Schlaflose Nächte
„Oh, ist der niiiiiieeedlich!“ Laura verdrehte genervt die Augen. Seit Monaten ging das jetzt schon so: wenn ihr Sohn irgendwo einen Hund sah, auch wenn es nur im Fernsehen war, fing er wieder damit an, dass er auch einen wollte. Sie hatte ihrem Mann gleich gesagt, dass es keine gute Idee war, Robbie „Lassie“ sehen zu lassen.
„Schatz, du weißt doch, in so einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt geht das nicht. Das wäre für den Hund nicht gut. Der braucht Platz, um sich auszutoben.“ „Wieso ziehen wir dann nicht um?“ Manchmal konnte der Kleine einem schon auf die Nerven gehen.
Ben, Lauras Mann und Robbies Vater, grinste verstohlen. Nie kam er ihr zu Hilfe, immer musste sie als die Böse darstehen, die alles verbietet! Robbie gab keine Ruhe. „Isabell ist auch gerad in ein größeres Haus gezogen...“ „Isabells Vater ist ja auch stinkreich,“ sagte Laura in etwas schärferem Tonfall als beabsichtigt.
„Und deine Mutter hat nun mal lieber mich armen Schlucker geheiratet als einen Mann mit einem großen Haus,“ ließ Ben verlauten. „Also ehrlich gesagt waren die mit den großen Häusern leider alle schon vergeben...“ Ben gab seiner Frau einen leichten Stoß mit dem Ellbogen, dann sah er auf die Uhr. „Zeit ins Bett zu gehen, Robbie.“
„Bloß noch zehn Minuten!“ Aber Ben schüttelte den Kopf. „Wenn du dir jetzt gleich die Zähne putzen gehst und im Bett verschwindest, lese ich dir noch was vor. Ansonsten...“ Er brauchte gar nicht auszureden, sein Sohn war schon ins Bad geflitzt.
Ben rutschte näher an Laura heran und gab ihr einen Kuss. „Weißt du, Süße, das mit dem Haus ist eigentlich keine schlechte Idee. Vor allem wenn...“ Er deutete auf ihren Bauch. „Vergiss es,“ blockte sie ab. „Kannst du mir mal verraten, wie wir das finanziell schaffen sollen? Noch ein Kind würde es alles andere als einfacher machen. Und diese blöde Ziege würde mich nach dem Mutterschaftsurlaub nur noch schlechter behandeln. Die wird doch jetzt schon fuchsteufelswild, wenn einer bloß mal eine Woche fehlt.“
„Du hast es echt nicht leicht mit deiner Chefin, was?“ fragte Ben mitfühlend. Er selbst war den ganzen Tag als Vertreter unterwegs, aber sehr zufrieden in seinem Job. Aber weil es in der Nähe keine Schule für Robbie gab, die eine Nachmittagsbetreuung für Kinder anbot, blieb Laura nichts anderes übrig, als einen ihr verhassten Halbtagsjob zu machen.
Robbie kam aus dem Bad. Er wollte, dass seine Eltern endlich mit dem Rumschmusen auf der Couch aufhörten und sein Vater ihm eine Geschichte vorlas, und das brachte er auch deutlich zum Ausdruck. Ben gab sich geschlagen, trennte sich widerstrebend von seiner Frau und folgte seinem Sohn ins Kinderzimmer.
Nach nur wenigen Minuten Vorlesen war Robbie auch schon eingeschlafen. Während Ben das Licht ausmachte und leise zur Tür ging, dachte er daran, dass er eigentlich ganz zufrieden mit seinem Leben sein konnte. Allerdings... eine größere Wohnung oder gar ein Haus könnte nun wirklich schaden.