„Caroline, das mit gestern Abend tut mir leid. Ich weiß, ich war ein bisschen grob zu dir. Du hast ja nur getan, was du für richtig hieltest.“
„Du hast mich angeschrieen, weil ich Chrissy nicht davon abgehalten habe, verrückte Sachen zu tun“, flüstert Caroline gepresst. „Das war nicht gerade fair, oder? Ich bin doch nicht Chrissy Babysitter. Außerdem hatte ich in dem Moment ganz andere Sorgen – nämlich, dass mich eine Planierraupe über den Haufen fährt.“
Frau Kirby lacht leise. „Ich weiß, Liebes. Und ich wollte dir noch sagen, dass du sehr tapfer warst. Ich hab gestern wohl ein bisschen überreagiert. Weißt du, es ist für Eltern schon ein ganz schöner Schock, wenn ein Anruf kommt, man möge sein Kind bei der Polizei abholen. Ich hatte in dem Moment nur den einen Gedanken, dass dieser Vorfall uns mal wieder eine Menge Ärger einbringt.“
Caroline sieht ihre Mutter zum ersten Mal an. „Wieso mal wieder?“
„Naja, so eine ähnliche Geschichte war auch an dem Zerwürfnis mit meiner Familie schuld.“
„Ich dachte, sie konnten Papa nicht leiden?“
„Ja, weil man ihn ein paar Mal verhaftet hat – unter anderem.“
„Meinen Vater? Papa, der immer brav wartet, bis die Ampel auf grün springt, auch wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist?“
Frau Kirby lacht leise. „Es war zu unserer Studentenzeit in den Sechzigern, als wir an einigen Demonstrationen gegen den Vietnam-Krieg teilgenommen haben. Wir haben im Prinzip genau dasselbe getan wie ihr – wir haben friedlich protestiert und waren sicher, dass wir bei den Verantwortlichen Gehör finden würden. Statt dessen haben sie uns verhaftet. Als meine Eltern davon erfuhren, haben sie sich entsetzt von deinem Vater – und auch von mir – abgewandt. Gestern habe ich zuerst befürchtet, dass deine Tante Ingrid genauso in die Luft gehen würde, wenn sie hört, dass ihre Tochter verhaftet worden ist, und dass sie mir die Schuld daran geben würde. Weißt du, ich möchte meine Familie nicht schon wieder verlieren.“
„Mama, sie wird das schon verstehen“, meint Caroline. „Und unser Direktor will auch ein gutes Wort für uns einlegen. Vielleicht lassen sie die Anklage ja sogar fallen. Chrissy war übrigens echt tapfer – wenn sie nicht gehandelt hätte, wäre der Mann vielleicht wirklich mit dem Bulldozer auf uns losgegangen.“
Edith Kirby legt ihre Arme um ihre Tochter. „Ich glaube, du warst auch tapfer, mein Kind, sehr tapfer sogar. Chrissy ist ein Typ Mensch, der immer für Wirbel sorgt, du dagegen nicht. Wenn jemand von Natur aus so schüchtern und reserviert ist wie du, dann braucht er eine Menge Mut, um aus sich herauszugehen. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Schatz.“
„Danke, Mama“, murmelt Caroline. Fast fügt sie noch hinzu, dass ihre Mutter so ziemlich der einzige Mensch ist, der sich daran erinnert, dass auch sie einen Anteil an der ganzen Sache gehabt hat. „Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett.“
„Soll ich dir vorher noch was Heißes zu trinken machen?“
„Nein, danke, Mama.“
„Dann gute Nacht, Liebes. Schlaf gut.“
„Danke, Mama, du auch.“
Freue mich über jeden Kommentar von euch!