieder die lange Narbe, die sie in jener Nacht mit unzähligen Küssen bedeckt hatte, ohne jedoch von ihm zu erfahren, woher er sie hatte. Wie ein Stich durchzuckte sie der Schmerz. Sie biss sich so fest auf die Lippen, bis sie Blut schmeckte, um das Gefühl auszulöschen. Energisch setzte sie sich wieder. Raventhornes Narben und Wunden gingen sie nichts mehr an. Diese alte Geschichte durfte nicht wieder ans Licht geholt werden.

Aber dann hörte sie eine Stimme fragen: "Und wie ist es dazu gekommen?"
Hatte sie gefragt? Olivia wusste es nicht.
"Vielleicht wäre es uns allen besser ergangen, wenn Jai nicht überlebt hätte." sagte Ransome bedrückt. "Aber.." Er verstummte und ließ den Kopf sinken.
"Aber?" Innerlich fragte sie sich aufgebracht: Warum ermutige ich ihn dazu, warum?
"Aber...man hat ihm Unrecht getan. Wie seelenlos, wie bösartig, wie ehrlos er auch sein mag, man hat Jai Raventhorne Unrecht getan!" Er lachte bitter.

"Nun ja, aber man hat Jai Raventhorne immer Unrecht getan." fuhr er fort. " Er gehört zu den Menschen, denen durch eine Laune des Schicksals immer Unrecht geschieht." Er starrte in das prasselnde Feuer.
"Olivia, Jai wurde in meinem Haus geboren."

So, dass wars für heute. Bin schon sehr auf eure Commis gespannt, über die ich mich immer so freue *knuddel*

Lg,
Santine :wink

Miri: Also was Jai mit Raventhorne zu tun hat, kann ich dir sagen...Jai IST Raventhorne Was er mit "Ransome" zu tun hat...das erfährst du jetzt *zwinker*
Keira: Ach, da kommen noch spannendere Szenen...versprochen..*lach* Aber die hier ist auch nicht so ohne..Hast schon Recht. Und das Konzert war supergenial :yeah
@Hutzi: Freut mich, dass es dir gefällt.
Wildkatze: Hoffe dein Stress lässt bald wieder nach...! Schön, dass als Fachkundiger meine Umsetzung gefällt.
Thiara: Und noch so eine Arme mit Stress. Hoffe, dass auch bei dir der Stress schnell wieder abnimmt..*knuddel* Ein paar deiner Fragen werden jetzt hoffentlich geklärt.
Naddelchen: Danke für das Lob!
Nikita: Hoffe du bist inzwischen wieder ganz gesund!
Fanny: Der Smilie ist aber auch toll :augdrück Also bis Jai kommt, dauert das leider noch und dass Oli mit ihm glücklich wird...Wohl eher nicht..Sorry.

Hoffe ihr verzeiht mir, dass es schon wieder so lange gedauert hat, aber ich habs nicht früher geschafft. Hoffe, ihr habt euch inzwischen nicht alle das Buch gekauft....:hi Bemühe mich, zu meiner alten, täglichen FS-Form zurückzufinden :augdrück

Was sie auch erwartet hatte zu hören, oder wie wenig sie hören wollte, damit hatte sie nicht gerechnet. Olivia sah Ransome fassungslos an. Trotz der Hitze des Feuers waren ihre Hände eiskalt.
"Er kam in den Dienstbotenunterkünften zur Welt. Seine Mutter war eine junge Frau von den Bergstämmen. Man fand sie eines Tages vor meinem Tor, ausgehungert, mittelos und," er hüstelte, "hochschwanger. Man brachte sie in die Unterkünfte und das Kind - eindeutig ein Mischling - kam in derselben Nacht zur Welt. Ich weiss noch, dass es regnete. Es war während des Monsuns."

In seine Erinnerungen versunken starrte Ransome ins Feuer. "Als die Frau sich erholt hatte, ließ ich sie mit dem Kind bleiben, vielleicht um mein Gewissen zu beruhigen, weil sie dieses Schicksal einem meiner Landleute zu verdanken hatte. Sie verdiente ihr Geld mit Gartenarbeit. Sie war sehr geschickt, sie schnitzte auch Spielzeug und sogar eine Gallionsfigur. Die Diensboten erzählten,dass sie nie ihren Namen preisgab. Man nannte sie Malan."
Unbewusst griff sich Olivia an den Hals. Jai Raventhorne hatte seinen ersten Schrei in einer Dienstbotenunterkunft ausgestossen. In einer armseligen Hütte hatte er zum ersten Mal geatmet und mit seinen grauen Augen das Licht der Welt erblickt....

Ransome bemerkte weder Olivias Schweigen noch ihr aschfahles Gesicht. "Ich mochte ihn nicht. Schon als Kind hatte er etwas bedrohliches an sich. Er schien die geheimnisvolle Fähigkeit zu besitzen, die Gedanken anderer Menschen zu lesen. Er war unheimlich und nie wirklich ein Kind. Er war vom ersten Augenblick an wie ein Erwachsener, hat nie gelächelt."
Olivia fragte: "Und das Auspeitschen?"
"Ach ja, das Auspeitschen." Ransome hatte schnell und abgehackt gesprochen, als sie er erleichtert darüber, sich eine schwere Last von der Seele zu reden. Jetzt beruhigte er sich und sprach langsamer."

"Josh, Lady Templewood und Bridget waren zum Essen gekommen. Nach dem Essen ging Bridget ins Nebenzimmer und erwischte den Jungen wie er einen Teller Essen stehlen wollte. Bridget erschrack und als sie ihn zurechtwies, beschimpfte er sie. Bridget gab ihm eine Ohrfeige und er wehrte sich wie ein Tier. Er sprang sie an und biss ihr in die Hand, bis Blut kam. Bridget schrie. Wir alle liefen, in das Zimmer, Josh hatte seine Peitsche dabei. Er sah die blutende Hand seiner Frau und geriet ausser sich vor Wut. Er schlug den Jungen und seine Mutter, die sich schützend vor ihn stellte. Er verletzte beide." Hinter Ransomes Augen schien sich die ganze Tragödie zu wiederholen.

"Josh hob die Peitsche wieder, aber plötzlich war sein Zorn verflogen. Er zögerte. Bridget stand in der Ecke und weinte leise. Lady Stella Templewood, Josh Mutter, stand an der Anrichte und sah schweigend zu. Als Josh die Peitsche langsam sinken ließ, hob sie eine Augenbraue und befahl herrsich: "Schlag ihn tot, Josh. Ein richtiger Jäger lässt kein verwundetes Wild zurück."
Wie immer sprach sie kalt,leidenschaftslos und mit der Entschlossenheit, mit der sie für den Erfolg ihres Sohnes gesorgt und seinen rücksichtslosen Ehrgeiz angestachelt hatte. Ich werde diesen Augenblick nie vergessen, Olivia, nie - auch nicht ihr Gesicht. Die Kaltblütigkeit, der Egoismus, die Herrsucht dieser Frau waren nicht zu überbieten."

Er hustete schwer und Olivia sprang auf, um ihm ein Getränk einzuschenken. Dankbar nahm er das Glas entgegen, trank einen Schluck und sprach dann weiter.
"Ich musste eingreifen, Josh stand völlig unter ihrem Einfluss. Ich fiel ihm in den Arm....Heute muss ich mich fragen..." Er schüttelte den Kopf. "In der Nacht verschwanden Mutter und Sohn. Ich hatte einen Arzt rufen lassen, denn der Junge war schwer verletzt gewesen. Aber die beiden waren nicht mehr da und unaufindbar." Später machte sich niemand mehr Gedanken um ihn. Mit dem Jungen hatte es von Anfang an Schwierigkeiten gegeben. Er log, war frech und aufsässig. Ich war froh, ihn los zu sein. Ich war sicher, dass sie überleben würden." Er lächelte schwach und trank seinen Cognac aus. "Damals schien es auch nicht weiter wichtig zu sein."