So, hier ist meine neue Fotostory! Ich hoffe, ihr habt Freude daran und ihr könnt mir Kommentare über Kommentare schreiben.
Caroline
Szene im Schlafzimmer von Carolines Eltern
„Und wie ist sie so – meine Cousine Chrissy?“ fragt Caroline Kirby.
Carolines Mutter, die gerade dabei ist, ihre Reisekoffer auszupacken, lächelt. „Ein bisschen wie du. Groß und schlank. Blonde Haare und blaue Augen. Sommersprossen auf der Nase, weil sie so viel im Freien ist. Abgesehen davon seht ihr euch sehr ähnlich. Wir haben ein paar Jugendbilder meiner Mutter rausgesucht. Ihr habt beide viel Ähnlichkeit mit ihr.“
„War Oma denn auch blond?“ fragt Caroline.
Frau Kirby nickt. „Ja, Großvater hat immer behauptet, ihr Haar sähe aus wie gesponnenes Gold. Es hatte noch die Farbe, als sie starb...“ Sie wendet sich rasch ab und beginnt, Schmutzwäsche in den Wäschekorb zu stopfen.
Caroline schweigt eine Weile, dann fragt sie zögernd: „Bist du froh, dass du hingefahren bist?“
Frau Kirby starrt auf ihre Hände und nickt. „Ja, ich bin froh. Es hat sehr weh getan, meine Mutter so zu sehen, aber es ist gut, dass wir uns ausgesöhnt haben, bevor sie starb.“
„Das war bestimmt schwer für dich, hinzufahren. Ich meine, wo ihr doch so viele Jahre überhaupt keinen Kontakt miteinander hattet.“
Frau Kirby seufzt und streicht sich das Haar aus der Stirn. „Und dabei noch aus so einem dummen Grund. Sie konnten sich mit dem Mann, den ich heiraten wollte, nicht abfinden, und haben mich gezwungen, zwischen ihm und der Familie zu wählen.“
Caroline sieht ihre Mutter verblüfft an. Bis jetzt hat sie nur gewusst, dass ihre Mutter im Streit aus dem Haus gegangen ist, aber den Grund für das Zerwürfnis hat sie nicht gekannt.
„Mama, hab ich das richtig kapiert? Du redest von Paps? Meinem Paps?“ Caroline denkt an ihren Vater. Er ist ein stiller, gebildeter Mann, der die Nase meistens in einem Buch vergraben hat. Caroline muss grinsen.
„Damals war er ein bisschen anders als heute“, meint Frau Kirby mit einem nachdenklichen Lächeln. „Wir waren beide anders. Aber ich wusste genau, dass er der Richtige für mich war. Meine Mutter war damals zu engstirnig, um das zu begreifen, und viel zu stur, um später den ersten Schritt zu tun. Meine Schwester Ingrid hat mir erzählt, dass Mama viel von mir gesprochen hat, bevor sie starb. Sie muss das alles schrecklich bereut haben.“
„Mir hat es auch immer leid getan, dass wir praktisch gar keine Verwandten hatten“, sagt Caroline.
Frau Kirby sieht ihre Tochter liebevoll an. „Na ja, vielleicht können wir das Versäumte nachholen. Es war so schön, Ingrid und ihre Familie zu sehen. In all den Jahren hab ich gar nicht gemerkt, wie sehr ich meine Schwester vermisst habe. Meine kleine Schwester Ingrid! Und jetzt hat sie vier fast erwachsene Kinder.“
„Und eins davon ist meine Cousine, und sie ist genauso alt wie ich“, sagt Caroline. „Mama, ich bin unheimlich gespannt auf sie. Können wir sie nicht mal in Iowa besuchen?“
„Das wird vielleicht gar nicht nötig sein“, erwidert Carolines Mutter mit einem verschmitzten Lächeln. „Wenn unser kleiner Plan funktioniert, wirst du sie bald kennen lernen.“
„Was für ein Plan?“
„Ingrid möchte Chrissy für ein Jahr zu uns schicken“, erklärt Frau Kirby. Sie legt ein paar Sachen in den Schrank. „Chrissy hat einen Freund, und ihre Eltern machen sich Sorgen, dass sie die Geschichte zu ernst nimmt. Sie möchten, dass Chrissy die Nase erst mal aus ihrem kleinen Dorf herausstreckt, bevor sie sich entschließt, die Frau eines Farmers zu werden. Das hat sie auf die Idee gebracht, Chrissy für ein Jahr zu uns zu schicken.“
Caroline reißt entsetzt die Augen auf. „Ein ganzes Jahr? Und wo soll sie schlafen?“
„Na, in deinem Zimmer!“
„Jetzt hör aber mal, Mama!“ protestiert Caroline. „Ich will mein Zimmer doch nicht ein ganzes Jahr lang mit einem fremden Mädchen teilen!“
„Es wird dir ganz gut tun, Liebes. Du sitzt sowieso viel zu oft allein in deinem Zimmer herum. Außerdem ist Chrissy keine Fremde. Sie ist deine Cousine.“
„Und wenn wir uns nicht ausstehen können?“ meint Caroline.
„Eben hast du noch behauptet, du könntest es kaum erwarten, sie kennen zu lernen“, betont ihre Mutter.
„Na ja, stimmt doch auch. Sie kann ja kommen und eine Weile bei uns bleiben, aber bitte, bitte nicht für ein ganzes Jahr! Da würde ich glatt verrückt werden.“
„Ach was, du wirst Chrissy schon mögen. Ich glaube, dass man eine Menge Spaß mit ihr haben kann.“
Caroline sieht ihre Mutter misstrauisch an. „Und auf welche Schule soll sie gehen? Etwa auf meine?“
„Ja, natürlich. Das ist sogar der Hauptgrund, warum sie kommt. Chrissy geht auf eine winzige Schule auf dem Land, wo sie keine große Auswahl an Kursen hat. Wenn sie mit dir auf die Maxwell High geht, bekommt sie eine Menge neuer Anregungen.“
Caroline versucht, diese Neuigkeit zu verdauen. Sie sieht alles schon genau vor sich – ein wildfremdes Mädchen, mit dem sie ihr Zimmer teilen muss, das tagtäglich mit ihr zur Schule geht und das sie zu den Treffen mit ihren Freunden mitschleifen muss. Du lieber Himmel! Wie soll ein Mädchen, das auf einer Farm im hintersten Winkel von Iowa aufgewachsen ist, in ihr Leben passen?“
„Mama, das geht todsicher schief! Du weißt doch, wie es bei uns an der Maxwell High ist. Das ist eine super Schule, wo unheimlich viel verlangt wird. Und meine Freunde sind alle ziemlich fein und gebildet. Das wird ganz schön peinlich für Chrissy, wenn die zum Beispiel von ihren Ferien im Ausland erzählen. Chrissy kann da einfach nicht mithalten. Ich meine, was soll sie schon erzählen – von ihren Ferien zu Hause mit Schweinen und Kühen und Hühnern?“
„Sei kein Snob, Caroline! Vergiss nicht, dass ich aus demselben Dorf komme. Chrissy ist ein nettes und intelligentes Mädchen, und ich bin sicher, dass deine Freunde sie mögen werden. Außerdem gibt es immer etwas, was die Menschen voneinander lernen können. So gesehen glaube ich, dass du auch eine Menge von ihr lernen wirst.“
„Ich?“ sagt Caroline in gespielter Verzweiflung. „Was interessiert mich denn das Leben auf einer Farm? Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass ich später mal Kühe melken oder Schweine hüten muss.“ Bei diesem Gedanken muss Caroline unwillkürlich grinsen, und auch ihre Mutter fängt an zu lachen.
„Über all das unterhalten wir uns in einem Jahr noch mal“, meint Frau Kirby. „Ich bin doch sehr gespannt, ob du bis dahin nicht wirklich was von Chrissy gelernt hast.“
„Mit anderen Worten: Die Sache ist beschlossen, ob ich will oder nicht?“
„Es sieht alles ganz danach aus. Sie wollte heute noch mal beratschlagen und mich dann anrufen. Zuerst müssen sie nämlich Chrissy noch davon überzeugen, dass es eine gute Idee ist, sie zu uns zu schicken. Aber welches Mädchen mit Verstand würde sich schon die Chance entgehen lassen, für ein ganzes Jahr nach Kalifornien zu gehen?“