"Wer Liebe verspricht..."

Sie spürte seinen angespannten Rückenmuskeln und streichelte sie, bis sie weich und locker waren. Sie linderte mit leisen, zärtlichen Worten seine inneren Qualen. Sie empfand eine unendliche Liebe für ihn und spürte das bereits vertraute Sehnen, dass sich einstellte, wenn sie sich nahe waren. Eine Weile lag sie still in seinen Armen. Seine Hände schenkten ihrem Körper zögernd, vorsichtig die Zärtlichkeit, nach der sie sich sehnte und sie konnte beinahe sehen, welche Anstrenung ihn die Zurückhaltung kostete.

Irgendwann hob er den Kopf und küsste sie lange.
"Ermutige mich nicht, Olivia," murmelte er mit angespannten Gesicht, "ich habe nicht leicht Angst, aber du schaffst es, ich Angst vor mir bekomme. Das ist ein merkwürdiges Gefühl.
Er ging noch nicht auf seine Matte zurück und trotzdem hatte er sich wieder von ihr gelöst und in sein Schneckenhaus zurückgezogen. Sie wollte ihn an sich drücken, sein launisches, flüchtiges Wesen für immer festhalten. Aber sie wusste, das lag nicht in ihrer Macht - noch nicht, vielleicht sogar nie.

Traurig ließ sie zu, dass er sich nun auch Körperlich von ihr entfernte und sich wieder auf seine Badematte legte.
Eine Weile sprach niemand ein Wort, bis Jai das Schweigen brach.
"Du hast mich gefragt, ob es etwas gibt, das ich nicht weiß. Es gibt etwas. Ich weiß nicht, warum du mich unbedingt lieben willst."
"Warum ich dich lieben will ? Gibt es denn eine andere Wahl?"
Auf diese Frage erwartete sie keine Antwort und er gab ihr auch keine. Er legte sich auf den Bauch und nach einer Weile tat sie es ihm gleich.
Sie achtete sein düsteres Schweigen, aber auch sie hatte bittere Gedanken.

Sie hatten schon eine seltsame Beziehung - wenn man es überhaupt Beziehung nennen konnte! Sie waren wieder Freunde noch Liebende . weder Fisch noch Fleisch. Sie gab ihm das Versprechen uneingeschränkter Liebe. Sie gab ihm alles. Er gab ihr Worte, eine Berührung, einen flüchtigen Blick, der beinahe nach Liebe aussah. Doch wie wertvoll waren ihr inzwischen diese zufälligen Worte, Blicke und Zärtlichkeiten!
Jai Raventhorne mochte unzulänglich in seinem Schneckenhaus sitzen, ein unahbarer Fels und in seiner Unberechenbarkeit verletztend sein - aber sie hatte geschworen, ihn zu lieben, so wie er war.

Eine halbe Stunde waren beide wieder angezogen. Es war höchste Zeit aufzubrechen, auch wenn Olivia die Trennung beinahe körperlich schmerzte. Bevor Jai aufsaß hielt er noch einen Augenblick ihre Hand.
"Weißt du, was ich am wenigsten mag, wenn ich dich treffe, Olivia?"
Sie schüttelte den Kopf und er legte die andere Hand an ihre Wange.
"Den Augenblick, wenn ich dich wieder verlassen muß."

Sie sah ihm nach, als Shaitan wie ein Sturmwind mit ihm davonflog, bis er in einer Staubwolke verschwand. Die letzten Worte schloß sie in ihr Herz wie Edelsteine in eine Schatzkammer. Sie hatte nich gefragt,wann Sie ihn wiedersehen würde und er hatte es ihr auch nicht gesagt.
Aber diesesmal fiel es ihr leichter, Geduld zu haben, denn sie würde ihn wiedersehen...nicht einmal, nicht zweimal, sonder wieder und wieder.
Keine Macht der Erde konnte daran etwas ändern.

Morgen geht es weiter...!
Wie findet ihr eigentlich die "Beziehung" der Beiden..?
Lg,
Santine :wink

Wie immer, tausend Dank für eure lieben Commis...! :knuddel
Heute gibt es leider erstmal nur eine kurze FS, aber vielleicht habe ich später Zeit und stelle nochmal eine rein...Mal sehen!

Olivia saß in der Gartenlaube und las. Im Haus war es unerträglich. Sir Joshua litt immer noch unter Hitzefurunkeln und hatte deswegen schlechte Laune, Lady Bridget saß die meiste Zeit in ihrem Salon und wollte nicht gestört werden und Estelle war auch kaum noch zu Hause und wenn anscheinend nur, um mit ihrer Mutter zu streiten.
Umso überraschter war Olivia deshalb, als sie Estelle direkt auf sich zukommen sah.

"Du wirst nie erraten, was ich gemacht habe!" Ausnahmsweise war Estelle guter Laune. "Fragst du mich nicht, was?"
"Nein." Olivia legte ihr Buch beiseite. "Du wirst es mir nämlich ohnehin gleich sagen."
Estelle streckte ihr die Zunge heraus, aber ihre Augen strahlten.
"Ich habe vorgetanzt!"
Olivia sah sie groß an. "Für die Aufführung?"
"Ja!" Estelle ließ sich neben Olivia fallen. "Mr. Hicks findet, ich tanze sehr gut."
Schon seit Tagen tobte ein verbissener Kampf zwischen Estelle und ihrer Mutter.

Eine fahrende Schauspielertruppe beabsichtigte, Kalkuttas Gesellschaft in der Weihnachtszeit mit der Operettenversion von Aschenputtel zu unterhalten. Die Hauptrollen wurden von den Mitglieder der Truppe dargestellt, aber Mr. Hicks, der Leiter, versuchte aus jungen Damen der Gesellschaft eine Tanzgruppe zusammenzustellen. Es war völlig harmlos, aber Lady Bridget hatte drei entschiedene Einwände dagegen.
Erstens, Berufsschauspieler führten ein moralisch zweifelhaftes Leben, zweitens würde die Tänzerinnen spärlich bekleidet sein und drittens wusste man, dass Mr. Hicks ein persönlicher "Freund" von Mrs. Drummond war.
Olivia sah ihre Cousine nachdenklich an.
"Weiß deine Mutter, dass du bei Mr. Hicks vorgetanzt hast?"

Lg,
Santine :wink

Danke für eure Commis...hab mich wie immer sehr gefreut. :kiss
Ihr werdet ja bald sehen, ob ihr mit euren Spekulationen richtig liegt...*grins*

"Nein, aber Sie wird es erfahren, wenn er mich nimmt."
"Und wenn er dich nimmt, wird sie dir nicht erlauben, aufzutreten, dass weisst du! Ich bin mir auch nicht sicher, ob Onkel Josh es dir erlauben wird. Dein Mr. Hicks wirkt wie ein Lebemann, auch wenn er vielleicht keiner ist."
"Mir ist es gleich was Mama sagt, Oli. Wenn Mr. Hicks mich dafür geeignet hält, dann mache ich mit. Und Papa wird nichts dagegen haben, er hat völlig vergessen, dass es mich gibt." Sie schob trotzig die Unterlippe vor. "Stell dir vor, diese Schauspielerin, Clarissa Rose, hat bereits vor der Queen im Convent Garden getanzt! Und ich versauere hier und langweile mich schrecklich." Sie rollte dramatisch die Augen und war mal wieder einem ihrer Selbstmitleidanfälle nahe.

"Freddie und du, ihr habt dasselbe Problem - ihr braucht mehr Beschäftigung. Warum fragst du nicht Onkel Josh,ob du ihm im Kontor helfen kannst? Er würde sich sicher darüber freuen."
Estelle sah sie entsetzt an. "Ich soll in Papas Kontor arbeiten?" Sie schauderte. "Mein Gott, ich würde mich zu Tode langweilen."
"Du langweilst dich jetzt zu Tode." sagte Olivia. "Dort würdest du etwas nützliches tun und deinen Eltern eine Freude machen."
"Ich werde reisen, Olivia. Ich werde etwas Richtiges machen und richtige Menschen kennenlernen." Estelle sah sie herablassend an und fügte schnippisch hinzu: "Ich werde unabhängig sein!"
"Wenn du unabhängig sein willst, musst du dir deinen Lebensunterhalt selbst verdienen, meine Liebe." bemerkte Olivia.

"Ich würde sterben wenn ich das tun müsste!" Estelle rümpfte die Nase.
Olivia lachte. "Und womit willst du deine wundervolle Unabhängigkeit finanzieren? Willst du deinem Papa die Rechnungen schicken?" Sie hob verächtlich die Schultern. "Das ist für mich keine Unabhängigkeit."
"Es gibt noch andere Möglichkeiten..." Estelles rundes Kindergesicht wirkte stolz.
"Du meinst du wirst John heiraten und ihn die Rechnungen bezahlen lassen? Auch dass halte ich nicht gerade für Unabhängigkeit." Olivia grinste und zwinkerte ihrer Cousine zu.

"Ach, ich könnte mir auch einen alten,reichen Mann angeln. Sag mal Oli, wie stellst du dir eigentlich deine Hochzeit vor?" Estelle schloß die Augen und lehnte sich zurück.
"Also, wenn ich einmal heirate, dann muss es eine Hochzeit sein, die niemand so schnell vergisst, ein gesellschaftliches Ereigniss erster Güte. Ich will ein Brautkleid, dass alles andere in den Schatten stellt und einer Königin gerecht werden würde. Und natürlich einen Ring mit einem riesengroßen Stein. Und dann der Empfang...überall Stoffbahnen, viele Gäste und alles in Weiß und Pink." Estelle seufzte zufrieden. Olivia lächelte.

"Weisst du Estelle, die Hauptsache ist, dass du zusiehst, dass dein Mann reich genug ist, um dir so viele Pralinen zu kaufen, wie du willst. Sonst musst du wieder den Koch bestechen, damit er für dich aus der Vorratskammer stiehlt!"
Bei der Erinnerung an ihren geheimen Pakt mit Babulal stieß Estelle einen wenig damenhaften Fluch aus, stürmte beleidigt davon und ließ Olivia allein in der Laube zurück.
Olivia sah ihr grinsend nach. Dann musste sie wieder an Estelles Frage denken. Ihr war es gleichgültig, wie prunkvoll das Kleid war, obwohl ihr ein schlichtes am liebsten gewesen wäre.Und einen riesigen Diamanten wollte sie auch nicht. Als Gäste langten ihre Familie und Freunde völlig. Das einzige was sie wollte, war den Mann zu heiraten, den sie liebte.

Fs folgt...
Lg,
Santine :wink